Improvisieren mit Leittönen

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Saxoryx, 1.Mai.2017.

  1. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Da ist auf den ersten Blick was dran, weil die Harmonielehre nicht so "festgeklopft" erscheint wie die Grammatik. Aber auch die Grammatik ändert sich im Lauf der Zeit, wenn auch viel langsamer. Nimm z. B. die französische Grammatik, die sich aus der lateinischen Grammatik entwickelt hat.

    Der Unterschied mMn ist der, dass die Grammatik nicht bestimmt, was Du sagst, die Rhetorik aber schon. Die Harmonielehre sagt auch nicht, wie eine Melodie etc. gut aufgebaut ist.

    Ja, und wir lernen das nicht mehr so spontan wie ein kleines Kind seine Muttersprache lernt.

    LG Helmut
     
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  2. annette2412

    annette2412 Moderatorin

    ....mit 17 lernte ich meinen ersten Mann kennen - er ist Sizilianer und kam gerade nach Deutschand.
    Er sprach kein Deutsch und ich kein Italienisch. Ich lernte wirklich erstmal nur durch Reden, Zuhören und ab und an mal ein Wort im Wörterbuch nachschlagen relativ schnell schon ganz gut Italienisch.
    Dann habe ich mir Bücher gekauft und mich etwas in die Grammatik vertieft.
    Ich spreche (und schreibe ) es heute noch ganz gut.

    Irgendwie habe ich es in der Musik auch so gemacht...erstmal ein wenig ohne große Regeln drauf losgespielt und dann mit der Theorie beschäftigt.
    Ich denke, jeder muss den für sich richtigen Weg finden....ich persönlich finde eine Mischung aus beidem ganz gut.

    Liebe Grüße
    Annette
     
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  3. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Ich denke, sie haben auch was mit "Opportunity" zu tun. Die Chancen, dass jeder Zugang/ Anleitung/ Förderung erhält die oben genannten Dinge über kreative Künste auszudrücken/auszuleben und dabei ein besonderes Talent entdeckt wird, werden leider immer geringer.
    LG Juju
     
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  4. Rick

    Rick Experte

    Hat das hier jemand ernsthaft behauptet? Wenn, dann ist es mir entgangen, ist aber auch kein Wunder bei mittlerweile mehreren hundert Beiträgen.

    Üblicherweise fange ich den Improvisationsunterricht mit EINER Tonart an, die als Tonleiter über den gesamten Umfang und als Stufenakkord-Brechungen gekonnt sein sollte. Bei manchen Schülern, denen das schon zu schwer ist, beginne ich mit einer einfachen Pentatonik. Und wem das noch zu kompliziert ist, der bekommt erst mal nur zwei oder drei Töne verraten, die schön passen und klingen sollen.
    Dann geht es weiter mit offener und geschlossener Melodik, mit Rhythmik und Pausen, also mit der melodischen Gestaltung - keiner soll pausenlos Tonleitern oder Akkordbrechungen runterdudeln!
    (Hihi, ich hatte mal einen Schüler, der das ständig von sich aus machte, er war ein absoluter Coltrane-Fan und es kostete mich sehr viel Anstrengung, ihn mal zu sinnvollen Pausen und einfachen, schönen Phrasen zu bringen...) :-D

    Erst wenn ich der Meinung bin, der Schüler ist jetzt einigermaßen sicher in dem, was er da macht, geht es weiter - es muss also keiner, bevor er den ersten Ton improvisieren darf, zuerst ALLE Tonleitern im Affentempo beherrschen. Man muss ja auch kundenorientiert unterrichten, und so etwas würde keiner mitmachen, sondern sich wohl lieber einen anderen Lehrer suchen. ;)

    So ähnlich ging mir das, als ich nach meinen ersten Bands in Marburg, wo die meisten Mitspieler mehr oder weniger in meinem Alter gewesen waren, nach Heidelberg kam, wo ich auf "alte Hasen" mit jahrzehntelanger Jazz-Erfahrung und viel theoretischem Wissen traf.
    Ich wurde von vielen dieser Musiker respektiert, weil ich spielen konnte und rhythmisch sehr sicher war, doch WAS ich da tat, konnte ich damals noch nicht benennen (das muss man sowieso spätestens erst können, wenn man es anderen beibringen möchte: "Was dem Lehrer dunkel war, macht er seinen Schülern klar.") :D

    Ich werde nie das Schlüsselerlebnis vergessen, als ich so einen "uralten" Jazz-Gitarristen, übrigens seither bis heute ein regelmäßiger Duo-Partner, zum ersten Mal zum Musizieren traf. Er fragte mich, ob er als Intro eine "2-5-1" spielen solle, und ich war völlig verdattert: "Was, Taktwechsel? Wie meinst Du diese Zahlen?"
    Dadurch war er wiederum verblüfft: "Du kannst all diese Nummern spielen, du kennst dich gut mit Jazz aus, und weißt nicht, was eine 2-5-1 ist?"
    Dann spielte er es mir vor, und ich wusste endlich, was er meinte. Natürlich kannte ich diese Akkordfolge, aber als "Subdominant-Parallele - Dominante - Tonika", wie ich es im klassischen Klavierunterricht gelernt hatte.

    Die Stufenakkord-Nummern fand ich praktisch und verwende diese Bezeichnungen nun ebenfalls, aber ich will darauf hinaus, dass es natürlich wichtiger ist, zu HÖREN, wie das klingt, als nur theoretisch gelernt zu haben, was das bedeutet.
    Da sind wir also völlig einer Meinung! :)


    Schöne Grüße,
    Rick
     
    Zuletzt bearbeitet: 8.Juni.2017
  5. ppue

    ppue Experte

    Im Grunde verteidigt hier ein jeder nur seine eigene Herangehensweise. Keiner käme auf die Idee, eine andere Mischung von Theorie und Praxis für gut zu befinden, die er nicht selbst auch praktiziert.
    Krude wird das nur, wenn man mit logischen Argumenten versucht, sein eigenes Tun plötzlich als goldenen Weg zu zementieren.

    Es ist Unsinn, dass Theorie einen nur auf ausgetretenen Wegen gehen lässt.
    Es ist genau so Unsinn, dass einer, der nach Gehör spielt, nicht die alterierte Skala über den Dom.-septakkord spielen kann.

    Alles möglich.
     
  6. Saxfreundin

    Saxfreundin Strebt nach Höherem

    :thumbsup:
     
  7. last

    last Strebt nach Höherem

    Alles kann - nichts muss. :D
     
  8. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

  9. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Wo habe ich gesagt, dass ich Theorie nicht brauche? Ich sage lediglich, es geht bis zu einem gewissen Punkt auch ohne. Theorie=lernen von Regeln aus Büchern, Anleitungen etc.

    Dass ich Deine Herangehensweise, nämlich starre Regeln lernen und stur anwenden, als den Weg sehe, der zwar zu einem Ergebnis führt, nicht aber kreativ ist. ist meine Meinung. Die werde ich, Dir zu gefallen, nicht ändern.

    Nur, hier meint man, speziell Du, dass man ohne Theorie nicht improvisieren kann. Das ist falsch, da man Theorie durch Praxis=Erfahrung ersetzen kann. Viele Jazzer können keine Noten, da nützen Regeln nichts. Das Auswendiglernen Deiner Bedienungsanleitung für Dein Auto macht Dich auch nicht zu einem begnadeten Autofahrer. Zu viel theoretisches Wissen führt zu Hemmungen, die dann wiederum zu einem schlechten oder gar keinem Ergebnis führen.

    JEs
     
  10. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Nö. Es kommt darauf an, was Du als "Theorie" siehst.
    Wenn Du mir sagst, eine Impro muss immer einem II-V-IV, dann klingen alle Ergebnisse harmonisch ähnlich. Da bleibt Dir, noch mit Umspielungen zu jonglieren, oder aufsteigende oder absteigende Läufe und so ein Kram, aber es wird nicht revolutionär neu.
    Wenn Du unter "Theorie" verstehst zu erklären, warum dieses II-V-IV-Schema gut klingt, dann sieht das anders aus. Letzteres halte ich für sinnvoll, ersteres nicht.

    Aber, hier werden munter Regeln, Theorie und Harmonielehre durcheinander geworfen.
    JEs
     
  11. ppue

    ppue Experte

    Ah, fein, es geht weiter (-:

    Es geht sicher ohne. Aber dein Thesen bleiben trotzdem abenteuerlich.

    Ich kann genau so steif und fest behaupten: Du erfindest nie was Neues, wenn du immer nur nachspielst, was andere dir vorlegen. Etwas Neues kannst du aber genau so gut erfinden, wenn du dir den theoretischen Überbau ansiehst, um die Spannungsverhältnisse der Töne weißt und diese bewusst einsetzen kannst.

    Verstehe den Sinn des Satzes nicht. Eine Impro folgt den Akkorden, wie schräg auch immer sie ist. Das hat wenig mit II-V-I zu tun. II-V-I ist eine tradierte Akkordverbindung. Wenn man um sie weiß, kann man sie auch konterkarieren, Techniken entwickeln, die neue Spannung in die alten Strukturen bringt.

    Selbst, wenn du aus der laMeng eine krasse, ganz neue Phrase bläst, wird sie zufällig daher gekommen sein. Da dich Theorie nicht interessiert, wirst du sie auch nicht analysieren, deuten und später bewusst anwenden können. Also, was soll das? Dann hast du zufällig was "Neues" gespielt, wirst dieses Neue aber gar nicht zu einem deiner Stilmittel machen können, da du nicht weißt, was da passiert ist.
     
  12. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Wo habe ich gesagt, daß ich Stadardregeln auswendig lerne und stur anwende? Du findest hier ganz viele Beiträge wo ich schrieb: "Werfe ein Playalong ein, nimm das Horn ubd spiele einfach." Mach ich heute auch noch häufig.

    Manchmal, aber auch nicht immer, bereite ich eine Impro systematisch vor. Da spiele ich Dreiklänge, Akkorde zu den Harmonien, sehe zu die Leitern in die Finger zu bekommen.

    Dann denke ich nicht mehr dran, spiele zu dem PA (oder Band) aus dem Bauch, nach Gefühl.

    Im übrigen macht es mir auch Spaß zu verstehen, warum es so oder so klingt, welchen theoretischen Hintergrund es gibt.

    Auch habe ich nirgends geschriebenn, daß man ohne Theorie nicht improvisieren kann, ganz im Gegenteil.

    CzG

    Dreas
     
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  13. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Auf die Gefahr hin, dass es in einem der 352 vorhergehenden Posts schon mal so oder ähnlich thematisiert wurde:

    @JES stellt offensichtlich auf kreative, künstlerische Entfaltung ohne den Ballast von Theorie ab.

    Ein Impuls, den ich nur zu gut nachempfinden kann - der mir aber schon dramatisch um die Ohren geflogen ist.
    Mich hat damals die Idee getrieben, mit Regeln zu brechen, etwas komplett Neues zu erschaffen, ohne mich mit Gewesenem zu belasten. Ein Original!
    Das Ergebnis: Ich stand in den wilden 1980ern auf einem Jazz Workshop mit 4 oder 5 anderen auf der Bühne zum Abschlusskonzert. Als Theorieverweigerer habe ich, als mein "Solo" kam, so lange frei von der Leber weg irgendwas zu den Tönen hinter mir geblasen, bis die einfach verwirrt abgebrochen haben. Von Form keine Rede, Tonmaterial gerade so wie es mir in die Finger kam - hatte nur leider nichts mit den Changes des Stücks zu tun und meinen Absprung aus dem Solo (sollte 2 Chorusse) habe ich auch grandios vergeigt.

    Sehr peinlich, das.

    1. Erkenntnis: "Kunst" kommt von "Können", nicht von "Wollen" - sonst hieße es "Wulst".
    2. Erkenntnis: "Ich sehe weit, denn ich stehe auf den Schultern von Riesen" (Sir Isaac Newton)
    3. Erkenntnis: Eine Ausdrucksform (z.B. Sprache oder Musik) zu erlernen ist ein lebenslanger Prozess - sogar bei meiner Muttersprache.

    Dass ich - nicht nur wegen langer Pause - mich gerade versuche am Schnürsenkel verschiedener Riesen hochzuhangeln ist nur durch die dritte Erkenntnis erträglich.
    Vielleicht schaffe ich es musikalisch irgendwann bis zum Hosenbund. Dann werde ich mich freuen wie ein Schnitzel ... und weiter in Richtung Schultern klettern, wenn ich irgendwie kann.
    Gelegentlich suche ich mir für die Kletterei einen "Sherpa" - also einen, der schon weiter oben war als ich und bereit ist, mir ein bisschen Hilfestellung zu geben.
    Das kann für mein Getröte ein Saxlehrer sein, ein erfahrener Musiker, jeder, mit dem ich zusammen spiele, egal ob gut oder schlecht - ich lerne.
    Auch Theorie und wie ich sie für meine Zwecke verwenden kann.

    LJS
     
  14. flar

    flar Guest

    Moin, moin

    Wie verdammt noch mal freut sich ein Schnitzel?

    Als Theorie nicht Ablehnender er bitte ich eine grundlegende detailierte Erklärung mit Quellenangaben!
    Über Buchempfehlungen zu dem Thema würde ich mich sehr freuen.
    ;)

    Im Ernst Long John, ein sehr gut geschriebener Beitrag mit vielen tollen Bildern, auch das mit dem Schnitzel!

    Peinlichkeiten passieren einem bei öffentlichen Auftritten selbst bei der besten Vorbereitung auch mal, da muß durch.
    Den von Dir beschriebenen Vorfall kenne ich in ähnlicher Form auch, bei mir war neben der Blamage für mich selbst das Ärgste das Wissen das ich es hätte anders machen können, mit ein bißchen Vorbereitung und wenn ich denn gewollt hätte! :banghead:
    Wenn ich etwas was ich kann verpatze ärgert mich das natürlich auch, aber dieser selbst herbei geführte Vorfall hat doch recht lange an mir genagt.
    Ich hätte mir jedenfalls am liebsten selbst in den Hintern getreten,
    hat auch nicht geklappt :(,
    aber ich arbeitete daran! :cool:

    Viele Grüße Ralf
     
  15. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie sich ein Schnitzel freut...:artist:

    Als ich viele Jahre im nicht immer nur schönen Frankenland lebte, war das eine stehende Wendung, die mir jetzt wieder in den Sinn kam.

    @ppue würde wohl von Fingergedächtnis und Pentatonik sprechen :biggrin:

    LJS
     
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  16. last

    last Strebt nach Höherem


    ...wie Bolle!

    :)last
     
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  17. flar

    flar Guest

    Moin, moin

    Bolle ist also die Berliner Variante eines fränkischen Schnitzels das zu Pfingsten nach Pankow reiste?

    Das mit den Leittönen ist erheblich leichter zu verstehen! ;)

    Viele Grüße Ralf
     
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  18. Gerrit

    Gerrit Guest

    Da die Leittöne in der Auseinandersetzung hier schon so viel Leid verursachten, müssten sie eigentlich Leidtöne heißen!
     
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  19. ppue

    ppue Experte

    Ich habe das leider nie verstanden: Handelt es sich um Leihtöne, also Töne, die man anderen Tonsystemen entleiht oder diesen neuen light tones ohne Zucker?
     
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