Stephen Howard - Haynes Saxophone Manual

Artikel in 'Buchbesprechungen', hinzugefügt von Claus, 9.Mai.2010. Current view count: 8571.

The Step-By-Step Guide to Set-Up, Care and Maintenance
Vor einigen Monaten habe ich mir ein Saxophon von Selmer zugelegt. Ein gutes, wenn auch leider ziemlich teures Instrument. Im Lieferumfang enthalten war ein einseitiger "Beipackzettel " im DIN A5 Format, der Hinweise dazu enthält, wie man das Mundstück auf den S-Bogen bekommt und den S-Bogen auf den Rest des Instruments. Ein weiterer Abschnitt befasst sich mit der Pflege. Das Mundstück sollte nach dem Spiel abmontiert werden und das Innere des Saxophon getrocknet.

Das war's! Nicht der geringste Hinweis darauf, aus welchen Teilen ein Saxophon überhaupt besteht oder wie es funktioniert. Oder woran es liegen könnte, wenn das Instrument eben nicht perfekt anspricht. Wie man zum Beispiel den Kork auf dem S-Bogen pflegt, welche Maßnahmen man gegen klebende Polster ergreifen kann oder wie man das Saxophon auf Undichtigkeiten kontrolliert. Jeder Toaster kommt mit einer ausführlicheren Bedienungsanleitung. Offensichtlich scheint man bei Selmer - wie auch bei ziemlich allen anderen Herstellern von Saxophonen - der Auffassung zu sein, dass ein Spieler nicht mehr Informationen über das Funktionieren seines Instruments und dessen Pflege benötigt.

Das wäre vielleicht vertretbar, wenn die Instrumente stets perfekt eingestellt die Endkontrolle ihrer jeweiligen Hersteller verlassen würden. Zumindest für mein Exemplar kann ich zu Protokoll geben, dass dies nicht der Fall war. Und nach allem, was man hört, handelt es sich dabei nicht um einen Einzelfall.

Auf dem Büchermarkt gibt es Tausende von Produkten, die sich mit dem Erlernen des Instruments und den unterschiedlichsten musikalischen Stilrichtungen befassen. Bücher über die Pflege, Wartung und Reparatur von Saxophonen sind demgegenüber sehr rar. Insofern war ich außerordentlich gespannt, als ich vor einigen Wochen ein Exemplar des "Saxophone Manual" erhielt, welches eine Lücke in diesem literarisch eher unterbelichteten Feld zu füllen versucht. Der Autor ist auch den Mitgliedern des Saxophonforum.de kein Unbekannter: Stephen Howard ist seit über 30 Jahren professioneller Reparateur und hat sich durch eine ganze Reihe von (auf seiner Homepage http://www.shwoodwind.co.uk veröffentlichten) Artikeln zu verschiedenen Saxophonthemen einen Namen gemacht. Insbesondere seine vor einigen Jahren formulierte Kritik an der handwerklichen Ausführung der gebördelten Tonlöcher hochwertiger Keilwerth-Instrumente hat wiederholt für Aufsehen gesorgt. Ob es sich dabei um Montagsinstrumente handelte oder um ein grundsätzliches Problem in der Fertigung, vermag ich nicht zu beurteilen. Auf jeden Fall sind Howards Artikel immer sehr klar und unverblümt geschrieben und generell lesenswert. Dies gilt auch für die zahlreichen Tipps zur Pflege der Instrumente und für kleine Reparaturarbeiten, die allesamt Eingang in sein Buch gefunden haben.

Ich möchte eingangs noch unmissverständlich klarmachen, aus welcher Perspektive ich das Werk beurteile. Ich bin Spieler, kein Reparateur. Ich habe zwar schon gelegentlich den Kork meines S-Bogens erneuert und kleinere mechanische Probleme behoben, aber damit sind meine Fähigkeiten und Kenntnisse auch schon erschöpfend beschrieben. Ich erwartete also Hinweise und Anleitungen, die auch ohne vertiefte Kenntnisse aus der Sicht eines Laien verständlich sind, und die sich auf Arbeiten konzentrieren, die ich ohne die Anschaffung teuren Spezialwerkzeugs erledigen kann. Dies bedeutet, dass ich auch mit allzu großem Fachchinesisch nichts anfangen kann und eine vernünftige Bebilderung benötige, damit es erst gar nicht zu Missverständnissen kommen kann. Schließlich erwarte ich auch ehrliche Aussagen dazu, von welchen Arbeiten ich besser die Finger lassen sollte, wenn mir mein Instrument am Herzen liegt.

Also, erfüllt das Buch von Stephen Howard diese Erwartungen?

Zunächst zu den nackten Daten: das Buch im Format DIN A4 hat insgesamt 164 Seiten. Das ist eine Menge, wenn man in Betracht zieht, dass diese Seiten eng bedruckt sind. Lesbarkeit und Layouts sind exzellent. Dies gilt auch für die verwendeten Abbildungen. Die Bilder sind von ausgezeichneter Qualität, sehr gut fotografiert und ausgeleuchtet und zeigen die für die jeweiligen Arbeitsschritte wichtigen Details in hinreichender Präzision. Das Saxophonmanual hat einen ansprechenden und stabilen Hardcover-Einband und das im Inneren verwendete Papier ist von guter Qualität. Ungeachtet des noch zu besprechenden Inhalts bekommt man also alleine schon von der äußeren Aufmachung her einen sehr guten Gegenwert für die 20,95 €, die bei einem bekannten Online-Buchhändler für das Buch zu überweisen sind.

Nun zum Inhalt:
Im ersten Teil des Buches gibt der Autor ausführliche Hinweise zum Kauf eines (neuen oder gebrauchten) Saxophons. Er geht intensiv auf Qualitätsmerkmale und Qualitätseinstufungen ein und beschäftigt sich mit der auch hier im Forum beliebten Frage, ob man die Saxophone in Anfängerinstrumente, Mittelklasse-Instrumente und Profi-Saxophone einteilen kann. Dabei nimmt er auch die ultrabilligen China-Saxophone in den Blick und stellt die Frage, ob es Sinn macht, sich zunächst ein billiges Saxophone zuzulegen, um dann in zeitlichen Abständen teurere Instrumente zu kaufen. Ebenso versucht er eine Entscheidungshilfe zu geben hinsichtlich der Frage, ob anstelle des Kaufs eines neuen Instruments auf ein gebrauchtes, vielleicht sogar ein so genanntes Vintage-Instrument in Betracht kommen kann. Schön ist, dass die ganze Diskussion nicht in einer Empfehlung für die Marke XY endet, sondern Kriterien genannt werden, anhand derer der Leser eine eigene Entscheidung treffen soll. Howard stellt heraus, dass die Anforderungen eine vernünftige Intonation, ein gleichmäßiger Ton, eine gute Ansprache, eine vernünftige Verarbeitung und schließlich eine gute gängige Mechanik sind. Alles andere sei mehr oder weniger eine Frage des persönlichen Geschmacks. In diese letzte Kategorie fällt nach Ansicht Howards auch die Frage der Oberfläche, die nach seiner Einschätzung kaum Einfluss auf den Ton des Instruments hat.

Im folgenden Kapitel wird das Saxophon im Detail mit allen seinen Bauteilen und deren jeweiligen Funktionen vorgestellt. An dieser Stelle möchte ich auch eine kleine Einschränkung der Brauchbarkeit des Buches für den deutschsprachigen Leser anmerken. Bislang gibt es keine deutsche Übersetzung. Dies bedeutet, dass man zum einen relativ fit in der Beherrschung der englischen Sprache sein muss und zum anderen die Bereitschaft mitbringen muss, sich mit Fachvokabular vertraut zu machen.

Nach der Erläuterung der einzelnen Bauteile folgt in Kapitel vier eine relativ kurz gehaltene Veranschaulichung der Funktionsweise eines Saxophons. Kapitel fünf ist den Klappen, Achsen und Federn gewidmet, Kapitel sechs den Polstern und Tonlöchern. Mit zahlreichen Abbildungen wird das Zusammenspiel der einzelnen Bauteile dargestellt sowie mögliche Fehlerquellen aufgezeigt. Erst im Anschluss daran geht das Buch darauf ein, welche Pflege ein Saxophone benötigt und welche Werkzeuge und Hilfsmittel hierfür sinnvoll sind. Hier geht es dann um Fragen wie Trocknen, Schmieren, aber auch um Anforderungen an das Zubehör wie zum Beispiel Koffer. Dem Thema Reinigung ist ein eigenes Kapitel (neun) gewidmet. Dabei geht es sowohl um die tägliche Reinigung nach dem Spiel als auch um die Frage, wie man über die Jahre gezüchtetem Schmutz zu Leibe rücken kann.

Erst im nächsten Abschnitt des Buches geht es dann um diffizilere Tätigkeiten wie kleinere Reparaturen. Gerade Kapitel 11 (The rules of regulation) bis Kapitel 13 (checking for leaks) sollte man sich in aller Ruhe durchlesen, da es hier um die Diagnose von möglichen Fehlern geht. Ab Kapitel 14 geht es dann um Reparaturarbeiten, die erfordern, dass man das Instrument ganz oder teilweise auseinander nimmt. Ich habe es offen gestanden noch nicht versucht, nach dieser Anleitung mein Instrument auseinander zunehmen (und habe es auch in absehbarer Zeit nicht vor), aber die Bebilderung macht zumindest den Eindruck, dass man sich grundsätzlich an so etwas heran wagen könnte. Hier wäre es natürlich schön, wenn einmal die Reparaturprofis im Forum ihre Einschätzung zu der Darstellung abgeben könnten.

Kapitel 15 widmet sich ausführlich der Ersetzung von Korken und Filzen. Eines der für mich interessantesten Kapitel ist Kapitel 16, in dem beschrieben wird, wie man die Mechanik des Saxophons regulieren kann. Der Schlüssel zu solchen Einstellungsarbeiten ist zunächst einmal das Verständnis, in welcher Weise die unterschiedlichen Gruppen von Klappen miteinander interagieren. Davon ausgehend gibt es eine bestimmte Reihenfolge, in der Einstellungsarbeiten vorgenommen werden sollten. Diese Einstellungsarbeiten werden sehr detailliert erläutert und illustriert. Ebenso verhält es sich mit der Einstellung der Klappenaufgänge in Kapitel 17. Der folgende Abschnitt befasst sich mit der Einstellung der Federspannung, wobei Howard darauf hinweist, dass dies unglaubliche Unterschiede bewirken kann und selbst ein billiges Instrument auf diese Weise erheblich verbessert werden kann.

Kapitel 19 befasst sich dann mit einem auch im Forum sehr beliebten Thema: klebende Polster. Hier finden sich in konzentrierter Form noch einmal unterschiedliche Empfehlungen die wir so auch aus verschiedenen Forumsbeiträgen kennen. Der Trick mit dem Geldschein, den man über die Polster zieht, darf natürlich ebenfalls nicht fehlen. Hier gibt es dann endlich auch einmal ein Schmankerl für die deutsche Leserschaft, denn bei der abgebildeten Banknote handelt es sich um einen guten alten 10 DM Schein! Das habe ich doch geahnt, dass wir die gute alte D-Mark noch einmal wieder sehen werden. ;)

Wie man den Kork an einem S-Bogen ersetzt, wird ausführlich im nächsten Kapitel beschrieben. Auch hier muss wieder die hervorragende Bebilderung erwähnt werden, die es einem leicht macht, die vorgestellten Arbeitsschritte nachzuvollziehen.

Die letzten 35 Seiten des Buches sind übertitelt mit "Advanced maintenance". Hier geht es dann um fortgeschrittene Techniken wie die Ersetzung von Polstern und gebrochenen Federn. Die erforderlichen Arbeitsschritte werden wieder mit der bereits aus den vorangegangenen Kapiteln gewundene Genauigkeit erläutert und illustriert. Allerdings macht Howard keinen Hehl daraus, dass er es für besser hält, diese Arbeiten von einem Fachmann ausführen zu lassen. Nichtsdestotrotz - wer es trotz dieser Warnung einmal versuchen möchte, dürfte mit dieser Anleitung deutlich größere Erfolgsaussichten besitzen als ohne sie.

Die letzten Kapitel des Buches fassen noch einmal die häufigsten Fehler und ihrer möglichen Ursachen zusammen. Ein Glossar und ein ausführlicher Index runden das Saxophonmanual ab.

Mein Fazit zu diesem Werk ist eindeutig, ohne wenn und aber: ich kann mir kaum einen Weg vorstellen, 21 € lohnender zu investieren. Eigentlich müsste dieses Buch oder ein vergleichbares zur Grundausstattung jedes neu verkauften Saxophons gehören. Es ersetzt mit Sicherheit keine mehrjährige Ausbildung eines Holzblasinstrumentenbauers und will dies auch nicht. Gleichwohl lernt man eine Menge über das eigene Instrument und wird in die Lage versetzt, ein eigenes Urteil über die möglichen Ursachen von Fehlern am Instrument zu bilden und einfache Reparaturen auch selbst durchzuführen. Auch für die Prüfung neuer Instrumente vor dem Kauf erhält man Hinweise, die sich zweifellos auszahlen. Von daher: Daumen hoch! Eine ganz klare Kaufempfehlung.
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