Das Hirn auf Improvisation

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Mugger, 8.November.2015.

  1. Rick

    Rick Experte

    Oder den Leuten hat einfach die Themen-Interpretation des Trompeters gut gefallen.
    Ist mir natürlich auch schon passiert, dass nach dem Thema begeistert applaudiert wurde, und als ich dann mal einen Bekannten, den ich bei derlei "ertappt" hatte, nach dem Grund fragte, bekam ich diese Antwort: "Ich fand deine Version gut!"

    Applaus ist beim Konzert die Interaktion der Zuhörenden mit den Vortragenden, eine Form der Kommunikation.
    Ausbleibender Applaus kann viele Gründe haben, doch wenn er kommt, dann will das Publikum in der Regel Zustimmung signalisieren.
    Rhythmisches Mitklatschen ist ebenso eine Form der Interaktion, die dem Vortragenden vermittelt, dass seine Darbietung "ankommt", man stimmt ein, macht mit. Eigentlich eine besondere Form des Lobs!

    Letzten Samstag hatte ich einen Duo-Gig in einem Café, ich spielte Klavier mit dem Rücken zum Publikum, das vorwiegend andächtig lauschte, da drang ein merkwürdiger gedämpfter Lärm an mein Ohr, den ich zunächst nicht einordnen konnte.
    Als ich beim nächsten Stück wieder Sax spielte, erkannte ich die Geräuschquelle: ein älterer Herr spielte auf seinem Tisch "Schlagzeug", freilich nicht immer ganz zu unserer Musik passend, dafür mit vor Begeisterung leuchtenden Augen.
    Nach dem Konzert bedankte er sich überschwänglich für "die tolle Musik, bei der ich einfach nicht still sitzen konnte".
    Gewiss hat seine Perkussion mehr gestört als zur Performance beigetragen - aber sie war ein ehrliches Zeichen der Wertschätzung, deshalb haben wir sie gerne toleriert.
    Warum soll immer nur der Künstler seine Gefühle ausdrücken dürfen und nicht auch der Zuhörer?

    Zum Vergleich kann man ja gerne mal zeitgenössische Berichte über Tumult und Lärm im Theater und der Oper des 18. Jahrhunderts lesen - das andächtige Schweigen bei künstlerischen Darbietungen ist eigentlich erst eine sehr junge Sitte, früher ging's da wesentlich drastischer zu. :cool:


    Schöne Grüße,
    Rick
     
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  2. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Meiner Meinung nach muss man sein Publikum "lieben", wenn man auf die Bühne kommt.

    Wenn ich da schon hingehe mit dem Gefühl "hoffentlich nerven die nicht wieder"...."dass die bloß nicht wieder stören"....
    kann m.E. keine gute Performance dabei raus kommen..

    Das Publikum merkt ja sowas letztlich auch. Eine Funke springt dann nicht über.

    Klar kann ich Musik für mich alleine machen, dann aber doch bitte im stillen Kämmerlein. Wer nach dem Muster verfährt "ich mach hier mein Ding, ist mir doch egal ob wer zuhört", gehört nicht auf die Bühne, bzw. wird die entsprechende Resonanz haben.

    Jeder bekommt das Publikum, dass er verdient.....:p

    Ja, Stones, The Who, etc. haben zunächst ihr Ding gemacht, und haben dann ihr Publikum gefunden, auf der Bühne waren sie für's Publikum da. Da musste am Ende der Show auch das Equipment zertrümmert werden, weil das die Fans erwartet haben.

    Die waren so erfolgreich, weil sie für ihr Publikum da waren..;)

    CzG

    Dreas
     
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  3. saxhornet

    saxhornet Experte

    Das kann man so nicht sagen, sorry. Du suchst Dir dein Publikum nicht aus. Mal kannst Du es lieben, mal nicht. Nicht immer passt es zusammen. Du kannst Dir Mühe geben aber Du kannst immer ein "falsches" Publikum erwischen.
    Beispiele:
    Du spielst Standards, die mögen aber nur Dixieland, die wollen keine Soli sondern nur den Gesang, Du wurdest für Soul und Funk gebucht, das Publikum will PUR, Du wurdest als dezente Hintergrundmusik gebucht, plötzlich sollst Du im Trio ohne Bass und Schlagzeug zum Tanz spielen etc. etc., wenn die Erwartungshaltung unterschiedlich ist kann das nicht passen und da kannst Du Dir so viel Mühe geben wie Du willst, das bekommt man nicht immer gerettet. Da muss ich auch nicht versuchen das Publikum zu lieben, wenn da nicht auch der Versuch vom Publikum unternommen wird offen zu sein für das was kommt.

    Du spielst jetzt zum ersten Mal Auftritte und dein Erfahrungslevel ist da eher noch gering, es kann schon frustrierend sein, wenn Du ein Konzert gibst und Leute sich so laut unterhalten, daß Du beim Spielen gestört wirst, das raubt unglaublich viel Energie. Wenn es Hintergrundmusik sein soll, kein Problem aber bei einem Konzert ist das mitunter ärgerlich. Wobei klatschen nicht von mir als Störung wahrgenommen wird. Publikum kann so unterschiedlich ausfallen und Dir extrem viel Energie geben und dich zu extremen Leistungen peitschen und unterstützen oder auch bremsen und hemmen.

    Es gibt Situationen, da machst Du für Dich eher Musik, versuchst Spaß zu haben und holst damit mehr Leute ab, als wenn Du versuchst für das Publikum zu spielen, gerade wenn Du eher die Funktion eines Luxus-CD-Spielers hast.

    Ach wirklich? Wir unterhalten uns nochmal, wenn Du ein paar hundert Auftritte mehr gemacht hast und da wirklich mitreden kannst und ein paarmal erlebt hast, was da alles schief laufen kann und meist kannst Du selber dafür gar nichts, sondern der Veranstalter, Club etc.

    Lg Saxhornet
     
  4. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem

    Hmmmm......also wenn Du keinen Applaus bekommst, läuft beim Publikum was schief? Genial, da wäre ich nie drauf gekommen...:D

    Ich versuche mal ein Analyse:

    1. Das Publikum weiß nicht, dass MAN nach dem Solo klatscht. Möglich, aber 1) wer möchte schon Ritual-Applaus? und 2) wer hat den Leuten gesagt, dass sie nach dem A-Teil des Themas klatschen sollen?

    2. Das Publikum hat den richtigen Zeitpunkt verpasst, weil Du Dein Solo zu unauffällig beendet hast. Den nicht vergebenen Applaus bekommt stattdessen Dein Kollege.

    3. Das Publikum wollte eigentlich klatschen, weil MAN das so macht, hat dann aber darauf verzichtet um das anschließende Thema nicht zu stören.

    4. Das Puklikum fand Dein Solo nicht sooo toll, aber die Interpretation des A-Teils durch Deinen Kollegen

    5. Das Publikum fand Dein Solo oder gar Dich generell weniger als nicht sooo toll und wollte Dich durch den Applaus für Deinen Kollegen "dissen".

    6. Das Publikum hat nicht zugehört. Möglich. Warum hat es nicht zugehört?

    7. Das Publikum hat keine Ahnung und deshalb nicht geschnallt, wie gut Du soliert hast. Es findet Jazz ganz toll....bis auf das zwischen den Themen....:)


    It's your choice!
     
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  5. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    @saxhornet

    Warum wundert mich Deine Antwort jetzt nicht:

    "Kann man so nicht sagen..."....:D

    Ich schrieb übrigens eher aus Sicht eines erfahrenen Zuhörers...MEINE Erwartung an einen Musiker...

    Als auftretender Musiker kann ich sicher kaum mitreden....

    Sorry, dann ist die Versnstaltung falsch kommuniziert worden...kann ja nicht sein, das jemand Punk erwartet und es wird Freejazz geboten...klar, kann auch sein, dass sich das Publikum falsch informiert hat.

    Aber solch eine "Missmatching" Situatation meinte ich auch nicht..

    DAS ist bei einem Konzert respektlos. Auch das meinte ich nicht...allerdings muß man als Musiker aushalten können, wenn man HINTERGRUNDMUSIK spielt, dass die Leute sich...auch laut...unterhalten...finde ich...

    Nochmal....ich schrieb aus Sicht des ZUHÖRERS, der jetzt AUCH MAL die andere Seite kennen gelernt hat.

    Würde Dir übrigens gut zu Gesicht stehen, nicht immer nur alles
    auf Deine Sicht zu beziehen und es dann zu verallgemeinern...;)

    CzG

    Dreas
     
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  6. last

    last Guest

    Spasseken!
     
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  7. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    @chrisdos:
    Ich wollte es zwar nicht breit treten, aber anscheinend ist das wohl doch nötig. Es war ein Auftritt mit der Jazzcombo der Musikschule, wo ich zu den, sagen wir mal, erfahreneren Akteuren zählte. Böse formuliert: einige der Solisten waren froh, nicht ganz krumm und schief zu spielen. In dem Kontext ragt man zwangsweise heraus, wenn man ein bisschen Routine mitbringt, da braucht das Solo gar nicht so phänomenal zu sein - war es auch nicht unbedingt. Eigentlich hat das mit dem Beifall nach den Solos auch einigermaßen im Laufe des gut einstündigen Auftritts geklappt. Nur halt an der Stelle, an der ich dran gewesen war, nicht. Danach kam dann das Thema, der erste Teil von der Trompete gespielt. Nichts gegen gute Interpretationen einfacher Melodien, aber diese Variante von So Danco Samba war wirklich nichts Besonderes. Aber eben ein deutlicher Klang- und Lautstärkeunterschied zwischen der auf der Bühne zentral platzierten Trompete und dem neben der Bühne am Rand stehenden Flügel. Weil das Stück im Ganzen eher getragen daherkam, hatte das wohl irgendwie einen "Hallo, wach!"-Effekt bei ein paar Schläfern, die mich schlechter den Kollegen dafür umso besser hören konnten. Und irgendwie hat sich das restliche Publikum dann den paar Deppen angeschlossen, die gemerkt haben, irgendwas vergessen zu haben und das dann an unpassender Stelle nachholen wollten. Mich hat die halbe Combo mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck angesehen, was denn gerade hier passiert ist.
    Unser Leiter hat mich dann hinterher damit vertröstet, dass sowas in so einem Kontext schonmal hin und wieder passieren kann. Ich fands trotzdem beleidigend.

    @saxhornet
    So ein Erlebnis mit verwechselter Musikrichtung hatte ich auch mal. Ein Kumpel aus einer Formation hatte ein Nachbarschaftsfest auf dem Hof nebenan und unsere Formation wurde dann zum Spielen geladen. Was der genaue Auftrag war, weiß ich nicht, weil der "Leiter" kein großes Organisationsgenie war. Jedenfalls war das erstmal ganz schön: Bühne ok, Anlage ok, Buffet ok, Getränke sehr ok ;) . Wir haben also mit unserem normalen Jazzprogramm angefangen und nach einer Weile fingen die Leute an, zu tanzen. Da bewegten sich Bühne und die Fläche davor irgendwie in verschiedenen musikalischen Sphären. Man kann vielleicht ein Solo tanzen, aber doch nicht dazu?! Gut, wer noch nie in einer Tanzschule gewesen ist, sollte da vielleicht nicht so vorlaut sein, aber komisch war's schon irgendwie.
     
  8. deraltemann

    deraltemann Strebt nach Höherem

    sieh es doch als traning, das du nicht raus fliegst... dann wirst du auch besser .... und es passt zu deinen Zielen ...

    aber mal mit Verlaub ... ich habe mit deinen Ansichten so meine Schwierigkeiten....
    Musik ist Unterhaltung und soll zur Freude gereichen.... Ich würde nie über Publikum richten oder mir ein Urteil anmassen...
    auch über Musiker nicht .... ich erfeue mich an dem Dargeboten was mir gefällt, was mir nicht so zusagt höre ich wohl aber
    vieleicht verstehe ich nicht was der Künstler sich gedacht (oder auch nicht) hat. Selbst wenn mir C Jam blues im Marschmusikstil dargeboten wird ( natürlich nur das aus notierte Thema und das wars) habe ich genug Humor das als nette Erfahrung zuverbuchen... es bringt mich insofern weiter als das ich dann weis was passiert
    wenn die Phrasierung fehlt.....

    dein Problem ist deine Bewertung von Sachverhalten und nicht der Sachverhalt selbst....t:pigeon:
     
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  9. Bernd

    Bernd Gehört zum Inventar

    Autsch! So ein Erlebnis hatte ich auch mal. Gehört zu meinen traumatischsten Erfahrungen meiner Musikerlaufbahn. Silvesterball in der Neuen Tonhalle Villingen-Schwenningen. (Ca. 2002 oder 2003 war das) Nachdem dort nach Neueröffnung 2 oder 3 Jahre lang eine Bigband mit Sängerin und Bläsersatz gespielt hatte, wollte der Veranstalter mal etwas anderes haben und buchte bei unserer Agentur eine Partyband.
    Den Auftrag erhielten wir.

    Okay. Wir waren damals eine richtig gute 5-Mann-Band in der Besetzung Sänger (und Frontman) Gitarre, Schlagzeug, Keyboards und Bass (ich).
    Der Veranstalter hatte alle Informationen über uns wie Besetzung und Setliste.

    Espasste eifach nciht zusammen. Der Großteil des Publikums befand sich schon in fortgeschrittenem Alter und wollte Standards hören.
    Walzer, Langsame Walzer, Rumba, Tango, Cha Cha Cha, Slowfox etc. Das hatten wir auch. Aber eben nur auch und nicht überwiegend....

    Der Veranstalter versuchte sich dem Publikum gegenüber (in dem sich auch ein paar Vertreter der Stadt und der Provinzprominenz befanden) herauszureden, die Agentur hätte die falsche Band geschickt. Er hätte Bigband gebucht.

    Jetzt kann man trefflich darüber philosophieren, ob es das falsche Publikum oder die falsche Band war. Ich empfand den Abend als äußerst qualvoll!

    LG Bernd
     
  10. Rick

    Rick Experte

    Dann ist es ja gut. Aber komisch, dass nur ich immer solchen "Ausnahmen" begegne und sonst niemand... :roll:

    Ablehnung würde ich nicht sagen, eher Skepsis - immerhin habe ich schon zahlreiche Schüler auf ihr Studium bzw. die Aufnahmeprüfung dazu vorbereitet (und auch nicht versucht, es ihnen auszureden!), ich hatte auch zumindest einen, der nach Berklee ging.
    Auf meine Ex-Schüler trafen meine geschilderten Beobachtungen übrigens nicht zu, wohl aber auf Kollegen, die ich teilweise über Jahrzehnte begleitet habe.

    Das habe ich jetzt beim besten Willen nicht kapiert, inwiefern meine Skepsis dem Jazz-Studium gegenüber jetzt "das Lernen" grundsätzlich in Frage stellt.

    Klar. Ich unterrichte ja auch selbst, wie allgemein bekannt sein dürfte, sowohl privat als auch früher an mehreren Musikschulen, war schon bei Workshops Dozent, war außerdem als Prüfer und als Jury-Mitglied bei Wettbewerben tätig.
    Wenn ich also Skepsis äußere, dann bestimmt nicht deswegen, weil ich keine Ahnung von Tuten und Blasen habe!

    Vielleicht sollte ich den Hintergrund darlegen:
    Als ich begann, mich für Jazz zu interessieren, bis hin zu meinem Studienbeginn der Musikwissenschaft in Heidelberg, gab es erst ganz wenige Jazz-Studiengänge in Deutschland, zunächst mal nur an der Musikhochschule Köln. Jazz, Blues, Rock, Pop lernte man damals nicht auf Akademien oder von Lehrern, sondern in der Szene und im Zusammenspiel.
    Die Lehrer waren selbst häufig Autodidakten im Jazz oder auf ihren Hauptinstrumenten (Schlagzeug, E-Gitarre, E-Bass, sogar auf dem Sax), man lernte völlig anders, mehr durchs Hören und Nachspielen eben.
    Dann kamen erste Lehr-Bücher auf den deutschen Markt, man redete über die Berklee-Methode, manche kauften sich Aebersold-Bände. Manches bewährte sich, vieles fiel durch, gerade die alten Musiker fanden das alles viel zu akademisch und verkopft (ja, auch international bekannte Modern-Jazzer, nicht bloß die Dixie-Opas!).

    Immer mehr Hochschulen boten dann seit den 1990ern plötzlich Jazz-Studiengänge an, Musikschulen öffneten sich für "Popularmusik", eine Dozentenstelle galt als schöner Versorgungsposten für Musiker, inzwischen fangen manche sogar direkt nach dem Studienende als Professor an, ohne nennenswerte Erfahrung auf der "freien Wildbahn" gesammelt zu haben.
    Der Zug war im Rollen und durch nichts mehr aufzuhalten.

    Und meine Skepsis wuchs, denn ich sah, dass dieser ganze Jazz-Studiumskram vor allem ein gigantischer MARKT war für Lehrer, Schulen, Dozenten - und Buchautoren.
    Plötzlich gab es ganz viele tolle neue Lehrmethoden, gerade für Improvisation, Play-Alongs sprießen, Tutorials und was nicht alles.

    Das MUSS natürlich nicht alles schlecht sein, ganz im Gegenteil gibt es da sehr viel Gutes, aber man wird ja wohl auch ab und zu mal Fehlentwicklungen sowie potenzielle Gefahren benennen dürfen, oder nicht?
    Das ganze heutige "Jazz-Establishment" wird schon durch ein wenig kritische Betrachtung nicht untergehen. ;)


    Schönen Gruß,
    Rick
     
    Zuletzt bearbeitet: 11.November.2015
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  11. Mugger

    Mugger Guest

    Also ich zumindestens liebe mein Publikum nicht.
    Ich kenne die Leute meistens ja gar nicht.
    Eigentlich ist mir das Publikum egal, ich versuche meine beste Leistung zu bringen. Das heißt nicht, dass ich mir nicht überlege, was ich wo und wie spiele.
    Wäre ich von meinem Publikum solcherart abhängig, würde mich das viel zu viel aus dem Konzept bringen. Ich bin aber auch kein Jazz-Musiker.

    Andererseits bin ich meinem Publikum nicht böse, wenn es bei virtuos vorgetragenem Ellington höflich und zurückhaltend klatscht, und bei In the mood in Extase gerät, oder bei einem Shuffle auf 1 und 3 klatscht.

    Freundliche Nasenlöcher in jeder Situation, ein wenig Show, höfliche Antworten auf immer die selben blöden Fragen nach dem Gig, ("Ich bin jetzt 55, und Saxophon ist mein Lieblingsinstrument, ist es nicht zu spät, anzufangen?" "Nein, gnädige Frau, spielen sie Alt-Saxophon") dann passt das schon.

    Cheers, Guenne
     
  12. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    @deraltemann
    Du kannst gerne andere Ansichten haben. Für mich ist Jazz eben nicht einfache Unterhaltung, sondern ein intellektuelles Kulturgut, eine Kunstform. Freude habe ich daran, wenn mir jemand zeigt oder ich zeigen kann, dass man eine Ahnung hat, was man da tut und das auf möglichst hohem Niveau, auch technisch, verkauft. Interessante Rhythmik, Phrasierung, geschicktes Ausspielen der Harmonien in einen Reibungs-/Auflösungskontext und diese kleinen anarchischen Momente - das bereitet mir Freude und auf diese Weise unternehme ich meine bescheidenen Versuche, anderen dieselbe Freude zu vermitteln. Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass man als unbedarfter Laie vieles davon nicht wahrnimmt. Wie sollte jemand z.B. Songzitate erkennen, wenn er noch nicht das Real Book rauf und runter gespielt hat? Ich kann das Zitat dran bringen, werde demjenigen dann aber kaum eine Reaktion jedweder Art mit abtrotzen können.

    Dass mir von verschiedenen Seiten vorgeworfen wird, ich würde das Publikum weitestgehend ignorieren oder als Störung empfinden, ist also genau das Gegenteil von dem, was ich eigentlich zu erreichen suche. Ich will vor Publikum spielen, bei dem ich mir sicher bin, dass es versteht und mitbekommt, was ich tue, damit dann möglichst große Freude daran entstehen kann. Nur dann bin ich auch froh und kann mich im Gegenzug darauf verlassen, an der Reaktion meinen Entwicklungsstand ablesen zu können. Eine Metal-Band wird wohl auch kaum ein Altenheim auftreten.
    Wie gesagt - wechselseitige Beziehung von Geben und Nehmen. Ein Konzert ist für mich keine Einbahnstraße, sonst könnte ich auch ganz ohne direktes Publikum auskommen und nur Aufnahmen ins Netz stellen. Dabei traue ich mir durchaus zu, nach 15 Jahren musikalischer Aktivität auch beurteilen oder spüren zu können, auf welchem musikalischen Level mir jemand begegnet. Ich hab ja gar nichts gegen Laien oder Einsteiger, wir haben alle mal angefangen. - oder tun das beim Erlernen eines weiteren Instruments in gewisser Weise wieder neu. Mir tut es dann eher für denjenigen Leid, dass er womöglich nicht in den vollen Genuss an Hörerfahrung kommt, der sich ihm böte, wenn er sich schon tiefergehender mit der Materie beschäftigt hätte. Dass man nicht erwarten kann, dass jedes Konzert mit versierten Musikern oder Kennern überlaufen ist, ist mir schon klar. Deshalb bevorzuge ich ja z.B. Workshops, wo die große Mehrheit eben einen gewissen musikalischen Hintergrund hat.

    Was daran so verkehrt sein soll, dass man einen Weg gehen will, von dem alle Beteiligten möglichst viel profitieren, ist mir echt schleierhaft. Aber gut, jeder soll spielen, wo und was er will.

    Und was die Sache mit dem Mitklatschen angeht: Ich fliege nicht aus dem Takt, wenn ein lautes Metronom dröhnt. Das müsste man auch erst mal schaffen. Aber mit so einer offbeat-Vierteltriolen-Aktion (oder was auch immer das rhythmisch gewesen ist) hab ich mal den Drummer in arge Schwierigkeiten gebracht.
     
  13. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Also ich habe es letztens doch tatsächlich geschafft, ein nerviges Publikum total auszublenden. Der Hintergrund war der, dass wir im Hamburger Birdland ein Set vor der Jam Session gespielt haben, und ausgerechnet and dem Nachmittag hatte es dort eine private Firmenfeier gegeben, und der Deal war wohl, dass jeder, der wollte, einfach bleiben konnte. Die meisten sind geblieben und waren schon dementsprechend gut betankt und hatten mit Jazz nun gar nichts am Hut. Der Jazzclub war also rappelvoll mit Leuten, die null Interesse an Jazz hatten. Alkohol setzt bekanntlich dem Hörnerv ordentlich zu, und deswegen war der Gesprächspegel entsprechend laut. Dave und ich hatten dieses Set vorbereitet mit vielen neuen Stücken, die wir noch nie zusammen aufgeführt hatten, schon gar nicht mit dem Rest der Band. Dave war hinterher total frustriert, weil ihn das völlig abgetörnt hatte, wie laut sich die Betriebsfeierleute das ganze Set über unterhalten hatten, da hatten die Leute, die für die Musik gekommen waren, überhaupt keine Chance :(. Aber das Verrückte war, dass ich das überhaupt nicht mitgekriegt habe, ich weiß wirklich nicht, was mit mir los war, aber im Gegensatz zu Dave habe ich das ganze Set total genossen und war ganz bei der Band und der Musik. Schon irre, wie selektiv die Wahrnehmung sein kann!

    LG Juju
     
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  14. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    Glückwunsch, ich wäre da eher der Genervte. Als Pianist hört man sich selbst aber auch ganz schnell mal schlecht, Blasinstrumente haben es da etwas besser. Ich kann mich mitunter bei normalen Comboproben nichtmal selbst hören, weil das Klavier zwischen Schlagzeug und Bass steht.
    Und das mit dem beeinträchtigten Hörnerv ist leider wahr und erschwert das Spielen auf Sessions zu fortgeschrittener Stunde erheblich.
     
  15. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    So, und das ist der Knackpunkt, warum es an einigen Stellen Reibungspunkte mit Dir gibt.

    Für mich ist Jazz Musik, just Music.....Unterhaltung pur....nix interlektuelles....nix Kunstform....interessiert mich nicht die Bohne....törnt mich ab....finde ich ätzend....

    Du definierst es für Dich anders, was ich JETZT verstanden habe und auch respektiere....jeder darf ja letztlich selbst am besten wissen, was ihn glücklich macht....

    Solange ich nicht den Eindruck habe, dass Du andere von Deiner Sicht überzeugen willst ist für mich alles im Lot....

    Es gibt halt verschiedene Sichtweisen, die wir akzeptieren sollten....das Leben ist bunt und vielfältig...gut das es so ist....anders wäre nämlich langweilig...

    CzG

    Dreas
     
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  16. saxhornet

    saxhornet Experte

    Aus der Sicht eines erfahrenen Zuhörers willst Du also sagen, daß Du vom Musiker auf der Bühne geliebt werden willst???:geek:


    Leider passieren solche Missmatchingvorfälle immer mal wieder gerne und selten ist es schuld der Musiker. Da kündigt ein kleiner Club in einer Kleinstadt ein Konzert unter Jazz einfach nur an und die Leute verstehen aber unter Jazz alle irgendwie was anderes. Ich hatte mal einen Kandidaten, der bei Standards mir erklärte das wäre kein Jazz, nur Dixieland wäre Jazz..........
    Ein Publikum kann sich immer wieder ganz unteschiedlich zusammensetzen und das kann mal besser passen oder man hat auch mal Pech. Aber man kann nicht erwarten, daß man als Musiker das Publikum immer "liebt" mit dem man es gerade zu tun hat. Man kann erwarten, daß er das Publikum nicht verachtet und sich nicht so benimmt wie Keith Jarrett bei einigen Konzerten. Man kann erwarten, daß er versucht ein wirklich gutes Konzert auf alle Fälle abzuliefern. Aber nicht alle Musiker sind extrovertiert, manchen fällt es schwerer einen Draht zum Publikum aufzubauen oder offen zu wirken/sein, viele sind aber in der Lage trotzdem tolle Konzerte abzuliefern, nicht jeder ist ein Showmensch wie Robbie Williams oder Tony Bennett (letzteren sah ich letztes Jahr live).

    Ich schrieb ja, bei Hintergrundmusik darf das kein Problem sein, denn da bist Du als Luxus-CD-Player gebucht, da sollte man trotzdem versuchen als Musiker Spaß beim Spielen zu haben, auch weil dann doch oft etliche Leute zuhören.
    Dir ging es darum, daß man sich mit seinen Sorgen über das Publikum selber blockieren kann, das ist richtig aber manchmal macht man sich so einen Kopf, speziell wenn Du eventuell schon ahnst oder weisst was Dich erwartet.

    Und als Zuhörer bist Du der Meinung, jeder bekommt das Publikum, daß er verdient? Ein Satz, den ich echt doof finde und auch nicht nett gegenüber Jazzplayer (aber darum ging es doch auch eher oder?) und ein Satz, der für mich einfach von mangelnder Erfahrung zeugt. Du suchst Dir selten das Publikum aus, also bekommst Du auch nicht das Publikum daß Du verdienst.
    Beispiel: Du spielst auf einem Volksfest, wenn Du Glück hast sind da viele Interessierte die zuhören und Spaß haben an der Musik, oder es läuft so wie bei einem Kollegen vor kurzem, da feierten welche auf dem Volksfest Junggesellenabschied gleichzeitig mit viel Alkohol, Gegröhle etc., für die Musik interessierte sich kaum Jemand, nur wenige hörten wirklich zu (entsprechend kaum Applaus, obwohl die Musik partytauglich war), dabei war die Band recht gut. Haben die das Publikum verdient? Oder hätten sie den Auftritt ablehnen sollen, weil sie ja nicht wussten, ob es gut geht mit dem Publikum oder nicht?

    Würde Dir übrigends gut zu Gesicht stehen, wenn Du einfach mal versuchen würdest ein paar Dinge aus dem Blickwinkel von Jazzplayer zu betrachten. Sicherlich wird ihm sein Blickwinkel das Musizieren vor Leuten nicht leichter machen aber er hat auch ein Recht darauf seine Sicht zu haben ohne daß irgendjemand ihm hier empfehlen muss, dann einfach besser nicht mehr vor Leuten zu spielen, sondern lieber nur für sich zu spielen.

    LG Saxhornet
     
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  17. Mugger

    Mugger Guest

    Missmatching wäre ein cooler Name für eine Partneragentur.
     
  18. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    @saxhornet

    "Jeder bekommt das Publikum, dass er verdient" war flapsig, ironisch gemeint... hab' ich nicht kenntlich gemacht...

    "Du musst Dein Publikum lieben" meint die generelle Einstellung zum Publikum (Kunden).

    Gebauso wie ich als Agenturchef meine Kunden "geliebt" habe. Nicht jeden, nicht immer, aber grundsätzlich.

    Ich bin der Überzeugung, dass man, besonders als Dienstleister, langfristig nur dann erfolgreich sein kann, wenn man eine grundsätzlich positive Einstellung zu seinen Kunden (Publikum) hat (es "liebt").

    Zu @JazzPlayer habe ich in Beitrag #115 noch was geschrieben.

    CzG

    Dreas
     
  19. Mugger

    Mugger Guest

    Das Publikum will erstmal kriegen, was es erwartet.
    Um ihm das (oder mehr) zu geben, muss ich ihm nicht in den Allerwertesten kriechen, um es mal drastisch auszudrücken.

    Cheers, Guenne
     
  20. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Wer hat das behauptet?

    CzG

    Dreas
     
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