Gesund musizieren - richtig üben

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Saxoryx, 30.Mai.2017.

  1. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Ein Professor Dr., der sowohl Musik als auch Medizin studiert hat und seit Jahren über speziell Musiker betreffende Gesundheitsprobleme forscht. Ein interessanter Vortrag.

    Wie spielt man (medizinisch) richtig? Wie übt man richtig? Wie lernt man richtig? Wie unterrichtet man richtig?

     
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  2. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Prof. Dr. Eckart Altenmüller ist hier im Forum schon mehrmals erwähnt worden und ist ganz sicher ein ausgewiesener Experte.

    Was ich interessant fand, ist, dass er sagt, „95% aller Musiken auf der Welt kennen das Prinzip des Fehlers nicht. Die improvisieren, spielen einfach, aber es gibt kein richtig oder falsch.“

    Das Prinzip, dass etwas „richtig“ oder „falsch“ sein könnte, erzeugt einen wahnsinnigen Stress, sagt er. Wissen wir sicherlich auch alle.

    Mit dem Üben wird das Spielen immer präziser, immer besser, und die Hormone, die dabei ausgeschüttet werden, sind sehr wichtig. Die positiven Endorphine, Dopamin, Adrenalin usw. helfen uns, wenn es dann aber Stress gibt, dann wird Cortisol ausgeschüttet, und das hemmt uns und erzeugt Angst (bzw. Angst erzeugt Cortisol). Sicherlich auch nicht unbekannt, aber er fasst das wirklich sehr gut zusammen.

    Das Gehirn wird durch Üben umgebaut, die Regionen, die für Hören und Motorik zuständig sind, ausgebaut, die Synapsen erweitert ... was auch immer. Musik ist einfach gut für uns. Man weiß ja mittlerweile auch, dass Kinder, die ein Instrument lernen oder überhaupt sich mit Musik beschäftigen, aktiv, in der Schule besser werden.

    Ich fand es sehr interessant, wie sehr gerade wir Erwachsene doch auf „richtig“ und „falsch“ trainiert sind, auf Leistung. Dazu gibt es ja auch viele Anfragen und Diskussionen hier im Forum. Mir geht es auch so. Ich möchte alles richtig machen. Und bin frustriert, wenn ich das nicht kann. Wenn ich nicht genau weiß, wie ich üben soll, damit ich das erreiche.

    Deshalb bin ich froh, wenn mir jemand sagt, was ich machen soll, um besser zu werden.
     
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  3. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Was ich interessant finde, ist, dass er sagt, wenn wir abends üben, sind wir zufriedener. ;) Morgens ist unser Gehör fitter, wir hören besser, hören auch Fehler besser und sind deshalb unzufriedener. Deshälb wären auch Matineen bei den Zuhörern nicht ganz so erfolgreich wie Abendkonzerte. Weil auch die Zuhörer morgens besser hören und deshalb sagen wir mal ein Brahmskonzert nicht so schön finden wie abends. :)
     
  4. Gerrit

    Gerrit Guest

    Auf jeden Fall ein aufschlussreicher Vortrag. Richtig und Falsch: da spielen gewiss psychologische Faktoren eine Rolle. Es geht aber darum, wie Richtig - Falsch definiert sind. Die betreffenden Definitionen sind abhängig von der jeweilig vorherrschenden Ästhetik und somit historischen Prozessen unterworfen. Blockaden treten oft auf, wenn man innerhalb eines ästhetischen Systems gefangen ist oder aber sich an bestimmten gesetzten Qualitätskriterien abarbeitet. Im Grunde muss man bewusster hören und seinen Standort bestimmen: in welchem ästhetischen System bewege ich mich, was muss ich technisch umsetzen, um mich darin sicher bewegen zu können? Das ist eine andere Haltung: man müht sich nicht an Qualitätsstandards ab, an eigenen oder fremden Erwartungen, sondern versucht, sich in einem Klangraum einzufügen, der einem selbst, also der eigenen Musikerpersönlichkeit angemessen ist oder entspricht. Dann steht weniger das Leistungsdenken in der Mitte als die Musik an sich...
     
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  5. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Er hat den Vortrag ja an einer Musikhochschule gehalten. Deshalb denke ich, das bezieht sich auf die Konkurrenz zwischen den jungen Studenten. Da muss man besser sein als die anderen, sonst hat man keine Chance. Und das kann natürlich schon in einigen Stress ausarten, wenn man im konkurrenzbetonten Musikerbusiness was werden will, Wettbewerbe gewinnen will, auf sich aufmerksam machen will.

    Schön finde ich diese Graphik "Kleine Hirnkunde für Musiker", die er da zeigt. :)

    Als erwachsener Amateurmusiker ist das sicherlich etwas anderes, insbesondere wenn man wirklich nur als Hobby spielt. Und trotzdem ärgere ich mich, wenn ich falsch spiele, ärgere mich, wenn ich nicht schnell Fortschritte mache oder nicht das erreiche, was ich gern erreichen würde. Im Rahmen meiner Möglichkeiten. Das Leistungssystem wird uns schon von klein auf eingebläut, da kann man schlecht drüber hinweg.

    Wenn man im Beruf erfolgreich sein will, kann man ja auch nicht nur in der Ecke hocken und einfach seine Arbeit machen. Dann bleibt man sein Leben lang dort, wo man ist, und die anderen machen Karriere. So was prägt dann schon im Laufe eines Lebens.
     
    Zuletzt bearbeitet: 30.Mai.2017
  6. Gerrit

    Gerrit Guest

    ... Duke Ellington meinte einmal: ... jeder Musiker sei limitiert. Jeder Musiker solle limitiert sein... Wenn man das einmal durchdenkt, dann, meine ich, spürt man hinter diesen Worten eine sehr menschliche Haltung, die ja auch Duke's Musik zu eigen ist.
     
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  7. Gerrit

    Gerrit Guest

    Das ist zutreffend, aber daran krankt aber auch z.T. die Musik. Es gibt die Ästhetik der technischen Perfektion, aber sie ist und bleibt nur eine unter mehreren.
     
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  8. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Ich glaube, wir wissen alle, dass technische Perfektion nicht dasselbe ist wie gute oder auch schöne Musik. :) Und wir Älteren, wir können es uns leisten, nur schöne Musik machen zu wollen und auch zu machen. Die jungen Leute stehen da erheblich mehr unter Druck, wenn sie mit der Musik ihren Lebensunterhalt verdienen wollen. Ich beneide die jungen Leute heutzutage nicht. Der Druck ist immer größer geworden. Und jeder Mensch will es ja zu etwas bringen im Leben, besonders, wenn man noch jung ist.

    Ich bin auf eine Art ganz froh, dass ich nicht Musik studiert habe. Andererseits habe ich dadurch erst im späteren Alter wirklich angefangen, mich richtig damit zu beschäftigen. Ich könnte jetzt sicherlich ganz passabel Klavier spielen, wenn ich als Kind damit angefangen hätte. Nun schlage ich mich mit Anfängerstücken herum. :) Aber es hat ja auch seinen Reiz, wenn man in späteren Jahren noch etwas lernt. Das war schon mit dem Saxophon so, und jetzt ist es mit dem Klavier so. Ein Leben ohne Musik kann ich mir einfach nicht vorstellen, und am liebsten würde ich noch tausend andere Instrumente lernen, aber das geht nun wirklich nicht mehr. ;)

    Was so schön ist, ist, wie er in diesem Vortrag beschreibt, was die Musik mit unserem Gehirn macht. Welche Vorteile man davon hat, wenn man ein Instrument lernt. Wie sich das Hören verbessert, die Motorik, ganze Hirnareale werden ausgebaut, die man sonst anscheinend nicht viel braucht. Und das geht nicht nur in der Jugend, sondern auch noch im Alter.

    Was kann es Schöneres geben, als im Alter sein Gehirn zu vergrößern? Sein Gehirn sogar besser zu nutzen als in der Jugend. Sofern man eben nicht schon in der Jugend viele Instrumente gelernt hat bzw. viel Musik gemacht hat.

    Mein Traum wäre es gewesen, in so einer Familie aufzuwachsen wie der von diesem Professor. Nicht nur, dass er sieben ältere Geschwister hatte (ich habe mir immer mehr Geschwister gewünscht), alle haben auch mit sechs Jahren Klavier gelernt und durften sich dann mit zehn Jahren noch ein zweites Instrument aussuchen, das sie lernen wollten. Das wäre wirklich die richtige Familie für mich gewesen. Wir hatten noch nicht einmal ein Klavier. Weshalb ich mir jetzt erst den Traum erfüllen kann, Klavierspielen zu lernen. Zwar habe ich im Laufe meines Lebens viele Instrumente dilettantisch gelernt, aber Klavier ist eben doch der König der Instrumente, ein ganzes Orchester in einem einzigen Instrument.

    Und es hilft für jedes andere Instrument, eben auch das Saxophon. Improvisieren wie Mozart, ich wusste gar nicht, dass das geht. Aber die Improvisation wurde ja nicht erst im Jazz erfunden. Auch im klassischen Bereich war Improvisation früher immer üblich. Nur heute wird vielerorts so getan, als gäbe es das nicht, so dass klassische Musiker es in ihrer Ausbildung gar nicht mehr lernen.
     
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  9. Rick

    Rick Experte

    Wenn ich daran denke, in welchen Trance-Zuständen ich schon morgens auf der Bühne stand, weil das einfach nicht meine Tageszeit ist, kann ich das durchaus nachvollziehen - da hätte ich mir manchmal selbst nicht zuhören wollen. :-D

    Einmal bin ich während so eines Frühschoppens in der Pause einfach auf der Toilette eingeschlafen, so übermüdet war ich - die Kollegen haben mich dann vermisst und durch Hämmern an der Klotür wieder aufgeweckt... :sleep:

    Eine kuriose Beobachtung habe ich bei einem Schlagzeuger gemacht, mit dem ich zufällig innerhalb einer Woche drei Auftritte zu unterschiedlichen Tageszeiten hatte:
    Beim Vormittags-Gig spielte er so schlecht, dass ich es nicht glauben wollte, schwamm dauernd im Tempo und vermurkste Einsätze.
    Beim Nachmittags-Gig war er "okay", ganz solide, auf jeden Fall deutlich besser als morgens.
    Beim Abend-Gig jedoch spielte er fantastisch, groovte wie's Tier, interagierte souverän und lieferte einige atemberaubende Solos ab. :thumbsup:

    Ähnliche Formschwankungen fielen mir seither auch bei anderen Kollegen auf, nur mit Amateur-Musikern mache ich gelegentlich die umgekehrte Erfahrung: Morgens ganz gut, nachmittags super, doch spätabends schlafen sie einem fast ein - während ich dann topfit bin, geht bei ihnen nichts mehr.
    So hat eben jeder seinen eigenen Tagesrhythmus. ;)
     
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  10. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Bei mir hat sich das im Laufe der Jahre geändert. Früher war ich definitiv ein Abendmensch, Nachtmensch sogar. Kam gar nicht ins Bett. Und morgens nicht raus. Schule war immer schrecklich, weil ich da so früh aufstehen musste. Ich brauchte dann auch einige Zeit, bis ich wach war. Erste und zweite Stunde liefen so an mir vorbei, dann kam ich langsam in die Gänge.

    Seit ich aber älter geworden bin, hat sich das etwas verschoben. Ich bin immer noch keine richtige Frühaufsteherin, aber ich werde auch schon mal um sieben wach, was früher für mich undenkbar gewesen wäre. Da habe ich bis zwölf geschlafen, wenn mich keiner geweckt hat, oder sogar bis in den Nachmittag hinein.

    Aber ich übe jetzt morgens erst mal Saxophon und Klavier, weil ich später am Tag und schon sowieso abends zu müde dazu bin. Gehe natürlich jetzt auch früher ins Bett. Nach Mitternacht bin ich schon lange nicht mehr wach gewesen, und das war früher für mich normal.

    Jetzt ist für mich die Musik der Einstieg in den Tag, was eine tolle Sache ist. :D
     
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  11. Rick

    Rick Experte

    Hm, früher bin ich öfter mal um 9 oder 10 morgens zu Bett gegangen und dann entsprechend erst gegen 17 Uhr wieder aufgestanden, das mache ich aber schon lange nicht mehr so oft (zuletzt vor einem Vierteljahr, denke ich).

    Auf den deutlichen Rhythmuswechsel warte ich noch, bin vielleicht noch nicht alt genug. Aber ich forciere das auch nicht, denn immer wieder muss ich nach Auftritten spätnachts nach Hause fahren, da kann ich es mir nicht leisten, müde zu sein. Die Matineen halten sich glücklicherweise in Grenzen.

    Als ich vor ziemlich genau 25 Jahren meine Frau kennen lernte, waren wir immer abends die letzten, die noch wach waren, gingen nie vor 4 Uhr ins Bett. Sie ist mittlerweile öfter mal bei 2 Uhr, aber vor Mitternacht nur, wenn sie sehr krank oder erschöpft ist.

    Meine Mutter meinte immer, ich würde doch das Schönste am Tag, nämlich die Sonnenaufgänge, verpassen - da musste ich ihr aber widersprechen: Im Sommer sehe ich deutlich mehr Sonnenaufgänge als die meisten Leute! :D
     
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  12. GelöschtesMitglied4288

    GelöschtesMitglied4288 Guest

    Toll! Danke fürs Teilen.
    Ich mache seit einiger Zeit viele Selbstversuche zu dem Thema und finde das unendlich spannend.
     
  13. ppue

    ppue Experte

    Was für ein gestresstes und unerquickliches Video. Nicht mag.
     
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  14. ppue

    ppue Experte

    Ja, ogotttogott.

    Versuch doch mal, schlechter zu werden.

    Ernst gemeint.
     
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  15. GelöschtesMitglied7838

    GelöschtesMitglied7838 Guest

    Ja. Freude am Spielen kommt da nicht auf.
     
  16. Woliko

    Woliko Ist fast schon zuhause hier

    Genauso spannend wie Harmonielehre, nur eine andere Zielrichtung ;).

    Wenn einige Hinweise in dem Vortrag von manchen Musikpädagogen beachtet würden, bliebe bei ihren Schülern die Spielfreude vielleicht erhalten. Im Übrigen begründet es die hier im Forum ständig wiederholte Auffassung, von Anbeginn mit einem guten Lehrer zu lernen.
     
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  17. SaxPistol

    SaxPistol Strebt nach Höherem

    Das ist aber nicht das, was der Prof. meint.
    Was Du schilderst, ist die unterschiedliche Verfassung des Musikers, je nach Tageszeit. Ja, es hat sich schon rumgesprochen, dass die meisten Künstler Nachtmenschen sind.
    Was der Prof. meinte ist der Unterschied im Hörvermögen des Zuhörers oder des Musikers selbst, und da kann man einen vergeigten Einsatz kaum schönreden.

    Ich sehe da eher eine Analogie zum Schmerzempfinden des Menschen: Früh morgens am höchsten, abends am geringsten (deshalb sollte man immer möglichst spät zum Zahnarzt gehen ;-) )
    - Und Musik kann ja bekanntlich auch Schmerz bereiten. Abends halt weniger als morgens.:D
     
    p-p-p gefällt das.
  18. deraltemann

    deraltemann Strebt nach Höherem

    Die beste Übungsanweisung die ich je gehört habe: ihr seit herzlich eingeladen Fehler hier zu machen..
    Gemeint ist nicht das man jetzt einfach drauf los tutet, sondern sich zu erlauben Fehler zu machen ... diese erkennt und dann gezielt nach Übungen sucht die einem helfen.
    Was gar nicht geht im Unterricht sind Einstellungen das habe ich (Lehrer) probiert und hat nicht funktioniert also ist das fur dich Schüler auch per se falsch....
    Jeder sollte auch lernen wie er lernt... Das Üben fur steng analytische Menschen sieht gewiss anders aus als fur Menschen die Erfahrungen mehr emotional auf nehmen...

    Es gibt nicht die eine Lehrmethode nach der alle lernen können... Manche haben mehr Erfolg bei vielen, aber das ist nicht ursächlich in der Lehrmethode sondern in der Lehrenden Gruppe begründet..

    Just my view
     
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  19. deraltemann

    deraltemann Strebt nach Höherem

    Was wiederholt die Frage provoziert was ein guter Lehrer ist...
     
  20. ppue

    ppue Experte

    Für jeden ein anderer. Es gibt tausend Schülertypen und ebenso viele Lehrertypen. Das muss sich einfach treffen und man darf gerne immer ein wenig herum probieren, bis es passt.
     
    Rick, GelöschtesMitglied4288 und edosaxt gefällt das.
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