Improvisieren mit Leittönen

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Saxoryx, 1.Mai.2017.

  1. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Ich muss Dich enttäuschen, ich habe echt keine Lust, mich um des Kaisers Bart zu streiten.
    Wenn Du es wissen willst, schlag es nach - ich traue Dir durchaus zu, eine Suchmaschine zu bedienen - wenn nicht, hab ich Unrecht und Du Recht.

    Habe fertig.
     
  2. Rick

    Rick Experte

    Hm, warum nimmst Du das Beispiel Parker, wenn Du seinen Stil nicht so magst?

    Ich bin ja zu Jazz und Sax gekommen, weil mir bestimmte Aufnahmen gut gefielen. Mich hätte eine allgemeine Anleitung zur Improvisation überhaupt nicht interessiert, und wenn mir als 13-Jährigem jemand mit dem ganzen Theorie-Kram gekommen wäre und etwas von Leit-Tönen oder was auch immer erzählt hätte, wäre ich wahrscheinlich schreiend weg gerannt.
    Nein, ich wollte wissen, was DIESE Aufnahme für mich so toll machte, wie DIESE Musiker zu DIESEN Sounds gekommen waren - also habe ich mir meine Lieblingsstücke ständig angehört (macht man so als Jugendlicher) und versucht, dieselben Klänge, die mich so faszinierten, auf dem Klavier und später auf dem Saxofon zu erzeugen.

    In meinen ersten Bands klang allerdings praktisch nichts so wie auf meinen Jazz-Platten, ich habe da zwar versucht, mein wachsendes Wissen anzuwenden, doch die Mitspieler waren teilweise anders drauf. So entstanden neue Klänge, die ich in der Form noch nie gehört hatte.
    Wir schnitten ein paar Proben und Auftritte auf Kassette mit und fanden die irgendwie auch toll, aber eben anders als die klassischen Jazz-Aufnahmen. So hatten wir zufällig unsere musikalische Originalität entwickelt, obwohl wir eigentlich nur etwas nachspielen wollten. :D

    Der praktische Nutzen meiner Heraushörerei und Imitation war also zumindest anfangs eher bescheiden, doch dass ich dadurch insgesamt sehr viel gelernt habe, hat sich Jahre später gezeigt - weil ich Einblicke gewonnen hatte, wie meine Vorbilder dachten, konnte ich daraus meine eigenen Ideen entwickeln.
    Ich spiele nur äußerst selten ganze Passagen nach, sondern habe meinen eigenen Improvisations-Stil gefunden, der auf der Denkweise meiner Vorbilder beruht - ohne sie deswegen wörtlich zu kopieren. :cool:

    Jazz-Improvisation ist viel mehr als lediglich die "Spontan-Komposition von Melodien", da geht es auch sehr stark um Rhythmik, Tongebung, Phrasierung. Ich möchte ja, dass es "echt" klingt, nach "richtigem Jazz", und nicht bloß nach einem Mitteleuropäer, der auf Grundlage bestimmter Regeln (Leit-)Töne aneinanderreiht. ;)


    Schönen Gruß,
    Rick
     
    Zuletzt bearbeitet: 7.Mai.2017
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  3. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Sicher muß man nicht die Akkorde auswendig können um passabel improvisieren zu können.

    Aber ich bin der Überzeugung, daß es nicht geht, wenn man nicht hört was die Akkorde harmonisch bewirken.

    Und @Saxoryx , improvisieren mit Guide Tones bedarf eben nicht weniger theorethischen Bachground als improvisieren mit Skalen oder Akkorden. Das ist ein absoluter Trugschluß!

    Der beste Weg überhaupt einen Zugang/Anfang zu finden ist Ohren spitzen und probieren/machen.

    CzG

    Dreas
     
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  4. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Naja,
    dann nehme ich mal die Position des totalen Impro-Diletanten ein.
    Man legt mir ein Stück vor, ich hab das nie gesehen, mit Playalong.
    Anhand der Vorzeichen kriege ich noch die Tonart raus, wenn ich Glück habe stehen noch die Akkorde für die Gitarre oder das Klavier irgendwo, oder sogar schon transponiert für Es oder Bb....was dann?
    Bisher bin ich da auf 2 Wege herangegangen, beide nicht sehr effizient:
    1. Ich habe schlicht ausprobiert, was gut klingt und was nicht. Erst so als Grobstruktur (1 Ton pro Takt oder auch 2 Töne). Das habe ich mir stumpf aufgeschrieben. Auf dieser Grobstruktur habe ich dann aufgebaut und die Töne durch Figuren/Licks um diesen Ton ausgebaut.
    2. Ich habe die einzelnen Akkorde zerlegt und mir die Tonleitern dazu aufgeschrieben. Dann habe ich mir Figuren/Licks gesucht und ggf. abgewandelt, die viele dieser Töne abdecken und ev. noch zur Melodie passen. Dann gespielt, gehört, und die schrägen Töne nachgebessert.

    Beides ist mit Kopfarbeit verbunden und Vorbereitung. Die Ergebnisse waren....wollt ihr nicht wissen. Frustrierend, weil man hat da anderes im Ohr. Es geht aber.

    Was ich aber davon mitgenommen habe:
    a. ohne eine gewisse Analyse dessen, wozu man improvisieren möchte, komme ich nicht herum. Das heißt für mich aber auch, dass ich das Stück ein paar mal hören und damit arbeiten muss. Ob ich wissen muss, was für eine Tonleiter ich verwenden kann und dazu noch eine wissenschaftliche Analyse dessen, k.A..

    b. ohne eine gewisse Technik geht es auch nicht. Mit Technik meine ich ein gewisses Repertoir an Figuren/Licks, die man drauf haben muss, quasi automatisch und in den meißten Tonarten. Mir nützt es nichts tolle Ideen zu haben, wenn mir das Handwerkszeug fehlt, diese umzusetzen. Das heißt aber Üben Üben Üben. Heute gibt es Sammlungen von Jazzfiguren, die man für eine Impro erst einmal verwenden kann, villeicht war das früher anders und die Jungs mußten so etwas raushören aus Aufnahmen ihrer Kollegen. (ich hatte gerade ne Woche urlaub und mal wieder Zeit, in so alte Aufnahmen zu hören. Eines meiner Lieblingsstücke ist "ain´t no sunshine". Ich habe noch keine 2 Aufnahmen gefunden, die gleich oder zu 95% gleich sind. Immer wieder entdecke ich Neuland, Variationen, total andere Interpretationen des Themas. Wenn ich mich da mal drangeben würde, das alles auszuprobieren, zu kombinieren und abzuwandeln, dann wäre ich schon Wochen beschäftigt).

    c. mal eben so zu irgend welchen Stücken improvisieren, die ich nicht kenne, die ich noch nicht "verstanden " habe, ist viel zu hoch für mich Ich werde dann unsicher und dann geht nix mehr, auch keine einfachsten Figuren. Vielleicht können erfahrenere Spieler als ich so etwas, ich (noch) nicht.

    @Rick und Co
    Bitte, wenn ihr hier Tipps gebt, geht doch ev. mal von einem totalen Neuling aus, der eben nicht auf Eure jahrelange Erfahrung aufbauen kann. Ihr macht vieles bereits intuitiv, wo z.B. ich noch gar nicht bin. Ich fühle mich bei sowas total doof, weil ich dieses Wissen nicht habe und vor dem Berg ganz unten stehe. Also ganz unten, 0m N.N.. Danke.

    JEs
     
  5. Gelöschtes Mitglied 11558

    Gelöschtes Mitglied 11558 Guest

    Ich möchte nochmals versuchen Begriffe zu klären.

    Leitton (Das Cambridge Buch der Musik)
    Der Leitton ist die 7. Stufe einer Skala, der um eine kleine Sekunde unter dem Grundton liegt und den Eindruck vermittelt, er "strebe" den Grundton an.
    In C-Dur ist der Leitton B = H
    In der Kadenz G7(Dominante) - C (Tonika) löst sich der Leitton B = H zum Grundton C auf.

    Guidetones
    Guidetones sind Akkordtöne, die wichtigsten sind die Terz(3) und die Septime(7), weil sie den Charakter des Akkords bestimmen. Aber auch die Quinte(5), die None(9=2) und die Sexte(6) gehören dazu. Zu der Verwirrung ist es gekommen, weil in einigen Publikationen der Guideton mit Leitton übersetzt wurde.

    Zurück zur Harmonik, der größte Teil der westlichen Musik beruht auf der Funktionsharmonik, egal ob Kirchenlied, Volkslied, Klassik, Jazz, Pop,... C-Dur hat 7 Töne, wenn man von jedem Ton aus 2 bzw.3 Terzen übereinander schichtet, bekommt man 7 Akkorde. Ich habe die Akkorde von C-Dur und Musikbeispiele dazu aufgeschrieben. Um die Zusammenhänge besser zu verstehen, habe ich die Beispiele alle nach C-Dur transponiert.

    Es gibt
    3 Durakkorde Cmaj7 = Tonika( I), Fmaj7 = Subdominante(IV) und G7 = Dominante (V)
    Eselsbrücke: I + IV = V
    3 Mollakkorde Dm7 (II), Em7(III) und Am7(VI)
    Eselsbrücke: II x III = VI
    1 Halbverminderten Akkord Bm7b5 bzw. wenn man die Septime weglässt einen verminderten Akkord.
    Bei Stücken in C-Dur reichen diese Akkorde, um Melodien zu harmonisieren.
    Bei Stücken in A-Moll kommt noch ein Ton dazu, das G#. Em7 wäre die Dominante von Am7, Em7 hat aber zu wenig Spannung/Zug... Aus diesem Grund ersetzt man im Em7 Akkord die Terz G durch das G# und erhält dadurch eine Dominante, aus Em7 wird dann E7b9. Zum improvisieren nimmt man die C-Dur bzw. A-Moll Tonleiter mit dem Zusatzton G#.
    Wie komme ich nun zur Improvisation? Bei der Improvisation liegt in der Regel eine Akkordfolge zu Grunde.Die erste Regel für einen Anfänger der Improvisation ist daher, beginne mit einem Akkordton. Alle Beispiele, die ich ausgewählt habe, beginnen auf die 1 mit Akkordtönen (Ausnahme Breckerbeispiel). Ich habe die Ziffern unter die Melodietöne geschrieben 1 = Grundton,3 = Terz, 5 = Quinte, 7 = Septime, 9 = 2 = None, 6 = Sexte.
    Improvisieren ist spontanes komponieren. Wenn ich z. B. für einen Cmaj7 Akkord nur die 7 Töne der Tonleiter kenne und ich spiel auf die 1 ein F, dann klingt das voll daneben, weil die Rhythmusgruppe auf die 1 in die Akkordtöne spielt. Spiele ich auf die 1 einen Akkordton, dann bin ich in der Harmonie. Aus den Akkordtönen kann man Linien = Guidetonelines bilden. Bei Peter Wespe kann man es nachlesen, ich mache es genau so.

    Die Meinung, ich muss die Akkordtöne nicht kennen, kann ich nicht teilen. Man muss die Akkordtöne kennen und zwar auswendig. Wer sie nicht kennt bleibt halt ein harmonisch Blinder. Wenn ich jeden Tag einen Akkord von C -Dur lerne, bin ich nach 7 Tagen durch. Dann übe ich das 4 Wochen an Stücken in C -Dur. Um schnell voran zu kommen, würde ich mir ein Keyboard kaufen für 100 €. Akkorde und Akkordverbindungen muss man hören, dann weiß man auch, welche Akkorde Spannung/Entspannung erzeugen. Ein Keyboard lässt sich auch nach Eb oder Bb stimmen und ich kann meine Eb - bzw. Bb - Akkorde üben.
    Noch eine kleine Anmerkung. Über Autumn Leaves (Bb Stimme) lässt sich bis auf 2 Stellen ( Zusatztöne: G#, F#, Bb = Bluenotes #11, #5, 7 von C) mit den C - Dur Tonleiter improvisieren, die Anhänger der Skalentheorie schlagen 8 - 10 Skalen vor. Ich wage die Behauptung, wer das Improvisieren über schnell wechselnde Akkordfolgen nach der Skalentheorie lernt, hat immer Schwierigkeiten mit der Auswahl der richtigen Töne, weil er erschlagen wird von der Anzahl der Töne. Skalen sind interessant über modale Stücke von Davis, Coltrane, Hancock,..., dort wird über mehre Takte mit einer Skala improvisiert.

    Viel Spaß beim Umsetzen
     

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  6. ppue

    ppue Experte

    @JES, wahrlich anstrengende Methoden, die du da an den Tag legst.

    Es ist, als wolltest du einen Text verstehen, indem du einzelne Buchstaben liest. Man liest aber, hat man nur ein wenig theoretisches Wissen, auch in der Musik ganze Sätze, erfasst Module, die immer wiederkehren.

    Mach mal Folgendes:

    Nimm einen einfachen Standard in Dur.
    Bestimme die Tonart.
    Schreibe die Stufen der Tonart auf.
    Imaj7, IIm7, IIIm7, IVmaj7,V7m VIm7, VIIdim7
    Nun markierst du alle Takte, deren Akkorde mit diesen Stufen übereinstimmen.
    Das werden hoffentlich einige sein.
    Über all diese Akkorde kannst du mit dem Material der zugrunde liegenden Dur-Leiter spielen.
    Spiele die Töne einfach ab dem Ton, den der Bass auch spielt.

    Du wirst, wenn du das ein paarmal so gemacht hast, merken, dass es immer die gleichen Stufen sind, die da zusammen glocken.

    Z.B.: I, VI, II, V, I
    Das sieht ein erfahrener Musiker als ein Modul mit dem ersten Blick und braucht gar nicht überlegen, was er da spielt. Das wissen seine Finger viel schneller.
     
  7. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Prima Erklärung @Robert Bernhard !

    Nur diese Aussage teile ich nicht:

    Dann dürfte @Wuffy nicht improvisieren können. Kann er aber. (und einige andere auch hier, anzuhören im JAZZ TOTM)

    Für mich ist es die "hohe Schule" (ich kann es bisher ansatzweise, improvisiere aber dennoch und habe mit der Impro - mit Lehrer - ganz ohne Akkordkenntnisse begonnen).
    Für @Wuffy z. B. wäre es tödlich für seine Soli, wenn er versuchen würde sich das drauf zu schaffen.

    CzG

    Dreas

    P. S. @ppue 's Herangehensweise ist m. E. eine sehr pragmatische, nicht zu komplizierte und erfolgsversprechende.
     
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  8. ppue

    ppue Experte

    Ich mache es nicht soo viel anders @Dreas.

    Stück analysieren,
    Basstöne auswendig lerne
    Akkordtöne auswendig lernen
    Skalen spielen
    Guide Lines

    Eigentlich immer das gleiche. Ich mache es mir nur mit den Skalen einfacher, spiele die Leiter des tonalen Zentrums ab dem jeweiligen Grundton.

    Zu @Wuffy: wer die Akkorde vorhören kann, und das kann er, muss sie nicht unbedingt gebrochen üben. Es gehört dennoch zur Vorbereitung dazu, dass man das tut.
     
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  9. Rick

    Rick Experte

    Genau darum geht es ja: intuitiv an die Sache rangehen, GERADE als Anfänger.
    Ohren hat jeder gesunde Mensch, und genau wie beim Malen, wo man unerlässlich die Augen braucht, sollte man sich bei der Musik auf sein Gehör verlassen. Und wenn es nicht so entwickelt ist, dann muss man es schulen.
    Viele Fragen hier kommen mir so vor, als würde man sich beim Malkurs ständig erkundigen, wie denn Rot, Blau usw. aussieht. ;)

    Wir Experten hier geben ja auch Anfängerunterricht und wissen nach einigen Jahrzehnten inzwischen, was funktioniert und was bloß Zeitverschwendung ist bzw. wo man sich als Lernender gerne selbst im Weg steht. Zu Letzterem gehört gerade diese "Hirn-Fixierung" von Erwachsenen - Ihr denkt viel zu viel nach, macht Euch zu sehr einen Kopf und lest lieber Bücher (mit den Augen), als das Gehör zu schulen (mit den Ohren).

    Dann mal zur Physiologie: Das Gehirn liebt Effizienz, keine neuronalen Umwege. Man muss also zum Musizieren und gerade zum "spontanen Komponieren" direkte Bahnen anlegen, möglichst ohne zeitraubende Umleitungen über das bewusste Denken - das zur Bewertung wichtig ist, aber vergleichsweise langsam und bei kreativen Prozessen besonders hinderlich.
    Damit will ich sagen, dass man diese ganzen Dinge, die Ihr da lest, auch einfach HÖREN kann, wie das beliebte Beispiel von @Wuffy bestens zeigt, man benötigt dafür keine umständlichen Denkprozesse, sondern kann die Musik und ihre Zusammenhänge direkt erfahren.

    Wir Berufsmusiker und Lehrer haben uns natürlich die ganzen theoretischen Hintergründe drauf geschafft, aber vor allem aus nachträglicher Neugier oder als Rüstzeug für Prüfungen in der musikalischen Ausbildung oder zum Experimentieren, um auf neuartige Klänge zu kommen.
    Doch UNERLÄSSLICH ist es, die harmonischen Zusammenhänge (Spannung/Auflösung, Kadenzen usw.) zu HÖREN, nicht zu lesen. Die diversen Akkorde und Tonleitern an ihrem KLANG zu erkennen, nicht an ihrem Aussehen.

    Deshalb darf man uns ruhig glauben, wenn wir fordern, weniger Bücher zu kaufen, weniger Lehr-Videos anzuschauen usw., sondern vielmehr zu hören und nachzuspielen.
    Wenn einem das als mühsam vorkommt, dann deshalb, weil die notwendigen Nervenbahnen im Gehirn noch zu schwach ausgeprägt sind. Unser Effizienz liebendes Gehirn ist auch faul und geht lieber die gewohnten Wege, macht gerne das, was es sowieso schon kann. Das ist aber das Gegenteil vom Lernen, so wird das in 100 Jahren nichts. :roll:

    ich kenne jedenfalls keine Aussage von irgendeinem bekannten Improvisierenden, dass er sein entsprechendes Können durch Lehrbücher usw. erlangt habe - stattdessen erzählen alle, wie viel Zeit sie mit dem Anhören und Nachspielen von Aufnahmen verbracht haben.
    Das galt schon vor 100 Jahren für Bix Beiderbecke, der als Kind mit dem Kornett zu Nick LaRoccas Schellack-Platten gespielt hat, später für Lester Young, der sich Saxofon-Kollegen von Bix angehört und von ihnen gelernt hat, Charlie Parker hat wiederum die Aufnahmen von Lester Young studiert, John Coltrane hat Parker gehört und Michael Brecker eben Coltrane.
    Und die heutigen Musiker bauen auf dem Nachspielen von Brecker usw. auf.

    Und obwohl alle ja scheinbar nur "imitieren", entwickelt sich die Musik ständig weiter, weil sie über das Nachspielen auf neue, eigene Ideen kommen - fußend auf der Tradition. :cool:


    Gut Sax,
    Rick
     
    Zuletzt bearbeitet: 8.Mai.2017
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  10. Tinka

    Tinka Ist fast schon zuhause hier

    Ich improvisiere nur nach Gefühl und Gehör, nur dann fliesst es richtig und gut. Theorie blockiert mich z.B. komplett. Ich habe aber schon als Kind zu allen möglichen Liedern gepfiffen. Damals wusste ich aber noch nicht das das improvisieren ist. ;)
    Nun versuche ich einfach mein pfeifferisches Talent mit den Fingern auf dem Saxophon umzusetzen und es klappt ganz gut :p
     
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  11. Rick

    Rick Experte

    In diesen Zusammenhang passt die Anekdote über Milt Jackson, den berühmten Vibraphonisten des Modern Jazz Quartet, Wegbegleiter von Parker, Monk, Gillespie usw., der fantastische Melodien und Akkorde entwickelt hat und an der Entstehung des Bebop maßgeblich beteiligt war (worin er leider oft unterschätzt wird).

    Als die Mode aufkam, Jazz an Hochschulen zu lehren, ihn wissenschaftlich zu betrachten, erhielt er eine Einladung, einen Workshop für junge Musiker über Harmonielehre zu leiten. Der Nachwuchs war im Vorfeld sehr gespannt darauf, lehrreiche Einblicke in Jacksons hoch entwickeltes harmonisches Verständnis zu bekommen.
    Umso größer war die Enttäuschung, als sich im Workshop herausstellte, dass der berühmte Jazzer schon mit grundlegenden theoretischen Begriffen völlig überfordert war, er konnte auch kaum etwas schlüssig erklären.

    Auf die Frage, wie er denn dann auf seine großartige Musik gekommen sei und wie er überhaupt denke, antwortete er schlicht und bescheiden: "ich höre das alles in mir und spiele es dann einfach."
    Das war sein großes "Geheimnis". :)

    Zum Nachhören, wie so etwas klingt, eine Aufnahme aus Budapest 1994, fünf Jahre vor seinem Tod:

     
    Zuletzt bearbeitet: 8.Mai.2017
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  12. Tinka

    Tinka Ist fast schon zuhause hier

    @Rick
    Tolles Stück, wenn es nicht schon so spät wäre würde ich dazu gleich improvisieren :)
    So muss ich bis morgen warten :(;)
     
    Rick gefällt das.
  13. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Das spricht aber gar nicht dagegen, sich mit Musiktheorie - ohne und mit Instrument - zu beschäftigen.
    Wenn man lange genug Guide Tone Lines spielt, beginnt man ja auch was zu hören.

    Immer wieder gut:
     
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  14. Rick

    Rick Experte

    Klar, ich liebe auch die Theorie und habe mich lange intensiv damit beschäftigt, etwa um beim Komponieren auf neuartige Klänge zu kommen.

    Nur bringt sie eben den reinen Improvisations-Anfängern herzlich wenig, weil sie ihnen sozusagen das Gehirn verklebt und einfache Dinge kompliziert erscheinen lässt, so lange jemand ein unterentwickeltes Gehör hat - nach meiner Erfahrung.


    Schönen Gruß,
    Rick
     
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  15. Tinka

    Tinka Ist fast schon zuhause hier

    @Rick
    Genau DAS. Das kann ich nur bestätigen ;)
     
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  16. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Gehörbildung ist für mich Teil der theoretischen Beschäftigung.
     
    Paul2002 gefällt das.
  17. Marko74

    Marko74 Ist fast schon zuhause hier

    Inwiefern?
     
  18. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Dass es für mich keine Sinn hat, Theorie ohne praktische Anwendung zu erlernen.
    Was nützt mir, über Äolisch, Harmonisch und Melodisch Moll zu wissen, welche Töne erhöht werden, blabla, wenn ich die Skalen nicht unterscheiden kann?
    Es ist überraschend, aber selbst die Kinder in meinem Welpen- sprich Elementarkurs können die Tonleitern nach 10 Minuten auseinanderhalten.

    Cheers
     
  19. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Ich denke, es geht auch darum, wie weit man selbst mit den besten Ohren kommt. Bei einem sehr gut ausgebildeten Gehör braucht man bei einem relativ einfachen Standard keine theoretischen Kenntnisse hinsichtlich der Changes, um darüber passabel improvisieren zu können. Ein paar mal angehört und bei einigermaßen solider Technik am Instrument kann es losgehen. Aber auch Wuffy ist sich seiner Grenzen bewußt, und ich würde vermuten, dass er bei einem Stück wie "Inner Urge", "Dolphin Dance", "Airegin" oder "Giant Steps" keinen großen Spaß haben würde. Zumindest hatte ich das nicht in den mehr als zwanzig Jahren, in denen ich fast ausschließlich nach Gehör gespielt habe (deshalb bin ich nach so langer Zeit dann eingeknickt und habe mich der Theorie ein wenig geöffnet, um diese Probleme zu knacken..). Und ich meine, Wuffy hätte selbst mal gesagt, dass er sich da eigentlich nicht hin verortet, also in komplexe Jazzstrukturen, von daher hat er es auch nicht nötig, sich großartig mit Theorie zu befassen.
    Der Knackpunkt ist das Gehör. Wuffy hat ein extrem gutes Gehör. Das haben viele aber erst gar nicht und besonders nicht, wenn sie erst sehr spät anfangen. Saxoryx hat ja auch einige musikalische Vorerfahrung, und das Gute ist schonmal, dass sie , wie sie selbst sagt, hört, wenn sie nicht die passenden Töne spielt, von daher wäre es vielleicht einfacher, wenn sie sich einen Blues oder ein Stück mit möglichst wenigen Changes vornehmen würde und einfach mal rumprobieren würde. All The Things ist schon eine Hausnummer, da geht es ehrlich gesagt ans Eingemachte...
    Ich glaube, ich verstehe, was Du meinst, weil ich ja auch jemand bin, der sich das alles eher über das Hören erschlossen hat. Die Theorie ist nur ein Mittel für mich, das, was ich eh höre, in Schubladen zu verstauen und auf meiner Festplatte etwas Ordnung zu machen :D. Allerdings gibt es auch viele, die anders ticken und die sich das Hören über theoretische Konstrukte erschließen müssen, es quasi mathematisch erfassen und begreifen müssen, und dann können sie ihre Hörerfahrung damit abgleichen und erweitern, im Sinne einer Feedbackschleife.
    Ich habe gerade die - wie sich nun herausstellt- wahrscheinlich unmögliche Aufgabe übernommen, der Tochter unserer Nachbarn Blockflötenunterricht zu geben. Das Mädchen (9 Jahre alt) hat absolut null Gefühl für Rhythmus oder Tonhöhen. Für mich als jemand, der Musik quasi mit der Muttermilch aufgesogen hat ein total interessanter Fall aber auch sehr schwierig, mich da reinzuversetzen und überhaupt einen Anfang mit ihr zu machen, der sie nicht total verschreckt oder die Freude an Musik nimmt.
    Ich denke, es ist von Fall zu Fall höchst unterschiedlich, wieviel Theorie erforderlich ist, um das Gehör voranzubringen.

    LG Juju
     
    Rick, Paul2002, KUS und 5 anderen gefällt das.
  20. Marko74

    Marko74 Ist fast schon zuhause hier

    Das ist ja auch in Ordnung.
    Ich bezog mich jetzt mehr auf deine Aussage:

    Na egal, wir sehen das jetzt wahrscheinlich in einem unterschiedlichen Kontext.
     
    Rick gefällt das.
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