"skalenorientierte" improvisation

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von the_ashbird, 16.Mai.2010.

  1. billy

    billy Ist fast schon zuhause hier

    Hi Phi.

    Ich finde, das ist eine vertikale Denkweise.

    Für's skalenorientierte, horizontale Spielen ist es vielleicht besser zu verstehen, welche Funktion der Akkord im Gesamtzusammenhang eines Stückes hat.
    Dann wäre es vielleicht interessant zu wissen, welcher Modus zu welcher Akkordstufe passt und welches tonale Zentrum ich habe (z.B. A-Mixolydisch über A7, also die D-Dur Tonleiter "von A bis A") und, ob ein Akkord lediglich ein Übergangsakkord ist. Vieles lässt sich heraushören...

    Schöne Grüße,
    Billy
     
  2. the_ashbird

    the_ashbird Ist fast schon zuhause hier

    hallo leute!

    danke pue! du bringst es auf den punkt...genau so seh ich das auch. ohne ein gewisses grundlagengerüst ists einfach schwieriger...grundlagen haben aber mE nichts damit zu tun, nur skalen auswendig zu lernen und runterzududeln...

    hallo rick!

    genau da liegt mein problem! :-D
    wenn ich mir bspw. soli von parker anhöre, kommen mir diese nicht komplexer vor als welche von young...dadurch dass diese legenden meist so locker und gelassen spielen, wirkt alles kinderleicht...und genau deshalb tu ich mich schwer, nummern zu finden, die geigenet wären, sich für den anfang damit auseinander zu setzen....
    ich hoffe du verstehst was ich meine! :-D

    ich kenn von young vorwiegend soli von und mit dem basie-orchestra. zB finde ich das solo auf "lady be good" (auf "the lester young story") sehr cool! :cool:
    super cool finde ich auch "lester's bebop boogie"!
    andere beispiele - eben die klassiker: "lester leaps in", "tickle toe", "i never knew", "body and soul", "tea for two", usw.usf.


    hey billy!

    genau das ist meine baustelle, mit der ich mich jetzt vermehrt beschäftige und so langsam beginne zu verstehen...WELCHE FUNKTION?! :-D
    in modi zu denken ist mir aber zu kompliziert. wenns bspw. um a-myxolydisch geht, fass ich diesen A7 akkord als Vte stufe von d auf und denk auf ich d-dur (eben von a aus!) :-D

    mir ist es nur zu kompliziert sämtliche modi in allen tonarten zu lernen und zu behalten.

    ich will einfach versuchen über einen möglichst praxisbezogenen weg an mein ziel zu gelangen...wobei, wie gesagt, mE eine gewisse theoretische grundlage einfach voraussetzung ist.


    aber so wie ich euch verstehe, denkt von euch auch niemand in skalen, sondern prinzipiell in akkorden und deren funktionen, oder?
    meine ursprüngliche frage basiert einfach nur drauf, dass man immer wieder mal irgendwo liest, dass skalenbezogen "einfacher" ist, einen einstieg zu finden?!

    danke, euch allen!
    lg phi
     
  3. ppue

    ppue Experte

    Na, mein Ding ist schon skalenbezogen. Du spielst bei Little Suede Shoes gerade mal zwei davon. In Kombination mit dem auswendigen Spielen des Basses hast du alle Modi automatisch drauf und musstest noch nicht mal lernen, wie die Dinger alle heißen.

    Es geht nur über die Vorzeichen und den jeweiligen Grundton. Die Akkorde lernst du, damit sie in die Finger kommen und damit du sie hören und voraushören kannst.

    Ob du dann eher horizontal oder vertikal improvisierst, also eher Skalen oder Akkorde benutzt, steht dir frei.

    Noch ein Tipp: sing die Soli. Beim Singen schaltest du die saxtechnischen Schwierigkeiten aus und merkst, ob dir überhaupt Phrasen einfallen. Das fiel mir auf, als ich mich früher mit Bebop beschäftigte. Ich stellte fest, dass ich die Phrasen nicht singen konnte. Also bin ich stundenlang spazieren gegangen und habe geübt, in der Art zu singen. Später am Sax hatte ich den beachtlichsten Lernerfolg, den ich je hatte.
     
  4. viva-la-musica

    viva-la-musica Ist fast schon zuhause hier

    Kann ich dir gut Nachfühlen. Ich finde, die meisten guten Ratschläge schiessen weit übers Ziel hinaus. Im ersten Post von dir ging es um die Zuordnung von Akkorden zu Skalen. Ja, dieses System gibt es, führt aber nicht zu den besten musikalischen Ergebnissen. Die Funktionsanalyse erlaubt es dir, die Tonsprache des Stückes besser zu verstehen und viele Changes zu reduzieren auf eine einzige Tonart, Skala. Normalerweise macht man diese Analyse vorher.

    Guck dir nochmal das Beispiel von Pue, Post #3 an. Alle Akkorde in den "weißen" Takten bestehen nur aus Tönen, die auch in der C-Dur Tonleiter vorkommen. In Takt 9 steht F-Dur, nach der vertikalen Methode würdest du dort eine Skala mit Bb verwenden, ist aber nicht sehr sinnvoll, weil schon im nächsten Takt im Akkord ein B (=H) auftaucht. Bleib dort also ganz einfach bei den Tönen von C-dur, dh. das Tonmaterial was du zur Impro verwendest, ändert sich bislang nicht. Ein Tonart fremder Ton -cis- taucht jeweils in den grünen Takten auf, in dem A7 Akkord, der hier eine Zwischendominante zu d-moll bildet. Nur in diesem Takt berücksichtigst du diesen fremden Ton und weichst kurz auf eine andere Skala aus, in diesem Fall die A7 Skala aus dem Scale-Syllabus. Streng genommen könntest du in der ersten Takthälfte bei e-moll noch bei den Tönen von C-Dur bleiben, aber vorausschauend verwendest du dort schon die Töne von A7, die passen auch zum e-moll Akkord. Übrigens siehst du dort eine II-V-I Verbindung zu einem "virtuellem" D-Dur, das gar nicht auftaucht. II = e-moll, V = A7, I wäre D-Dur. im Stück folgt dort die Variante d-moll.

    Zwei Anregungen: Du könntest die ganze Zeit stur C-Dur Töne verwenden. Das C bildet dann eine Bluenote gegen den A-Dur Akkord. Diese Möglichkeit mal probieren, um die harmonische Spannung (c + cis gleichzeitig) zu geniessen. Andere Möglichkeit: Verwende gis (und auch dis) gelegentlich als Zwischenton (Durchgangston), auch das erhöht die harmonische Spannung und macht das Spiel farbiger.

    Funktionsanalyse heisst für dich aber, mit Kanonen auf Spatzen zu schiessen. Bei anspruchsvollen Jazzthemen musst du noch Varianten, Medianten, Trugschluss, Substitutionen, Alterationen usw usw verstehen. Und der Jazz hält sich nicht unbedingt an Funktionsharmonische Konzepte. Vergiss (erstmal) den ganzen Quatsch.

    Da du dich mit Akkorden ja schon auskennst, notiere die Akkorde eines Stückes Takt für Takt. In so einer Übersicht siehst du sehr schnell, wo zusätzliche Vorzeichen auftauchen. Das nennt man dann Modulation, und du musst die Tonleiter zum Improvisieren ändern, also einige Zeit ein oder mehrere # oder b mehr verwenden. Irgendwann geht es meist wieder zurück in die Grundtonart, so dass du wieder nur die normalen ständigen Vorzeichen beachtest. Da brauchst du ein wenig Spürsinn, dann merkst du selber, wann du zurückschalten musst. Da du schon etwas mit II-V-I vertraut bist, suche solche Akkordfolgen (Kadenzen). Innerhalb einer II-V-I Sequenz brauchst du nur eine Tonleiter (Ausnahmen komplizieren die Regel). - Das war nochmal eine Erläuterung des Prinzips, das Pue schon so wunderbar dargestellt hat.

    Nichts gegen Lester Young (hier einige Transcriptionen), aber seine Werke zu studieren heisst mehrere Schritte zu überspringen und mit Stilanalyse zu beginnen. Sicher sollte man sich von den Meistern inspirieren lassen, aber dass machst du ja bereits. Wenn ich dich richtig verstehe, improvisierst du nur mit den Akkordtönen oder hangelst dich an der Melodie lang (das heisst paraphrasieren). Ich zitiere noch mal clari_sax:
    . Nachdem du schon (alle?) Bluestonleitern kannst, beschäftige dich gleich noch mit den Dur-7 Skalen (Dominant Septakkorde):

    [​IMG]

    Der Dur-7 Akkord ist wohl der meistverwendete Akkord-Typ. Spiel dich deshalb mit diesem Akkord/skala gut ein, am besten nach und nach in allen Tonarten. Mach am besten immer gleich eine freie impro damit, das geht auch ohne Playback. Wenn du diesen Grundtyp gut kannst, sind die anderen Akkorde/Skalen fast nur Varianten, für moll wird einfach die Terz ausgetauscht, für maj7 musst du die grosse Septime beachten. Der halbverminderte Akkord ist etwas spezieller, taucht aber oft in II-V-I Verbindungen auf. Kleines Problem: ein G-moll-7 Akkord ist nicht auf die hier gezeigte dorische Skala beschränkt, es würde zB zu g-moll auch die aeolische Skala passen (bei g-moll mit Bb und Eb). Das gilt für alle Akkorde: es passen mehrere Skalen dazu. Diese vier gezeigten Akkorde sind aber die vielleicht gebräuchlichsten Akkorde, meist passen die angezeigten Skalen auch gut dazu. (Alle Akkordmodelle gibt es wiederum in allen Tonarten, da kommen hier schon einige Dutzend zusammen, nicht erschrecken, fang einfach mit einigen wenigen an)

    Zurück zum Blues. Nimm zB das Playback von Rick zu den Akkorden von Watermelon Man. Die einfachste Möglichkeit: Spiele horizontal eine Skala über alle verschiedenen Akkorde hinweg, natürlich nimmst du dafür die berüchtigte Bluesskal, auf dem Alt wäre das (alle folgenden Akkorde für Alt):
    d-Blues, d f g gis, a c d.
    Eine Varinate: Probier auch mal die Blues Skala in Dur: d e f fis a h d (Die Töne entsprechen der H-Blues Tonleiter)
    Spiele vertikal: dh auf der Tonika die D7/9 mit Sdazugehörender Skala, Subdominante G7/9, auf der Dominante A7/9
    Du kannst auch auf den entsprechenden Stufen die jeweils passende Bluescale verwenden, das wären d, g, a- Blues.
    Weitere Möglichkeit: Tonika die D7/9, Subdominante G7/9, auf der Dominante aber diesmal die Bluescale a c d dis e g a
    So schlägt es Rick vor: Tonika, Subdominante die jeweilige Bluescale, Takt 9-14 aber jeweils die passende Dominantskala.

    Probiere einfach viel aus, mit der Zeit entwickelst du ein Gefühl, welche klanglichen Möglichkeiten am Besten zu Ricks Playback passen. Wie du hier merkst, kannst du zu einem einzigem Akkord schon verschiedene mögliche Skalen auswählen, dadurch erhält die Impro auch verschiedene Farben, Gesichter.

    Ein Versuch: Kombiniere die Bluesskala mit einer normalen Dur Tonleiter. Es entsteht die
    vollständige Bluestonleiter: d e f fis g gis a h c cis d.
    Diese sollst du aber nicht wie eine Tonleiter verwenden, diese Töne stellen einen Tonvorat dar, wo diese Töne dem Akkord verschiedene Farben hinzufügen. Bei der Skala fehlen nur noch 2 Halbtöne zu einem voll chromatischen Tonvorat, und auch diese wären möglich, in der Improvisation ist alles erlaubt!

    All Blues wäre auch gut geeignet, mal alle Möglichkeiten zu testen.
     
  5. the_ashbird

    the_ashbird Ist fast schon zuhause hier

    hallo viva!

    vielen dank für deine ausführliche erklärung!! echt super!!
    danke auch für den link mit den transkriptionen von young!!

    nachdem ich mich jetzt mal ca. ne woche recht intensiv mit harmonielehre beschäftigt hab und mehr oder weniger den gesamten thread im paralleluniversum gelesen hab (VIEL DANK PUE!!) erschließt sich mir so einiges, auch wenn ich jetzt noch viel mehr merke, dass es noch seeeehr viel zu tun gibt! :-D

    außerdem hab ich diese woche etwas für mich sehr wichtiges festgestellt: umso weniger ich während dem spielen/improvisieren nachdenke was ich spiele, desto besser und runder läufts...
    sprich, ich schau mir die progressionen an, markier mir die tonartwechsel wie ihr es mir vorgeschlagen habt und überleg mir wo ich hin will - wo ist der höhepunkt, etc.
    dann schmeiß ich das playalong rein, konzentrier mich erstmal nur auf die akkordwechsel und pfeif einfach frei aus dem bauch draus dazu...und wenn ich dann mein sax nehm und einfach "aus dem bauch raus" spiel, läuft das ganze schon wesentlich ruhiger, cooler und koordiniert ab...ich glaub das ist fürs erste schon mal ein recht guter schritt (zumindest mich freuts! :-D)

    ich bleib auf jeden fall dran und versuch mir "meine improvisationen" über mehrere wege zu erarbeiten...

    auf jeden fall noch mal ein ganz großes dankeschön für alle eure hilfestellungen! ihr habt mir in vielerlei hinsicht "die augen geöffnet" und jetzt werd ich erstmal versuchen meinen weg zu finden...ah - wie ich dieses forum liebe! :-D

    schönen abend!
    lg phi
     
  6. bernd_rossini

    bernd_rossini Ist fast schon zuhause hier

    also für mich war das auch eine ganz aufschlußreiche diskussion. auch wenn ich musiktheoretisch noch meilenweit entfernt bin (von wegen verbindungen, da vesteh ich nur bahnhof)...
    danke phi, von sowas profitieren immer mehrere!

    übrigens habe ich das erwähnte dudelproblem. auf pue's anraten sing ich mir jetzt auch melodien vor und versuch sie auf dem horn umzusetzen. eine neue welt! super! einfache hilfen sind oft die genialsten. manchmal glaubt man wohl gute hilfen/lösungen/ansätze müssen kompliziert sein..

    schönen abend
    bernd
     
  7. the_ashbird

    the_ashbird Ist fast schon zuhause hier

    danke bernd...hätt ich fast vergessen! (was heißt fast, ich habs vorher vergessen! :-D)

    improvisationen zu playalongs pfeifen, grummeln, "singen" oder summen fällt mir gar nicht mal so schwer. wenn ich aber dann versuche, diese auf dem sax umzusetzen, merk ich immer, dass meine "aus-dem-bauch"-ideen oft komplexer sind, als sie sich anhören! :-D
    außerdem hab ich so anschaulich bemerkt, dass mein gehör noch ne gute spur vom "ein-intervall-richtig-hören"-hören entfernt ist...da gibts also noch einiges zu tun und v.a. zu üben! :-D

    was mich aber andererseits wiederum positiv stimmt ist, dass wenn ich die idee in meinem kopf nicht so umgesetzt bekomme, wie ichs mir ursprünglich vorgestellt hab...mich also sozusagen verspiele...fallen mir schnell neue sachen ein um die situation zu klären...:-D

    lg phi
     
  8. bernd_rossini

    bernd_rossini Ist fast schon zuhause hier

    da sing oder pfeife ich erst mal einfache melodien und freu mich dabei das es überhaupt eine melodie ist, die ich dann
    spiel. komplizierter wirds dann von allein..

    da ich viel nach gehör spiel, fällt mir das eigentlich verhältnismäßig leicht.
    phil schrieb:
    was mich aber andererseits wiederum positiv stimmt ist, dass wenn ich die idee in meinem kopf nicht so umgesetzt bekomme, wie ichs mir ursprünglich vorgestellt hab...mich also sozusagen verspiele...fallen mir schnell neue sachen ein um die situation zu klären...

    find ich auch! gut ists auch während des spiels pause zu machen, kurz die nächste sequenz vorpfeifen und dann weiter am sax. auch das aufbauen von melodien aus einzelnen tönen gelingt leichter, wenn ich mir zeit lass..

    gruß
    bernd
     
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