Swing, historisch, theoretisch, praktisch

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von ppue, 26.Juni.2016.

  1. prinzipal

    prinzipal Ist fast schon zuhause hier

    nun, das stimmt soooo ja auch nicht.

    es kostet lebenszeit, das alles anzuhören.
    es kostet die ganzen internetkosten, die wartezeiten und das leiden, wenn der provider wieder mal spinnt usw.
    es kostet weil archive org das urheberrechtsfrei gewordene material sammelt, spenden.
    es kostet beste internationale beziehungen, die man haben müßte, anders als bei bestimmten ländern können wir derzeit usa server ansprechen, also halten wir bei ttipp usw. schön den mund.

    das kostet also schon ne menge.

    ne alte platte und ein grammophon kämen billiger.

    :-D
     
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  2. ppue

    ppue Experte

    Das der abendländische Marsch Eingang in den Jazz gefunden hat, ist wohl unbestritten. Nun gab es im Bürgerkrieg zwei grundlegend verschiedene Arten von Märschen. Einen mit binärer Aufteilung, wahrscheinlich eher deutsch geprägten Marsch, und den irisch geprägten mit ternärer Achtelphrasierung.

    Deutsche und Iren bildeten den größten Bevölkerungsanteil im jungen Amerika. Mir ist es unerklärlich, warum man sich so dagegen sträubt, dass der ternäre Marsch nicht auch Einfluss auf die Spielweise der afroamerikanischen Musiker hatte.

    Hier ein paar Songs aus dem Sezessionskrieg:








    Viele der Instrumente, die im frühen Jazz gespielt wurden, stammten aus alten Armeebeständen. Wenn man sich mit Minstrelshows und dem Cakewalk beschäftigt, stellt man fest, dass Weiße und Schwarze sich gegenseitig ständig imitiert haben und es liegt nahe, dass solche Imitationen auch auf musikalischer Ebene erfolgten.
     
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  3. Rick

    Rick Experte

    Stimmt, immerhin war ja eine der Quellen des frühen Jazz die Kultur der Marching Bands in New Orleans.

    Diese beiden Arten von Märschen gibt es aber schon sehr lange in der europäischen Musik, selbst traditionelle irische Märsche sind oft "binär", dagegen sind einige deutsche Märsche "ternär". Die Unterscheidung lässt sich also nicht an dieser nationalen Grenze ziehen.
    Gerade in Süddeutschland und Österreich gibt es auch viel ternäre Musik, die wohl von Italien beeinflusst ist. Vergessen wir nicht: Es gab mal eine Epoche, da galt Italien als DAS Musikland.

    Und gerade im Süden der Vereinigten Staaten lebten viele Italiener, die die ternäre Tarantella liebten, besonders in New Orleans. Warum wird das so gerne ignoriert?

    Da bin ich absolut bei Dir.
    Die Musikforschung geht schon lange davon aus, dass in der Entwicklung des Jazz für Rassismus kein Platz ist, weder war ein Bevölkerungsteil immer nur kreativ noch hat der andere immer nur kopiert.
    Erst die Mischung der vielen verschiedenen Einflüsse, Traditionen und Fähigkeiten macht's!
     
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  4. ppue

    ppue Experte

    Ja, gibt es sehr lange. Über die Anteile können wir gerne streiten. Ich behaupte, dass die Mehrzahl der ternären Märsche aus Irland kommt und die der Bürgerkriege in den USA sowieso, wie die meist pentatonischen Melodien bezeugen. Ja, in Deutschland gab es auch Pentatonik kannst du nun sagen, aber das geht an der Sache vorbei. Außer "Glory, Glory Halleluja" zeigen alle Stücke, die ich oben verlinkte, eindeutig irische Handschrift.

    In der Melodik finde ich gar nicht viel Deutsches. Mag sein, dass beide Formen des Marsches eher irisch beeinflusst sind.

    Die Tarantella ist eher triolisch als ternär gespielt. Zudem sehe ich da keine große Tradition in den USA.
     
  5. Gast_13

    Gast_13 Guest

    Also ich bin jetzt aus dem Thread raus!

    Wenn @ppue sich in den Kopf gesetzt hat, dass die Iren den Swing erfunden haben, dann soll er das gerne weiterhin hier verbreiten!
    Es werden sich sicher genügend Foristen finden, die den Unsinn auch glauben.

    Viel Spaß noch damit! ;-)
     
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  6. Rick

    Rick Experte

    Mag sein, mir ging es nur um diese scharfe Unterscheidung deutsch = binär, irisch = ternär, die ich so nicht sehe.

    Neben den irischen Märschen gibt es noch die britischen, die ebenfalls beide Rhythmus-Charakteristiken aufweisen.
    Im Süden der USA darf man den südeuropäischen Einfluss nicht vergessen (Spanier, Italiener usw.), den Du meiner Ansicht nach ignorierst.

    Die Tarantella hat die selben rhythmischen Ausprägungen wie die irische Musik, also mal alle Triolen ausgespielt, mal diese ternäre "Hinke-Rhythmik", und interessanterweise auch folkloristisch die gleiche Tambourin-Spielweise (mit dem Unterschied: Italien: Hand, Irland: Stick).
    Irgendwo muss es da gegenseitige Befruchtungen gegeben haben...

    Und die Tarantella ist sehr alt, ihre Geschichte ist mindestens bis ins Mittelalter zurück verfolgbar, ihren Einfluss hatte sie auf die gesamte europäische Musik, nicht zuletzt auf die italienische Oper des 19. Jahrhunderts - hier ein typisches Beispiel von Giuseppe Verdi, uraufgeführt 1862:

     
    Zuletzt bearbeitet: 2.Juli.2016
  7. Rick

    Rick Experte

    Nein, es waren doch nicht die Iren, sondern die Italiener! :p
     
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  8. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Ich bin für die Italiener, die Iren sind doch schon raus. Wenn sie heute noch die Deutschen schlagen, ist es ganz klar. Es bleiben vielleicht noch die Isländer.
    :duck:
     
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  9. saxology

    saxology Ist fast schon zuhause hier

    Wenn ich an meine Musikkorpszeit zurückdenke, gab es ein klares Kriterium, welche Märsche ternär waren: die Kavalleriemärsche.
    Der Pferdeschritt swingt.

    Wir haben heute keine Vorstellung mehr davon, wie sehr Hufgetrappel von morgens bis abends den Alltag der Menschen geprägt hat.
    Das wäre umgekehrt auch eine Erklärung, warum in den pferdelosen Kulturen Afrikas das ternäre Element fehlt.

    Um mit einer steilen These Öl ins Diskussionsfeuer zu gießen:
    Nicht die Iren, nicht die Italiener waren es - sondern die Pferde.
     
  10. claptrane

    claptrane Strebt nach Höherem

  11. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Ich hab's ja schon früher mal in einem anderen Thread eingestellt, hier aber noch einmal mit anderem Erklärungshintergrund: Stan Laurel hat den Swing nicht erfunden, ihn aber definitiv begriffen und versucht verzweifelt, ihn einer holzköpfigen Brigade von binären Ignoranten näher zu bringen, muss aber (un)natürlich mit seinem ehrenhaften Versuch scheitern.



    Interessant ist, dass bei diesen ternären Märschen die (geraden) Viertel gnadenlos durchmarschiert werden. Veilleicht ist das "Unrunde" des ternären Feels im Hintergrund genau das, was die Marschierer antreibt. TA-ta-TA-taTA-taTA-ta hat nicht das Momentum wie Tah--da-Tah---da-Tah--da. Die Zählzeiten bleiben ja untangiert.
    Die Frage, wer's erfunden hat, lassen wir besser, sonst landen wir noch bei einem schwarzgewandeten Schweizer Anwalt, der dicken Finnen vor der Sauna am Badetuch zupft:



    Das mit den Gangarten des Pferdes hatte ich auch schon mal in einem sehr verwandten Thread zu gleichem Thema vor längerer Zeit vorgebracht und glaube fest daran, dass wir in allen Bereichen unserer Kultur eigentlich vom ständigen Widerspruch unseres ambivalenten Wunsches von Regelmäßigkeit (Parallelen, rechte Winkel, Zeitmessung, temperierte Stimmung, you name it) und seiner Widerlegung durch die Natur zehren. Die (bisher) perfekte Illusion haben wir in der Durchdringung unser hochaufgelösten und hochauflösungen Wahrnehmung durch das duale System (alles lässt sich auf Ketten von 0 und 1, von an und aus, reduzieren) vollzogen, in der wir mit mp3 und jpg die digitale Illusion noch einmal komprimieren und runterrechnen, während Audio-Freaks das letzte aus der Rille der analogen Vinyl-Platte kratzen.
    Für mich ist in allen Kulturen und auch in allen hier aufgeführten Beispielen in Klang und Bild klar ersichtlich, dass rund um den Globus immer und überall ternäres Geschehen zu beobachten ist. Ob man das Pferd von Norden oder Süden aufzäumt (um beim Bild zu bleiben), ist für mich dabei sekundär.
    Wer für die Feinheiten in der Entwicklung des Jazz verantwortlich ist, ist mir wurscht, da ich hier nicht Wissenschaftler sondern Erlebender und Erfahrender sein möchte. Ich möchte mal sagen, dass Swing unvermeidbar war oder mit in Anlehnung Loriots ein Leben ohne Swing möglich, aber sinnlos ist.
     
  12. ppue

    ppue Experte

    @Nummer_13

    Du bist genau so besessen davon, dass es nicht sein kann.

    Ich fände es merkwürdig, wenn ausgerechnet die ternären Märsche ohne jede Auswirkung auf die Jazzmusik geblieben wären.
     
  13. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Euer Diskurs erinnert mich an den Streit zwischen Sigmund Freud und C.G. Jung: Unbewiesenes und Unbeweisbares kann man sehr wohl diskutieren, man muss sich lediglich bewusst sein, dass man keinen hinreichenden Beweis wird führen können, und das ab einem gewissen Punkt immer die persönliche Ebene und damit der Streit und eine Sackgasse erreicht wird. Hier der musikalische Verweis auf dieses Problem, natürlich mit Augenzwinkern ("kann" bitte durch "weiß" ersetzen):



    Das ist und bleibt ja die Crux der Geisteswissenschaftern, obwohl auch die Naturwissenschaften im Verlauf der Geschichte so ihre "kleinen" Irrtümer erlebten und korrigieren mussten. Ihr werdet euch nicht gegenseitig überzeugen können.
    Zur Sache: der "Konflikt" ternär gegen binär ist eine Keimzelle unseres Zeitempfindens und der daraus abgeleiteten musikalischen Aktion in der Zeitgestaltung. Er ist aber nicht wirklich ein Konflikt, sondern in meinen Augen eine musikalisch dialektische Keimzelle und "Brennstoffzelle", die in jeder musikalischen Gattung wirkt. Dabei ist der Swing ein schöner Ast an einem schönen Baum.
    Wie Beethoven im ersten Satz der Sonate Nr. 14 op 27 Nr. 2 den Triolen in der Unterstimme den letzten binären Impuls in der Oberstimme (Sechzehntel nach punktierter Achtel) entgegensetzt, kann unglaublich spannend interpretiert werden, wenn auch nicht in diesem Video ;-)




    Habe eben noch auf ARD Alpha einen Bericht über den jüdischen Jazz-Gitarristen Coco Schumann gesehen, der dort auch über Swing sprach und ihn durch die Betonung der Zählzeiten 2 und 4 definierte, was natürlich das Phänomen überhaupt nicht erklärt, obwohl der "Offbeat" andererseits natürlich ein wesentlicher Baustein von Blues, Jazz und vielen anderen Gattungen ist.
     
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  14. Gast_13

    Gast_13 Guest

    Mein lieber @ppue für mich ist die Entwicklung des Jazz und auch des Swing in erster Linie ein Verdienst der Schwarzen in Amerika. Und ich will denen diesen Verdienst nicht schmälern, nur weil jemand in weinseliger Stunde die Idee hat, den Swing aus der Irischen Musik herleiten zu wollen und dann mit der Brechstange hier rechthaben will.
    Ich empfinde das tendenziell als rassistisch, wenn man den schwarzen Afroamerikanern ihre Kultur wegnehmen, und die auch mit aller Gewalt den weißen Europäern zuschustern will!

    Wenn ich dann noch solchen Unsinn lesen muss:

    [QUOTE="saxology, post: 382063, member: 3730"

    ......Das wäre umgekehrt auch eine Erklärung, warum in den pferdelosen Kulturen Afrikas das ternäre Element fehlt.
    .[/QUOTE]

    In Westrafrika hatten sie schon Kulturen, da sassen wir in Europa noch vor der Höhle und haben Steine geklopft. Die Dogon trieben mit den alten Ägyptern Handel, kannten Astronomie, durchquerten auf Kamelen die Wüste und hatten in Timbuktu ein Handelszentrum und eine Bibliothek, was damals wohl einzigartig auf der Welt war.
    Außerdem muss man nur mal afrikanische Trommelmusik anhören, da ist jede Menge terneres dabei - vielleicht swingen Kamele ja auch?

    Ich bitte also um etwas mehr Respekt den afroamerikanischen Musikern gegenüber, ohne die es meiner Ansicht nach weder Jazz noch Swing geben würde, ob mit oder ohne Iren mit Pferdemist!

    Für mich ist die Entstehung des Jazz und des Swing ethnologisch ausreichend definiert, da brauche ich keinen Freizeit - Musikwissenschaftler wie Dich lieber @ppue, bei allem Respekt vor Deinen Leistungen als Musiker und Saxophonist!
     
  15. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    @Nummer_13

    Du vergreifst Dich im Ton, sorry.

    Dein Beitrag ist völlig daneben....persönlich mußtest Du nun wirklich nicht werden.

    Lies solche Beiträge erst nochmal bevor Du auf "Return" drückst.
    Dadurch kannst Du nur gewinnen.

    Sehr schade....

    CzG

    Dreas

    Und völlig unangebracht sind rassistische Vorwürfe!
     
    Zuletzt bearbeitet: 3.Juli.2016
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  16. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Ich glaube, niemand hier will den Afroamerikanern ihre Kultur wegnehmen, das kann man auch gar nicht. Selbstverständlich ist der Jazz im Wesentlichen von den Schwarzen in USA geprägt worden. Auch stellt niemand die afrikanische (Musik-) Kultur in Frage. Es ist doch eher so, dass @ppue sich wundert, dass trotz des riesigen afrikanischen Erbes der Swing anscheinend nicht auf dieses Erbe zurückgeführt werden kann. Dafür spricht ja auch einiges, und das darf doch bitte diskutiert werden, egal ob von Vollzeit- oder Freizeit-Musikethnologen. Als Freizeit-Perkussionist, der sich halbwegs intensiv mit afrikanischen Rhythmen beschäftigt hat, finde ich den Swing auch nicht in Afrika.

    Und den Rassismusverwurf finde ich völlig daneben.

    LG Helmut
     
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  17. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    @ppue erhebt nicht den Anspruch einer musikwissenschaftlichen Abhandlung. Er stellt lediglich eine Hypothese auf und versucht, sie mit Material zu belegen.
    Ich kenne ihn gut genug, um den Vorwurf der rassistischen Argumentation als absurd zurückzuweisen. Bleibt auf dem Teppich, liebe Leute. Bisher schätze ich dieses Forum als eines der wenigen, die nicht ständig verletztend auf die persönliche Ebene rutschen. Es wäre schön, wenn das auch so bliebe.
    Zum Thema: Amerika war der "melting pot", der Schmelztiegel, in den alle ethnischen Gruppen ihre Ingredienzen für den Zaubertrank "Jazz" und "Swing" geworfen haben, von irischer Folklore über afrikanische Polyrhythmik bis hin zu impressionistischen Harmoniegefügen à la Debussy. Da waren alle, aber auch alle beteiligt, weil sie sich TRAFEN, IMITIERTEN und AUSTAUSCHTEN. Es lebe der Dialog.
    Was ich an ppues Argumentation schwierig finde, ist, diesen Prozess der Emulgation auf die einzelnen Bestandteile aufspalten und diese isolieren zu wollen, so in etwas wie eine musikalische Papier-Chromatographie. Da wird der Beweis einer eindeutigen Zuordnung nicht zu führen sein, wer Henne, Hahn, Nest, Ei und Hühnerkacke war.
     
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  18. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Warum eigentlich? Man kann doch auch z.B. die impressionistische Harmonik "isolieren". Natürlich ergibt das daraus entstehende Gesamtgefüge etwas durchaus Neues. Die Vorgehensweise ist in den Kulturwissenschaften gang und gäbe.

    LG Helmut
     
  19. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    @bluefrog: ja und nein. Ich denke, dass eben im Prozess der Emulgation die Einzelbestandteile sich auch gegenseitig maßgeblich verändert haben. Debussy erscheint in der Jazz-Harmonik, er ist aber nicht die Jazz-Harmonik. Genauso haben irische Jigs ihren Weg in den Swing gefunden, sie sind aber nicht der Swing.
     
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  20. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    D'accord, so meinte ich das auch.
     
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