Skalen bei halbvermindertem (II bei Moll II-V-I)

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Gerd_mit_Sax, 23.März.2019.

  1. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Ich wollte es gestern schon schreiben.
    Mir widerstrebt es auch, alles stur nach Skalen zu betrachten, ich stelle mir vielmehr die Frage: Was ist die Intention (Approach, Akkord innerhalb eines Akkordes, parallele Intervalle etc.).
    Also meine erste Frage wäre: Was kann ich mit der natural 2 anfangen, was ergibt sich daraus?
     
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  2. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Zumindest bei Bm7b5 und bei Em7b5 stimmt das #.
     
  3. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Liegt sicher wohl auch an dem Einfluß an den modalen Konzepten, und dann fing man an, alles auf Skalen runterzubrechen, was in der Funktionsharmonik eher suboptimal ist..
    LG Juju
     
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  4. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Wenn b2 kleine Sekunde heißt, ♮groß und # übermäßig (raised) dann nicht. So ist zumindestens die Bezeichnung, die ich aus dem Englischen kenne.
     
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  5. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Da wir es gerade erst im Theorie Thread zu My Funny Valentine hatten - ... werfe ich hier noch die "BeBop scale" ins Rennen :D (siehe letzten Absatz von dem verlinkten Post, das Beispiel bezieht sich auf Eø -A7-Dm!)
     
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  6. The Z

    The Z Ist fast schon zuhause hier

    Genau! Eine Beschäftigung mit Stimmführung ist auch für uns Saxophonisten äußerst lohnenswert.

    Gerade Swing, Be- und Hardbop sind eher Akkordorientiert und nicht Skalenorientiert. Die heute gängige Akkord-Skalen-Theorie ist erst seit den 70ern gebräuchlich, damit läßt sich einiges erklären, aber nicht alles.
     
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  7. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Die Crux ist halt, dass die Skalentheorie mehr oder eher Halt gibt - gerade je strikter die Zuordnungen sind.

    Im Bebop habe ich die Arpeggios und ihre sukzessive Anordnung - alles andere bleibt total frei - 12 Töne halt, mehr oder weniger geschickt verteilt. Und die Arpeggios sind noch nicht mal Fixpunkte, sondern nach Gusto alterierbar und substituierbar.
     
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  8. The Z

    The Z Ist fast schon zuhause hier

    Wenn man in Skalen denkt, klingt man halt auch so. "Running Scales" ist für mich nicht positiv besetzt.

    Skalen sind nicht mal die halbe Wahrheit.
     
  9. ppue

    ppue Experte

    Ich bin ja vehementer Gegner davon, in Kirchentonarten zu denken. Schon falsch aus der griechischen Kultur abgekupfert werden die armen Dinger im Jazz nun zum zweiten Mal missbraucht.

    Wichtigste Grundlage bei der Improvisation ist das Wissen um die tonalen Zentren. Verbunden mit den Basstönen habe ich in der Regel schon alle harmonischen Informationen des Stückes beisammen, kann vertikal und horizontal alle Töne sofort ableiten und mich auf Umspielungen, Verzierungen, krumme und überraschende Töne einstellen.
     
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  10. The Z

    The Z Ist fast schon zuhause hier

    Kommt auch immer auf den Kontext an. Es ist relativ sinnlos "So What" oder Coltranes Version von "My Favourite Things" funktionsharmonisch zu analysieren. Da ist das mit den Kirchentonarten schon sinnvoll.
     
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  11. Gerd_mit_Sax

    Gerd_mit_Sax Ist fast schon zuhause hier

    Ich bin mir im Klaren darüber, dass ihr Profis euch schon (mindestens) ein bis zwei Takte vorher Gedanken macht, auf welchem Ton ihr mit welchem Approach-Ton landen wollt und wie die Linie dann weiter geht.
    Bei mir ist das noch ganz anders: Mit dem „Sound“ einer HM5 oder einer HTGT freu ich mich „im Moment des Spielens“ darüber wie toll das gerade klingt und vielleicht schaffe ich es tatsächlich mir Gedanken über eine 7, 9 oder #11 als ersten Ton nach dem Taktwechsel zu machen. Wie @gaga geschrieben hat: Mir gibt das Halt und ich weiß, dass ich wenn ich mich mit den Skalentönen plus eventuell mal ein chromatischer Nachbar begnüge, dann klingt es schon mal nicht falsch.

    Nochmals vielen Dank für die vielen interessanten Posts. Auch bermerkenswert, dass jeder einzelne Post zum Thema war! Danke!
    Gerd
     
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  12. peterwespi

    peterwespi Ist fast schon zuhause hier

    Ohne jetzt den ganzen Thread gelesen zu haben:

    Variante 1: lokrisch
    Variante 2. lokrisch9 (mit grosser Sekunde) falls es etwas heller klingen darf und so einen grösseren Kontrast zur nachfolgenden alterierten Dominante bieten kann.

    Abwandlungen finde ich persönlich nur als Erklärung und Herleitung des Tonmaterials sinnvoll, in der Praxis sind sie ein Denkschritt zu viel.
     
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  13. Gerd_mit_Sax

    Gerd_mit_Sax Ist fast schon zuhause hier

    D.h. du sagst dass man das „lokrisch9“ (diese Bezeichnung macht für mich gerade am meisten Sinn) spielt, wenn man alteriert auf der Dominante spielen möchte. In anderen Fällen eher lokrisch?
     
  14. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Ich bin sehr bei @ppue und seinen "tonalen Zentren" und beim Ansatz des Umspielens von Zieltönen. So betrachte ich bei der Frage um "lokrisch" oder "lokrisch 9 bzw. lokrisch 2 mit Auflösungszeichen" nicht die Skala (die ist sowieso eigentlich immer Bb- natürlich, harmonisch oder melodisch mit wechselnden Starttönen), sondern die in der II-V-I mögliche fallende chromatische Melodielinie von Eb über D bis zum Db, die ja beliebig umspielt oder gestaltet werden kann. Hier ist die lokrische 9 (D) halt ein Spannungs- oder Durchgangston, der natürlich in Bb- unweigerlich zum Db will.
    Diese Melodielinie ist ja nur eine von vielen möglichen. Will ich am Ende der Kadenz nicht auf der 1 (Bb) oder der 3 (Db) landen sondern auf der 5 (F) oder der 9 (C), "fliege" ich den Zielton möglicherweise ganz anders an. Das "Wie" (motivische Arbeit) ist da nach meinem Geschmack wichtiger als das "Was" (Skalen). Alle zwölf Töne sind mit im Spiel.
    Um es anders zu sagen: man wuss wissen, wo man zuhause ist und wie man wieder nach Hause kommt. Für manche reicht der Orientierungssinn nur zu einem kleinen Schritt vor die Haustür, andere wissen, wie sie auch nach einer ausgedehnten Reise mit genüßlichen Abschweifungen und vielen Abenteuern wieder nach Hause finden.
     

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  15. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Hab vergessen, den aus der Mottenkiste geholten Fill von Branford Marsalis aus Sting's "Mad About You" wieder zu löschen, deshalb trage ich eine kurze Erklärung dazu nach: in diesem Fill auf der Dominante (mittlere Zeile, also Bb bzw. Tenor) tatsächlich in Bb- vermisst man weder den lokrischen noch den "groß-lokrischen" Unterscheidungston (Db bzw. D).
    Der Zielton am Ende des Fills ist ja weder der Grundton Bb noch die Terz Db oder die None C, sondern die Quint F, also werden andere Spannungsverhältnisse aufgebaut.
     
  16. peterwespi

    peterwespi Ist fast schon zuhause hier

    Die absolut eindeutige Antwort: Sowohl, als auch :D

    Beim Improvisieren bilden die Chords das vertikale Gerüst, an das man sich halten muss/soll/kann/darf/mag/will. Die Töne dazwischen sind freestyle anwendbar und können variieren. Chords plus Töne dazwischen (Tensions) ergeben Scales. Die haben dann Namen, werden den Kirchentonleitern zugeteilt, können symmetrisch sein usw. Wichtig zu wissen ist, dass Skalen Klangfarben zu den Chrods bieten.

    Jetzt geht es um das Impro-Konzept: Will ich möglichst wenig harmonisch denken müssen und mit einer einzigen Scale über einen möglichst langen Part spielen können möchte, dann kann ich die die Theorie-Kapazität für Kreativität verwenden. Das passiert beispielsweise bei AUTUMN LEAVES in Takt 1 - 4, wenn ich über

    (in C)
    | C-7 | F7 | Bbmaj7 | Ebmaj7 |

    einfach mit der Bb Dur Scale spiele, dann ist's vom tonalen Zentrum her egal, welcher Chord gerade gespielt wird. Denn die Bb Dur Scale enthält nämlich sämtliche Töne, die auch in den Chords vorkommen (Diatonik). Der Vorteil daran ist, dass ich zur Kreativität zusätzlich das Gehör schulen kann und einen dissonanten Ton auflöse. Das sind Hör-Erfahrungen, die irgendwann mal theoretisch erklärt werden (Sprache: Baby "blablabla", Kleinkind plappert nach, Kind fängt an, sinnvolle Sätze zu bilden, Deutschleher erklärt anhand der Grammatik, was das Kind bisher falsch gemacht hat...;)). Der Nachteil ist, dass es halt immer "irgendwie gleich tönt" (um mit den Worten meiner Kunden zu erklären).

    Bei der Domnante F7 bietet sich die Möglichkeit, mit Alterierungen der Tensions und sogar bei der Quinte (ist eh ein nicht so wichtiger Ton...) Spannungen zu erzeugen. Die alterierte Scale

    F Gb G# A Cb Db Eb F

    ist so in etwa das schrägste und spannendste, was man noch legal über eine Dominante spielen kann. Der Vorteil ist, dass man coole Spannungen erzeugen kann. Der Nachteil ist, dass man jederzeit die Orientierung im Ablauf haben muss und wirklich nur im Takt von F7 mit dieser Scale spielen soll. Das wiederum geht meistens zu Lasten der Kreativität.

    Weitere Konzepte wären z.B. nur Chord Tones, Chord Tones mit Approaches, Guide Tone Lines, Double Guide Tone Lines usw., womit das Improvisieren zu etwas in der Art "Musikalisches Malen nach Zahlen" mutiert. Kann ich die Konzepte gezielt einsetzen, dann kann ich jederzeit den Impro-Phrasen eine bestimmte und gezielte Farbe geben und so agieren.

    Um zurück auf deine Frage zu kommen: Die Verbindung | IIø7 | V7 | I- | bietet einige Varianten. Die einfachst ist

    D lokrisch | G HM5 (> siehe Erklärung) | C äolisch

    Erklärung zu G HM5: Die Scale G Harmonisch von Stufe V enthält die Töne G Ab B (H) C D Eb F G und ist mit Ausnahme der B (H), das man für die Dur-Terz der Dominante einbauen muss, eigentlich C äolisch. Diese Variante ermöglicht die wenigsten Veränderungen der gewählten Scale.

    Eine nächste Variante wäre:
    D lokrisch9 (etwas heller) | G alteriert (Spannung pur, dunkel) | C melodisch Moll aufsteigend (hellste Moll-Scale)
    ...was durch die Spannung in der Dominante mit der Auflösung in die hellste Moll-Variante wie "links blinken und rechts" abbiegen ist.

    Und eine nächste Variante könnte sein:
    D lokrisch (dunkel) | G mixolydisch#11 (hellste Dominante) | C harmonisch Moll
    ...was "links blinken und rechst abbiegen" in umgekehrter Reihenfolge ist.

    Um es auf den Punkt zu bringen: Es kommt nicht darauf an, was "man üblicherweise spielt", sondern man sollte viel mehr verschiedene Möglichkeiten planen, die man gezielt einsetzen kann. Mit dem Nachteil, dass das Tonmaterial schon ziemlich komplex werden kann und nur im aktuellen Chord wirklich cool tönt. Zudem soll's dann ja auch nicht hölzern und konstruiert klingen, womit wir dann wieder bei der Kreativität wären.

    Vielleicht hilft das irgendwie? :rolleyes:
     
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  17. Rick

    Rick Experte

    Wie wäre es, wenn man einfach mal melodisch sinnvolle Phrasen spielt, anstatt in irgendwelchen Skalen zu denken? ;)

    Und Melodie schlägt im Zweifelsfall Akkord, das hat nicht zuletzt Miles Davis immer wieder eindrucksvoll bewiesen.
     
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  18. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Das stimmt schon, aber üben sollte man sie schon. Weil man - zerlegt man sie - auf Melodien kommt, die einem sonst vielleicht nicht einfallen.

    Ich empfehle zu dem Thema auch das mymusicmasterclass Video von Will Vinsion "Melodic Improvisation", wo es unter anderem um Stimmführung geht.

     
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  19. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Was können kurze Videos für einen langen Nachhall haben bzw. was kann man aus einem kleinen Moll-Akkord alles machen. Sehr schönes, musikalisches Video, Dank an @Ton Scott für's Teilen, und ich werd's später mal versuchen, da praktisch mit meinen Mitteln umsetzen.
    Wenn man jetzt im tonalen Material der harmonischen Molltonleiter bleibt und diese Figur 5-10-8 (also F-Db-Bb in B-) innerhalb der Leiter sequenziert, dabei die durch leiterfremde Töne entstehenden Moll-Dreiklänge wieder verlässt in Richtung leitereigene Töne, dann noch etwas rhythmisch variiert und umspielt, wird es eine spannende Sache.
     
  20. The Z

    The Z Ist fast schon zuhause hier

    Das schließt sich ja nicht aus.

    Danke für den Tipp, bin vor einiger Zeit, über die Seite gestolpert und habe sie dann nicht mehr gefunden. Die Masterclasses von Will Vinson, Tivon Penicott und Ari Hoenig sind mal auf der To-Listen-Liste.
     
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