Geschraubt oder gelötet

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von ppue, 22.März.2019.

  1. ppue

    ppue Experte

    Ja, ich verspreche einen schönen Popkorn-Thread für uns Quadratköpfe. In Ansätzen diskutierten wir das schon etliche Male. Leider bisher ohne überzeugendes Ergebnis. Deshalb hier noch einmal meine Gedanken dazu mit der Hoffnung auf rege Beteiligung.

    Was ist besser: Ein weitgehend verlötetes Instrument oder eines mit vielen Einstellmöglichkeiten, angeschraubtem Schallbecher und Justierschrauben?

    Die alten, weitgehend gelöteten Saxophone wirken wie aus einem Guss. Nur die Achsen und Achshalter sind geschraubt. Der Korpus ist durchgehend gelötet, die Mitnehmer haben keine Justierschrauben, die Klappenkäfige sind angelötet und auch die Anschlagfilze der großen Klappen sind angeklebt und nicht, wie heutzutage, verstellbar.

    Meine These: Der gelötete Korpus ist recht solide und alle Teile sind fest und dicht miteinander verbunden. Eine solche Einheit schwingt besser mit und strahlt seine Schwingungen besser in die umgebende Luft ab.

    Der geschraubte und mit vielen Extras versehende Korpus moderner Saxophone hat eine Menge Material, in dem die Schwingungen eher in Reibung (Wärme) umsetzt werden. Mikroschlitze bei Schrauben (keine Schraube kann zu 100% in ihrem Gewinde fest stecken) binden die Energie hoher Frequenzen. Ein angeschraubter Schallbecher fällt wohl weniger ins Gewicht als der Klebestreifen zwischen Becher und Konus, der jegliche Schwingung absorbiert.
    Durch doppelte Bügel und Zusatzmechaniken wird das moderne Saxophon nicht nur schwerer, sondern bietet den hohen Frequenzen jede Menge Material, in dem sie sich "verlaufen" können.

    Die Gretchenfrage dabei ist wohl, was wir überhaupt von einem "guten" Korpus erwarten: Soll er mitschwingen, resonieren oder ist es besser, wenn er, absolut starr, keinerlei Schwingung aufnimmt und somit alle Energie in der stehenden Welle bleibt?
    Vielleicht teilen sich stehende Welle und Korpus auch verschiedene Frequenzbereiche auf? Das Metall liebt die ganz schnellen Schwingungen, die es direkt aus dem Mundstück aufnimmt (was die Idee der Klangbögen ist) und die stehende Welle ist eher für den Druck im unteren Frequenzband zuständig.

    Diese These entspricht der Aussage eines alten Instrumentenbauers, der auf Wunsch des Kunden ein Saxophon mit Spraylack überzogen hat und es seiner Meinung nach damit getötet hat. Auch meine Erfahrung mit unlackierten Instrumenten entsprechen der Theorie, dass die feinen Obertöne besser direkt vom Metall abgegeben werden als von einer doch sehr viel weicheren Versiegelung.

    PS.: @Claus: Ich kenne keine wissenschaftliche Untersuchung, die meine Thesen unterstützt oder widerlegt.
     
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  2. Bernd

    Bernd Gehört zum Inventar

    Oooooops, das kann ein langer Faden werden, der da gesponnen wird.
    Vorab: ich habe keinerlei Ahnung und noch nicht einmal eine Meinung zu dem Thema.
    Aber: als ich meinen Schucht-Prototypen meinem Saxdoc in die Hand drückte, damit er diesen mal begutachten solle, war so ziemlich das erste, was er sagte:
    „Schallröhre, Knie und Becher sind verlötet. Das ist schon mal sehr positiv.“

    LG Bernd
     
  3. kokisax

    kokisax Strebt nach Höherem

    Wie verhalten sich eigentlich Orgelpfeifen?
    Inwiefern schwingen diese und in welchen Frequenzen?
    Gibt es dazu Messungen?
    Schwingt dabei der ganze Korpus gleichmäßig oder eher nur an der Austrittsöffnung?
     
  4. Wuffy

    Wuffy Gehört zum Inventar

    Dann müssten die alten und über-gehypten Selmerchen (SBA, MK VI, etc) aber ganz schön nachteilig abschneiden. o_O

    Schrauben ohne Ende :)
     
  5. ppue

    ppue Experte

    SBA und Mark VI scheinen mir doch unterschiedliche Soundkonzepte zu sein. Ein Mark VI-Fan bin ich soundtechnisch nicht. Natürlich muss man auch definieren, was ein toller Sound ist.

    Für mich ist er recht voll mit brillianten Höhen. Kann gut sein, dass diese Vorliebe bei meiner Beurteilung des Sounds mit spielt.

    Ganz anders als das Mark VI kommt für mich das Buffet S1 am nahesten an den Vintagesound heran. Das hat die üblichen Schrauben. Ich weiß nicht, wie sie den Hammersound hinbekommen haben.
     
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  6. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Schade! Und das meine ich nicht hämisch, sondern ehrlich interessiert.

    Leider fehlt mir das vertiefte physikalische Wissen, um mir zu Deinen Thesen wirklich eine informierte eigene Meinung zu bilden.

    Was ich wohl gelernt habe ist, dass bei weitem nicht alles, was beim ersten Anhören plausibel oder schlüssig klingt, auch wissenschaftlich haltbar ist.

    Hinsichtlich zusätzlicher Spielereien, die irgendwie mit dem Korpus verbunden werden, scheint es ja ganz unterschiedliche Vermutungen zu den Wirkungen zu geben. Du, @ppue, gehst Davon aus, dass einstellbare Palmkeys den Sound negativ beeinflussen. Dann wieder gibt es Zubehörhersteller, die uns erzählen, dass schwerere S-Bögen-Schrauben, angeschraubte Klangbögen, lefreques etc. den Klang verbessern.
     
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  7. elgitano

    elgitano Ist fast schon zuhause hier

    vom Gefühl her würde ich auch sagen: Positiv - Masse und starr. Negativ - alles was rasselt

    Claus

    wobei die Orgel doch recht weiche Metallpfeifen hat. Aber das ist eine Orgel und kein Sax
     
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  8. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    "Besser" in welchem Sinn?

    Die Einstellmöglichkeiten sind sicher nicht dafür erfunden worden, den Klang zu verbessern.

    Es geht also eher um die Abwägung: hat man sich durch die bessere Reparier- und Justiermöglichkeit den Klang verschlechtert?

    Wissenschaftliche Untersuchungen gehen auch nur von idealisierten Annahmen aus. Also z.B.: die zusätzlichen Massen (Klangbogen, S-Bogen) beeinflussen das Resonanzverhalten, aber unter der Annahme, dass sie starr mit dem Korpus verbunden sind.

    Alles was klappert und scheppert ist klanglich sicher nicht gut. Das merkt man schon, wenn mal eine "Schraube locker" ist und gewisse Frequenzen dann anfangen zu übersteuern.
     
  9. GelöschtesMitglied11073

    GelöschtesMitglied11073 Guest

    Vielleicht ist es ja auch vollkommen egal,ob das Horn diese Einstellschrauben hat oder nicht. Alte vollverlötete Hörner können grandios klingen. Nagelneue Yamahas mit Furz und Feuerstein Einstellungsmöglichkeiten können das aber auch
     
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  10. kokisax

    kokisax Strebt nach Höherem

    Wenn Verschraubungen mit einer Mutter gekontert oder durch ein anderes Vorspannelement fixiert werden ist die Verbindung starr.
    Kontermuttern hatte ich bisher allerdings noch an keinem Horn gesehen.

    kokisax
     
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  11. hiroaki

    hiroaki Ist fast schon zuhause hier

    Als IT-ler hört sich das so an wie "Lavendelfarbene Datenbanken sind die schnellsten".
     
  12. kokisax

    kokisax Strebt nach Höherem

    @hiroaki ,

    das ist eben der Unterschied zwischen Soft- und Hardware......:D
     
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  13. elgitano

    elgitano Ist fast schon zuhause hier

    King Tenor, ¿serienmässig? 1.jpg 2.jpg
     
  14. pth

    pth Ist fast schon zuhause hier

    Das hat einen Vorteil: Es scheint (geschraubte) Instrumente zu geben, bei denen nach der Generalüberholung vergessen wird, die Dichtung wieder einzulegen.
     
  15. p-p-p

    p-p-p Ist fast schon zuhause hier

    Stimmt schon - aber wenn die Schraube rasselt, ist sie doch los, und ich schraub sie fest, oder nicht?

    Eben. Und wenn ich die Schraube fest genug angezogen habe, ist sie "kaltverschweißt" - habe schon genug davon rausbohren müssen... die Verluste hoher Frequenzen in den Mikrospalten erscheinen mir - ebenfalls ohne Kenntnis beweisender Studien - nun, sehr theoretisch.
    LG p-p-p
    p.s.: was die Veränderung des Klanges durch Anbauteile angeht, ist in der Tat immer ein schönes Threadthema.
    p.p.s.: Einer der Amsterdamer Anbieter hatte ja schöne gelötete altmodische Drahtkäfige an den Klappen - und jetzt aufgrund der Rückmeldung von Schraubern über unbequemes Handling als Option die Möglichkeit abschraubbarer Käfige eingeführt. Klang konnte ich noch nicht vergleichen... ;)
     
  16. Sandsax

    Sandsax Gehört zum Inventar

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  17. ppue

    ppue Experte

    bikes Kopie.jpg
     
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  18. kokisax

    kokisax Strebt nach Höherem

    Man glaubt gar nicht wie schnell sich auch mit Drehmoment fest angezogene Schrauben ohne geeignete Sicherung bei dynamischer Beanspruchung (Vibration) lösen können,
     
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  19. ppue

    ppue Experte

    Den treiben wahrscheinlich ähnliche Gedanken um.

    Viele der Voodoo-Teile sind in der Annahme konstruiert, dass mehr Masse am Korpus besser klingt. Ich kann das letztendlich nicht beurteilen. Vielleicht geht es, wie schon beschrieben, auch um unterschiedliche Frequenzbänder.

    Ja, darum geht es.

    Alle Conn New Wonder I sowie II haben Konterschräubchen:

    lock screw.jpg

    Warum die Fahrräder oben? Dazu die Fragen:

    Von welchem Rad fällt zuerst was ab?
    An welchem Rad fängt es zuerst an zu rappeln, vibrieren, klappern oder rasseln?
    Würde man beide Räder einer hohen Schwingung aussetzen, bei welchem Rad würde mehr Schwingungsenergie verloren gehen?

    Ganz spontan nahm ich eben mein Buffet S1 Tenor und zählte mal die Verschraubungen im unteren Teil. Dabei spielte ich ein wenig mit den Klappen herum und musste feststellen, dass die Anschlagsversteller der C#- und der H-Klappe klackerten, wenn die Klappe nach oben schnellte. Beide sind lose und da diese nicht anzuziehen sind, muss nun ein Tropfen Pattex ins Gewinde.

    Ansonsten hier das Ergebnis meiner Zählung:

    schraub-loet.jpg
     
    p-p-p gefällt das.
  20. Rubax

    Rubax Strebt nach Höherem

    Wusstest Du das nicht?
     
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