Schnell spielen und Muskelgedächtnis

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Gelöschtes Mitglied 13399, 3.September.2023.

  1. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Ich dachte, wir tauschen uns hier mal zu diesem Thema aus, da ich selbst recht interessante Beobachtungen gemacht habe:

    Manche Licks oder ,,Bausteine" kann ich (für meine Verhältnisse) schnell spielen, ohne sie je auf Tempo geübt zu haben, weil sie sich durch eine bestimmte Aufnahme sehr in mein Gedächtnis gebrannt haben und/oder ich sie über einen langen Zeitraum täglich ein paar Mal gespielt habe (wohlgemerkt nicht geübt, sondern nur ein, zwei Mal ,,gedaddelt").

    Wieder andere habe ich lange regelmäßig mit Metronom geübt und dabei auf Gründlichkeit geachtet, sie gelingen aber dennoch nicht.

    Zudem fällt mir auf, dass die Dinge, die ich einem schnellen Solo sicher abrufen kann, nicht unbedingt gleichmäßig und formschön mit Metronom laufen, umgekehrt aber Bausteine, die mit Metronom gleichmäßig und sauber laufen im Solo nicht klappen.

    Wohlgemerkt: Ich mache mir keinen Druck, da etwas zu ändern, das habe ich inzwischen gelernt. Man übt so gründlich und viel man kann und manches wird besser, anderes dauert, dies kontrollieren zu wollen, ist meiner Erfahrung nach vertane Zeit.

    Dennoch frage ich mich, wie so eure Erfahrungen sind, denn es ist schon spannend, wie unser Gehirn und speziell das Lernen funktioniert. Kommt euch das von mir Geschriebene bekannt vor?
     
  2. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Das ist für mich auch normal, dass schön und flott uns sicher eingebrannte Bausteine nicht unbedingt sicher "abrufbar" sind. Das ist die Enttäuschung des Vielübers, dass der Weg vom Practise Room zur Bühne kein direkter ist.

    Das Privileg der Jugend, schnell zu lernen habe ich längst nicht mehr. Ich brauche ein vielfaches an Zeit - das merke ich immer wieder. Aber irgendwie funktioniert es noch und die allgemeine Geläufigkeit beim Improvisieren mit der Band wird erstaunlicherweise proportional zum Übeaufwand viel besser, ohne unbedingt mit dem tatsächlich geübten Stoff zu korrelieren.
     
  3. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Das Privileg der Jugend habe ich inzwischen womöglich verloren, was das Üben angeht, bzw. war ich immer schon ein Grobmotoriker und es ist für mich normal, immer irgendwo einen blauen Fleck zu haben, weil ich gegen Wände, Türen etc. laufe - allein habe ich noch nicht die Leiden des Alters zu erdulden und genieße jetzt meine ,,besten Jahre" :p (ja, der Begriff wird üblicherweise anders verwendet) .
    Mit meinem Lehrer hatte ich neulich einen interessanten Austausch darüber, wie ich übe.
    Mein Ansatz war immer, so langsam und gründlich wie möglich und so wenig wie möglich zu üben (wenig bezogen auf die Summe an Übungen, nicht auf die Übedauer).
    Er riet mir, mich mehr zu fordern, auch mal Stücke mit 200 bpm und mehr zu Üben, beim Üben mit Metronom das Tempo stetig zu steigern.

    Tatsächlich macht mir das Steigern des Tempos jetzt ein wenig Spaß, da es meinem Fimmel für Notizbücher, Ordnung usw. zukommt. Ich übe etwa 5 Minuten bei Tempo 60, dann 5 Minuten bei Tempo 63 usw. - ergo: Eine Zahl auf einem Bildschirm wächst :inlove:
     
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  4. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Klar - mit 21 ist alles vorbei... Eine Freundin von mir (54J.), die seit ihrer Kindheit ausschließlich Geige spielt, seit vielen Jahren erste Geige im Opernorchester, äffte mich beim gleichzeitigen Üben im Haus mal nach. Kam ins Treppenhaus und fiedelte laut und flotter als ich ein langes Tonleiterpattern von mir runter. Als ich darüber sprechen wollte, sagte sie, dass sie nicht wusste, was sie da gespielt hat. Sie macht es einfach. Ich sage F-Dur und spiele und denke 1-6-1-3-2-7-2-4-3-1-3-5... und sie denkt nicht und hört und spielt einfach. Ich war baff... solche Unterschiede geben einem schon zu denken. Chet Baker war ja so einer von Anfang an - ohne viel Training und Routine.
     
  5. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Eben, aber das Tröstliche ist, dass es für die eigenen Fortschritte völlig unwesentlich ist, wie privilegiert, wie vom Glück beschenkt usw. usf. man ist. Seit ich mir das klar gemacht habe und das Üben eher als Art Meditation begreife, ohne den Anspruch, irgendjemandem etwas beweisen zu müssen, habe ich auch viel mehr Spaß beim Üben (-:
     
  6. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Sehr cooles Pattern übrigens! Das kann ich mir gut in einem Streich- oder Flötenquartett im 3/4 als Linie für das Tenor vorstellen :thumbsup:
     
  7. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Im Umkehrschluss stehe ich da als konsequenter Wenigüber gar nicht mal so schlecht da. Zumindest bin ich ausgeruhter.:cool:
     
  8. Jazzica

    Jazzica Ist fast schon zuhause hier

    Mein Lehrer sagt dazu: Das Ziel ist flüssiges Spielen. Wenn es in einer schnellen Passage hakt, dann ist da eine Unstimmigkeit im Bewegungsablauf, die man sich genauer anschauen sollte. Es kann z.B. sein, dass die Finger zu weit weg von den Tasten sind oder dass bei Griffwechseln mit Beteiligung von 2 Fingern (z.B. f' zu fis') die beiden Finger nicht synchron laufen. Wenn man es schafft, diese hakeligen Bewegungsabläufe so zu korrigieren, dass sie flüssig werden, dann kann man die Passage auch schnell spielen. Der erste Schritt wäre also: Auf Genauigkeit und flüssiges Spiel üben. Das Tempo kommt dann später (meist sogar von alleine).

    Ich bin momentan seit Monaten dabei, mit der Klarinette ein Allegro von Bach einzustudieren - 3 Seiten mit überwiegend 16teln, die mit mindestens 110 bpm gespielt werden sollen, in einer Grund-Tonart, die auf der Klarinette nicht wirklich gut läuft und dann geht es auch noch durch andere Tonarten hindurch. Seitdem ich wie von meinem Lehrer vorgeschlagen auf Genauigkeit übe und auf flüssige Finger-Bewegungsabläufe achte, wird es insgesamt besser, wobei es auch immer wieder Rückschläge gibt. Wahrscheinlich braucht man einfach viel, viel Geduld für solche Stücke.
     
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  9. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Das glaube ich nicht. Während du nervös auf die bösen Auswirkungen deines täglichen Nichtstuns lauerst, hänge ich locker und entspannt vor mich hin fiedelnd zufrieden hinter meiner Kanne. Wer ist da wohl ausgeruhter?!
     
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  10. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Ein guter Ansatz! Ich freue mich, dich auf dem Treffen kennenzulernen.

    Der zweite Ansatz ist meines Erachtens die musikalische Kommunikation bzw. das Spielen mit anderen Musizierenden.

    Ob du in deinem Alter bereits langsamer lernst, möchte ich bezweifeln. Ich denke, die Themen werden immer komplexer.

    Es gilt ja auch hier im Prinzip die 80 - 20 Prozentregel:

    80 % Fortschritt erfordert 20 % Aufwand.
    Die letzten 20 % erfordern 80 % Aufwand.

    @ppue müsste jetzt fragen: Definiere den Fortschritt.
     
    Zuletzt bearbeitet: 4.September.2023
  11. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Welches Stück ist das genau? Würde mich auch interessieren, so zum Demutsausbau.

    Mir geht es so, dass selbst einfachste Sachen (D-Dur-Tonleiter) nicht flüssig laufen, obwohl ich im Spiegel keine unsauberen Griffe o.ä. erkennen kann. Das Problem ist an der Stelle wohl mein Hirn, welches noch nicht weiß, wann es welche Signale an die Finger senden soll. Ich habe während der letzten Jahre gemerk, dass man Musik nicht nur als etwas Körperliches begreifen sollte, sondern die eigene Vorstellungskraft oft ein wesentliches Hindernis darstellt (für mich zumindest).
     
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  12. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Ich möchte die “Faulheit von @altblase nicht unterstützen, aber ich kenne genügend Beispiele, wo ein längeres Pausieren neue kreative Energien geschaffen haben.

    Ich stelle in meinem Umfeld aber auch immer wieder fest, dass die regelmäßig und methodisch Übenden auch die besten SpielerInnen sind.
     
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  13. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Längeres Pausieren würde ich nicht mit Faulheit oder Wenigüben gleichsetzen wollen. Meine anekdotischen Erfahrungen gehen dahin, dass zu intensivem Üben auch entsprechende Ruhephasen gehören, in denen sich das Erübte gewissermaßen setzen kann.
    Stücke mit schwierigen Passagen laufen nach einem halben Jahr pausieren, erzwungen durch allfällige Programmänderungen, plötzlich deutlich besser.
     
  14. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Die Fähigkeit, schnell zu spielen hat m.E. mit mehreren Faktoren zu tun:

    - Die Finger müssen halt schon fix arbeiten können, das wird im Alter immer schwieriger

    - Die Bewegungsabläufe müssen weitgehend als Ganzes abrufbar sein, nicht Note für Note. Das setzt natürlich grundlegendes Üben voraus, auch in "schrägen Tonarten"

    - Artikulation und Phrasierung müssen dem erhöhten Tempo angepasst werden, sonst wird es u.U, nur ein Geleiher

    - Zum schnellen Spiel bei der Improvisation (natürlich nicht nur da) ist entsprechendes Timing erforderlich. Eine gespielte Phrase muss zumindest exakt ansetzen, und exakt aufhören, aber am besten auch als Ganzes in exaktem Timing gespielt werden. Das finde ich, ist das Schwierigste daran.

    Hinsichtlich des Übens habe ich für mich festgestellt, dass die langsame Tempoerhöhung sicherlich ein gutes Werkzeug ist Allerdings gibt es bei mir da eine Grenze, ab der sich die grundlegende Technik ändert. Ich kann das nicht genau beschreiben, hängt am Zusammenspiel von Artikulation und Fingern. Das kriege ich nur hin, wenn ich das von vorneherein schnell übe, und es sich dann im besten Fall vom Gehuddel zu was Sinnvollem entwickelt.

    Gruß,
    Otfried
     
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  15. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @Paul2002
    Moment mal .....
    Diese Aussage "das Üben eher als Art Meditation begreifen" gehört mir. (Spass) :)

    Mehr noch, ich sage immer:
    Ich musiziere nicht, ich erzeuge Töne, um nicht "verrückt zu werden".
    So wie andere joggen oder Yoga praktizieren.

    "Aufgehoben sein im Klang" ....
    war die Antwort eines berühmten Musikers (Name ??)
    auf die Journalisten-Frage, was ihm Musik bedeutet.

    Als -sachdienliche Hinweise- wegen Üben kann ich anbieten:

    Vorträge Musikhochschule Mannheim auf YT

    Prof. Dr. Eckart Altenmüller
    Titel: Gesund Musizieren. Richtiges Üben.
    (mehrere Teile)

    Aus eigener Erfahrung als -zielführend- erachtend.

    Der kluge Satz einer erfahrenden Klavierlehrerin:

    "Die Wiederholung ist das Geheimnis des Erfolges":D

    VG
     
  16. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Nö, ich lauere auf nix!

    Ich sehe es so, verpatzte musikalische Passagen haben nicht so eine Folgewirkung als wenn ich die Stuhlbeine ungleich kürzen würde, die Inspektionen am Auto vernächlässige oder die Mahlzeiten nicht einnehme.

    Musik hat nichts Gegenständliches. Die Luft wird für eine gewisse Zeit in Schwingungen gebracht und das war's.:cool:
     
  17. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Liebe hat auch nichts Gegenständliches. Und ist das Wichtigste auf der Welt.
     
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  18. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Sowohl bei verpatzten Stuhlbeinen, als auch verpatzten Musiken geht's im Kern im unsere (Un)Fähigkeit. Insofern durchaus vergleichbar.
     
  19. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    In punkto Musik halte ich das für vernachlässigbar, zumindest als Amateur. Man sollte auch gut pfuschen können. Wird in allen Bereichen gemacht.

    Ich würde die (Un)Fähigkeitsbereiche nicht gleich gewichten wollen. Bei "normalen" Menschen macht es absolut nichts, wenn man den Satz "Ich bin unmusikalisch! Habe von Musik keine Ahnung." äußert. Manche Zeitgenossen skandieren diese Sätze auch mit voller Stolz in der Brust, ohne die Akzeptanz bei den Mitmenschen zu riskieren.

    "Ich kann nicht richtig lesen und schreiben!" hat dagegen ein etwas anderes Geschmäckle. Wird ernster als Musik genommen.

    Und als Amateur kann ich sowieso immer schulterzuckend mit "Bin doch kein Profi!" reagieren, wenn es musikalisch unbequem wird.:cool:
     
  20. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Immerhin bist Du jetzt schon beim gut Pfuschen.
     
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