Improvisieren mit der Rhythmik

Dieses Thema im Forum "Saxophone" wurde erstellt von Saxoryx, 1.Mai.2019.

  1. Livia

    Livia Ist fast schon zuhause hier

    Langsam verstehe ich besser, was Florentin meint. Das Lernen der Rhythmen wie bei einer Sprache. Ein bisschen wie die Methode von Edwin Gordon. https://www.gordon-gesellschaft.de/edwin-gordons-music-learning-theory-eine-einfuehrung/

    Nun glaube ich aber, dass das eine Grenze hat, soweit man den theoretischen Hintergrund und die Zählzeiten nicht mit einbezieht.
    Zum einen würde ich sagen, dass das bei Kindern bis 12 Jahren, die viel spielen, gut funktionieren kann und sie eher das Notenbild mit dem Gespielten schnell unterbewusst verknüpfen können (siehe das Lernen einer Sprache, das sich ab dem Jugendalter in seiner Methodik stark wandelt). Bei Erwachsenen jedoch nicht mehr.
    Zum anderen scheitert die alleinige Nutzung dieser Patterns ohne mal einen Takt auszuzählen und mit Strichen zu versehen an komplexen Rhythmen in ungeraden Taktarten oder in zeitgenössischer Musik, in der manchmal die Anzahl der Pausen im Vergleich zu den zu spielenden Noten überwiegt oder 11tolen und ähnliches vorkommen.

    Das zeigt übrigens auch mein Übealltag. Es gibt trotz vieler Patterns, die ich sofort als Ganzes in den Noten erkenne, immer wieder Takte, bei denen ich entweder zählen muss oder mir sogar mit Strichen die Zählzeiten versehen muss, weil es etwas ist, das ich noch nicht gespielt habe und das nicht aus bekannten Patterns zusammengesetzt ist.
    Das kommt aber natürlich stark darauf an, welches Genre man spielt.
     
    Zuletzt bearbeitet: 8.Mai.2019
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  2. Livia

    Livia Ist fast schon zuhause hier

    Da es aber in dem Thread ursprünglich um Improvisation ging:
    Bei einer Impro improvisiert man gewiss mit rhythmischen (und nicht nur das) Patterns und denkt nicht "ich spiele jetzt eine Note auf die 3 und". Der Weg, sich diese Patterns zu erarbeiten, mag auch ohne Zählzeiten und auch ohne Noten funktionieren. Bestimmt haben einige Jazzgrößen keine Noten gekonnt. Ich bin mir aber auch sicher, dass diese jeden Tag viele Stunden gespielt haben und Gehörtes nachgespielt haben. Diese Zeit hat ein Saxophonamateur nicht. Ich behaupte mal, dass das Erarbeiten von vielen Patterns für einen Amateur über die Noten (mit Zählzeiten und co.) auf langer Sicht schneller geht, als nur nach Gehör. Denn Gehörtes (ohne Lesestütze wie Noten) muss öfter wiederholt werden, um es sich zu merken.
     
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  3. vmaxmgn

    vmaxmgn Ist fast schon zuhause hier

    Ich glaube auch nicht das es ganz ohne Zählen geht. Komplexe Rhythmen zähle ich auch manchmal aus. @Florentin und wie du in deinem Buch ja selber schreibst, gibt es Grenzen und Einschränkungen für deinen Pattern Technik, da hilft dann das Zählen. Es ist wie immer, erst muss man es lernen um dann den Groove zu fühlen und zu sehen um es dann wieder zu vergessen und frei zu spielen.
     
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  4. ppue

    ppue Mod Experte

    Oh, sorry, ist schon etwas her. Ist tatsächlich Joseph Viola Rhythm Studies aus dieser Serie hier:

    1.jpg
     
  5. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Vielen Dank für die geduldige Antwort.

    Ich merke immer mehr, dass wir ja von derselben Vorgehensweise reden. Bloss ist das für mich eben nicht "zählen". Streiten wir nicht über das Wort (obwohl es meiner Meinung nach viele Schüler verwirrt und auf eine falsche Fährte führt).

    Ich entnehme Euren Antworten das, was ich auch bisher vermutet habe: das Lesen des Rhythmus aus den Grundmustern wird auch an der Musikhochschule nicht systematisch so gelehrt.

    Bevor ich mein Buch schrieb, habe ich natürlich recherchiert, ob es so etwas nicht schon gab. Also so ziemlich alle einschlägigen Schulen dazu (eigentlich alles amerikanische) durchgearbeitet und auch mehrere bekannte Musiklehrer, Uni-Dozenten und Profi-Musiker befragt. Die Antwort könnte man so zusammenfassen: "Systematisch gelernt habe ich das nicht, und systematisch gelehrt wird das auch nicht. Die Guten könnens irgendwann mal, und die anderen erlernen es sowieso nicht ...". Naja, das war halt der Ansporn für mich.

    Wie ich es gelernt habe (und das schreibe ich auch im Vorwort meines Buchs)? Klarinette habe ich ganz klassisch an einer Musikschule gelernt, aber da kam die Jazz-Rhythmik nicht vor. Das Prinzip mit den Grundmustern habe ich mir selber erarbeitet, auch aus sehr vielen einschlägigen Musikstücken. Da ich sehr mathematisch gepolt bin, hat mich die Systematisierung interessiert und die Erkenntnis, dass es nur 34 Grundmuster gibt (für die "Basisversion", die dann auch noch erweitert wird). Das sind so wenige, dass man sie wirklich lernen kann, ohne an "Zählen" zu denken.

    Diese Systematik habe ich wohlgemerkt in keiner anderen Rhythmusschule gesehen. Das sind ja meist nur mehr oder weniger gut geordnete Etüdensammlungen. Einige schreiben zwar, dass es nur "eine begrenzte Zahl" von Gundmustern gibt, aber sie identifizieren sie nicht vollständig.
     
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  6. saxhornet

    saxhornet Experte

    Um es klar zu sagen, wenn Du das nicht schon zur Aufnahmeprüfung kannst, wirst Du niemals bestehen und hast im Studium nichts verloren.

    Das hängt vom Lehrer ab. Du hast das Rad ja nicht neu erfunden mit deinem Buch und der Systematik und die Systematik gibt es halt schon ewig. Nur wendet sie nicht jeder Lehrer gleich an oder benutzt es überhaupt mit Schülern. Es hängt halt vom Lehrer ab und da gibt es gute und schlechte. Es gibt halt auch keine Rhythmusschule, die sich ausschliesslich der Vermittlung von solchen Patterns verpflichtet fühlt aber Louis Bellsons Modern Reading Text in 4/4 z.B. nur um mal ein anderes Buch zu erwähnen ist schon lange ein Klassiker in der Musikerausbildung und da geht es auch um Musterlernen.


    Es gibt immer wieder Bücher wo auf sowas mal eingegangen wird, mal mehr oder weniger. Schon vor langer Zeit gabe es Bücher, die typische Tanzmusikmuster (letzlich Rhythmuspatterns) vermitteln wollten.
     
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  7. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Und wieso hat sie dann niemand aufgeschrieben?

    eben ...
    Dieses Buch habe ich natürlich auch. Ja, wahnsinnig umfangreich und sicher sehr nützlich - für die, die sich da durchquälen wollen. Aber konsequent nur in einer Art Schlagzeug-Notierung (immer auf denselben Ton, im Bassschlüssel) und daher für Melodieinstrumente eigentlich unbrauchbar. Würde ich Einsteigern nie zumuten! Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ein Musiklehrer z.B. bei Saxophonschülern verwendet. Und bis zur Aufnahmsprüfung müssen sie's ja können, wie Du schreibst ...[/QUOTE]
     
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  8. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Eine andere Frage an die "Ausgebildeten" hier (zusätzlich zu der obigen, wie Ihr es selbst gelernt habt):

    Wie bringt Ihr das Euren Schülern bei?
     
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  9. Rick

    Rick Experte

    Sehr unterschiedlich, je nach Vorbildung, Rhythmusbegabung usw.
    Prinzipiell lehre ich aber auch Deine "Ganzwortmethode", also Mustererkennung, mache sie auf ähnliche Stellen in einem Stück aufmerksam ("Schau mal, diesen Rhythmus hatten wir ja schon mehrfach!") oder benenne sogar manche "Standard-Patterns" mit Namen, besonders im Sechzehntel-Bereich, womit sich manche sehr schwer tun.

    Aber es gibt auch welche, die praktisch NUR nach Vorbild spielen können (wollen), die richtiggehend innerlich abblocken, sobald es darum geht, Rhythmen zu lesen. Bis hin zu den "Rhythmus-Legasthenikern", die noch nicht mal Rhythmen nachzuspielen in der Lage sind.
    Leider gibt es für diese Menschen keine Tabletten oder sonstigen Heilmittel, wahrscheinlich wäre eine umfangreiche Psychotherapie nötig - denn rhythmische Probleme haben meiner Ansicht nach auch oft mit inneren Verspannungen zu tun, das geht dann richtig in die Persönlichkeit hinein.
     
  10. saxhornet

    saxhornet Experte

    Vielleicht weil es nicht für notwendig erachtet wurde. Oder man den Markt nicht sah. Und in verschiedenen Büchern sind Grundrhythmen ja auch behandelt worden. Und wie viele Grundmuster da überhaupt Sinn machen wird es auch sehr unterschiedliche Ansichten geben.

    Ehrlich gesagt lässt sich das Buch von Bellson super im Unterricht anwenden für Melodieinstrumente, man muss nur wissen wie ( ist eine Frage der Didaktik und Methodik). Und auch Spieler, die noch nicht so lange spielen können davon profitieren. Bellson war für die Aufnahmeprüfungen an einigen Unis Pflichtlektüre.
     
    Zuletzt bearbeitet: 9.Mai.2019
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  11. ppue

    ppue Mod Experte

    Das glaube ich nicht. Für mich z.B. ging es über das Nachspielen immer schneller. Es fehlt dann aber theoretische Aufarbeitung, heißt, ich habe nicht gleichzeitig gelernt, das Nachgespielte notieren zu können oder habe noch nicht gelernt, eine gleiche notierte rhythmische Idee zu spielen.
     
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  12. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Was ich sehr interessant finde, ist, dass Bernd jetzt eine Mail schrieb, in der er sagte, er wird den Rhythmus-Kurs jetzt erst einmal schließen, weil sich bei ihm aufgrunddessen so viele neue Schüler angemeldet hätten, dass er das gar nicht mehr bewältigen kann. Was für mich bedeutet: Rhythmus ist ein brachliegendes Feld, das viel zu wenig beackert wird. Die Leute stürzen sich auf Angebote dazu wie die Fliegen, weil sie sozusagen danach dürsten, dort etwas zu lernen. Das hätte ich jetzt nicht so gedacht, aber zumindest Bernds Erfahrungen sprechen dafür. Und das macht mich schon nachdenklich. Warum ist Rhythmus offenbar etwas, das weniger unterrichtet wird als Noten oder Nachspielen? Klar, Rhythmus gehört immer dazu. Es gibt kein Stück ohne Rhythmus, und den lernt man dann quasi mit. Aber separat wird er anscheinend zu wenig zum Thema gemacht. Oder irre ich mich da? Oder gibt es einfach viel mehr Leute, die mit Rhythmus Probleme haben, als ich dachte (oder als man vielleicht auch generell so denkt)?

    Als Berufsmusiker ist das natürlich kein Thema. Da muss man das können. Aber das sind ja alles Amateure, die sich dann für so einen Kurs anmelden oder Bernd als Lehrer wollen. Möglicherweise liegt es aber auch an der heutigen "Online-Kultur". Früher ging man zu einem Lehrer, persönlich, der einen dann unterrichtete und einem alles zeigte, alles beibrachte, so wie Rick es hier oben auch beschrieben hat. Heute lernt man Dinge aus Youtube-Videos, oft ganz ohne Lehrer. Daraus kann so ein Bedarf natürlich auch entstehen, denn das ist ja kein systematisches Lernen.
     
    Zuletzt bearbeitet: 10.Mai.2019
  13. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Was sicherlich immer ein Punkt ist, ist die Einfachheit. Wir diskutieren hier ja meistens schon auf einem sehr hohen Niveau. Als Anfänger kann man dem kaum folgen, und wenn Bernd dann so ein Solo spielt wie hier, nur mit der Pentatonik und der Bluestonleiter (was hier im Forum ja oft mehr belächelt wird), dann fühlen sich mehr Leute davon angesprochen, die eben noch nicht so weit sind wie viele hier im Forum, ganz zu schweigen von den studierten Musikern hier, den Saxophonlehrern.



    Das ist immer nur der Anfang. Aber irgendwo muss man ja einmal anfangen, und beispielsweise nur auf einem einzigen Ton, oder vielleicht auf den drei Akkordtönen oder der Pentatonik oder der Bluestonleiter diesen Rhythmus immer wieder zu üben, und andere Rhythmen, die darauf aufbauen, andere Patterns, dann nähert man sich langsam seinem Ziel. Mein Problem am Anfang war immer, dass das alles viel zu kompliziert war. Hör dir berühmte Saxophonisten an, war immer der Ratschlag. Und dann Akkorde, Harmonien. Da hört man dann schon auf zu üben, weil einem das alles zu viel ist. Und wenn man die "Großen" des Jazz anhört, dann hört man sogar sofort auf, denn das schafft man ja nie. Und wie soll ich hören, was Charlie Parker oder John Coltrane da macht? Unmöglich. Dazu brauche ich erst einmal Vorkenntnisse. (Und man muss sich sehr für die Theorie interessieren, was für Amateurmusiker nicht unbedingt immer der Fall ist, denn Theorie ist langweilig und oft auch unverständlich wie ein Vortrag über Quantenphysik, wenn man erst blutiger Anfänger ist. Man will ja einfach nur spielen.)

    Aber Rhythmus, immer nur auf einem Ton oder auf zweien, das ist erst einmal für jeden machbar. Und dann einzelne Töne, die sich daraus entwickeln, kleine Phrasen oder Melodien. Wo man dann zum Schluss endet, ob man richtig gut wird oder immer bei der Pentatonik bleibt und einfach nur den Rhythmus variiert, sodass das Publikum das gar nicht merkt und dann sogar jubelt (wie bei mir geschehen), das kann ja jeder für sich selbst entscheiden bzw. darauf hinarbeiten. Ich will auch nicht immer bei der Pentatonik oder der Bluestonleiter bleiben beim Improvisieren, nur ist es fast nicht anders möglich, wenn man nur einmal oder zweimal in der Woche üben kann, also muss man da einfach realistisch sein. Und das Publikum merkt es sowieso nicht, wenn sie die Begeisterung spüren, mit der man spielt, den Rhythmus mitklatschen können und nicht allzu viele falsche Töne dabei sind.
     
    Zuletzt bearbeitet: 10.Mai.2019
  14. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Das sehe ich auch so. Bei den Jazz-TOTMs, vor allem beim Thema-Spielen, wird IMHO viel zu selten auf den Rhythmus eingegangen.
     
    Rick gefällt das.
  15. vmaxmgn

    vmaxmgn Ist fast schon zuhause hier

    Also ich hab zum Glück einen guten Lehrer erwischt der sehr auf Rhythmus und Ton achtet. Wenn mal ein falscher Ton dabei ist, ist das nicht so schlimm. Aber Rhythmik muss passen. Ich hatte schon mal als Vergleich geschrieben, das es wie beim Kraul- Schwimmen ist. Erst die Beinarbeit, dann die Armbewegungen und dann das Atmen üben. Zum Schluss alles zusammenfügen... allerdings geht das beim Saxophon nicht so schnell wie beim schwimmen.
     
  16. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Kommt darauf an, wo man Unterricht hat (mein Lehrer legt sehr viel Wert auf Rhythmus) und wo man spielt (in meinem Falle auch Big Band).

    Schon, aber die macht eher nicht mit dem Saxophon:
    Ambient, Soundscape, Drone und Konsorten.

    Vielleicht ist es auch die musikalische Kultur, mit der wir sozialisiert werden. Wäre eine interessante Frage, ob Kinder, die mit komplizierteren Rhythmen um sie herum aufwachsen, weniger Probleme haben.

    Grüße
    Roland
     
  17. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Zum Thema 'Sozialisierung' fällt mir noch ein, das die im Kindergottesdient bei einem Lied immer das eingeworfene "Halleluja!" eine Viertel zu früh einwerfen. Also nach drei 4/4-Takten kommt ein 3/4-Takt in der Strophe. Und es scheint keinem aufzufallen (außer mir).

    Als Hobbymusikant tut das schon weh ...

    Grüße
    Roland
     
  18. ppue

    ppue Mod Experte

    Zweifels ohne. Ich habe einen Film über Straßenkinder in Rio gesehen. Die haben ein wahnsinnig gutes Rhythmusgefühl.

    Ich dagegen bin geborener Rheinländer. Da gibt es keinen Rhythmus, nur Harmonie.
     
    Gelöschte 11056 und Rick gefällt das.
  19. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Bei der ganzen Rhythmusduskussion fiel mi dieser Klassiker ein:



    Stellt euch nicht so an, die 4/4 laufen durch .... lieber Patterns oder Auszählen!?

    Grüße
    Roland

    Update:

    oder diese Version:
     
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  20. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Falsche Rheinseite...;)
     
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