Warum werden keine "Vintage" Hörner mehr gebaut?

Dieses Thema im Forum "Saxophone" wurde erstellt von mcschmitz, 6.August.2019.

  1. Sandsax

    Sandsax Gehört zum Inventar

    Die Frage nach dem warum, beantwortet sich für die Hersteller vielleicht mit der Frage nach dem wozu?

    Es ist ein hart umkämpfter Markt, und die Produkte verkaufen sich auch so wie sie sind. Wozu ein betriebswirtschaftliches Risiko, noch dazu für vielleicht nur eine Randgruppe eingehen?
    Und für diese Randgruppe gibt es genug bereits hergestellter Vintage Saxophone, die sich noch locker ein, zwei Jahrhunderte spielbar halten lassen. Wenn man sich ernsthaft dafür interessiert, wird man auch fündig.

    Einzelne Versuche wie die Neuauflage eines King Super 20 sind an den nicht darstellbaren Produktionskosten gescheitert und sang- und klanglos eingeschlafen.
    Sicherlich sehr schmerzhaft für die mutigen Initiatoren…
     
  2. Sandsax

    Sandsax Gehört zum Inventar

    Anekdotische Ergänzung:

    gestern erst hatte ich die Gelegenheit ein frisch von @Toko überholtes Conn 10M eines Freundes anzuspielen.
    Wir waren uns einig, dass es sicher nicht ansatzweise so gut funktioniert hat und sich anfühlte als es neu die Fabrik verließ.

    Würde ich mir dann heute ein neues 10M kaufen wollen, das bei geringen Stückzahlen sicher nicht unter 10.000€ (es gab mal höhere Schätzungen von HWP) kosten müsste?
     
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  3. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Das ist genau so eine Legende wie die „Selmer ist billiger“ Mär.

    Richtig ist: ein Auto konsequent bis zum Ende seiner wirtschaftlichen Lebensdauer im Alltagsbetrieb zu fahren ist ökologisch sinnvoll.

    Wenn bei Oldtimern, die einmal im Monat „gassi“ dürfen (wenn es nicht regnet) erst Teile aufwendig originalgetreu nachgebaut werden, ist es nicht mehr öko sondern Luxus.

    Mal abgesehen davon, dass ein E-Type der 1960er für den Verkehr der 2020er nicht mehr zeitgemäß ist. Da ist fahren nämlich noch Arbeit. (Wobei: vielleicht würde das verhindern, dass die ganzen Kasper am Steuer noch eben ihre WhatsApp checken).

    LJS
     
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  4. Toko

    Toko Ist fast schon zuhause hier

    Man "baut heute keine Vintage Hörner" mehr, weil der Verbraucher in der Masse sein Kaufverhalten auf immer moderner und günstiger verändert hat.

    Die Vielfältigkeit in Verarbeitung, Beschaffenheit und Individualität macht die Vintagesaxophone so begehrenswert und interessant. Ausgefallene Mechaniken und Griffkombinationen wie sie die großen gebaut hatten (tief Eb Triller, einstellbares Cis in der Oktave - Selmer macht das beim Alto wieder, gab es aber früher schon, zusätzlicher Gis Triller, felxibele Einstellung des Gis Mitnehmers und und und), Parabolische Kosrpusformen, immenese Unterschiede von Knie und Schalltrichterformen ......

    Aber all diese Dinge waren in ihrer individualität auch kostenintensiv in der Produktion. Die Zeiten haben sich geändert und um auf dem Markt überleben zu können musste das Exklusive weichen und die Masse bedient werden. Zudem haben die Anforderungen der großen Masse (z. Bsp. die großen Orchester, Musiker die für ihre Schüler leicht spielbares Material wollten, etc.) dazu geführt, dass man sich immer mehr angepasst hat, um am Besten dem Mitbewerber seine Interessenten weg zu schnappen.

    Das Ergebnis ist der Wegfall von Individualität und Vielfältigkeit.

    Die Schuld kann man hier nicht willkürlich oder ausschließlich beim Hersteller suchen, der einfach alles vereinheitlicht hat, sondern mehr bei jenen, die keine Kompromisse im Kaufverhalten eingehen und möglichst günstig an ihr Instrument kommen wollten/wollen.

    Zudem, eine Kopie ist mal nicht eben so wieder auf den Markt zu bringen, sonst hätte man das Ref. 54 auch MK VI Serie 2 nennen können. Genau das ist eben die Gefahr, denn ein MK VI bekommt man nicht eben so identisch hergestellt und das birgt auch Gefahr für den Hersteller, würde er es genauso bewerben.

    Zum einen wurden auch die Serien in ihrer Herstellungszeit, es wurde schon erwähnt, verändert, unterschiedliche Bögen im Laufe der Zeit eingesetzt, etc. Zudem wird immer außer Acht gelassen, wie sich ein Instrument über einen Zeitraum der Jahrezente durch das Spielen selbst verändert. Somit ist ein kopieren mal eben nicht möglich.

    Das was sich heute abhebt und auch funktioniert, auch in den ganz hohen Preisklassen. sind die Individualisten wie ein Inderbinen oder Eppelsheim, die den Zahn der Zeit erkannt haben, den Mut zu investieren hatten und eine Nische bedienen, die es sonst so nicht in dieser Qualität gäbe.

    Zukunftsvision Produktion Vintagesax?
    Ich denke, es ist möglich. Aber nur in der Form einer Einzelanfertigung/kleine Stückzahlen, jedoch auch entsprechender Preiskategorie. Und zudem in einer sinnvollen Mischung zwischen Vinatge und Modern, aber eben den klanglischen Aspekten der Saxophone aus den 30er bis 60er Jahren.
    Aber es braucht eben denjenigen, der das Wagnis eingeht und VOR ALLEM, dessen finanzielles Budget den entsprechenden Spielraum gewährt, auch bei Mißerfolg.
    Das A und O ist, es muss in einer Qualität der absoluten Spiitzenklasse sein. Eine halbherzige Produktion nur um ein solches Horn auf den Markt zu bringen, wäre bereits das Ende vor dem Anfang.

    Gruß, ToKo
     
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  5. Sebastian

    Sebastian Ist fast schon zuhause hier

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  6. hiroaki

    hiroaki Ist fast schon zuhause hier

    Nun, die alten Autos kann man nach dem Ende der Lebensdauer noch auseinandernehmen und zum großen Teil recyclen.
    Moderne Autos lassen sich, wegen der vielen Verbundmaterialien, nicht wirtschaftlich recyclen. Die werden dann zu einem großen Teil zum Sondermüll.
     
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  7. Sandsax

    Sandsax Gehört zum Inventar

    Außerdem ist bei modernen Autos von einer deutlich verkürzten Lebensdauer auszugehen.
    Sie sterben zwar nicht mehr am Rost- aber dafür am voraussichtlich irreparablen Elektroniktod.

    :topic: ?
     
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  8. Kohlertfan

    Kohlertfan Strebt nach Höherem

    Hatte in USA nicht mal jemand versucht, das King S20 wieder zu bauen? War ziemlich teuer und wurde wohl bald wieder eingestellt.

    Warum werden überhaupt noch Saxophone gebaut? Gibt doch genügend alte gebrauchte Instrumente! :duck:
     
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  9. Badener

    Badener Strebt nach Höherem

    So ist es. Die alten HANDwerkstechniken sind eigentlich das, was die meisten bei den Vintagehörnern finden und bei "moderner" Massenware zwangsläufig vermissen.
     
  10. TycOoN

    TycOoN Ist fast schon zuhause hier

    und ich vermute mal eines. wenn Selmer genau DAS Mark 6 baut wird der Hype darum sich gaaanz schnell reduzieren.
    Aber auch wenn sie es exakt nachbauen wird man ganz schnell in einer Argumentationskette landen in der die Alten "original" Mark 6 doch wieder besser sind.
     
  11. altoSaxo

    altoSaxo Strebt nach Höherem

    Amsterdam Blue Rose orientiert sich doch an Vintage Saxophonen, auch wenn es wahrscheinlich bei dem Preis keine Premiuminstrumente sein können.

    Mir sagte neulich ein Saxdoc, dass das BC Senzo in der Konstruktion wie „alte“ Saxophone sei und sich da von modernen unterscheide.
     
  12. nkmer

    nkmer Kann einfach nicht wegbleiben

    "Vintage" hat ja auch immer die Patina von "selten".

    Ein sehr gut erhaltenes "Vintage" ist etwas anderes als eint total(!) identisches(!) Fabrikneues
     
  13. derhagi

    derhagi Kann einfach nicht wegbleiben

    Genau ... und vor allen Dingen wäre ein neues Horn halt kein Vintage-Instrument. Liegt ja schon in der Natur der Sache ;-)

    Eine Ritterrüstung aus dem 15. Jahrhundert ist doch auch nicht mit einer originalgetreuen Replik zu vergleichen. Es ist eben genau das Alter, die Originalitat und das "Flair" eines Produktes aus vergangenen Zeiten, behaftet mir der "erlebten" Geschichte.

    Wenn das Dingen dann auch noch klasse tönt ... perfekt! :)
     
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  14. ppue

    ppue Mod Experte

    Erst mal sollten wir unterscheiden, was wir unter Vintage verstehen. Die Mechanik des Saxophons hat eigentlich nur eine einzige grundlegende Änderung seit den 1920er Jahren mit gemacht, nämlich die Verlagerung der Mechanik der Becherklappen von links unten nach oben. Seitdem sind die Hebelwirkungen ausgeglichen (balanced) und der kleine Finger muss nicht mehr so schuften.
    Dass dann in Folge der Platznot über der rechten Hand die Tonlöcher leicht verdreht wurden (offline), ist nur Folge der oben beschriebenen Änderung.

    Früher war die Vintage-Grenze genau diese mechanische Neuerung. Es galt alles als Vintage, was eben nicht mit dieser modernen Mechanik gebaut war.

    Diese Grenze haben wir heutzutage nicht mehr. Dennoch gilt sie für mich immer noch, denn die "wirklichen" Vintagekannen haben ein paar Eigenschaften, die es seit besagten Zeiten nicht mehr gibt.

    - Über die Materialeigenschaften kann ich wenig sagen, weil ich nicht weiß, ob sie früher andere Legierungen verwendet haben als heute.
    - Vintagesaxophone waren durchweg gelötet. Kein verschraubtes Knie mit Klebemasse, keine angeschraubten Klappenkäfige und wenig, wenn nicht gar keine Einstellschrauben.
    - Teilweise parabolische Konusquerschnitte. Ansonsten weiß ich nicht, ob die Bohrungen nicht auch generell andere Maße als die moderner Saxophone haben.
    - Oft gebördelte Tonkamine.
    - Der Tisch für den linken kleinen Finger stand früher tangential zum Rund des Korpus. Heutzutage hat er sich mehr als 45° heraus gedreht, so dass er mit den Tasten für die linke Hand ein Tableau bildet. Leider muss der Spieler nun sein links Handgelenk heben, um alle Tasten zu bedienen.

    Das sind für mich die wesentlichen Punkte, die Vintage ausmachen.

    Wenn nun ein Selmer Mark VI oder ein Buffet Crampon S1 auch schon zu den Vintage-Saxophonen gehören, müssten wir eigentlich zwei Diskussion aus dieser einen machen, da sie eben nicht mehr die oben genannten Unterschiede zu den heute modernen Instrumenten aufweisen. Ist für mich ein großer Unterschied, ob ich ein Mark VI oder ein Conn NW I nachbauen wollte.
     
  15. Frau Buescher

    Frau Buescher Ist fast schon zuhause hier

    Nicht zu vergessen die Seelen, die den alten Instrumenten eingehaucht wurden
     
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  16. Toko

    Toko Ist fast schon zuhause hier

    Wie würde MEIN modernes Vintagesax heute aussehen?

    • der Korpus müsste Handgehämmert sein (so wie Yamaha es bei den Custom Modellen automatisiert hat und auch Inderbinen tut)
    • der Korpus muss parabolisch sein (so wie es angeblich bei dem Peter Ponzol Modell von Antigua sein soll)
    • der Schalltrichter sollte groß und weit sein
    • ein Microtuner ein muss
    • max. mögliche Wandungsdicke
    • gebörderlte Tonlochkamin (und damit meine ich keine aufgelöteten Ringe)
    • Stellschraube für Klappenaufgang linke rechte Hand und G, aber keine zum miteinander einstellen in der linken und rechten Hand, jedoch für Fis-Gis, Fis-Bb und tief H-Cis
    • einstellbare Verbindung zur Cis Klappe linke Hand zum feinjustieren des hohen Cis
    • moderne Mechanik, wie ein Yamaha 62 oder Yanagisawa, da geht einfach nichts drüber
    • einstellbare Wippe der Oktavmechanik (wie beim Jupiter Aritst)
    • Klangfarbe wie das Kohlert 57er Modell
    • Säulchen direkt auf Korpus gelötet, keine Schienen
    • Norton Springs Bronze
    • underslug Oktavmechanik
    • linke kippelnde Daumenauflage (Wie beim SML King Marigeaux rev. d
    • rechter Daumenhalter einstellbar (wie beim Buffet S1)
    So mal im groben, dass würde mir schon echt gefallen :-D

    Gruß, ToKo
     
  17. Sebastian

    Sebastian Ist fast schon zuhause hier

    Hört sich Bombe an, aber da wären wir auch locker im fünfstelligen Euronenbereich, nicht wahr?
     
  18. Toko

    Toko Ist fast schon zuhause hier

    Na mindestens :-D
     
  19. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Hast Du keine Lust, Dir so eines mal zu bauen?
     
  20. Toko

    Toko Ist fast schon zuhause hier

    Lust? Klar! Müsste dann nur noch jemanden finden der in gleicher Qualität meine Arbeit in der Werkstatt übernimmt und zwar kostenfrei, damit ich mir die Zeit nehmen kann. Und ein Sponsor wäre noch Klasse :lol: ....
     
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