zwei Götter

Dieses Thema im Forum "Musiker / Bands" wurde erstellt von messingblech, 7.Dezember.2022.

  1. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Mir hat man als Kind weißgemacht, Gott sähe alles. Und jetzt das.

    Eher der hier (für meine Eltern jedenfalls):

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  2. GelöschtesMitglied14902

    GelöschtesMitglied14902 Guest

    Vielleicht sind diese Musiker ja eben so göttlich weil sie Drogen genommen haben. Schau die Beatles,ohne Drogen hätte es mehr als genialen letzten Alben so nicht gegeben.übrigens Alkohol ist auch eine Droge,macht abhängig und verändert dein Wesen
     
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  3. quax

    quax Gehört zum Inventar

    2Q==.jpg Noch viel näher...:):cool:
     
  4. Rick

    Rick Experte

    Nö, finde ich nicht.
    Wie schon von mehreren Mitforisten erwähnt waren es oft die Lebensumstände, die manche Musiker zu "Drogenkriminalität" gebracht haben (und die ja in erster Linie juristisch definiert war, in der Rückschau sogar ziemlich willkürlich).

    Und es gibt jede Menge bewunderungswürdiger Musiker, die keine derartigen "Schlagzeilen" in ihrer Biografie aufweisen, aber die waren (sind?) dann weniger spektakulär hochgejubelt.
    Ich finde es allerdings beeindruckend, wie etliche kriminalisierte Künstler es geschafft haben, eine Kehrtwende in ihrem Leben hinzubekommen. :)
     
  5. Wanze

    Wanze Strebt nach Höherem

    Diese Heldenverehrung hat mir schon den Spass am Sportklettern verdorben. Ich sehe da keine Götter, noch nicht mal Vorbilder, aber gute Saxophonisten. Die Überhöhung führt nur zu Enttäuschungen...

    Ich hab's versucht, ich schwör. Aber inzwischen denke ich: Ich liebe die Musik, aber bleib mir vom Hals mit den Musikern. Am eindringlichsten ist mir die Bemerkung des Übersetzers auf dem Einband der Miles-Davis Biographie in Erinnerung. "Wie übersetzt man Motherfucker?" Ansonsten eine Anhäufung von Hass, Neid, Missgunst, Eigenlob ("I was the most sharp dressed man" - na gut, wenn es das ist, worauf er stolz ist.)
    Auch der Gitarren-Gott meiner Jugend...
    [​IMG]

    ... Nach der Lektüre seiner Autobiographie bleibt eigentlich nur ein übler Geschmack zurück.
    Nein, tolle Musik - aber bleib mir vom Hals mit den Musikern.

    Ja, Louis Thomas Hardin ist wirklich einer meiner Helden... na gut, wenn man mal den Teil raus lässt, wo er mit Sprengkapseln rumgespielt hat. Aber von dem habe ich auch noch keine Autobiografie gelesen, nur so kurze Biographie-Schnipsel im Netz... ich glaube, ich will sie auch nicht lesen, falls es überhaupt eine gibt. Damit ich mir wenigsten den Glauben an ein Vorbild bewahren kann.

    Grüße,

    Wanze
     
  6. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Ja, das ist die Härte! Ich habs im Original gelesen, da blieb mir die Übersetzung eines der häufigsten Substantive im Buch erspart. "Motherfucker" kann bei Miles Davis aber außer "Loser" und "Arschloch" auch "toller Typ" heißen - kommt auf den Zusammenhang an. Mit seiner Charakterisierung hast du es aber getroffen, und ich frage mich seit der Lektüre immer, wenn Duke Jordan ansteht ("Jordu"), was an dem Pianisten so furchtbar sein könnte, dass MD gnadenlos über ihn herzieht. Zum Glück hat die Biograpie bei mir niemanden vom Sockel gestossen.:)
     
  7. ppue

    ppue Mod Experte

    Ich liebe Billie Holiday seit der ersten Aufnahme, die ich von ihr gehört habe. Ich habe jahrelang nur Billie Holiday gehört. Sie sprach mir aus dem Herzen. Meine abgrundtiefe Traurigkeit konnte ich wundervoll mit ihr teilen.

    Wir hatten keinen Fernseher im Elternhaus und lange hatte ich nur die akustische Nähe zu ihr. Als ich später mit Freunden erste Filmaufnahmen mit ihr sah, saß ich wie paralysiert vor dem Fernsehschirm und sog die Bilder tief in mich ein. Natürlich kannte ich ihre Biographie. In meiner jugendlichen Verzweiflung spürte ich, dass ich hätte ihr Retter sein können, hätte ich zu ihrer Zeit und in ihrer Nähe sein können. So stellt man sich das vor im jugendlichen Wahn.

    Ja, schlimme Romantik, Helfersyndrom, Geschwade. Ich wäre genau so so schnell wie sie in den unabdinglichkeiten Verhältnissen des Künstlertums ihrer Zeit untergegangen.

    Das Herzensweh habe ich heute noch.

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    Zuletzt bearbeitet: 10.Dezember.2022
  8. jimi

    jimi Ist fast schon zuhause hier

  9. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Ein Mensch hat immer mehrere Dimensionen, Gesichter, Herkünfte, Rollen und kann in einer dieser Dimensionen Herausragendes leisten, in einer anderen kläglich versagen, in einer weiteren gesichtsloser Durchschnitt sein.

    Diese Dimensionen kann man beim Einzelnen nicht voneinander trennen weil sie miteinander verwoben sind.
    Herkunft, Hautfarbe, Begabung, Förderung - das geht alles nicht aus sich selbst.

    Das macht einen Menschen aus. Niemand von uns ist frei davon.

    Deswegen kann ich die Musik der Jazzhelden lieben, ihren Kontext verstehen und trotzdem dem Individuum und seinen sonstigen Eigenschaften und Verhaltensweisen gegenüber kritisch eingestellt sein.

    Und zum Bild von @quax … muss nicht auch der majestätische Schwan unter der Wasseroberfläche tüchtig gegen die Strömung paddeln, damit es oben so leicht und mühelos aussieht?
     
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  10. jimi

    jimi Ist fast schon zuhause hier

    @Silver
    Deswegen kann ich die Musik der Jazzhelden lieben, ihren Kontext verstehen und trotzdem dem Individuum und seinen sonstigen Eigenschaften und Verhaltensweisen gegenüber kritisch eingestellt sein.

    No. you cannot. Because you didn’t walk in their shoes.:)
     
  11. tango61

    tango61 Ist fast schon zuhause hier

    Danke @Ton Scott das Moondog mal wieder in Erinnerung rufst.
    Bestimmt nicht göttlich aber vielleicht genial?
     
  12. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    No one ever walked in MY shoes and still I’m not a “God”.

    These above quoted Jazz - “Gods” are humans too who just put an incredible amount of dedication into their music - at the cost of other aspects. So, how could I properly perceive their work without also acknowledging their failure?
    As @Rick remarked, not all skilled and creative musicians automatically fall into habits or get rude or what not. They may not get “blessed” with the kind of immortal yet post mortal fame, though.

    The purported Cree-chief-quote of walking in someone’s shoes relates to judging them. That is not, what I suggest, at all.

    What I would say: Look at the shoes that walked this person where you see them now. Admire the musical body of work before this backdrop. Enjoy recorded or live performances if you like, what you hear and see. But don’t put them on a pedestal - they might even fear the height.
     
  13. gefiko

    gefiko Strebt nach Höherem

    Was einer denkt, sagt und tut, muss nicht übereinstimmen. Wir sind alle nur Menschen, auch unsere „Götter“
    MD war ein Selbstdarsteller, wie die meisten Unterhaltungskünstler. Das ist ja kein Geschäft für scheue Menschen.....
    Hier könnte man einiges über MD erfahren, von jemandem der ihn ja kannte:

     
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  14. Rick

    Rick Experte

    Ganz gefährlicher Gedanke! :eek:

    Das hat man bereits bei Charlie Parker gedacht - was viele junge Bopper ins Verderben stürzte, weil sie meinten, seine Genialität sei vorwiegend dem Heroin geschuldet und sie müssten es konsumieren, um auf sein musikalisches Level zu kommen...

    Ich lese gerade mit großem Vergnügen erneut Dizzy Gillespies Autobiografie "To Be Or Not To Bop" und sehe darin nichts Erschreckendes, aber viel Erklärendes.
    Dizzy war und ist in vielerlei Hinsicht für mich ein Leitbild, seine Persönlichkeit schimmert durch sein gesamtes Lebenswerk, sei es als Trompeter, Improvisator, Komponist, Arrangeur, Bandleader oder einfach als genialer Künstler in allen Bereichen.
    Er hatte eben gerade nicht diese umfassende Traurigkeit, die viele Menschen an Parker, Davis, Coltrane, Billie Holiday so faszinierte, sondern war ein optimistischer Kämpfer, der vielleicht mal frustriert und deprimiert war, sich aber nie darin verlor.
    Das fand ich immer bewunderungswürdiger. :)
     
  15. messingblech

    messingblech Ist fast schon zuhause hier

    hallo ppue

    zum advent:


    schade, dass keine Jahreszahlen angegeben sind zu den Takes



    sehe/lese in deinen Worten viel Gleiches aus meiner Jugend.
     
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  16. Rick

    Rick Experte

    Oder nehmen wir Count Basie, dessen Autobiografie ich vor einigen Jahrzehnten gelesen habe:
    Ein "Normalo" durch und durch, bescheiden, nett, freundlich, keine Eskapaden, keine Drogen, Familienmensch, der seine diversen Orchestras souverän und mit viel Respekt gegenüber seinen Musikern leitete.
    Er hatte keine Starallüren, ganz im Gegenteil schreibt er genüsslich über die Momente, wo er als Pianist seine Grenzen aufgezeigt bekam, etwa durch Art Tatum oder Fletcher Henderson. Er war trotzdem auf seine Art ein Virtuose, ein Genie der Einfachheit, das viele Musiker beeinflusste.

    Ganz gewiss kein "Gott", doch Sänger Joe Williams sagte über ihn in einer bewegenden Laudatio 1984 bei einem Konzert in der Carnegie Hall: "He lifted me - he is an image of God."
     
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  17. jimi

    jimi Ist fast schon zuhause hier

  18. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Die Miles Davis Autobiographie fand ich auch teils etwas anstrengend zu lesen (auch im Original) aber durchaus interessant und lehrreich.
    Die Person selber, der Musiker mit dem großen Ego, ist schon bemerkenswert. Eher aus gutbürgerlichem Haus, beruflich aber seiner Leidenschaft nachgehend zwischenzeitlich voll am Boden und wenn man es glaubt selber aus dem Loch der Heroinsucht auferstanden und ziemlich erfolgreich geworden und geblieben. Durchaus keine Alltagsbiographie, gerade auch aufgrund der massiven Subjektivität, Parteilichkeit, Missgunst. Musikalisch göttlich und innovativ, vor allem in den 50ern, menschlich was besonderes, nicht nur im positiven.
    Noch viel interessanter fand ich diese Biographie aber als Dokument eines Zeitzeugen über Davis hinaus. Die subjektiven Erzählungen über die Nächte in den Clubs Downtown, die Morgenstunden bei Miltons, die beteiligten Protagonisten, die Realitiät der Drogen in der Zeit, die Rolle der hippen Kleider (damals Anzug und Hut) auch wenn sonst keine Kohle da war, bringen ein viel lebendigeres Bild rüber als viele historischen Berichte.
     
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  19. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Ich sehe es so wie @Wanze

    Wir kennen die Musiker nicht und sollten uns nicht anmaßen - so groß die Versuchung auch ist, da sie immer wieder starke Gefühle in uns wecken - wir täten es.
    Ich kann die Musik eines Musikers lieben oder bestimmte Taten oder Worte des Musikers, aber er selbst ist eben kein realer Mensch, sondern ein Kunstwerk. Reale Menschen sind nur die, die wir wirklich kennen, Freunde und Familie. Der Rest ist Schall und Rauch.
    Selbst bei den Authentischsten Künstlern sagt die Kunst in erster Linie nicht aus, wer und wie sie sind, sondern, wer und wie sie gerne sein wollen.
     
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