Frage an Jazzkenner (historisch)

Dieses Thema im Forum "Off Topic - für Philosophen, Esoteriker etc" wurde erstellt von SweetSugarBaby, 6.Dezember.2010.

  1. SweetSugarBaby

    SweetSugarBaby Kann einfach nicht wegbleiben

    Hallo allerseits!

    Mich plagt eine Frage, nur weiß ich noch nicht genau, wo ich dessen Antwort finden kann. Gibt es Aussagen von Jazzmusikern aus der Zeit von ungefähr 1920-1950, wie zum Beispiel Armstrong oder Holiday, nach welchen Kriterien sie ihre Stücke ausgewählt haben? Bsp. "All of me", oder auch "Summertime" stammen eigentlich aus anderen Kontexten (Revuen, etc.) und sind zudem von Weißen geschrieben; wollte Armstrong mit dem Reportoire seinem (weißen) Publikum gefallen?

    Ich fände das sehr naheliegend, habe aber bisher keine Quelle gefunden. Hat jemand eine Idee?

    Jürgen
     
  2. Rick

    Rick Experte

    Hallo Jürgen,


    das ist ganz einfach: Gespielt wurde, was gefiel. Das waren häufig Tagesschlager, die gerade "in" waren, Melodien aus erfolgreichen Musicals, später dann zunehmend Filmmusik.

    Die frühen Jazzmusiker waren meistens Dienstleister, die von Lokalen zur Unterhaltung des Publikums angestellt wurden. Wenn ihre Darbietungen nicht gut ankamen, konnten sie von einem Tag auf den anderen gefeuert werden, also sahen sie schon zu, etwas zu spielen, was dem Publikum (und nicht nur dem weißen) gefiel.

    Natürlich konnten sie auch ein paar eigene Nummern dazwischen schmuggeln, aber die sollten dann möglichst richtige "Kracher" sein, die den Publikumsgeschmack trafen.

    Im Lauf der Jazzgeschichte haben freilich Musiker gerne ebenfalls Titel anderer Bands gespielt, die in der Regel schon Radio- oder Plattenhits waren, um sich quasi an deren Erfolg dranzuhängen. Auf diese Weise kristallisierten sich allmählich die sog. "Standards" heraus. :cool:


    Schönen Gruß,
    Rick
     
  3. SweetSugarBaby

    SweetSugarBaby Kann einfach nicht wegbleiben

    Danke Rick!

    Ja, das macht Sinn; aber hast du konkrete Quellen dazu? Vielleicht sollte ich es mir mal in der Bibliothek kuschelig machen...

    Jürgen
     
  4. Rick

    Rick Experte

    Hallo Jürgen,


    als Quelle habe ich zum Beispiel die vielen Musiker-Autobiografien, die ich schon gelesen habe.
    Besonders ausführlich und interessant finde ich die, die ich gerade lese von Charlie Barnet: "Those Swinging Years"; darin geht er u. a. besonders auf Repertoire, eigene Titel und die lästigen "Song Plugger" ein (Vertreter von Musikverlagen, die Bandleadern ihre neuesten "Hits" aufdrängen sollten, damit diese bei Radioübertragungen gespielt wurden).

    Immer wieder kann man lesen (oder auch in filmischen Biografien sehen), dass manche angeblichen Autoren von Liedern durch ihre Nennung als Urheber nur für besondere Promotion-Dienste entlohnt werden sollten:

    - Benny Goodman (wie auch andere Bandleader) ließ sich nennen, damit er die Songs seiner Mitmusiker ins Repertoire nahm
    - Irving Mills, der u. a. als Co-Komponist etlicher Ellington-Titel genannt wird, war in Wirklichkeit nur ein Verleger, der sich allerdings sehr für Jazzmusiker und ihre Stücke einsetzte
    - viele Radio-DJs ließen sich damit das "Pushen" (bevorzugte, wiederholte Abspielen) einer bestimmten Platte bezahlen.

    Doch diese Praktiken, später "Payola" genannt, kamen erst zur Blüte des Radios (und Tonfilms) in den 30er Jahren auf, als die Musikindustrie enorme Wachstumsraten hatte, denn Musik (und besonders Jazz) war plötzlich etwas, womit man VIEL Geld verdienen konnte! :-D

    In den 50ern gab es mal einen riesigen Skandal in den USA, als diese Korruption von DJs bekannt wurde. Es gab einige Verhaftungen, doch das Prinzip blieb bestehen, weitestgehend bis in unser heutiges Deutschland, wo Du immer noch jemanden "kennen" ;-) musst, damit Dein Song, Deine Platte in Radio und anderen Medien gepusht wird.

    Dass Plattenfirmen über Strohmänner Erstauflagen in den Läden aufkaufen, um den Umsatz zu frisieren und die Platte die Charts stürmen zu lassen, ist so allgemein üblich wie das breit organisierte Internet-Voten für bestimmte Songs.
    Aber ich komme gewaltig vom Thema ab, sorry - hier etwas zum Nachlesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Payola

    Also zieh Dir doch mal ein paar Biografien von Musikern dieser Zeit rein, dann wirst Du bestimmt etliche interessante Infos finden - so geht es mir jedenfalls immer. :)


    Schönen Gruß,
    Rick
     
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