Interessante alte Blätter- wer weiß mehr?

Dieses Thema im Forum "Mundstücke / Blätter" wurde erstellt von Sandsax, 10.Dezember.2014.

  1. Sandsax

    Sandsax Gehört zum Inventar

    Hallo,

    ich habe in einem alten Saxkoffer zwei begonnene Packungen alter Tenorblätter gefunden, die auffällig anders sind.

    Sie heißen "Brevete Scientific Reeds" von Brevet Pichard No. 361_387

    Das besondere: sie haben (alle) ein dreieckiges Loch in der Mitte, das von der Blattunterseite zugespachtelt ist und von der Blattoberseite zusätzlich mit einem Aufkleber versiegelt wurde.
    Die Spachtelmasse ist wohl inzwischen ausgetrocknet- ich nehme an, die Dinger liegen seit den 50ern oder 60ern zusammen mit Sax und Mundstück im Koffer.

    Sicher sollte mit dem Eingriff die Ansprache/Blattresonanz verbessert werden, ähnlich wie bei Bootman`s Reed Drilling Methode oder den Charpen Blättern, wo an gleicher Stelle das Blatt leicht rund angebohrt wird/wurde (funktioniert übrigens gut).

    Vielleicht waren die Blätter ja so schlecht, dass der Besitzer mit dem Saxophonspielen aufgehört hat, vielleicht lohnt es sich aber auch die Technik mit inzwischen verbesserten Materialien wieder zu beleben?

    Hat jemand von Euch schonmal was von den Bättern gehört?
    Verzeiht die schlechte Bildqualität; hoffentlich erkennt man genug...
     
  2. Gast

    Gast Guest

    @ Sandsax

    Ich habe ja schon EINIGES gesehen...diese Blätter sind mir jedoch absolut unbekannt.

    Interessant finde ich, dass sie anscheinend in den USA patentiert wurden aber in Paris hergestellt ( so zumindest entnehme ich das dem Aufdruck auf den Blättern).... da muss also doch eine grössere Connection bestanden haben > ergo heutzutage vielleicht eine Lücke in unserem (saxophonistischen) Geschichtswissen ??

    Ich schliesse mich daher dem Threadtitel an...interessant...wer weiis was darüber ??

    LG

    CBP
     
  3. bluemike

    bluemike Ist fast schon zuhause hier

    Hallo,

    ja, die habe ich mal gekauft und gespielt, Ende der 70er, nachdem man mir beim Hieber am Dom in München die als ganz tolle Innovation angepriesen hatte. Damals hieß es seitens der Verkäufer, das dreieckige Loch sei mit Ton gefüllt. Das würde die Schwingungseigenschaften etc. etc.

    Ich glaube, ich habe immer noch ein, zwei davon. Zu spielen waren sie für mein Empfinden grausam. Selten etwas so Dumpfes und Unresponsives gespielt. Aber das kann für jemand anderen wieder ganz anders sein.
     
  4. Thomas

    Thomas Strebt nach Höherem

    @ Sandsax : Gegenfrage: wie spielen sie denn?
    Ich kann mir nicht vorstellen wie das gehen soll. bei so einem brachialen Eingriff zerstörst man doch einiges an der Struktur und ich kann Ihr vorstellen, dass dieSpannung ziemlich am A. Ist...
    LG
    Thomas
     
  5. tomaso

    tomaso Strebt nach Höherem

    Hallo Dirk,

    hab auch so ein Wunderding, aber als Alto 2,5.
    Kam mit einem Rampone aus NZ.

    Was mich stutzig macht, wir haben beide ein unbenutztes. :roll:

    Vielleicht gab Bluemike den entscheidenden Hinweis.

    Ich würden Dir meines gerne für Deine hübsche Vitrine überlassen.

    Im Gegenzug würde ich Dich bitten die unschöne Pulle Einbereichs-Getriebeöl aus der Vitrine in die Garage zu verlagern... :)

    viele Grüße,

    tomaso

     
  6. Sandsax

    Sandsax Gehört zum Inventar

    @ Thomas

    Nee, nee- die alten Dinger nehm ich nicht in den Mund! :lol:
    Ich handle mir dabei noch irgendwelche altpharaonischen Pilze ein...

    Wenn sie nach unbestimmt langer Zeit nicht mehr funktionieren sollten, kann das ja auch daran liegen und nicht am Prinzip.
    Ich kann mir aber gut vorstellen, das mal nachzubauen und anstatt Ton (danke Bluemike!) mal andere Materialien zu probieren.
    Wie gesagt funktioniert das Reed-Drilling nach Bootman sehr gut bei Blättern, die in der Tiefe schlecht ansprechen (hat auch ToKo bestätigt), aber komplett duchbohren ist ja nochmal ne ganz andere Nummer :roll:

    LG
    Dirk
     
  7. Sandsax

    Sandsax Gehört zum Inventar

    Hey tomaso,

    das Getriebeöl kommt bei mir aber nicht an die Karren sondern nur an die Kannen :pint:

    NZ, also- waren wohl durchaus verbreitet; mein Koffer/Sax kommt aus Frankreich und Bluemike hat sie in München gekauft.
    Wir kommen der Sache langsam auf die Spur... :-x

    Sind übrigens auch offensichtlich benutzte Blätter und auch eine Rasierklinge zum Nachbearbeiten dabei.

    Grüße
    Dirk
     
  8. stefalt

    stefalt Strebt nach Höherem

    Hi Dirk,

    hinter Brevet Pichard No. 361_387 verbirgt sich ein französisches Patent zu den "Innovation". Ich kann es mal versuchen rauszusuchen, wenn ich im Büro bin. Vom tablet aus geht das leider nicht so gut!

    Von irgend einer französischen Firma gibt es aktuell auch Reeds mit einer einer eingefrästen Rinne auf der Unterseite. Fand ich sogar recht gut. Weiss nur gerade den Namen nicht. Das geht wohl in eine ähnliche Richtung wie Löcher. Du kannst ja einem solchen Loch mal eine Füllung verpassen ;-)

    Grüße
    Stefan
     
  9. stefalt

    stefalt Strebt nach Höherem

    Ergänzung:

    1.) tja, Patent war keines zu finden, sorry!

    2.) die Blätter die ich meinte sind Ligaphone Double Profil-I. Die Kerbe geht aber auch nicht durch!

    Grüße
    Stefan
     
  10. Gelöschtes Mitglied 7743

    Gelöschtes Mitglied 7743 Guest

    Es gibt ja noch das Englische Patent 17,625. Konnte ich aber ach nicht finden. Die Patente müssen schon sehr alt sein.

    Gruß,
    BCJ
     
  11. stefalt

    stefalt Strebt nach Höherem

    Das alter ist eigentlich nicht das Thema. Unter der Nummer gibt es ein US-Patent (zu einem völlig anderen Thema), das ist von 1857 und auch zu finden!

    Evtl. müsste man die Nummer nochmal prüfen und ggf den Hersteller weiter eineschränken als nur "Pichard"

    Grüße
    Stefan
     
  12. Gelöschtes Mitglied 7743

    Gelöschtes Mitglied 7743 Guest

    Habe es gefunden; es ist das Englische Patent 439,516 (mit der Anmeldenummer 17625/34), eingereicht von einem Bejamin Davis, von Davis Building Moor Street, Cambridge Circus, London am 14 Juni 1934.

    Die Blättchen sind also schon sehr alt und kommen ursprünglich wohl aus England.

    Aus der Zusammenfassung:

    Gruß,
    BCJ


     
  13. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Ist mittlerweile vielleicht schon klar, aber:

    - "brevet" ist "Patent" auf Französisch

    - "breveté" heisst "patentiert"
     
  14. Gelöschtes Mitglied 7743

    Gelöschtes Mitglied 7743 Guest

    "Patent" auf Französisch heisst "brevet d'invention", während ein "brevet" auch ein normales Diplom sein kann. Ich habe nochmals recherchiert und nun auch ein französisches Patent von Jaques Pichard gefunden:

    Es hat die Nr. 765338 und wurde am 11 Dezember 1933 eingereicht und am 8 Juni 1934 veröffentlicht. Das französische Patent entspricht in etwa dem Englischen.

    "Brevet Pichard" auf der Verpackung bedeutet also, dass es ein Patent im Namen von Herrn Pichard gibt; die Nummern stimmen aber nicht überein. Vielleicht wurde ja wieder die Anmeldenummer angegeben.

    Jedenfalls sollten jetzt genügend Informationen über die Blättchen vorhanden sein.

    Gruß,
    BCJ
     
  15. Sandsax

    Sandsax Gehört zum Inventar

    Super!

    Soweit erstmal vielen Dank für Euren Einsatz!
    Es gab sie also seit den 30ern und (wenigstens in München ;-) ) zumindest bis in die 70er.

    Dann ist demnächst der Nachbau angezeigt. Ich werde erstmal probieren, ob es so ein dreieckiges Loch schafft meine noch verbliebenen für mich unspielbaren Vandoren V12 Planken in ansatzweise nutzbare Saxophonblätter zu verwandeln :-x

    Das soll Euch natürlich vom selber testen nicht abhalten!

    Dirk
     
  16. Sandsax

    Sandsax Gehört zum Inventar

    So- schnell mal "nachgeschnitzt". Wen es interessiert:

    Ich habe gestern noch vier neue Blätter gewässert, Unterseite kurz mit dem ReedGeek abgezogen und angeblasen:

    zwei "My Masterpiece World`s Finest Reeds" Made in U.S.A. 3. MED (waren mal 4 Packungen als Beigabe zu nem Mundstück) und meine verbliebenen zwei Vandoren V12.
    Von den Vandoren war ich überrascht- es waren die ersten (und letzten) beiden Blätter aus der Packung, die sich tatsächlich spielen ließen. Liegt es vielleicht am Alterungsprozess? Sind aber einzeln eingeschweißt- egal.
    Jedenfalls gab es bei beiden Typen ein etwas besseres und ein etwas schlechteres Blatt.

    Die beiden jeweils schlechteren Blätter habe ich dann heute an derselben Stelle wie an meiner Vorlage, die ich geöffnet und als Schablone benutzt habe dreieckig durchlöchert (Kantenlänge ca. 6mm), die Löcher dann mit knetbarem, schnell aushärtenden Laborsilikon verschlossen; Blattunterseite bündig, Blattoberseite aus Abdichtungsgründen leicht überlappend.

    Subjektives (!) Ergebnis des vergleichenden Spieltests: das schlechtere "My Masterpiece" Blatt ist durch die Behandlung zum besseren der beiden Blätter geworden (leichtere Ansprache in allen Registern, keinesfalls dumpfer, eher spritziger).
    Das schlechtere V12 hat mit dem besseren gleichgezogen.

    Einzig "objektiver" Befund; Lautstärkenvergleich behandeltes zum unbehandeltem V12 mit nicht geeichter Smartphone-app: beide 105 dB.

    Ein erstes Resultat für mich: das Verfahren kann die Spielbarkeit (nicht optimaler) Saxophonblätter verbessern. Es führte dabei bisher nicht zu dumpferem Klang durch "Spannungsverlust" oder anderen unerwünschten Nebenwirkungen.
    Für`s einzelne miese Blatt zum Selbermachen zu aufwendig (allerdings manche Rohrblattspieler schnitzen bekanntlich ihre Blätter komplett selbst...).

    Warum sich das Verfahren nicht durchgesetzt hat mag viele Gründe haben (zu aufwendig, zu teuer, zu konservative Musiker, zu empfindliche Materialien (TON?!, Klebeverschluss), das falsche Produkt zur falschen Zeit, Pleite des einzigen Herstellers, der dran geglaubt hat....) wer weiß das schon.

    Blatt zum Gruß
    Dirk
     
  17. elgitano

    elgitano Ist fast schon zuhause hier

    Hi SANDSAX,
    Dank für deine exakte Erläuterung, die Freude gemacht hat zu lesen. Somit hast du eine positive Erfahrung gemacht. Die, voher schlechten, modifizierten Blätter haben sich verbessert. ¿Versuchst du es auch mit einem guten Blatt? Denke werde es auch mal versuchen, klar anfangs mit einem schlechten, und wohl wichtig neuem, Blatt, und vorerst mit einem runden Loch. Wobei ich bei der Füllung eher an ein natürlicheres Material denke, auch wenn die Trocknungszeiten sich verlängern.
    Claus
     
  18. ReneSax

    ReneSax Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Sandsax.

    Da hast Du Dir aber Arbeit gemacht. Vielen Dank dafür und für die Erfahrung an der Du uns teilhaben lässt.

    Jetzt habe ich eine Fragr dazu:

    Du hast das Herz auf dem Reed durchbrochen und es wieder mit Silikon aufgefüllt.
    Rein theoretisch: Hättest Du das Reed nur von oben "angebohrt", quasi die Hälfte vom Material stehen lassen, wäre da nicht der gleiche Effekt eingetreten?
    Ich denke immer noch, dass der eingetretene Effekt der besseren Spielbarkeit auf der Redunktion des Materials genau an der Stelle auftritt, an der man das reed sowieso bearbeitet: Man nimmt oben etwas vom Herz weg um so z.B. die Tiefen besser anspielen zu können.
    Ein "ganzes Loch" wäre zu viel Material was entfernt wird, daher wurde es wieder mit Ton aufgefüllt und in etwa ein Zustand erreicht, der dem Entfernen von etwas Material gleich kommt.
    Aber das ist nur rein theoretisch.

    Viele Grüße

    Rene
     
  19. Sandsax

    Sandsax Gehört zum Inventar

    @ elgitano: könnte ich mir vorstellen auch mit einem guten Blatt zu machen, aber erst wenn ich SICHER bin, dass es dadurch nicht schlechter wird.
    Wenn es allerdings ein sehr gut funktionierendes Blatt ist- was soll dann der Aufwand?

    Bestechend wäre vielleicht die Idee mithilfe der Technik einige Vorteile härterer Blätter zu bekommen, ohne deren Nachteile zu haben....

    Ein rundes Loch ist natürlich in Sekunden gemacht, klar. Irgendwo im Patent, und hierzu mag es im Vorfeld ja wohl Tests gegeben haben ("scientific") steht aber, dass es idealerweise dreieckig sein soll und das war schon ne Menge mehr Arbeit (Skalpell und feiner Fräser :cool: ). Genau so wollte ich es zunächst nachahmen. Die historischen Originale scheinen sauber gestanzt worden zu sein.

    @ ReneSax: ja, das hatte ich früher schonmal gemacht; entspricht ja der Technik die von "Bootman" im Netz beschrieben wurde; funktioniert auch gut; nur ist der Effekt vielleicht (?) doch deutlicher, wenn man das Blatt komplett durchbohrt (und dadurch ggf. innere Widerstände radikaler bricht, die der Resonanz im Wege stehen???).

    Ich finde die ganze Geschichte jedenfalls sehr spannend, denn das Blatt ist (neben uns selbst, natürlich- üben, üben, üben...) eine wesentliche Stellschraube für Klang und Spielgefühl, an der ich durch vergleichsweise einfache Manipulation viel erreichen, aber wenig kaputt machen kann. Es kann leider auch Quelle für grenzenlosen Frust sein- das will ich etwas besser in den Griff bekommen und vielleicht ist das An- oder Durchbohren ja ne Hilfe widerborstigen Kandidaten auf die Sprünge zu helfen.

    Viele Grüße
    Dirk
     
  20. ReneSax

    ReneSax Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Sandsax.

    Ja genau:

    Manchmal erreicht man auch auf verschiedenen Wege sein Ziel. :-D

    Das was Du zum radikalen brechen der inneren Widerstände schreibst klingt logisch und der Erfolg gibt Dir recht. Jetzt müsste man den direkten Vergleich... .
    Was soll´s - Jedenfalls ist das ein interessantes Thema. Ich habe noch ein paar fast unspielbare Reeds rumliegen und morgen ist Sonntag mit viel Zeit zum testen.

    Viele Grüße

    René
     
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