Jazz in der "ollen DDR"

Dieses Thema im Forum "Musiker / Bands" wurde erstellt von blue_asphalt, 11.September.2009.

  1. blue_asphalt

    blue_asphalt Ist fast schon zuhause hier

    ... Stefan Bleier hatte im Thread über Manfred "Catcher" Schulze zum 75. empfohlen einen neuen über den Jazz in der "DDR" aufzumachen. Ich mach mal den Anfang...
    da gibt es viel zu berichten... es scheint ja Bedarf zu geben... ja, auch in der "ollen DDR" wurde gejazzt...
    mehr Infos von mir folgen... vielleicht finden sich ja noch ein paar "AltOssis"... fände ich toll... Gruss Herb

    Anbei ein Foto von der Hannes Zerbe Blechband im Burggarten des Schweriner Schlosses... mit "Catcher" Schulze am barisax, Manfred Hering (as), Helmut Forstoff (ts), Bernd Swoboda (tb), Jochen Gleichmann (tp) etc.....
     
  2. simplysax

    simplysax Ist fast schon zuhause hier

    ...schade das ich noch ein Küken war und nicht mitreden kann...

    simply
     
  3. saxstall

    saxstall Schaut öfter mal vorbei

    Was vielleicht manchen verwundern mag, es gab in der DDR ein sehr lebendige Freejazzszene. Ich habe in Halle/Saale mindestens monatlich im "Jugendclubhaus" bzw im Studentenclub "Turm" derartige Konzerte erlebt.

    Dagegen Mainstream, Hardbop oder ähnliches gabs eher weniger.

    Ob es nun so eine Art Protestbewegung von Musikern und Zuhörern oder nur der Genuss des Kontrastes zum ansonsten durchorganisierten alltäglichen Leben oder einfach rein musikalische Gründe waren, weiß ich nicht, wusste vielleicht auch damals niemand so recht. Für Kunst ohne Texte gab es jedenfalls viele Möglichkeiten.

    Der Musikerpool war recht überschaubar vielleicht 20 Leute in verschiedenen Bestetzungen, oft ergänzt mit tourenden Musikern aus der "BRD", wobei aber wohl rein deutsch-deutsche Bestzungen vermieden wurden, war dann immer noch ein Pole, Engländer, Holländer usw. dabei.

    Die Konzerte waren durchaus gut besucht. 100 und mehr Zuhörer.

    Ende letzten Jahres hat das Zentralquartett, vormals Synopsis so eine Art Reweiwelkonzert gemacht (Petrowski, Gumpert, Bauer, Sommer alle doch nun schon recht betagt) ging aber die Post ab und ausverkauft war die Tonne in Dresden auch.

    War eben "nicht alles schlecht" wie es so schön nervig manchmal heißt.

    War jemand der Mitlesenden vielleicht auch mal in Peitz, speziell zum Open-Air? Haben wir uns vielleicht gesehen.
     
  4. Gast_13

    Gast_13 Guest

    Mir wurde nach der Wende mal von nem Ossi erzählt, dass Jazz in der DDR als Proletarische Musik - also aus dem Volk kommend - angesehen wurde. Deshalb hatte der Jazz einen besonderen Stellenwert und wurde von "oben" auch gefördert.
     
  5. saxstall

    saxstall Schaut öfter mal vorbei

    Ich kann mir vorstellen, dass Musiker oder Veranstalter gegenüber Kulturfunktionären so argumentiert haben, wenn letzteren die Sache suspekt wurde und sie "westlich bürgerliche Dekadenz" witterten.
    Aber eine allgemeingültige Ansicht war das sicher nicht und Förderung würde ich es auch nicht nennen, eher nicht behindern.
    Wie gesagt, wo keine Texte vorkamen war auch in der DDR vieles möglich (Musik- also nicht bloß Jazz, Malerei, Ballett usw.)
     
  6. blue_asphalt

    blue_asphalt Ist fast schon zuhause hier

    @ saxstall: … ganz so unpolitisch war der DDR Jazz nicht… nur ein Beispiel: Zur Zeit der „Biermannaffäre 1976 spielte Uli Gumpert bei uns in Schwerin im JazzClub (Veranstaltungsort: Haus der Jugend von der FDJ - im Volksmund "Büttelhaus" genannt)während der freien Improvisation zitierte Uli auf einmal das Lied „Hasta siempre“ (Original von carlos Puebla… es gab aber auch die Version von Wolf Biermann mit einem anderen Text "Comandante Che Guevara" http://www.geocities.com/athens/forum/9962/biermann.html )
    Im Publikum spontaner Applaus… nur die Politdumpfbacken wussten mal wieder nicht so richtig warum…

    Ich möchte übrigens keine Ostalgie aufkommen lassen… mit Sätzen wie (Zitat: Saxstall) „ War eben "nicht alles schlecht" wie es so schön nervig manchmal heißt…“ hab ich genauso so meine Probleme wie er…
    … oder mit Sprüchen wie: „… aber unser Sandmännchen war schöner…“
    Darauf kommt es ja nicht an… wundern tut ich mich allerdings auch wenn zB in Talkhows heute noch Altossis dusslige Fragen gwestellt werden und bestaunt werden wie Pfingsochsen… nach zwanzig Jahren müsste dass
    eigentlich schon vorbei sein… ansonsten MDR schauen… da laufen die alten polizeiruf 110 episoden zum xten mal…

    @ simplysax: Zitat: "...schade das ich noch ein Küken war und nicht mitreden kann..."
    „…ja, ja die Gnade der späten Geburt… - frei nach AltKanzler Birne“ .. aber Spass beiseite: stimmt, war eine tolle „Jazzmusikzeit“ damals… zum Glück gibt es ja viel auf CD inzwischen und da kann man sich informieren

    @ sax & drums: jazz ist "Proletarische Musik " und von "oben gfördert" ...ist natürlich vollkommener Quatsch was der dir erzählt hat…
    In den fünfzigern und sechzigern war der Jazz verpöhnt als „… nihilistische Toberei“ verunglimpft usw
    Dazwischen gab es Momente wo man sich an die unterdrückten „Neger“ (im offiziellen Sprachgebrauch noch in den sechzigern) erinnerte…
    Erst in den siebzigern wurde es besser. Man (die ollen DDR Kulturfunktionäre) merkten dass man auch Kohle damit machen konnte, da ja die DDR Jazzer in der Welt Anerkennung fanden. Der daraus erfolgende Musikeraustausch zwischen Ost und West war natürlich toll für uns. Charlie Mariano 1978 und 1980 in Schwerin Live!!!
    War einfach Wahnsinn… auch hinter den Kulissen
    oder wie Saxstall schon richtig schreibt… die Konzerte waren voll, besonders in den Studentenklubs…
    Willem Breuker Kollektiv in der Mensa in Rostock 1980 war der blanke Wahnsinn…
    Jazz war irgendwie Kult… ein paar Namen findet man unter.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Jazz_(DDR)
    und wenn man oben Fusion anklickt auch Leute wie Klaus Lenz und seine Big Band (leider macht er heute wohl keine Musik mehr…)
    Sehr gute Informationen scheint man im Buch „Freie Töne“ von Rainer Bratfisch zu finden (ich habe es auch noch nicht gelesen… aber bald)http://www.linksverlag.de/index.cfm?inhalt=gesamtprogramm&nav_id=1&titel_id=0&kat_id=188
    Vorbemerkungen von Rainer Bratfisch kann man schon unter finden:
    www.linksverlag.de/pdf/370_Freie_Toene_Leseprobe.pdf
    „ Vier Jahrzehnte Jazz in der DDR: verfolgt, geduldet, gefördert …“
    Lohnt sich bis zum Ende zu lesen...

    Die aktuelle Berliner Szene ist natürlich ganz toll (auch was der Uli Blobel (u.a. ex Peitz OpenAir) inzwischen auf die Beine stellt.
    www.jazzwerkstatt-online.de es gibt auch einen neuen CD Laden in Berlin (jazzwerkstatt + klassik SHOP + CAFÉ) www.records-cd.com
    Da findet man auch viele „olle DDR Jazzer“ und natürlich auch die aus dem „Westen“… Klasse Laden wo findet man schon eine Reihe mit Ornette Colemann CD´s…
    … und was „Assi“ Glöde und sein Jazzkeller 69 eV auf die Beine stellen ist natürlich auch ganz wichtig… (siehe NEW manfred schulze Formation) Da wird Ost (ja auch weiter östlich wie zb Polen…) und West zusammengeführt („es wächst zusammen…“ wie der Willy Brandt mal meinte)
    Also keine Berührungsängste bitte... Infos gibt es Dank Internet genug. Es lohnt sich... die "ollen DDR" Jazzer waren und sind für mich persönlich sehr wichtig - in meinen Anfangsjahren zB SOK, FEZ und Praxis II - wer kennt sie noch?)... genauso wichtig wie die vielen anderen Musiker/innen dieser (globalen) Welt. Es gibt aber auch noch so viel zu entdecken...
    Übrigens glaube ich dass man durch Jazz viel toleranter wird... mir ist jedenfalls kein "Rechter" bekannt der auch Jazz mag... gruss Herb
     
  7. jaaz47

    jaaz47 Ist fast schon zuhause hier

    hi blue_asphalt,

    ich bin dabei meine altenbestände an lp's zu digitalisieren und habe, wo ich deinen beitrag lesem manfrad krug am wickel. vielleicht nicht der jazzer par excelence, aber eine satte stimme und ein paar tolle stücke - alles auf amiga.
    nettes wochenende
    jaaz47 :pint:
     
  8. blue_asphalt

    blue_asphalt Ist fast schon zuhause hier

    ... hallo jaaz47... manne krug ist schon okay... er hatte auch immer gute musiker in seiner band... :) herb
     
  9. peterwespi

    peterwespi Ist fast schon zuhause hier

    Es Bizzzzzli Off-Topic!!!
    Hat zwar nichts (oder nur entfernt) mit Jazz, dafür aber mit der DDR zu tun: Ich hab dir dreiteilige DVD BLAUHEMD, BLUEJEANS UND BEATMUSIK gekauft. Das ist ja hammerhaft interessant, vor allem für uns neutrale Schweizer, die das ganze West-Ost-Zeugs in Deutschland aus einiger Distanz und daher nur sehr rudimentär mitbekommen haben. Die DVDs enthalten viele Hintergrund-Informationen und Zeitzeugen geben Interviews. Lachen musste ich wegen Nina Hagen - die stellte gerade mal ein einziges Ausreise-Gesuch, welches sofort bewilligt wurde. Die Funktionäre haben wohl darüber gejubelt und eine Party steigen lassen... :)
     
  10. astipasti

    astipasti Ist fast schon zuhause hier

    Und die Außerirdischen erstmal, hatten ja keine Überfluggenehmigung für die DDR. :lol:
     
  11. blue_asphalt

    blue_asphalt Ist fast schon zuhause hier

    ... ist schon okay peter... rock (beat) und jazz wurde damals teileweise von der gleichen klientel gehört... kaum berührungsengste... Hauptsache "ANDERS" sein...
    ... und Nina war ja auch noch die Stieftochter von Wolf Biermann und bischen Gaga... dass viel den "Politniks" nicht so schwer, denk ich...
    ich kenn den Film auch BLAUHEMD, BLUEJEANS UND BEATMUSIK auch... ist schon ganz interessant und auch ziemlich objektiv... zB Feeling B (die Vorläufer von Rammstein) waren damals richtig witzig... und Till Lindemann (kommt aus der Nähe von Schwerin) kenn ich noch ganz "brav" hintem Schlagzeug mit der Band "First Arsch"... war ne´spannende Zeit damals... und sehr krativ... gruss Herb
     
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