Moin Moin! Gestern habe ich mal wieder eine CD von dem legendären John Coltrane gehört und mir das Cover der CD angeschaut, wo sein Porträt abgebildet ist. Ich habe mich gefragt, was Coltrane eigentlich dazu gebracht hat, so zu spielen, wie er spielt. Nach meiner Wahrnehmung ist er einer der wenigen Saxophonisten, die nie versucht haben, in ihrer Musik irgendeine Form von Spass unterzubringen. Ich höre immer eine Art von Trauer und Mystik in seiner Musik. Als ob er mit einem Bein schon in der anderen Welt stand. Er ist für mich ein gutes Beispiel, für jemanden, der einen tiefen Schmerz, den er erfahren hat, in etwas Grossartiges umwandeln kann. Coltrane hatte in früher Kindheit seinen Vater verloren und es gibt Autoren, die schreiben das Saxophon spielen für ihn ein Ventil war seinen Schmerz loszuwerden. So ist sein Sound und sein Saxophonspiel entstanden und er ist wohl einer der wichtigsten Akteure im Jazz gewesen. Und sein Einfluss ist immer noch da. Sein Schmerz, seine tiefe Trauer hat ihn wohl auch zu anderen Extremen bewegt. Sein fester, man könnte sagen verbissener Ansatz kann auch als Ausdruck dafür gesehen werden. Ich habe gehört er hat sich sogar mal die Unterlippe durchgebissen. Die Kraft die sein bretthartes Rico Royal Blatt ihm entgegengebracht hat, hat er überwunden und es ist ein Sound heraus gekommen, der wohl einmalig ist in der Welt. Wohl auch seine Art, die Changes mit so vielen Noten vollzupacken ist ein Extrem. Hier fehlt meiner Ansicht nach auch jeder Anspruch einen Spassfaktor oder Witz ins Spiel zu bringen. Wenn man Coltrane mit Chet Baker vergleicht, wird einem deutlich wie nüchtern Coltrane die Changes ausfüllt. Als ob er einen schulmässigen Auftrag erfüllt, der da lautet: Bombardiere die Changes mit richtigen Noten. Für mich stellt diese Art von Improvisation auch eine Art von Übererfüllung vom Soll dar. Als ob er für das imaginäre Eltern-Ich in seinem Kopf mehr tut als er sollte. Vielleicht ist er auch nur dem nachgegangen was er in der Lage war zu tun und es ist eben das bei rausgekommen. Ich habe mich gefragt, warum er sich nicht zurücklehnen konnte und vielleicht auf Miles Davis hören konnte. Der war ja der Meinung, man muss nicht alle Noten spielen, die möglich sind. Es ist wohl seine innere Unruhe und seine Schmerz gewesen, der ihn daran gehindert hat. Naja, dann habe ich weiter in John Coltranes Gesicht geschaut und gedacht „Du warst ein grossartiger Mensch“ Schöne Grüsse Egon
Das tun wir doch alle, auch wenn wir es nicht wissen. Kennst du den Bach-Choral 'Mit einem Bein steh ich im Grabe'? @Egon Ich hab jetzt leider keine Zeit auch deinen Beitrag näher einzugehen, aber die Gedanken die du anreißt -auch wenn wir bestimmt noch einige kontrovers diskutieren dürften - gefallen mir sehr gut. Ehrlich gesagt hast du mich absolut verblüfft damit.
@Egon Anders als MatthiAs bin ich weniger verblüfft. Ich denke , dass viele Musiker oder Künstler in ihrem Spiel/ Kunst eine ganze Menge ihres Lebens verarbeitet haben.... So sollte es ja auch sein. Du hast es mit dem Artikel aber auch sehr schön auf den Punkt gebracht. Ich selbst habe auf dem Sax früher sehr viel meiner "Probleme" kompensiert....und ich denke , das kann man bis heute hören....wie viel mehr muss es einem Coltrane so ergangen sein ? Und wenn man aber auch ALLES in seine Musik reinzustecken versucht....dann bleibt der "Spassfaktor" für das Publikum...oder / und den Musiker evtl auf der Strecke.Solche Gedankengänge kann ich sehr gut nachempfinden Grüße Benjahmin
Ich habe mich leider nicht eindeutig ausgedrückt. Ich war verblüfft, da ich nach den vorigen Threads Egon diese Gedanken nicht zugetraut habe.
@Rbur Nu sei man nicht so ! Von wegen nur ein Ausrutscher !! Auch jemand , der ein "falsches" Mundstück spielt und "Falschen Sound " produziert ( ohne Wertung ! ) Kann doch ein guter Beobachter und " Musikphilosoph" sein. Wobei sich fragt : @ Egon...hast Du Dir den Text selber aus den Fingern gesaugt ?? Wenn JA..Respekt !! Grüße Benjahmin
Der Gedanke ist nicht neu und Coltrane hat sicher auch durch seine Sucht oft den Eindruck erweckt. Ihn auf eine Stimmung zu reduzieren, halte ich für verständlich und gleichzeitig gewagt; seine Musik selbst für sehr vielschichtig. Ich frage mich oft, was er noch alles hätte machen können - er selbst sah sich erst am Anfang seiner musikalischen Entwicklung (so weit das auch für meiner einer gewesen sein mag) ... Wie auch immer - das, was er uns hinterließ, reicht auch noch für eine weitere kleine Weile -
ich bbefasse mich ja noch nicht lange mit Saxophonen. Ich kenne Coltrane nur von Giant steps, Love supreme und Davis. Aber trotzdem war mir gestern abend, als ich Radio hörte (Klassikradio), direkt klar, ohne Ansage oder was: Hier spielt Coltrane und kein anderer. Und tatsächlich, ich fragte mich nur, was so einmalig ist. Der Ton?, der Ausdruck?, die Stimmung
Hallo Egon, es ist da mal im OREOS Verlag - Collection Jazz - ein Biographie über John Coltrane erschienen. Die Autoren Gerd Filtgen und Michael Außerbauer schrieben die Biographie unter dem Titel " John Coltrane Sein Leben Seine Musik Seine Schallplatten" In dieser Biographie findest du garantiert viele Antworten auf deine Fragen. Er hatte einen grundsätzlich eigenen Ansatz, sich der Musik und ihrem Ausdruck zu nähern. Sein Ansatz war vor allen Dingen spirituell geprägt und entsprang unter anderem seinem Hang sowohl zu arabischen als indischen Einflüssen innerhalb der Musik. Beides wirkt auf unsere westlich geprägten Ohren eher etwas fremd. Sollte das Buch nicht mehr erhältlich sein, könnte ich es dir leihweise zu Verfügung stellen. Herzliche Grüße nach Hamburg, Holger