"When Charlie speaks of Lester You know someone great has gone" Joni Mitchell: Goodbye Pork Pie Hat Jau, dann wollen wer mal einen Schnapps auf den Meister und seinen 111 trinken, obwohl....angesichts der drei Flaschen Gin täglich und der Tatsache, dass ihn letztlich der Alkohol umgebracht hat, bleibe ich lieber beim Tee. Heute Abend kommt er auf jeden Fall noch zusammen mit Billie Holiday auf'n Teller.
Ich habe nur von einer Flasche Gin gelesen (bzw. 12 Flaschen pro Woche), allerdings auch von Cannabis, Speed und Schlaftabletten. Lester Young war bis Mitte 20 absolut clean, nicht sehr typisch für einen schwer Drogenabhängigen. Allerdings hat er auch sinngemäß gesagt ''the sooner I drink myself to death, the happier I'll be''. Ihn hat nicht der Alkohol umgebracht, sondern ein schweres Leben und eine von Rassismus und Unruhe geprägte Kindheit.
Ich glaube, dass ist zu kurz gesprungen....Du schiebst ihn in eine Opferrolle, die so nicht stimmt. CzG Dreas
Immerhin ist es eine Schnapszahl, sein Geburtstag! Ich denke aber auch, dass die meisten nicht zum Alki und Drogenabhängigen werden, sondern eher durch die Umstände gemacht werden. Er hatte sicherlich kein leichtes Leben! Herzlichen Glückwunsch Mr. Prez zum 111.!
Inwiefern stimmt sie nicht? Er wurde im Kindesalter von seiner Mutter getrennt, musste vor Publikum tanzen und singen, erlebte hautnah rassistische Auseinandersetzung, auch gewaltvolle. Da kommt noch Anderes dazu. Und mir ist bewusst, dass deswegen nicht alles an seinem Leben schlecht war, er auch an seiner Kindheit Freude hatte, aber die menschliche Seele ist vor allem im Kindesalter sehr verletzlich, da hinterlassen solche Erfahrungen Spuren. Der Begriff ''Opferrolle'' ist selten angebracht, denn die Welt ist nicht in schwarz und weiß unterteilt, die wenigsten Menschen haben das perfekte Bilderbuchleben mit einer funktionierenden Familie, finanzieller und sozialer Unterstützung und Rente + Aufsitzrasenmäher mit 60.
Das Kapitel über ihn in dem Buch "But Beautiful" ist so beklemmend - das wird man lange nicht los. Die Militärzeit mit ihren gnadenlosen auch rassistischen Misshandlungen hat diesen weichen und gutmütigen Typen endgültig zerbrochen.
Mag alles stimmen.... Ich mag es nur nicht, dass alles immer auf die ach so schweren Umstände geschoben wird. Drogen und Alkohol gehören in der Künstlerszene schon immer dazu, bis heute. Völlig unabhängig von Hautfarbe oder Herkunft. CzG Dreas
Ich persönlich finde es völlig irrelevant, was du magst oder auch nicht magst. Deshalb darf in solch einem Gedenkthread immer noch jeder schreiben, was ihn berührt, ohne von Herrn Dreas zurechtgewiesen zu werden.
Noch herrscht hier Meinungsfreiheit. Auch habe ich niemanden zurecht gewiesen Und wieso nimmst Du Dir jetzt raus mich zurechtzuweisen? CzG Dress
Der Musikeralltag in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist absolut nicht mit den heutigen Umständen zu vergleichen, besonders für die Nachfahren der Sklaven des 19. Jahrhunderts, das waren tatsächlich besondere Gegebenheiten. Zu den unglaublich langen Auftritten sieben Tage die Woche mit wenig Freizeit kamen beschwerliche Überlandfahrten im Tourbus, weiterhin ständige Drangsalierungen bis hin zur Gewaltanwendung durch Rassisten, was für eine bedrohliche Grundstimmung sorgte - man konnte jederzeit unerwartet völlig grundlos misshandelt, eingesperrt oder zu Tode geprügelt werden. Lester Young war ein sehr sensibler Mensch, schon als Kind, das hört man auch in seiner Musik und das bestätigen viele Aussagen von Wegbegleitern. Er erlebte viel Bedrohung und Gewalt, begegnete dem aber nicht mit Aggression, sondern mit einer resignativen Geduld und einem Rückzug in seine eigene Welt, wie die sehr empfehlenswerte, umfangreiche, exzellent recherchierte Biografie "Lester leaps in" von Douglas Henry Daniels nachweist (die sowohl @Paul2002 als auch ich gelesen haben). Viele Künstler sind solche sensiblen Menschen, etliche nutzen die Kunst, um ihre Gefühle auszudrücken, andere, um ihre eigene Welt zu erschaffen. Doch manchmal reicht das nicht aus, vor allem, wenn der Alltag mit seinen Problemen diese "Flucht in die Kunst" verwehrt, dann greifen eben manche auch zu Drogen, um den inneren Druck besser zu ertragen, auch die ständig neu auftretenden Selbstzweifel sowie Minderwertigkeitsgefühle, wenn man mal nicht so viel Erfolg hat, öffentlich von Kritikern verrissen wird oder einen niemand engagiert. Natürlich spielt dabei auch die Verfügbarkeit von Drogen eine gewisse Rolle, hinzu kommt das Vorbild durch andere Konsumenten in der Umgebung. Ich erinnere mich noch gut an meine Anfangszeit in der Musik-Szene: Kaum hatte man das Auftrittslokal betreten, schon kam die Frage "Jungs, was wollt ihr trinken?" Ich hatte viele Jahre, wo ich keinen Auftritt nüchtern beendete, erst mein Führerscheinentzug wegen Trunkenheit am Steuer brachte die Kehrtwende, denn um wieder fahren zu dürfen und dabei keine Gefährdung für andere darzustellen, musste ich mit dieser unnötigen Gewohnheit brechen. Aber viele Kollegen, vor allem in Rock und Pop, machten weiter so, hinzu kamen, je nach Angebot, auch andere Drogen, besonders Kokain und das aufputschende Amphetamin, um leistungsfähig zu sein und die vom Publikum erwartete Show abzuliefern. Lester Young gab während seiner Verhandlungen vor dem Militärgericht wegen Alkohol- und Cannabis-Konsums im Dienst zu Protokoll, er benötige diese Dinge, um alltagsfähig zu sein. Höchstwahrscheinlich litt er an Depression und therapierte sich mit den Drogen selbst, wie viele Menschen, denn damals steckten ja Psychologie und Psychiatrie noch in den Kinderschuhen, verglichen mit dem heutigen Stand, und außer dem "kalten Entzug" und viel Zwang wusste man mit Drogenabhängigen nichts anzufangen, die allermeisten Ärzte begegneten dem Erscheinungsbild mit Unverständnis, bestenfalls hilflosem Mitleid. Dasselbe galt für das private Umfeld. Ich denke, er "litt an der Welt" und wollte ihr entfliehen, soweit es ging. Immerhin sind mir keine gewalttätigen Ausbrüche von ihm bekannt, er war eher ein "stiller Trinker" und suchte in gewisser Weise den Tod als letzten Ausweg aus einem ihm unerträglich erscheinenden Leben.