Liebe Späteinsteiger

Dieses Thema im Forum "Off Topic - für Philosophen, Esoteriker etc" wurde erstellt von Mugger, 25.Januar.2013.

  1. Mugger

    Mugger Guest

    Servus,

    da sich in meiner Saxophonklasse immer mehr "Späteinsteiger" finden, möchte ich hier mal einen Thread zu dem Thema starten und mit "von beiden Seiten Betroffenen" :) darüber diskutieren.

    Viele meiner Schüler sind, so finde ich, zu sehr damit beschäftigt, sich für Fehler zu entschuldigen, darüber zu philosophieren, warum das oder das in dem Leben eh nix mehr wird, wo Probleme auftauchen könnten, weil.. etc.

    Dabei habe ich unter diesen Anfängern (über 55 Jahre) durchaus "Naturtalente", die oft Kinder und Jugendliche an die Wand spielen.
    Die ohne Probleme in der ersten Stunde einen geraden Ton durchaus ästethischer Natur rausbringen, super Timing haben.
    Ist das Gelingen nicht zu leugnen, war das Stück leicht, oder zu langsam gespielt oder es war einfach Glück.
    Oder ich höre: "Bei Dir/Ihnen klingt das viel besser"..

    Natürlich versuche ich darüber zu reden (was gar nicht so leicht ist), aber wirklich nützen tut es meistens nicht.

    Leute, entspannt Euch, lasst Euch von Eurem Können überraschen. Ihr dürft Fehler machen, furchtbar klingen.
    Ihr sollt ehrgeizig sein, dürft hohe Ansprüche haben.
    Aber lasst doch erstmal Euer bisschen Leistung am Anfang stehen und betrachtet sie mit Respekt und Freude!

    Liebe Grüße,
    Guenne
     
  2. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Ja, wenn das so einfach ginge ... ;-) Man misst halt in unserem Alter mit ganz anderen Maßstäben, z.B. dem eines erfolgreichen Berufslebens oder manchmal auch damit, dass man ein anderes Instrument ja schon mal viel besser konnte (ist beispielsweise bei mir so. Auf der Trompete kann ich immer noch viel mehr als auf dem Saxophon).

    Ich versuche mich zu bremsen und zu berücksichtigen, dass ich ein paar Töne ja auch schon ganz gut kann, aber sobald etwas schiefgeht, ärgere ich mich. Dass ich nicht in der Geschwindigkeit spielen kann, in der ich spielen möchte, ärgert mich. Dass die Töne quietschen, ärgert mich. Dass plötzlich die tiefen Töne, die am Anfang so gut gingen, nicht mehr kommen, ärgert mich. Dass ich trotz Üben den richtigen Ansatz mit der Unterlippe nicht hinkriege, ärgert mich. Usw., usf. Man sieht sich eben viel kritischer.

    Dass andere sagen: "Mensch, nach drei Monaten hast Du schon in einer Big Band mitgespielt" und ganz begeistert davon sind, zählt da nichts. Ich weiß jeden einzelnen Ton, den ich nicht spielen konnte. ;-)
     
  3. lee

    lee Ist fast schon zuhause hier

    "ärgert mich..ärgert mich...ärgert mich...ärgert mich.."
    in einem jahr hast du einen leberschaden, wenn du damit nicht aufhörst.das ist jetzt kein spass.
     
  4. Mugger

    Mugger Guest

    Normalerweise hat den der Lehrer :)...
    Nein im Ernst, ich wollte nur ausdrücken, dass es eine Kunst ist, Fehler zuzulassen. Mehr, dass es notwendig ist, Fehler und Irrtümer zu begehen.
    Ich bin mir sicher, Rick, saxhornet oder ich können nach langjähriger Unterrichtserfahrung einem Anfänger oder sehr mäßig Fortgeschrittenen sagen, woran es liegt, dass etwas nicht funzt, wenn es nicht funzt.
    Aber - auch wenn meine Geschreibsel ab und an nicht diesen Eindruck erweckt - Saxophon spielen ist keine exakte Wissenschaft, und es gibt viele Wege nach Rom. Viele kenne ich, aber bei weitem nicht alle.
    Daher liegt es am Schüler, sich heranzutasten, Fehler zu machen, es anders zu versuchen (klar unter Anleitung..)
    Aber warum soll ich einen Schüler, der kurze Zeit spielt, einstellen wie eine Maschine?
    Er wird nicht viel davon haben, weil ihm die körperliche Erfahrung fehlt.
    Wenn ich also "meine normale Herangehensweise" auf das Saxen übertrage, wird das möglicherweise für einen Arzt, Piloten, was immer nicht funktionieren.
    Was macht das 7-jährige Kind in der Schnupperstunde?
    Es nimmt das MPC bis zum Anschlag in den Mund und tutet einen gottserbärmlich lauten Ton gen Himmel.
    Falsch? Ja, natürlich, in meinen Augen schon.
    Es gibt aber mehr als einen Profi, der diese Art zu spielen zu seiner gemacht hat :)
    Meine Aufgabe als Lehrer ist nun nicht, dem Schüler kleine Nägel auf das Mundstück zu kleben, sondern ihm Aufgaben zu stellen, wo er von selbst draufkommt, dass man so möglicherweise nicht alles spielen kann, was gefordert wird.
    Meiner Meinung nach ist es genau diese Angst vor Irrtümern, die einem Kind beim Lernen den Vorteil gegenüber dem "Späteinsteiger" gibt, und nicht irgendwelche Funktionen im Hirn, die sich im Laufe der Zeit zurückbilden.

    Liebe Grüße, Guenne

     
  5. lee

    lee Ist fast schon zuhause hier

    sarisch doch: " Das geeignete Verhalten kann nur im Vergleich zum unzweckmässigen Verhalten gelernt werden. Fehler machen ist also ein unabdingbarer Teil des Lernprozesses. Buber: Unser Weg baut sich aus Verlusten, die heimlich zu Gewinnen werden."
    aus http://www.jacobygindler.ch/jacoby_einfuehrung.html

    ps: wenn du da noch infos brauchst-ich komme aus eben der ecke.
     
  6. Christiane

    Christiane Kann einfach nicht wegbleiben

    @Guenne: ich stelle mir immer mal wieder die Frage ob sich das Lernverhalten, im speziellen der Lernehrgeiz in den letzten Jahren verändert hat.
    Wir leben ja nu mittlerweile in einer Welt die immer stärker von Ehrgeiz, Erfolg etc. geprägt ist.
    Sind wir z.T. vielleicht deshalb so geworden?
    Weil wir schon von klein auf z.T. darauf getrimmt werden besser, höher, schneller, reicher zu sein?

    Wobei Ehrgeiz ja was durchaus positives ist, wie ich finde. Aber für mich wird das Ganze beinahe schon krankhaft, wos anfängt zu ärgern. :)
    Das macht auf Dauer ja nur frustriert und nimmt sicherlich den Spaß an der Sache. Und vielleicht am ganzen Leben. Denn man kann einen übersteigerten Ehrgeiz so schwer wieder loslassen.
     
  7. Mugger

    Mugger Guest

    Sehr gerne,

    so wie ich mir wünschte, wie Coltrane, Getz, Bird und Pres in einer Person klingen zu können, hätte ich auch gerne Bildung in jede Richtung :)

    Liebe Grüße,
    Guenne
     
  8. deraltemann

    deraltemann Strebt nach Höherem

    also ich kann dir nur von mir berichten.
    Wenn ich mich vertue dann ist für mich alles dahin und ich ärgere mich über mich selbst.
    Aber mit der zeit lerne ich das ein versuter Takt halt nur ein Versauter Takt ist und das der nächste schon wieder klappen kann.

    Aber ich glaube das ein erwachsener sich gerne überfordert in dem er meint das alles sofort lernt und was einmal geht geht immer,

    Kinder gehen unbefangener dran...
     
  9. deraltemann

    deraltemann Strebt nach Höherem

    da ich eben mit Rüsselpest danieder liege, habe ich noch ein wenig über dieses Thema nach gedacht.

    Vielleicht haben Erwachsenen einfach ein anderes Verhältnis zum "Fehler". Sie haben gelernt das sie ungünstig und nicht wünschenswert sind. Aber wenn man sich einem neuen Thema widmet, dann sind Fehler einfach vielleicht auch notwendig.

    Das heißt aber auch im Umkehrschluss das Erwachsene vielleicht auch lernen müssen kleine Erfolge zu "feiern". Also ein Umdenken mit der Emotion die durch einen Fehler ausgelöst werden. Genau das ist aber auch Inhalt vieler Seminare gegen Stress oder für Führungskräfte.

    may be
     
  10. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Ganz genau. So empfinde ich es auch. Eben, als ich übte, habe ich mich saumäßig darüber geärgert, dass ich das Stück nicht sofort vom Blatt im richtigen Tempo spielen konnte. Es sah doch gar nicht so schwer aus ...

    Aber meine Finger sind eben steif, sie wollen nicht so wie mein Kopf will. Im Gegenteil, sie gehen manchmal einfach in die andere Richtung, obwohl ich genau weiß, dass das D an dieser Stelle falsch ist und ich ein Fis spielen sollte. Da könnte ich aus der Haut fahren, denn - wie Du sagst - das ging schon mal besser. Als Kind konnte ich alles viel schneller vom Blatt spielen als jetzt. Ich komme mir dümmer vor, als ich es als Kind war. Obwohl ich ja eigentlich "weiser" geworden bin und viel mehr in meinem Leben gelernt habe.

    Ja, die Ansprüche sind höher geworden, und die körperlichen Fähigkeiten weniger. Das ist wirklich frustrierend.
     
  11. Mugger

    Mugger Guest

    Servus saxoryx,

    ich werf mal den Klugscheißmodus an und sage, dass die Finger nur das machen können, was der Kopf sagt :)
    (Bitte nicht böse sein)

    Liebe Grüße,
    Guenne
     
  12. lee

    lee Ist fast schon zuhause hier

    und ich sag mal: viel zu viel "ich will" bei der ganzen sache.
    der kopf will so, die finger so-der klügere sollte nachgeben.
     
  13. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Also ich weiß ja nicht...

    Macht ihr euch wirklich so `n Kopf?

    Dieses sich "ärgern" wiel gerade was nicht klappt, kenne ich (fast) gar nicht.

    Macht doch nix. Dran bleiben und es wird besser.

    Ich bin rhythymisch immer noch nicht 100% sattekfest, aber heute komme ich i.d. Regel schnell wieder rein. Das freut mich, ich ärgere mich nicht, dass ich rausgeflogen bin (nur ein Beispiel).

    Ihr müßt vielmehr vor Freunden, Familie, eurer Liebsten auf ´ner Jammsession spielen.

    Habe ich von Anfang an gemacht (puh, wenn ich daran denke, was ich einigen am Anfang angetan habe...)

    Und so bin ich heute stolz, wenn ich zu hören bekomme "wow, Du spielst jetzt ja richtig gut" oder "Bringst Du Deine Tröte auch mit?"

    Diese Fremdwahrnehmung hilft mir mit meinen eigenen Defiziten (die immer da sein werden!) gzt zurecht zu kommen.

    Beste Grüße,

    Dreas
     
  14. lee

    lee Ist fast schon zuhause hier

    auch wenn du recht hast, dreas,
    aber dieses "ärger dich nicht" ist ähnlich schwierig wie "hab keine angst"
     
  15. cara

    cara Strebt nach Höherem

    ist schon richtig, dass die Finger nur machen, was der Kopf sagt.
    Aber:
    Nicht immer verstehen die Finger es so, wie der Kopf es meint. ;-)
    Außerdem darf man den Fingern ein gewisses Eigenleben nicht absprechen. Für mich ist etwa das Wort "begreifen" nicht nur eine Metapher. :)

    Das heißt wiederum:
    Kopf und Finger müssen sich irgendwie einig werden. :-D

    Gruß Cara
    die bei ihrer Etüde den 25. Takt jetzt ohne weiteres geschafft hat, aber es ist nicht klar geworden, wer das Bein gestellt hat: der Kopf oder die Finger?
    und
    die sich gerade gar keinen Kopf macht, sondern ihren Fingern sagt, sie sollen halt üben, wenn sie so spielen wollen, dass der Kopf es mag. :-D
     
  16. lee

    lee Ist fast schon zuhause hier

    für den anfang reicht es schon, wenn man kapiert, dass die finger kein militärexerzierplatz sind und der kopf kein general.wo ein wille ist, ist selten ein weg.
     
  17. cara

    cara Strebt nach Höherem

    Falsch! Die Wege sind alle da.
    Wie wir wissen, führen sogar alle nach Rom :lol:

    man muss sie nur gehen! :)

    Gruß Cara
     
  18. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Das ist richtig, Cara. Ohne Willen gibt es überhaupt keinen Weg. Klar - mit dem Kopf durch die Wand klappt nicht, aber ein Instrument zu lernen hat in gewisser Weise schon etwas mit Exerzieren zu tun, so falsch ist der Vergleich nicht. Immer und immer wieder dieselben Dinge spielen, bis sie eben automatisch gehen. In dem Sinne habe ich wahrscheinlich einfach noch zu wenig gespielt bei der kurzen Zeit, die ich spiele. Und das ist der springende Punkt. Ich sehe, was ich können könnte (nach ein paar Jahren Übung), und dann sehe ich, was ich wirklich kann - und schreie los. ;-)
     
  19. Mugger

    Mugger Guest

    Hallo,

    das ist jetzt schon Offtopic...
    Aber als Antwort: Ich habe nicht das Gefühl, dass ich automatisiere, ganz im Gegenteil.
    Je besser ich spiele (und ich habe mich im letzten Jahr gesteigert), desto mehr kriege ich mit, was genau ich eigentlich tue, und desto mehr kriege ich Automatismen los.
    Aber die "guten" und die "bösen" Automatismen zu beleuchten wäre wieder ein eigenes Thema.

    Liebe Grüße,
    Guenne

     
  20. cara

    cara Strebt nach Höherem

    hallo saxoryx,
    Natürlich muss man immer wieder dieselben Dinge üben und spielen. Aber es ist ein großer Unterschied, ob du sie das 50. Mal spielst, oder das 500. Mal. Das hat für mich nichts mit exerzieren zu tun.
    Beim 50. Mal läuft es. Okay. Das ist gut.
    Dann kommt langsam erst der spannende Teil, das Experimentieren mit z.B. der Akzentuierung, dem Klang, der Dynamik, mit der Impro natürlich ..... ;-)

    Ein Stück nicht einfach so im vorgegebenen Tempo vom Blatt spielen zu können, na und?
    Man fängt langsam an und erarbeitet es sich. Klar spielt einem die Ungeduld manchmal einen Streich. Kenne ich gut. Aber das bekommt man immer hin. Ist alles nur eine Frage der Zeit. :-D

    Und: ich muss mir nicht ein Riesenrepertoir zulegen, sondern kann mich genau mit den Stücken auseinandersetzen, die ich spielen will und daran arbeiten, sie so zu spielen, wie ich sie spielen will.

    Das macht mir mehr Spaß als alles gerade mal so runterhuddeln zu können. ;-)

    Gruß Cara




     
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