Mein Besuch bei Francois Louis

Dieses Thema im Forum "Mundstücke / Blätter" wurde erstellt von GelöschtesMitglied1589, 23.Dezember.2018.

  1. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Vor über einem Jahr hatte ich mich Francois verabredet, um meine Mundstücken aus Silber (Tenor und Alto), die er in den 80er und 90 herstellte, bevor seine Werkstatt in Brüssel zusammen mit den Gussformen abbrannte, einen Service zu gönnen. Ich hatte auch eines seiner neuen Mundstücke aus versilberter Bronze vorbestellt. Diese neue Serie folgt in der Geometrie den alten Mundstücken aus Silber. Francois bietet zwei Grundmodelle an: ein 0.110, also in etwa 8*, und ein 0.130, das in etwa einem 9* oder 10 entspricht.
    Ich hatte ja, nachdem ich mein altes silbernes 0.110 an Paul Heller abgegeben hatte, irgendwann einen weiteren Silberling gefunden, der mir auf die Dauer mit 0.130 doch zu offen war. Deshalb war ich froh, dass ich mit Paul zurücktauschen konnte und wieder bei 0.110 gelandet bin.

    Ich kam nach drei stressigen Fahrstunden (die deutsche Autobahn ist die weltweite größte Offene Psychiatrie der Welt) an und wurde von einem sehr freundlichen und überaus netten Francois begrüßt. Es ging sofort in die Werkstatt. Francois begutachtete zuerst die beiden Silbermundstücke. Sein Arbeitsplatz schaut auf eine große LED Fläche, und sofort wurden Tisch und Bahn auf Unebenheiten und Lichtdurchfall geprüft. Auch das Standardwerkzeug (Glasplatte und Bahnlineal, Präzisions-Fühlerlehren) kam zum Einsatz. Nach einer Viertelstunde war klar, dass das Tenormundstück relativ wenig Arbeit braucht, das Altomundstück hingegen "verbastelt" war, obwohl es die Signatur eines bekannten französichen Refacers trug: die Rails waren in der Horizontalen und der Vertikalen uneben. Francois zeigte mir, wie das Lineal zwischen Glasplatte und Mundstücke Spiel hatte, also schräg stand. Auch der Tisch war nicht plan. Die Arbeit wurde auf die Zeit nach der Mittagspause verschoben und das neue Mundstück angegangen.
    Natürlich entschied ich mich für das 0.110, weil ein 0.130 für mich keinen Sinn macht. Er hatte eines vorbereitet (Serienummer 022), und es gefiel mir auf Anhieb so gut, dass es nicht viel daran zu machen gab. Francois bietet die Möglichkeit, das Mundstück vor Ort so lange zu bearbeiten, bis alles "passt". Danach wird es neu versilbert.
    In der Mittagspause saßen wir bei ihm im Wohnzimmer, diskutierten und philosophierten bei guter Musik, und ich freute mich über die vielen Anekdoten, die Francois erzählen konnte. Eine als Beispiel über Frank Wells in Chicago, zu dem ja John Coltrane und viele andere Größen aus NY ihre Mundstücke zum bearbeiten brachten:
    Man musste immer eine Flasche Whiskey dabei haben, aber darauf achten, dass man möglichst früh in Chicago ankam. Ab der Mittagszeit war Frank meistens zu sehr abgefüllt, um noch gut arbeiten zu können.
    Die Musik im Hintergrund war ein schönes neues Album von Peter Peuker ('Skylark'), das mir sehr gut gefiel. Hier ein Track als Ausschnitt ('Glad to Be Unhappy'):



    Nach der Pause ging es wieder in die Werkstatt. Das Tenormundstück war in ca. 30 Minuten wieder gut in Schuss und abgerichtet, aber das Alto-Mundstück brauchte doch gut 90 Minuten, bis es wieder in sich ausgeglichen war. Schon das erste Anspiel nach dem Bearbeiten ließ "die Sonne aufgehen".
    Nach einer herzlichen Verabschiedung ging es zurück nach Hause über die "Piste der Unvernunft".

    Fazit: es war eine große Freude, Francois kennenzulernen und ihn bei der Arbeit beobachten zu können. Ich habe gelernt, dass ich von allen Mundstücken, die mir etwas bedeuten, stets die Finger lassen werden.
    Als Anhang füge ich den Fotovergleich des neuen und alten Tenormundstücks bei. Das neue Mundstück klingt etwas heller und definierter, das alte wärmer und lyrischer. Das neue Mundstück hat den Hauch einer Step-Baffle. Man sieht dies nur, wenn man das Mundstück ca. 40 Grad gegen den Lichteinfall dreht.

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    Oben das Silbermundstück, unten die Neuauflage aus Bronze

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    Bronze
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    Silber
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