Schwingt das Blatt immer gleich?

Dieses Thema im Forum "Mundstücke / Blätter" wurde erstellt von Gundi, 23.Mai.2012.

  1. Gundi

    Gundi Ist fast schon zuhause hier

    Hallo,
    unlängst ist bei einer Unterhaltung eine interessante Frage aufgetaucht, die ich leider nicht beantworten konnte:
    Schwingt das Blatt immer gleich? Wenn nicht: woher weiß das Blatt, wie lange die Luftsäule am Ende sein wird, die schwingt? Ändert der Spieler die Schwingungsfrequenz des Blattes (Mund- Rachenraum, Druck etc.)je nach Tonhöhe?

    Ich hab mich mal durch einen alten Thread gekämpft aber der war sehr physikalisch ausschweifend, konnte ich keine Antwort drin finden.

    Vielleicht kann es mir jemand erklären.

    Danke im voraus - Gruß Gundi
     
  2. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Moin Gundi,

    das Blatt schwingt immer mit der Frequenz, die dem Ton entspricht, den du gerade spielst.

    Woher das Blatt das weiß, wie es schwingen soll, joa, gute Frage.

    Das Holzblatt ist in seiner Schwingung flexibel und kann sich der Resonanzfrequenz der Luftsäule anpassen. Diese wiederum ist definiert durch die Länge der Luftsäule und der Schallgeschwindigkeit, also der Geschwindigkeit, mit der die Druckwellen durch das Instrument wandern.

    Wäre das Blatt aus Metall hätte es diese Flexibilität nicht und es könnte nur ein einziger Ton erklingen, wie es bspw. bei der Mundharmonika, bww. dem Akkordeon ist. Dort benötigt man für jeden einzelnen Ton ein extra Blatt, oder in diesem Fall eine Metallzunge.

    Hoffe, das hilft ein wenig.

    Gruß,
    xcielo

     
  3. DirkThomsen

    DirkThomsen Ist fast schon zuhause hier

    Hi Gundi,
    anschaulich kannst Du dir das Zustandekommen eines stationären Schwingungszustands so vorstellen, daß die vom MPC ausgehenden Schwingungen am anderen Ende des Saxophons reflektiert werden, da im Gegensatz zu einem Sonargerät, Grammophontrichter, altmodischen Hörrohr keine stetige Anpassung an den Außenraum vorliegt. In der Elektrotechnik nennt man soetwas Impedanzfehlanpassung und im Bezug auf akustische Resonatoren hat es dazu intensive math. Forschungsarbeit während des 2.Weltkrieges gegeben, da man bei Sonargeräten genau diesen Effekt (einer Selektion bestimmter Frequenzen) nicht haben möchte. Das Ergebnis ist die sog. Horngleichung (engl. Webster Equation), die für ganze bestimmte Mensurverläufe (zylindrich sowie konisch)ein harmonisches Obertonspektrum ergibt. Aber zurück zur Vorstellung: Die reflektierte Welle interferiert mit der auslaufenden und nur für bestimmte Frequenzen hast Du konstruktive Interferenz, für alle anderen destruktive. Siehe hierzu auch Wikipedia.

    Viele Grüße, Dirk
     
  4. rbur

    rbur Mod

    Der erste Teil ist richtig, aber das hier nicht
    Bei der Harmonika ist die Länge der Metallzunge der frequenzbestimmende Faktor, da gibt es keine resonierende Luftsäule. Das Material ist egal.
    Früher gab es mal Saxophonblätter aus Metall, die hatten aber wohl andere Nachteile.
     
  5. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    Oder einfach gesagt:

    Blatt und Luftsäule beeinflussen sich gegenseitig.

    Folgendes geschieht in Bruchteilen von Sekunden:

    1) Durch die Schwingung des Blattes wird die Lufsäule in Schwingung versetzt.
    2) Durch die Länge er Luftsäule schwingt diese in einer bestimmten Frequenz
    3) Das Blatt nimmt diese Frequenz auf.

    Dabei kan der Spieler/die Spielerin das Blatt nun durch Ansatz, mehr oder weniger Dämpfung etc unterstützen und beeinflussen oder eben auch stören.

    Cheerio
    tmb
     
  6. noten-schussel

    noten-schussel Ist fast schon zuhause hier

    Prinzipiell passiert folgendes:

    Durch die Luft, die aus den Lungen ausstritt entsteht ein Überdruck im Mund. Dieser fließt an der einzigen möglichen Stelle, dem Mundstück, ab. Durch den Überdruck im Mund und den entstehenden Sog im Mundstück wird das Blatt auf das Mundstück gepresst und der Luftfluss stoppt zunächst.

    Die Luft, die sich bisher aus dem Instrument herausbewegt hat, bewegt sich durch die Trägheit der Masse noch ein Stück weiter im Instrument. Dadurch entsteht ein Unterdruck im Bereich des Mundstücks. Der athmosphärische Druck von aussen presst nun die Luft wider zurück in das Instrument und öffntet - wiederum aufgrund der Trägheit der Luft - das Blatt am Mundstück durch den entstandenen Überdruck. Das Ganze fängt nun wieder von vorne an.

    Die Zeit, die aufgrund der Schallgeschwindigkeit benötigt wird, bestimmt, wann sich der Vorgang umkehrt.

    Durch die Anpassung des Luftstroms mit den Stimmbändern und der Bauchmuskulatur kann die Luftgeschwindigeit erhöht werden. Sollte die Länge des Rohres mit der Luftgeschwindigkeit übereinstimmen, rastet dieses Vorwärts- Rückwartsspiel praktisch auf einer bestimmten Wiederholungsdauer / Frequenz ein.

    Durch Verkürzen des Rohres wird der Weg, den die Luft zurücklegen muss verkürzt, daher wiederholt sich das Ganze schneller. Das Blatt schließt und öffnet das Mundstück öfter und der Ton wird höher.

    Wird die Luftgeschwindigkeit auf das Mehrfache erhöht, entsteht ein (oder mehrere) Schwingungsknoten, die die Obertonreihe auch bei gleicher Rohrlänge erklingen lassen. D.h. die Luft bewegt sich jetzt in unterteilten einzelnen Segmenten. Das Öffnen und Schließen findet zu einem mathematisch geradzahligen Bruchteil der ursprünglichen Rohrlänge statt.
     
  7. Gundi

    Gundi Ist fast schon zuhause hier

    Ich glaube, ich hab's kapiert.
    Ohne Physik geht's halt nicht aber ich habe die notwendigen Argumente zusammen, um das auch Leuten ohne ausgesprochen fundierten physikalischen Kenntnissen erklären zu können.

    Danke dafür!
    Gruß Gundi
     
  8. TheSteamer

    TheSteamer Guest

    Moin, Steamer auch!
    Pädagogisch! :)

    Blässt du ohne Mundstück Luft in dein Saxophon, geht sie durch
    ohne etwas zu bewirken!

    Das Mundstück mit Rohrblatt ist ein Oszillator,
    es wirkt wie ein Ventil was sich blitzartig öffnet und wieder schließt,deinen Luftstrom unterbricht,-> weiter fließen lässt, -> und wieder unterbricht.

    Dieses `Takten` tuf,tuf,tuf, bewirkt eine vor und zurücklaufende Welle die zunächst noch nicht klingt.

    Aber dort wo die beiden Wellen sich überschneiden, bildet sich eine neue, stehende Welle, die dann aber einen Ton bewirkt!

    Dieser Ton hat die Frequenz, die der Länge zur nächst geöffneten Klappe entspricht.

    Da alle Saxophone ungleichmäßige Töne (höher/tiefer) haben, kannst du den Ton durch mehr oder weniger Druck auch noch erhöhen oder fallenlassen ca. +/- 25/30 cent.

    Grüße the Steamer
     
  9. DirkThomsen

    DirkThomsen Ist fast schon zuhause hier

    Hi Steamer,
    also was Du da beschreibst ist eher das Prinzip einer sog Loch-Sirene. Beim Sax schwingt das Rohblatt zwar wegen des Bernoulli-Effekts (hoher Strömungsgeschwindigkeit = niedriger Luftdruck), also demselben Effekt, der auch einen altmodischen Duschvorhang in Richtung des Duschstrahls auslengt, aber richtig zu geht die Öffnung hoffentlich nicht. Wenn doch, dann hast Du zu leichte Blätter odre beißt zu stark. Es entsteht vielmehr eine Modulation des Luftdrucks, d.h. ein Druckknoten, weswegen ein Rohrblattinstrument aus physikalischer Sicht auch als einseitig offen betrachtet wird. Einseitig offen + zylindrische Rohre ergibt ungradzahlige Vielfache der Grundfrequenz als Obertöne (Klarinette), einseitig offen + konisch ergibt ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz.

    Die Freuquenz einer Rohre ist durch die sog. akustische Länge, d.h. die geometrische Länge + Helmholtzsche Endkorrektur gegeben. Im Falle von geöffneten Klappen ist es etwas komplizierter: Eine große Klappe hat dieselbe Auswirkung wie eine etwas kleinere aber näher zum Mundstück liegende Klappe. Dieser Effekt wird im übrigen genutzt, um der Entstehung eines Reflexionsgitters durch äquidistant angeordnete Klappen zu entgehen.

    Wer sich mehr für diese Dinge interessiert:

    Die Physik der Musikinstrumente, Spektrum-Verlag, ISBN 3-86025-069-8 : Auch für physikalische Laien geeignet

    Neville H. Fletcher / Thomas D. Rossing, The Physics of Musical Instruments, Springer, ISBN 0-387-98374-0 : Eines DER ultimativen Bücher zu diesem Thema, aber wahrscheinlich ohne Physik- oder Mathestudium kaum zu verstehen.

    Viele Grüße, Dirk
     
  10. rbur

    rbur Mod

    Und ohne reiche Erbtante auch kaum zu bezahlen ...
     
  11. DirkThomsen

    DirkThomsen Ist fast schon zuhause hier

    Gibts auch als Paperback (1-44193-120-1), da ist es dann ein wenig billiger. Ist aber letztlich der übliche Preis für Bücher dieser Art. Da gibt's schlimmeres...

    Gruß, Dirk
     
  12. ppue

    ppue Mod Experte

    DirkThomsen:

    Ich denke, da irrst du. Ich dachte das früher auch immer, bin aber durch alle Literatur bisher davon überzeugt worden, dass es tatsächlich die Bahn ganz verschließt.
    Zitiere mal, was Fletcher und Rossing dazu schreiben.

    Grüße pü
     
  13. TheSteamer

    TheSteamer Guest

    Moin!

    Pädagogisch bedeutet für mich nicht das erneute `aufnudeln` der Akustik und Physik von Blasinstrumenten, sondern sehr vereinfacht zu beschreiben, denn da ist eine Fragende die es
    `Karo einfach` möchte!

    Also dort, wo selbst Nederveen seine Korrekturberechnung nicht schlüssig ist, weil um der Sache selbst erforscht, oder dort wo experimentelle und theoretische Physik sich abgrenzt, hinter dieser Grenze agiert man ganzheitlich in verschiedenen Disziplinen, in der Problemstellung, der angewandten Physik und mehr!

    Ich kann ein Sax berechnen, ebenfalls eine neue Mensur, jedes ältere rekonstruieren, jegliche Fehler eliminieren und im Handwerk ausführen, das gleiche bei MPC.

    Theorie erklärt sich, mehr muss sie nicht tun, und da sagen die Praktiker, `da hat die Theorie aber Schwein gehabt`!

    Grüße the Steamer
     
  14. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Genau :applaus:
     
  15. TootSweet

    TootSweet Ist fast schon zuhause hier

    Irgendwo habe ich gelesen, dass das Blatt die Öffnung nie ganz verschliesst. Dies u. a., weil es nicht voll symmetrisch schwingt - d. h. linke und rechte Blattseite bewegen sich nicht unbedingt gleich, das Blatt kann in sich verdreht sein (oder ist es sogar immer?).

    Ich erinnere mich nicht, woher ich das habe. Aus dem Buch von Ray Reed (sic) über Saxophonblätter? Oder demjenigen von Larry Real?
     
  16. ppue

    ppue Mod Experte

    Eine Frage für die Sendung mit der Maus (gibt es die überhaupt noch). Wie im Klangfred bietet sich an, das Verhalten des Blattes mal mit einer Hochgeschwindigkeitskammera aus der Mundstückinnenansicht zu filmen. Dann haben die Theorien auch mal wieder was zu tun.
     
  17. TheSteamer

    TheSteamer Guest

    Oh Je!

    Ich bin eigentlich kotterig, bisschen krank, aber mit letzter Tinte........!

    Was MUSS das Blatt machen? (Für größtmögliche Druckschwankungen, die zwei Wellen
    überlagert zu einer stehenden Welle)

    Das Blatt in 1 Sekunde (1000Milisekunden):

    Währende dieser 1000 Milisekunden verschließt das Baltt zu ca. 50% = 500 Milisekunden
    Hier setzt dann eine eher abrupte Bewegung ein und lässt das Blatt zur weitesten
    Auslenkung schwingen, wo es sich noch mal zu ca. 25% im Stillstand befindet = 250 Milisekunden, um dann wieder ruckartig zurück zu kehren.

    Damit befindet sich das Blatt mit 250 Milisekunden in effektiver Schwingung!

    Wenn das Blatt sich nicht verschließt, fehlt mehr oder minder eine Welle, z.B.ganz harte Blätter nur dumpf wahrzunehmen!, ohne Verschluss nur Luft!

    Grüße the Steamer
     
  18. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Hat Fumi mal gemacht, bin jetzt aber zu faul zu suchen, findet sich aber hier irgendwo.

    Und hier steht auch irgendwo, wie das Blatt so schwingt, nämlich sowohl teilweise verschliessend (pp - mf), als auch vollständig verschliessend (ff)

    Herrje, man muss nicht immer alles von ganz Vorne immer wieder diskutieren.

    Gruß,
    xcielo
     
  19. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Hier geht es zwar um Klarinetten, aber ich finde die Darstellung schön einfach und anschaulich.
     
  20. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Noch eine weitere schön anschauliche Darstellung, mit Animation.
     
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