Wenn Ihr immer über die vielen Jazz-Konzerte, Fernsehprogramme etc. in Mitteleuropa schreibt und dann noch der Meinung seit es gäb so wenig Jazz zu sehen und zu hören, dann muss ich immer schmunzeln - hier ist viel weniger los, aber auch hier wird es besser! Das Estoril (Cascais) Jazz Festival gehört da nicht dazu. Das gibt's seit "ewig" und die ganz grossen Stars haben hier schon gespielt (zB: Miles Davis, Keith Jarrett, Jean Luc Ponty,...) und kommen auch heute noch. Das Programm ist Heuer aber besonders gut! Vorallem 7., 8. und 9. werde ich versuchen nicht zu missen! Mark Shim Trio (tribute to Joe Henderson) 3.7.2004...19.00 Kenny Garrett Quartet 7.7.2004...21.30 Branford Marsalis Quartet 8.7.2004...21.30 The Randy Brecker/Bill Evans Soulpop Band 9.7.2004...21.30 Clayton - Hamilton Jazz Orchestra 10.7.2004...19.00 Jazz at Palmela Park 11.7.2004...19.00
hmmmmm, lecker... Also der Flug kostet rund 290,- ... gibt es da überhaupt noch Karten... und zu welchen Preisen? ...leider kann ich nicht... Ich wünsche Dir viel Spaß!
Hallo Leute, Gestern wars also dann so weit: KENNY GARRETT QUARTET Kenny Garrett - as, ss Carlos McKinney - p Kris Funn - b Ronald Brunner - dr Es war umwerfend gut. Kenny Garrett ist eben nicht umsonst berühmt. Es ist unglaublich was man alles in ein Stück hineininterpretieren kann. Noch unglaublicher ist, was man alles nicht spielen kann. Es waren, IMHO, die schönsten Augenblicke in denen er, über die schönsten, perfekt und groovig gespielten Harmonien seiner spitzen Band, nur eine handvoll einzelner Noten setzten und sie damit zu Musik machte. Sehr eindrucksvoll sind die verschiedensten Tonalitäten die er aus beiden Saxophonen, scheinbar ohne alle Mühe, herausholt. Der Pianist ist Weltklasse. So etwas von gefühlvoll habe ich schon lange nicht mehr live miterlebt. Der Bassist ist ein absoluter "workaholic". Selbst bei Baladen spielt hundert Noten por Takt, und trotzdem klingt es swingend und cool. Der Schlagzeuger ist 20 Jahre alt (was man manchesmal auch ein kleinbisschen merkte) und wird bereits als Star gehandhabt. Auch nicht ohne Grund. Technisch unglaublich (Jeff Watts, der neben mir stand (!) war der selben Meinung) und sehr gefühlvoll in den ruhigeren Nummern, aber wenns losgeht, dann haut der rein, dass er drei mal sein Schlagzeug zurückholen musste, was man normalerweise wohl nur von Rockkonzerten kennt. Das tollste war allerdings, dass ich ein Bier holen ging, dann am Weg seitlich der Bühne stehen blieb, weil gerade ein tolles Solo abging und von einem Herrn auf Englisch angesprochen wurde. Ratet mal von wem.... Es war nur Mr Brandford himself! Er spielt heute und kam so Mitte des Konzerts "to check it out" wie es denn so sei... Während ich ihm so ein bisschen Auskunft gab und mich zusammenriss nicht loszulabern, dass ich Saxophon spiel und ein Fan bin und blablabla, kam einer und bat ihn um ein Autogramm... ...auf der Eintrittskarte zu Kenny Garrett! So haben wir auch noch ein bisschen gelacht. Dann hat er sich verabschiedet und ist wieder abgezogen. Heute werde ich ihn mir von weiter weg anschauen und vor allem gut zuhören!
Also, gestern gabs also: BRANFORD MARSALIS QUARTET Branford Marsalis - ts, ss Joey Calderazzo - p Eric Revis - b Jeff “tain” Watts - dr Was soll ich sagen. Vorgestern standen vier sehr gute Musiker auf der Bühne und das Resultat war ein sehr gutes Konzert. Gestern standen vier Musiker auf der Bühne und jeder einzelne war noch ein bisschen besser als sein Kollege vom Vortag. Das Ergebnis war ein unvergessliches Konzert. Das Konzert war unerwarteterweise (oder auch nicht, wenn man seine letzten CDs berücksichtigt) ruhig und relaxed. Nur 3 wirklich schnelle und wildere Nummern waren im Programm. Kein "show-off", sondern feinfühlige, gewitzte Details und auch bewusst und gekonnt eingesetzte schnellere Läufe. Musik für den Kenner, für den echten Zuhörer. Das einzige, das ich zu kritisieren habe betrifft interessanterweise B. Marsalis selbst. Sein Ton auf dem ss ist Spitze. Mit diesem quakigen etwas, das viele nicht mögen, aber das für mich einer der Gründe ist, die den Charm des ss ausmachen. Wie er das Ding beherrscht ist einfach nur beeindruckend. Aber beim Tenor, so schön sein Ton auch untenherum war, so kam er mir in den Höhen oft eher dünn vor (ich kann natürlich nicht sagen in wie weit das auch mit der Verstärkung zu tun hatte – er spielte, im Gegensatz zu K.Garrett mit einem Ständermikro). Auch kam mir manches, bei den schnellen Nummern, ein bisschen gehudelt und unsauber vor?! Er machte das aber durch den Inhalt seines Spiels, seiner einnehmenden Persönlichkeit (er hat herum gescherzt, getanzt, geschrien und gelacht) und 100%igem Einsatz zu einer unwichtigen Nebenerscheinung. Calderazzo war mir zwar nicht unbekannt, aber, dass der sooo gut ist wusste ich nicht! Marsalis gab ihm dementsprechend viel Spielraum und zog sich in fast allen Nummern immer wieder hinter das Schlagzeug zurück, um seiner Band das verdiente Rampenlicht zu gönnen. Jeff Watts zeigte allen, warum der Bursche vom Vortag noch viel zu lernen hat. Erfahrung ist eben immer noch ein sehr wichtiger Bestandteil eines kompletten Musikers. Der Bassist war ebenfalls sehr beeindruckend, vorallem wie er ständig den gesamten Notenumfang seines Instruments ausnutzte (inklusive in einem Solo mit harmonics!) Noch eine kleine Kuriosität: Gleich in der ersten Nummer, beim ersten Klaviersolo, ging Marsalis in den hinteren Teil der Bühne, um ... mit Löschpapier unter allen Klappen des ss durchzuwischen ... ...wie war das... ...klebt nicht, gibts nicht....
Hi Lusaut, da kann ja fast Neid aufkommen. 2 so gute Bands hintereinander. Wahnsinn. Die Geschichte mit Marsalis an der Bühne und du daneben ... hätteste mal was gesagt, vielleicht hätte er dir eine Lektion erteilt
Ich hab mir halt gedacht, er hat sich schon nach Beginn "hineingeschlichen", sich nur "im Dunkeln" dieses seitlichen Wegs aufgehalten und ist dann auch vor dem Ende gegangen, um nicht zu sehr aufzufallen und nicht von allen "belästigt" zu werden. Deshalb wollte ich das auch nicht tun. Es war trotzdem eine tolle Geschichte. Je älter wir werden, um so logischer versuchen wir zu denken - ein "Star" ist auch nur ein Mensch. Aber wenn er dann vor uns steht, dann rennt im Kopf das Band ab und ... "... das ist,... ist das nicht,... ja, das ist der Marsalis, wow, der Brandford, the one and only, ohhhh, der geht da so spazieren als ob nichts wär (es ist ja auch nichts!),...
Beim, für mich, letzten Konzert des heurigen Estoril-Jazz-Festivals gab es noch einmal so ein richtiges Staraufgebot. Auch Bill Evans nannte es eine "All-Star-Band" bei den Vorstellungen. Und das ist sicher nicht übertrieben. Ich werde jetzt nicht über das Curriculum jedes einzelnen schreiben (bei Bedarf bitte "googeln"), aber da ist alles dabei von Miles Davis bis Madonna, von Journey bis Ray Charles... THE RANDY BRECKER / BILL EVANS SOULBOP BAND Randy Brecker - tr Bill Evans - ts, ss Hyram Bullock - g Dave Kikoski - p Victor Bailey - b Steve Smith - dr Randy Brecker wird auch nicht jünger (und auch nicht dünner), aber hat noch viel zu bieten. Vielleicht nicht das ganze Konzert durch, aber er hat immer noch viele Höhepunkte des Konzerts geschaffen. Und ein bisschen gerappt hat er auch noch. Für meinen Geschmack verwendet er teilweise zu viele Effekte (zu seinen Füssen sah es aus wie bei einem Gitarristen). Bill Evans war absolut genial! What a sound! Genau richtig für die Musik, funky und voller power, klar und durchdringend wenn es jazziger wurde. Wenn Randy so etwas wie der "spiritual leader" ist, dann ist Bill offensichtlich der musikalische Leiter des Projekts. Er "kontrolliert" die Band, gibt die tempi an, "teilt" die Soli "aus", erarbeitet die Schwerpunkte und stachelt die anderen zu den besten Leistungen an. Hyram Bullock, man muss ihn gesehen haben, weil vorstellen kann man es sich nicht. Schön ist er sicher nicht, unförmig: total, hat er dehalb Komplexe auf der Bühne: Komplexe, was ist das?, tanzt er? und wie!, singt er?: wie ein Gott!, kann er Gitarre spielen?: traut sich jemand neben ihm zu spielen? - auf der ganzen Bühne, im stehen, sitzen oder liegen, auf dem Boxen, cool an der Wand lehnend, auf den Knien rutschend, mit nur einer Hand, .... Der absolute Showman! Ausserdem schreibt er noch tolle Nummern, von denen sie drei, von seiner letzten SoloCD, gespielt haben und er gesungen hat. Dave Kikoski hat sich ebenfalls nicht zurückgehalten und abgesehen von perfekten Untermalungen auch eine handvoll toller Soli geliefert. Neben dem Klavier verwendete er noch ein kb (Korg) mit sehr guten Hammond und Fender-Rhodes sounds... ...auf die er sich hätten beschränken sollen (wieder: mein Geschmack). Victor Bailey - hat es etwas mit den Namen zu tun (Victor Wooten, Steve Bailey) - die besten (E-)Bassisten der Jetztzeit - bei seinen zwei längeren Soli blieb allen der Mund offen stehen (slapping , hammering, harmonics, tapping, .. you name it!) Steve Smith ist jedes zweite Monat am cover von drummer-magazin, was kann man da noch sagen!?! Ein unglaublicher groove, Rhytmuszerlegung von Feinsten, Doublebass und spitzen Soli. Alles in allem: viel Spass und viel Musik – ein wahres Fest! Für mich war es der perfekte Abschluss, aber die Konzerte am Wochenende waren sicher auch nicht schlecht. Am 21.07. kommt Ravi Coltrane nach Lissabon. Sollte ich es schaffen hinzugehen, schreib ich Euch dann wieder etwas dazu.