Paulo Pereira - Jazz at Work

Artikel in 'Schulen & Etüden', hinzugefügt von Claus, 9.Juni.2014. Current view count: 9772.

Paulo Pereira
Jazz at Work


Mit Playalong für Eb und Bb-Instrumente

2011, Chili Notes, EUR 22,95, 45 Seiten, Spiralbindung









Unser Forumsmitglied Paulo Pereira (Paulosax) hat mir netterweise ein Rezensionsexemplar seines Buches „Jazz at Work“ zur Verfügung gestellt, das schon seit einiger Zeit auf dem Markt erhältlich ist und immerhin bei Amazon bislang ausschließlich mit 5-Sterne-Bewertungen bedacht wurde.
Ich darf zunächst einmal aus der Kurzbeschreibung in der Einleitung zitieren:
„Eine effektive Methode, die Sprache des Jazz zu erlernen ist das Transkribieren und Spielen der Soli von Musikern, die für diese Musik stilprägend waren. Jedoch was tun, wenn die Improvisationen von Charlie Parker und John Coltrane einem technisch (noch) zu schwer sind? Die 14 Solostücke für Saxophon in diesem Buch mit CD können hierzu als Vorbereitung dienen. Sie bieten sowohl dem versierten Anfänger als auch dem fortgeschrittenen Saxophonisten die Möglichkeit, sich mit den Stilelementen des Jazz vertraut zu machen. Die Akkordfolgen basieren auf den Formstrukturen des Blues und bekannter Standards, die zum grundlegenden Repertoire eines Jazzmusikers gehören. So kannst Du gleich versuchen das Gelernte in die eigene Spielpraxis einzubinden. Beim Schreiben der Stücke habe ich auf einen lyrisch-sanglichen Charakter der Melodien Wert gelegt. Außerdem sollte die Akkordstruktur allein schon durch die melodische Linie ausgedrückt und hörbar gemacht werden. Um deutliche Konturen zu erhalten, habe ich das melodische Material auf vier Töne pro Akkord begrenzt. Die Auswahl gründet auf einem intervallischen Zahlensystem:

Dur: 1235 (z.B. D-Dur: D E F# A)
Dur7b9: 1 b2 3 5 (z.B. D7b9: D Eb F# A)
Moll: 1345 (z.B. D-Moll: D F G A)
Moll7b5: 1 3 4 b5 (z.B. D-7b5: D F G Ab)

Der renommierte Jazzpädagoge und Tenorsaxophonist Jerry Bergonzi stellt in seiner Improvisationsmethode Melodische Strukturen diese Tongruppen als Grundsegment eines umfassenden Systems dar. Ein ähnliches numerisches System beschreibt David Baker in seinem Buch Jazz Improvisation , in dem er aus den Tongruppen digital patterns bildet. John Coltrane nutzte solche intervallischen Muster z.B. in seinem legendären Solo über das komplexe Akkordschema von Giant Steps. Bei aller Systematik dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, worum es uns geht: nämlich um das Erzeugen ausdrucksstarker melodischer Linien.“

Mittlerweile hatte ich Zeit, mir selbst ein Urteil zu bilden. Ich fange bei den Äußerlichkeiten an: was mir sehr gut gefällt, ist die verwendete Spiralbindung, da sie sich auf dem Notenständer einfach als praktisch erweist. Es gibt keine Notwendigkeit, dem Notenheft mit brachialer Gewalt den Hang zum Zuklappen abzugewöhnen. Das verwendete Umweltpapier ist blendfrei, was aus meiner Sicht ein weiteres Plus ist. Es gibt allerdings auch ein paar Dinge, die nicht so schön sind und auf eine etwas hurtig durchgeführte Endkontrolle des Produktes schließen lassen. So weist der Textsatz an einigen Stellen nicht nachvollziehbare Zeilenumbrüche auf, die beim Lesen einfach irritieren. Das hätte einem Lektor auffallen müssen. Eine kleine Überraschung erlebt man auch, wenn man die Playalong-CD in ein CD-Text-fähiges Laufwerk einlegt. Teilweise werden die Songnamen im Klartext angezeigt, teilweise nicht. An dieser Stelle muss ich allerdings hinzufügen, dass es auch an meinem Laufwerk liegen kann. Ich hab es nicht mit einem anderen CD-Laufwerk getestet.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: das sind allenfalls Mängel kosmetischer Natur, die die Brauchbarkeit in keiner Weise einschränken.

Nun aber zu den Inhalten. Die 14 Stücke (Dauer jeweils zwischen 1:05 Minuten 2:20 Minuten) sind eingängig und melodisch komponiert und können von einem fortgeschrittenen Anfänger ohne weiteres erarbeitet werden. Bereits die Songtitel (z.B, Roxxy, Afro You oder Falling Leaves) geben unmissverständliche Hinweise auf die zu Grunde liegenden Jazz-Standards. Das verwendete didaktische Konzept richtet sich an den Improvisation-Einsteiger. Die konsequente Beschränkung auf jeweils vier Akkordtöne ist ein Konzept, mit dem sich ein Anfänger gut an die Materie herantasten kann, ohne sich von der Fülle der Möglichkeiten gleich erschlagen zu fühlen. Andererseits ist es nicht so einschränkend, dass nicht ansprechende Ergebnisse möglich wären, wie der Autor mit seinen Kompositionen beweist. Für jedes Stück gibt es im Einleitungsteil kurze, aber durchaus hilfreiche Hinweise zum Charakter und zu den Eigenheiten des Stücks und Tipps für die Improvisation.


Jeder Song ist einmal für ein Eb-Instrument und einmal für ein Bb-Instrument notiert. Dies bedeutet, dass für beide Instrumente das gleiche Playalong verwendet werden kann. Hier wird also genau der entgegengesetzte Ansatz verfolgt wie beispielsweise bei den Werken von Greg Fishman. Beide Herangehensweisen haben Vor- und Nachteile. Bei unterschiedlichen Notationen mag es sein, dass das eine Stück auf dem Alt leichter zu spielen ist als auf dem Tenor oder umgekehrt. Vielleicht ist es aber auch gerade reizvoll, diese Herausforderung zu meistern. Für jedes Stück gibt es auf der Playalong-CD zwei Demoversionen und dann ein Half-Playback ohne die Saxophonspur in sehr guter Studioqualität. Wozu die zwei Demoversionen gut sind, hat sich mir allerdings noch nicht so richtig erschlossen, da sie – abgesehen von der Klangfärbung des Instruments – identisch sind. Schön wäre es auch gewesen, wenn man dem Half-Playback noch ein paar Extra-Chorusse spendiert hätte, da man mit den eigenen Improvisationsversuchen doch immer recht schnell am Ende des Liedes angelangt ist.

Fazit:

Trotz kleinerer Schwächen ist dies ein sehr interessantes Werk gerade für Einsteiger im Bereich der Improvisation. Man erhält eine gut durchdachte Auswahl von Stücken, die man einfach nach- und mitspielen kann und ebenso gute Anregungen für eigene Improvisationsversuche.
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