Tonartfremde Akkorde

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von schroe, 20.März.2015.

  1. schroe

    schroe Kann einfach nicht wegbleiben

    Sicher wurde die Frage schon oft geklärt - aber ich kann es nicht finden:

    Wenn in einer Akkordfolge ein tonartfremder Akkord vorkommt, z.B. ein F7 in einem Stück in A-Dur (ohne Modulation in eine andere Tonart!), werden in der Skala dann bei den Nichtakkordtönen die Vorzeichen der Grundtonart verwendet?

    d.h. in diesem Falle f - gis - a -h-c-d-es f ??

    Wenn die Akkordtöne auf der starken Zählzeit kommen ist es aber eigentlich nicht so dramatisch, was ich dazwischen spiele, oder?
     
  2. Claus_6

    Claus_6 Ist fast schon zuhause hier

    Hi,

    wenn ich deine Frage richtig verstehe: NEIN:

    Du meinst Stück in A- Dur: darin ein F7 Akkord (f-a-c-eb) bzw F mixolydisch (f-g-a-bb-c-d-eb-f) und
    nicht f-gis-a-bb-cis-eb-f

    Dein h oben ist das engl. bb, nehm ich an?

    Lg Claus
     
  3. Onno

    Onno Schaut öfter mal vorbei

    Claus hat recht. Du hast einen etwas reduzierten Begriff von "Akkord". Das Symbol "A" z.B. gibt dir folgende Anweisung: spiele Töne der A-Dur-Tonleiter (evtl. unter besonderer Berücksichtigung von A-C-E). Hinter "F7" steht: Spiele die mixolydische Leiter auf F (evtl. s.o.)

    In diesem Fall wäre die Verwendung von G# und H in Ordnung als Blue Notes oder Vorhalte vor A und C - aber nur, wenn man sie auch in dem Wissen dieser Funktion einsetzt.

    Onno
     
  4. schroe

    schroe Kann einfach nicht wegbleiben

    Nein ich meinte wirklich f gis a b(h) c d eb f - eben mit den Tönen von A-Dur - in der Melodie dazu steht nämlich auch h (b) und nicht b (bb) - deshalb wurde ich auch stutzig.
    Vom Prinzip war mir nämlich auch klar, dass über F7 F mixolydisch gehört.
     
  5. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Moin!

    Mach' doch mal die Grenzbetrachtung:
    C-Dur, und dort steht ein Cis-Septakkord

    Was jetzt?
    1) annähernd vollchromatisch? Nee, klingt wohl nicht gut
    2) Töne spielen, die beiden Skalen vorkommen? Etwas wenig, weil C, Eis/F und H ... damit ist nicht viel Staat zu machen
    Also 3): Cis mixolydisch ... oder mixo #11, da hat man das Fisis/G, dass mit C-Dur verbindet

    Gleiche Grenzbetrachtung kann man auch für 'einmal quer dutch den Quintenzirkel' (Fis7 im C-Dur-Kontext) machen.

    Letztendlich entscheidet aber:
    Wo, kommt's her, wo geht's hin, was machen die anderen Stimmen/Voicings; mixo #11 klingt komisch, wenn die anderen Cis7/9/11/13 spielen. Komisch im Sinne von 'avoid note' gleich 'handle with care', wie Levine in seinem Buch schrub.

    Also: Um Ausprobieren und hören kommt man nicht drumherum.

    Grüße
    Roland
     
  6. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Ich nehme an, du fragst nach dem darüber improvisieren.
    Prinzipiell ja, wird gelegentlich Einbettungsmethode genannt, also Akkordtöne plus Tonarttöne.
    Hier würde ich ich bei F7 in A-Dur auch eher de/cis, statt d spielen, also die b6 von F7.
    Kommt aber auf den Zusammenhang an. Wenn der Akkord ohne weitere Angaben da steht, wie das öfters der Fall ist, klingt Einbetten glatter.
    Es ist zB auch gut zu wissen, das bei II-V-I Kadenzen, bei denen die Stufe I ein Mollakkord ist, vorher die II-stufe als m7b5 und die Stufe V mit b9 und 6 in aller Regel besser kommt (V7b9,b13).
    also steht zB /Dm7/G7/Cm7/Cm7/ ist meist gemeint /Dm7b5/G7b9,b6/Cm7/Cm7/.

    Es sei denn, der "Umsteigeeffekt" von Dur nach Moll ist explizit gewünscht. Jungbluth nennt das in seiner Jazzhaarmonieschule dann "Modal Interchange". Nettes Wort:).



    http://mobile-band-walking-act.de/unplugged.htm
     
  7. Rick

    Rick Experte

    Hallo Schroe,

    es wäre wirklich hilfreich, wenn Du uns die gesamte Akkordfolge mitteilen könntest, um die es geht, denn es gibt da keine pauschale Antwort, kommt immer auf den Zusammenhang und nicht zuletzt den Musikstil (funktionsharmonisch oder modal) an.

    Schöne Grüße,
    Rick
     
  8. schroe

    schroe Kann einfach nicht wegbleiben

    Hier ein Foto der Passage, auf das letzte F7 folgt noch zweimal E7, dann fängt alles wieder an.
    In der Melodie steht über dem F7 ein C und ein H (B), im Improteil wäre ich aber freier...
     

    Anhänge:

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  9. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

  10. kokisax

    kokisax Strebt nach Höherem

    War früher leider auch so....:(
    Am besten Text vor dem Absenden nochmals zwischenspeichern.

    kokisax
     
  11. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    wenn nach dem F7 ein E7 folgt, oft dann die Tonika ("Dream a little dream of Me" zB), würde ich am ehesten F7 mit #11 (=h) spielen, das E7 mit b9 und b6 (=f und c). Jedenfalls dann wenn die Tonika A-dur dann wieder kommt.
    Das F7 ist eine Ersetzung des H7, sog tritonusvertauschte Dominante. Ist sozusagen F7 mit scharfen Chilli.
    Kann man gut daran erkennen, das sie sich in den Akkord einen Halbton tiefer auflöst.



    http://mobile-band-walking-act.de/unplugged.htm
     
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  12. Rick

    Rick Experte

    Hallo Schroe, herzlichen Dank, das ist schon mal ganz hilfreich!

    Auf den ersten Blick würde ich sagen, das ist keine funktionsharmonische Komposition, also eher modal aufzufassen, zumindest wechselt sie sehr häufig die Tonart, "changiert" zwischen Dur und Moll.
    Handelt es sich um einen alten Choral oder um ein modernes Werk?

    Ansonsten hat Werner schon Recht, der F7 rutscht chromatisch zum E7 als Tritonus-Substitut, die lydisch-mixolydische Skala (F7 #11) wäre das Mittel der Wahl.
    Aufgrund der Chromatik (=> Leittöne) hat F7 nichts oder nicht viel mit A-Dur zu tun, darüber würde man zu A eher "outgoing" (chromatisch versetzt) spielen - aber im vorliegenden Kontext geht es sowieso um A-Moll und nicht um Dur, plagial nach D7 "aufgelöst".
    Ganz schön tricky! :biggrin:


    Schönen Gruß,
    Rick
     
    Zuletzt bearbeitet: 20.März.2015
  13. deraltemann

    deraltemann Strebt nach Höherem

    Klingt es schräg oder darf es nur von der Theorie her nicht sein ?
    Also mal so ganz banal gefragt...:cool:
     
  14. ppue

    ppue Mod Experte

    Wer ist "es"?

    Sagen wir so: das Bb klingt über dem F7 in diesem Zusammenhang schräger als das H. Die Theorie kann sagen, warum.

    Das Bb klänge gut, wenn F7 die fünfte Stufe des tonalen Zentrums wäre. Da hier aber Bb-Dur nicht angesagt ist, sollte man den Durchgangston den entsprechenden harmonischen Verhältnissen anpassen. Und ein Bb fiele hier sehr aus dem Rahmen.

    Spielen kannst du, was du willst. Zum Glück sind Harmonielehre und Ästhetik nicht gesetzlich verankert.
     
  15. Rick

    Rick Experte

    Die Theorie richtet sich nach der Praxis, will diese erklären, doch es gibt eben unterschiedliche musikalische "Sprachen", also auch etliche Möglichkeiten, die Akkordfolge aufzufassen.

    Prinzipiell muss diese Akkordfolge nicht "schräg" klingen, wobei so ein Empfinden auch kontextuell geschieht - die gängige Harmonielehre fußt auf der Ästhetik des 18. Jahrhunderts; viele Akkordfolgen des Blues, Jazz, Rock sind uns heute geläufig, vertraut, angenehm, obwohl sie für Rameau und Haydn bestimmt "schräg" geklungen hätten (und auch noch unsere Großeltern nicht viel damit anfangen konnten => "Urwaldmusik"). :-D

    Der kurze Notenausschnitt sagt kaum etwas über den Sound des vorliegenden Stücks aus, prinzipiell ist er von Melodik und Harmonik her heutzutage nicht ungewöhnlich, kommt mir eher "bluesig" vor.
    Wenn ich aber im Blues, Gospel und ähnlichen Richtungen zu "outgoing" improvisiere, kann dies dem üblichen Publikum "schräg" erscheinen, im Fusion allerdings wäre eine simple Bluestonleiter-Improvisation unter Umständen zu banal; deshalb brauche ich immer den stilistischen Zusammenhang, um entscheiden zu können, was hier gerade "angemessen" wäre. ;)


    Schöne Grüße,
    Rick
     
    Zuletzt bearbeitet: 21.März.2015
    antonio und flar gefällt das.
  16. last

    last Guest

    :) it's not a bug, it's a feature! :)

    ;)lastvisitor
     
  17. Gelöschtes Mitglied 172

    Gelöschtes Mitglied 172 Guest

    @Werner Das habe ich so noch nicht erlebt. Bleibt der Text nicht im Editor erhalten?
     
  18. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Mir ist gestern das Umgekehrte Passiert. Ich hatte Text im Editor, ihn aber nicht abgeschickt. Um einen anderen Beitrag zu schreiben, hab ich den alten Text im Editor gelöscht (mit 'Backspace') und neuen geschrieben. Nach dem Abschicken war aber der alte Text zusammen mit dem neuen im Forum. Erst über die Korrekturfunktion war das zu beheben.

    LG Helmut
     
  19. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    @Rick
    Deinen Kommentar in #15 finde ich schon sehr dienlich - er macht für mich viel her, oft mehr, als alles theoretische, akademische Geraffel zu solchen Fragen. Will mich ja jetzt nicht einschleimen, aber zu dir käme ich gerne in den Unterricht :)

    LG
    antonio
     
    Rick gefällt das.
  20. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Matthias Schubert wurde auf einem Workshop gefragt, welche Töne man auf C-Dur improvisieren darf. Er hatte es akustisch nachgewiesen, dass alle Töne möglich sind.

    Wie Rick schon schrieb, hat dies viel mit Hörgewohnheiten zu tun.
     
    Rick gefällt das.
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