Guten Morgen, ich habe größte Bewunderung für jemand, der ein System erstellt, um Improvisation zu lehren. Das ist wichtig, und ich wünschte mir, ich hätte Zugang zu einem solchen System gehabt, als ich mich für Saxophon entschieden hab. Meiner Meinung nach ist aber auch ein wichtiger Teil sein Instrument zu kennen, und zu wissen, "wo die Töne sitzen". Und das soll - so denke ich - nicht nur in C-Dur so sein, zumal ein Jazzstandard in C schon auch mal recht komplex sein kann. Ich schreibe das auch deswegen, weil meine Anfänger bis mäßig Fortgeschrittenen auch beim Blattspiel, nicht nur beim frei spielen Probleme haben, wenn mal ein paar Töne vorkommen, die nicht so geläufig sind. Daher schlage ich folgende Übung vor, die IMHO vom Anfänger (der die chromatische Tonleiter in einer gewissen Range bereits kennengelernt hat) bis zum Fortgeschrittenen recht sinnvoll ist. Warum nicht einfach mal ein Kinderlied hernehmen, das mit ein paar Tönen auskommt, so wie "Merrily we roll along", und von jedem Ton am Horn aus spielen? Man könnte auch z.B. die ersten 4 Takte von "Sentimental Journey" in allen Tonarten spielen... Wenn man nun die winzige Information zur Verfügung hat, dass das Stück auf der Terz beginnt (beide, aber ich meine Sentimental Journey), immer mit dem Grundton wechselt, dann einen Halbton rauf- und mit einer chromatischen Tonleiter wieder runtergeht, übt man auch noch Skalen damit, ohne sie einfach sinnlos auf- und abzududeln, wie es meine Schüler für ihre Prüfungen machen, und dann in der Praxis wenig Nutzen daraus ziehen können. Ich denke, dass dabei auch ein gutes Gefühl für das Verhältnis Melodie-Akkord entsteht. Ich stehe gerade an diesem Punkt. Ich hatte immer ein schlechtes Gewissen, weil mir klar war, dass ich eigentlich Standards üben hätte sollen. Und das in allen Tonarten, weil die Sängerin oder der Sänger es immer eine Terz tiefer oder eine Quinte höher oder was weiß ich möchte. Mir war das zu viel Arbeit, ich hab mich nicht rausgesehen, da hab ich es gelassen und es nicht mal in einer Tonart geübt. Mit dem Alter (und durch die Arbeit mit meinem großartigen Lehrer Bill Plake) sehe ich das gelassener. Ich versuche nun (anfangs auch ein wenig durch Analyse) einfach einen Teil eines Stückes, der mir beim Üben grade einfällt, in alle Tonarten zu transponieren. Dabei merke ich, dass es auch bei mir ein paar "blinde Flecken" gibt. Nehmen wir beispielsweise den Standard "Cry me a river". Ich hab das Lick in allen Tonarten drauf, der A-Teil besteht dann nur mehr aus ein wenig Akkordzerlegung, chromatischer Umspielung und "Bluessound". Der B-Teil beginnt mit einer melodisch Moll-Skala, der Rest ist auch schnell gelernt. Das Ziel ist für mich, im Endeffekt die Analyse völlig zu vergessen und einfach nur schnell die Töne zu finden. Ich bin draufgekommen, dass ich, seit ich mir diese Arbeit mache (die mir nun auch tierisch Spaß macht, weil man beim Transponieren dann auch Querverbindungen zu anderen Liedern oder Patterns herstellt, die man geübt hat, ich dudle oft minutenlang) anders höre. Es geht nach kurzer Zeit also schon viel leichter - und schneller. Ich hoffe, dass das für Euch eine interessanter Gedanke, und vielleicht eine Anregung ist. Liebe Grüße, Guenne
Genau so mache ich es derzeit. Ich spiele nur noch Sachen, die ich in allen 12 Tonarten hinbekomme. Derzeit investiere ich viel Zeit in Db, F# und H-Dur. Andreas
Was mir dazu gerade noch einfällt. Die Überschrift könnte auch "Lerne Deine Musik kennen" lauten. Denn wenn man Stücke in verschiedenen Tonatrten spielt, hat man dann auch die Harmonie der Musik verstanden. Den man speichert die Musik dann als Folge von Intervallen und nicht mehr als Abfolge von Noten. Das ist für mich ein wesentlicher Grund, es so zu tun. Andreas
ich hab's mit "alle meine entchen" und mit "frère jacques" probiert. ziemlich unsexy die stücke , aber es schult. liebe grüße annette
Ich mache das seit ich bei einem Lehrer speziellen Improunterricht bekomme regelmäßig mit selbst erfundenen und vorgegebenen Licks. Früher gab es Akkordzeichen zu denen ich überhaupt keine Beziehung hatte. Das ändert sich mit solchen Übungen recht schnell.
Ich habe mir das Saxophonspielen hauptsächlich durch Raushören und Nachspielen beigebracht. Das hatte den positiven Effekt, dass ich keine "Wertungen" von Tonarten vorgenommen habe (wie z.B. oh Gott, Db-Dur). Ich habe nicht mal versucht die entsprechenden Tonarten zu benennen. Letztlich hat es dazu geführt, dass ich die richtigen Töne in jeder Tonart relativ schnell finde. Eine Tonfolge ab-bb-b ist also kaum schwerer als a-b-c. Das Üben von kurzen Phrasen in allen Tonarten ist ganz sicher eine hervorragende Übung dafür. Ob es leichter geht, wenn man immer die Intervalle mitdenkt? Ich weiß nicht, aber dann ist es ja wieder Kopfarbeit. Ich glaube nicht, dass dadurch das Intuitive gefördert wird.
Moin, kleine Ergänzung dazu. Ich habe irgendwann festgestellt, dass ich zwar technisch auch Tonarten mit mehreren Vorzeichen ganz gut hinkriege, es mir aber sehr schwer fällt, darin zu improvisieren, Linien zu spielen. Fällt mir eine Melodie, eine Tonlinie spontan ein, und ich stelle mir vor, diese auf dem Saxophon zu spielen, so ist das meist in einer recht einfachen Tonart. Also fange ich an, mir diese Linie im Kopf vorzustellen, von einem anderen Grundton aus. Das ist eine fantastische Vorübung für das praktische Spielen und kann man fast überall, bspw. auf Zugfahrten wunderbar bewerkstelligen. Je mehr man das Körpergefühl des eigentlichen Spielens assoziiert um so leichter fällt es, dies dann auch am Instrument zu spielen. Gruß, Otfried
Ja, vielleicht sollte man einen Anfänger wirklich überhaupt nicht damit belasten. Allerdings mag es auch hilfreich sein, wenn ein gewisser Grundtonbezug da ist. Ich fühle mich bemüßigt zu erklären, dass Merrily nicht in H-Dur ist, obwohl es mit H beginnt (in G), und liefere dann halt eine einfache theoretische Erklärung. Lehrer halt. Ich selbst kann das Wissen, dass Round Midnight auf der Quinte eines Mollakkordes beginnt und dann Grundton-None usw. geht eh nicht "wegdenken". Cheers, Guenne
@Mugger - toller Beitrag der von dir beschriebenen Methode kann ich nur beipflichten... ist nicht ganz einfach, in allen Tonarten - egal wie easy das "Lied" ist. Ergänzen möchte ich: Einen Ton singen oder hören und nachspielen... was ich damit zum Ausdruck bringen möchte ist, " in die Lage zu kommen, den Ton den man sich denkt auch spielen zu können". Das Hirn sagt dir den Ton und führt die Finger zum richtigen Griff. Gruß Oswald
Das ist im Prinzip nicht anders als beim Singen oder Pfeifen. Nur ist eben der Weg von der Vorstellung zu den Mund- oder Kehlkopfmuskeln beim Sax der Weg zu den Fingern. Das ist machbar. BTW hilft es auch ungemein beim Auswendiglernen eines Stückes, wenn man es in unterschiedlichen Tonarten lernt. LG Helmut