Natur und Einsamkeit

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von Saxoryx, 11.Juni.2015.

  1. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja, das Böse ist schnell fest gemacht: Der Geiz, der Neid, der Hass und die Gier. Erstaunlich, wie diese Worte dieser Tage so sehr in aller Munde sind. Es sind die mehr oder weniger erfolgreichen Versuche, das Böse zu personalisieren. Hat man den Bösen nämlich gefunden, dann kann man sich selber in seiner Abgrenzung dazu als gut definieren.

    Das ist leider zu einfach. Biologisch ist es sehr unwahrscheinlich, dass Geiz, Neid, Hass und Gier sich in den letzten Jahrzehnten besonders vermehrt hätten. Also kann man davon ausgehen, dass diese Eigenschaften immer zum menschlichen Wesen gehörten. Eigenschaften, die sogar die "Natur" besitzt und die nicht nur negativ sind, anscheinend sogar zum "großen Plan" dazu gehören.

    Es sind somit wahrscheinlich nicht diese besonderen Eigenschaften der Menschen, die das Böse ausmachen. Das Böse war immer dazu gut, das Gute zu definieren. Aber das ist Schwarz-Weiß-Denken und das kann unsere komplexe Welt nun mal nicht abbilden.
    Die Probleme, die wir haben, Klimakatastrophe, Monokulturen, Monopolwirtschaft, Hunger, Armut, Kriege etc. liegen nicht an der Bosheit der Menschen, sondern an den Strukturen, die sich verselbständigt haben und die wir kaum noch im Griff haben. Wir haben die Kontrolle über sie verloren. Besser gesagt, wir haben noch kein politisches Konzept, dass uns je eine Kontrolle darüber erlaubte. Aber auch das liegt nur an uns.

    Denn: Wir gehören zu diesen Strukturen, die solch ein Eigenleben entwickelt haben, dazu. Wir sind eine führende Wirtschaftsmacht und erwirtschaften mehr als andere. Mit all den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen.

    Na, ich hör mal auf, sonst landet der Thread gleich wieder im Philosophensarg.
     
  2. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Namibia ist keine führende Wirtschaftsmacht, und Struktur ist hier eher unbekannt. ;) Die Dinge so eurozentristisch zu betrachten, bringt einen nicht weiter (es macht nur die Europäer bzw. die Industrienationen zu etwas Besonderem, was man so oder so sehen kann). Menschen sind überall gleich. Es gehört zu unseren positiven Eigenschaften, dass wir aggressiv sind und nach vorn streben, nach Innovation, nach Verbesserung. Das ist urmenschlich, und das ist nicht böse.

    Du sagst, es ginge um gut und böse. Darum geht es aber gar nicht. Das ist ein völlig anderer Ansatz. Worum es geht, ist die menschliche Natur. Die ist nicht gut oder böse, die ist menschlich. Die Auswirkungen sind eventuell eher positiv oder eher negativ, das ist aber etwas anderes. Deshalb kann man die Auswirkungen trotzdem beklagen. Auch wenn man oft als einzelner nichts daran ändern kann.

    Oben kam schon einmal das Beispiel, dass der Junge, der von seinen Arbeitgebern vor dem Krieg bewahrt wurde, sie dann bestohlen hat. Viele sind entsetzt darüber, aber in Afrika wundert sich darüber niemand. Das ist ein normales Verhalten, und seine Arbeitgeber hätten das erwarten sollen. Dieser Junge war nicht böse, obwohl er etwas Böses getan hat. Er hat sich völlig normal verhalten, menschlich und logisch. Er kann nämlich nicht wissen, ob er morgen noch etwas zu essen hat. Das kann sich in Europa kaum jemand vorstellen, aber so ist es. Wenn er nun also nicht stiehlt, was hat er davon? Nichts. Wenn er stiehlt, hat er zumindest für einen Tag etwas zu essen, was sein Überleben sichert.

    Wenn man das aus der europäischen Perspektive betrachtet und meint, alle Menschen wären so gut versorgt wie in Europa und danach urteilt, funktioniert das nicht. Aus der europäischen Perspektive stammt auch diese Personalisierung. Es ist etwas Persönliches, etwas auf den einzelnen Menschen Bezogenes, das Gute oder das Böse. So würde in Afrika niemand denken. Der einzelne zählt nichts und ist nicht wichtig. Was wichtig ist, ist der Stamm. Nur wenn der Stamm überlebt, ist es gut. Es ist aber nicht von Bedeutung, ob der einzelne überlebt.

    Ich will damit nur sagen: Es kommt immer auf die Perspektive an. Europäer können nur europäisch denken und beziehen alles auf Europa. Afrikaner sind ganz anders. Chinesen auch. Man kann nicht dieselben Dinge voraussetzen. Sie handeln ihren Voraussetzungen entsprechend logisch. Ein Asiate oder Afrikaner denkt nicht auf dieselbe Art wie ein Europäer. Das hat nichts mit gut und böse und auch nichts mit besser oder schlechter zu tun. Vernichten tun wir die Welt ohnehin alle gemeinsam.
     
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  3. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Fressen und gefressen werden ist die allerwichtigste und ursprüngliche Leistung der Moleküle auf dem Weg zum Leben. Das ist so tief verankert, dass es die Basis der Lebensgrundlage an sich ist. Sich selbst am Leben zu erhalten, sich zu vermehren, seinen Nachkommen wenn möglich einen guten Start mitgeben.

    Altruismus ist eine "neumodische" Entwicklung die nur so lange "nützlich" ist, als sie in Grenzen hilft das eigene Leben zu verbessern und das der eigenen Nachkommen (Brutpflege, Jagdgesellschaften, Rudelbildung, Arbeitsteilung,..).

    All das stellte so lange kein Problem dar, wie die Menschen Teil der Natur waren, und mit entsprechend hohen Ausfallsraten die Geburtenüberschüsse kompensiert wurden. Die Entwicklung der Sprache und damit die Möglichkeit einmal erworbenes Wissen dauerhaft im Gesellschaftspool zu erhalten und zu vermehren war ein genialer Wettbewerbsvorteil. Die Menschen entwickeln sich in so einer Gruppe zu einem mächtigen Superorganismus.

    Die Katastrophe trat in Stufen ein, als das Wissen um die Nutzung gespeicherter Energie sich verbreitete. Erst die Nutzung des Feuers, die Nutzung der Leistung anderer Lebewesen, die Nutzung fossiler Energie. Das letzte war der Überschallknall auf dem Weg in den Untergang.

    Das war der Startschuss, uns die Natur nach unseren Vorlieben zurecht zu biegen. Wir können uns alles nehmen, nichts ist zu groß oder zu schwer. Wir können uns nach belieben vermehren, da wir beliebig viele Ressourcen herbeischaffen können und auch in der Lage sind unsere zahlreichen Nachkommen durchzubringen.

    Nur gibt's eben nicht beliebig viele Ressourcen und das verträgt sich in Verbindung mit dem gigantischen Hebel der (im Moment) unbegrenzt verfügbaren Energie mit dem ursprünglichen Lebensprinzip nicht mehr.

    Der "natürliche" Weg das zu regeln war in der Biologie immer: Der Krebs wächst so lange, bis er den Organismus zerstört hat und dann selbst zugrunde geht. Damit wird er ein Opfer seines eigenen Erfolges. Uns wird es nicht anders gehen.
     
  4. Isachar

    Isachar Guest

    Hallo Saxoryx,
    Ich sehe,daß Du das Beispiel unseres damaligen Nachbarsohnes mit den Autoreifen benutzt hast um Deine Argumentationskette zu erklären.
    Ich muß in diesem Fall aber widersprechen !
    Der Junge war damals 15 Jahre alt. In diesem Alter wurden die Jungs eingezogen und ohne Waffen und Ausbildung über Minenfelder geschickt,damit die richtigen Soldaten wußten, wo sie langlaufen konnten. Es ist wohl logisch,daß viele das nicht überlebt haben !
    Vor diesem Schicksal wurde er bewahrt und bekam für einfache Arbeit auch noch einen großzügigen Lohn !
    Er konnte damit seine Eltern und seine Geschwister ernähren und war der Hauptverdiener seiner Familie !
    Dein Gedanke,daß er klauen mußte, weil er nicht weiß.was er morgen essen soll, stimmt hier also nicht.
    Meine Eltern waren damals im Entwicklungsdienst tätig und erzählten fast täglich,daß Einheimische, die eine Ausbildung und einen Job mit gutem festen Einkommen bekommen hatten, dann klauten und ihren Job wieder verloren.

    Aus europäischer Sichtweise ist solches Verhalten einfach nur dumm. Die sägen den Ast ab, auf dem sie sitzen und beißen die Hand,die ihnen helfen will. Ich weiß nicht, wie man das verstehen soll ! Ich bin nun mal Europäer und habe bestimmt die entsprechenden Ansichten und kulturelle Sichtweise. Vielleicht kannst Du mir ja erklären,wo da mein Denkfehler liegt ?
    Daß Europäer sich gerne elitär fühlen, das stimmt ! Da hast Du Recht ! Aber es ist doch wohl weltweit die gleiche Rechnung, daß wenn ich Autoreifen klaue, ich nicht unbedingt besser dastehe,wenn ich dann meine Arbeit verliere oder ?

    Gruß

    Isachar
     
  5. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem

    Ja, weil wir uns unsere eigene Welt von Logik gebastelt haben. Dabei gehören wir zu den Spitzenreitern unter denen, die leben als gäbe es kein morgen. Wir verbraten Energie, Rohstoffe und Lebensmittel in unvorstellbarem Ausmaß und wissen nicht einmal woher das alles kommt. Nein, wir stehlen nicht. Wir sind subtiler darin uns das zu holen was wir brauchen. Und wenn die große Blase platzt, haben wir nicht mal eine Ziege oder das Wissen um's nächste Wasserloch....
     
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  6. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Die Rechnung stimmt aber nur, wenn ich damit rechne erwischt zu werden. Es ist aber so, dass praktisch jeder vor dem Verüben einer verbotenen Tat erst einmal davon ausgeht NICHT erwischt zu werden. Insofern ist auch die Androhung einer drakonischen Strafe meist keine Motivation etwas nicht zu tun. Da sind die Mitteleuropäer um nichts anders. Es hilft hier auch weder Bildung noch sozialer Status. Unsereins klaut meist keine Autoreifen. Bei der Steuererklärung, bei der Versicherung, beim Abrechnen der Arbeitsstunden, ... nimmt man es dann nicht immer sooo genau. Je nachdem wie hoch man das Risiko einschätzt erwischt zu werden. Ein herrenloser Geldschein auf der Straße? Wer will den rechtmäßig beanspruchen, auch wenn er korrekterweise jemand anderen gehört?

    Der Prozentsatz derer, die auch im sicheren Wissen dass es auf ewig unerkannt bleiben wird wird, eine einfache Gelegenheit ausschlagen, sich einen kleinen Vorteil zu verschaffen – nur aus der Überzeugung heraus dass es "unrecht" ist – ist vermutlich gering. Da schlägt dann wieder die Prägung zu: Hilft es mir oder meiner Sippe?

    Es kommt also wahrscheinlich darauf an, wie oft in der Vergangenheit der Junge die Erfahrung gemacht hat, dass man mit so etwas durchkommt. Entweder weil man erst gar nicht erwischt wird, oder weil die Konsequenzen vertretbar sind.

    Vielleicht ist in der Kultur auch mehr die Vorstellung geprägt, dass man auf Dinge die man behalten möchte auch selbst gut aufpasst. Wenn man nicht aufpasst, ist man im Grunde selbst schuld, wenn sie sich jemand anderes nimmt. Das ist als Lebenskonzept auch nicht schlechter als unseres und würde eher dazu führen, dass jeder etwas und keiner zu viel hat.
     
  7. Isachar

    Isachar Guest

    Hallo Chrisdos

    Damit hast Du allerdings Recht !
    So subtil waren wir Europäer ja garnicht, was das Stehlen betrifft, wenn man in die Kolonialgeschichte sieht.
    Und anders als Bebop es gerade beschrieb,durften wir dabei sogar erwischt werden, weil wir einfach die höhere Waffengewalt und dadurch Recht hatten.(angeblich)

    Hallo Bebop

    Natürlich ist das Rechtsempfinden auch hierzulande nicht gerade koscher! Denke nur an den Fifaskandal !
    Und klar ist auch, daß wenn man denkt , nicht geschnappt zu werden, dann auch gerne mal in die Kasse greift.

    Ich sehe da aber immer noch den Unterschied,daß der gute Nachbarssohn eben durchaus damit rechnen mußte, erwischt zu werden beim Reifenklau. Er war zu dem Zeitpunkt der einzige, der in einem geschloßenen Grundstück war und die Reifen lagen danach offensichtlich auf dem Nachbargrundstück der Famile.
    Ebenso ging es mit Angestellten der Enwicklungshilfefirma. Die wurden mit Lastern voller Getreide losgeschickt und kamen mit leerem Laster an während die Getreidesäcke auf dem Grundstück ihrer Familie gestapelt waren.
    Also kriminalistisch gesehen haben die einfach dumm gehandelt !

    Es scheint ihnen nicht darum zu gehen, nicht erwischt zu werden aber sie denken wohl, daß sowas keine Konsequenzen hat.

    Einem Freund von mir wurde auf offener Straße mal seine Trompete von der Schulter gerissen. Der Täter war bekannt und identifiziert aber es passierte nichts ! Am nächsten Tag begegnete Der Dieb meinem Kollegen und begrüßte ihn freundlich als wäre nichts geschehen.
    Es ist das fehlende Scham und Unrechtsbewußtsein, welches mich hier stört.
    Wenn ich bei meiner Arbeit mal ein paar Meter Kabel mitgehen lasse oder ein paar Beleuchtungslampen, dann fühle ich mich doch zumindest dann unwohl, wenn ich dabei erwischt werde oder ?

    Die Afrikaner schmeißen einem dann aber auch noch Steine in das Fenster, wenn man sie nach einem Diebstahl entlassen hat und nennen einen ungerecht. Die scheinen Klauen als Erbrecht anzusehen !

    Vielleicht tue ich den Afrikanern hier Unrecht. Es gibt bestimmt auch andere ! Aber in Ostafrika ist das Thema Kriminalität schon von Muttermilch an in der Kultur verbrieft.

    Nun ja, es geht hier ja eigentlich um Natur und Einsamkeit.
    Vielleicht sollten wir zu diesem Thema zurückkehren. Das ist nämlich viel positiver !

    Gruß

    Isachar
     
  8. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem

    In der Natur gibt es kein Privateigentum. Warum darf es keine Menschen geben, die Privateigentum nicht akzeptieren? Das ist auch europäisches Denken.

    Ansonsten spüre ich ganz schnell meine Nackenhaare bei "ethnologischen" Betrachtungen. Deshalb begrüße ich Deinen Vorschlag, zum Thema zurückzukehren.
     
  9. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    All die hier angeschnittenen Probleme gäbe es nicht, wenn auf diesem Planeten nur 2 Mrd. Menschen und nicht über 7 Mrd. leben würden....alleine in Indien und China sind es schon über 2 Mrd.!

    M. a. W. die Überbevölkerung und das weitere Bevölkerungswachstum ist die Ursache aller Probleme,...

    Das wird m. E. in der globalen Politik viel zu wenig berücksichtigt...

    Meine Meinung, jeder darf....

    CzG
     
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  10. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem

    Natürlich funktioniert unbegrenztes Wachstum nicht auf begrenztem Lebensraum. Aber die Menschen also solche sind nicht das Hauptproblem, sondern ihr Konsum. DER entscheidet wieviele Menschen die Erde erträgt. Und wenn Du z.B. den ökologischen Fußabdruck vergleichst, dann hätte D 370Mio. Einwohner oder Indien nur 270Mio.

    Solange ich mich erinnern kann, predigen die Führer unserer Welt Wirtschaftswachstum, obwohl ein Minimum an Hirnschmalz ausreicht um zu erkennen, dass das nicht funktionieren kann. Für mich ist der Wachstumsglaube DER globale Menschheitsirrtum...mit fatalen Folgen...schon heute....
     
  11. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Ja, Chris, auf der Metaebene logisch....

    Aber wie sieht es denn in Unternehmen, bei einem selbst aus?

    In meiner Agentur kamen die Mitarbeiter jährlich und wollten mehr Geld, berechtigt, weil sie gut waren...

    Oder der Praktikant, der bei mir Anfing, Assistent, Juniorconsultant, Consultant wurde...immer mit erheblichem Gehaltszuwachs.

    Das konnte ich nur stemmen, in die Agentur auch jährlich gewachsen ist.

    Das geht den Unternehmen mehrheitlich so, also wächst die Branche, wächst die Volkswirtschaft...zwangsläufig.. es sei denn in gleichem Umfang der wachsenden Unternehmen scheiden andere aus dem Markt aus...wer will das wie steuern?

    CzG

    Dreas
     
  12. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Der Mensch tut alles, um die geschätzte Spanne von einer Milliarde Jahren, die unserem Planeten rein spekulativ verbleibt, zumindest für die Gattung Homo Sapiens erheblich zu verkürzen. Leider nimmt er auf dem Weg noch fast alle anderen Arten mit.
    Einsamkeit ist für den Moment der Meditation und der Sammlung mit Sicherheit immer noch eine kostbare Erfahrung, die zu suchen lohnend ist. Gleichwohl ist sie, wenn sie als Regel gesucht wird, Illusion, da wir dem engmaschigen Netz unserer Verflechtung aus Ökologie und Ökonomie nicht entfliehen können, null, nada.
    Schon in der Elisabethanischen Zeit, also der Renaissance, wurde in Shakespeare Dramen, egal ob Komödie oder Tragödie, die Natur als heilender Ort der Zuflucht beschrieben, als Richtschnur für eine Orientierung in einer Welt, die es am Ende des Mittelalters neu zu ordnen galt.
    Was hat es genutzt?
    Beispiel Tourismus Mount Everest. Das ist für mich wortwörtlich der Gipfel des Eskapismus, des Enkommens, der Einsamkeit. Heute wird man dort von Sauerstoff-Flaschen-Romantikern und Möchtegern-Messnern totgetreten, da wird aus dem Retreat eher der Rück-Tritt und schließlich der Rück-Schritt.
    Es nutzt nichts: die Sache Mensch und Welt scheint verloren, auch wenn Obama beim G7-Gipfel so wunderbar "spontan und ungeübt" "Grüß Gott" sagte.
    In Abwandlung eines meiner Lieblingstitel von Bob Dylan ("With God on Our Side") möchte ich sagen:

    Obama now, too, has God on his side.

    Wir lieben den Naturschutz sehr, fast so sehr wie unsere lieben Konsumgewohnheiten, aber eben nur fast so sehr.
    Wer sich ein Bild von unserer Zukunft machen möchte, sollte den Roman "The Road" von Cormac McCarthy lesen. Er schildert die Situation am Ende so ziemlich aller globalen Verteilungskriege. Da herrscht Einsamkeit und Natur (?) pur, aber die Idylle sucht man vergebens.
    Hilft aber nix, da müssen wir spätromantischen Existenzialisten durch...., aber, welch Glück, wir werden es (wohl) nicht mehr erleben, auch wenn Putin mit der Krim schon sein Förmchen im Sandkasten geklaut hat.
    Klingt zynisch? Vielleicht, ist aber eher realistisch.
    Uns bleibt noch immer noch das "Fangen im Roggen", die Kahnfahrt im Schilf und das Schilfrohr auf unserem Lieblingsinstrument.
     
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  13. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Ja, lieber Dreas, das ist der Punkt. Wer nicht wächst, geht in unserem Wirtschaftssystem unter. Also wollen/müssen alle wachsen mit den bekannten Folgen. Das liegt nicht an irgendwelchen bösen oder gierigen Kapitalisten. (Das ist nur die naive Vorstellung linker Märchentanten.)

    Natürlich ist dieses System auch sehr effektiv, wie Du manchmal betont hast. Es agiert aber blind wie der Krebs, der auch sehr effektiv den gesamten Organismus unter seine Kontrolle kriegt und dann mit diesem stirbt.

    Pessimistische Grüße
    Helmut
     
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  14. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Ja, Helmut...und bisher hat mir noch niemand der Wachstumskritiker, mit denen ich diskutieren durfte, einen Lösungsansatz präsentiert, wie man aus dieser "Falle" der mikroökonomischen Dynamik ausbrechen könnte...

    Alle wissen immer, dass ohne Wachstum besser wäre, aber wie ein "Nullwachstum" befriedigend zu bewerkstelligen wäre habe ich bisher noch nicht gehört.

    Leider....

    CzG

    Dreas
     
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  15. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Ich erlaube mir mal, kurz zum Thema zurückzukommen.

    Natur und Einsamkeit finde ich auch sehr attraktiv. Ich kann das auch relativ lang aushalten.

    Ganz pragmatisch und optimistisch: wenn ich mir mal an einem Wochentag Urlaub nehme und hier im Odenwald wandere (ja, das mache ich ab und zu, ist nur eine halbe Stunde Fahrzeit ...), dann sehe ich den ganzen Tag lang keinen Menschen. Und jede Menge Natur. Wenn ich nicht gut plane, kriege ich nichtmal Mittagessen in dem Dorf, das ich dafür ansteuere.

    Samstags mit meiner Frau ist auch nicht viel schlechter, weil da alle anderen beschäftigt sind mit Shoppen und Auto waschen.

    Ist sehr erholsam dafür, dass ich in kein Flugzeug steigen muss ...
     
  16. Isachar

    Isachar Guest

    @Florentin
    Ja das klingt doch gut !
    Ich brauche sowas auch manchmal, denn meine Arbeit (Bühnenbau) kann sehr nervig und auch körperlich belastend sein.
    Da muß man zwischendurch einfach mal abschalten können.
    Letztes Jahr war ich mit der Familie auf Korfu und genoß das Meer und Wanderungen durch das Gelände.
    Was machte aber meine Tochter ? Die saß auf dem Berg und SMSte nach Deutschland und kriegte die Finger nicht von ihrem Handy weg.
    Es ist schade, daß man sogar den eigenen Kindern die Natur nicht mehr schmackhaft machen kann. Wir älteren Menschen haben da vielleicht noch einen Draht zu, wie man so schön sagt. Aber die Folgegenerationen sind wohl eher digital unterwegs.
    Irgendwie traurig !

    Gruß

    Isachar
     
  17. edosaxt

    edosaxt Strebt nach Höherem

    Hmmm...
    ich denke hier werden zwei Sehnsüchte vermischt, der Wunsch nach Alleinsein (Einsamkeit ist für mich doch eher negativ besetzt) und Fernweh (oder die Sehnsucht nach Atlantis, wo alles anders, besser, mir entsprechender ist)

    Alleinsein (in sich ruhen und sich genügen) ist auch in der Kölner Innenstadt möglich, mit entsprechender Übung. Für ein elementares Naturerlebnis reicht ein Löwenzahn, der aus dem Asphalt bricht.

    Fernweh, die Hoffnung irgendwo sei mein Atlantis, zerbricht an der Tatsache, dass die Ferne nur dann fern ist, solange ich nicht da bin.
     
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  18. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Alleinsein = All eins sein. Eine wunderbare Erfahrung, die ich jeden Tag während einer Meditation mache. Das kann ich immer und überall.
    Dein Statement zum Fernweh finde ich Klasse!

    LG Bernd
     
  19. Nordstern

    Nordstern Ist fast schon zuhause hier

    Genau edo, :)
    oder morgens ein bisschen früher aufstehen, nach draußen gehen und den Vögeln zuhören, das feuchte Gras als Erster betreten...den Nebel aufsteigen sehen.
    Da bin ich allein mit der Natur, weil der Rest noch pennt.

    Heut früh gab's z.B. ein Krähenkonzert. :)
     
  20. Isachar

    Isachar Guest

    Hallo Edosaxt

    Ich weiß nicht, bei mir vermischt sich das irgendwie.
    Ich bin gerne mal alleine und hätte dann auch gerne mal ein Atlantis, aber eines, wo keine Menschen sind.
    Auch ich kann mich an einem Löwenzahn oder einem Krähenkonzert erfreuen, sehr sogar ! Aber nicht in der Köllner Innenstadt oder sonstwelchen Orten,wo die Menschen wie Ameisen herumwuseln.
    Ich mag sehr die Weite und Ferne und wenn ich im Auto zwischen Stuttgart und Hamburg unterwegs bin, dann fahre ich oft mal von der Autobahn ab auf die Landstraße um oben im Norden die flache weite Landschaft zu genießen.
    Da sitzen dann oft Bussarde auf den Zaunpfählen und schauen einen neugierig an aber Menschen sieht man kaum.
    Also bei mir vermischt sich alleinsein und das Fernweh der Weite meistens.
    Die Städte suche ich nur auf, weil ich dort arbeite und wohne aber wenn Menschen um mich herum sind, dann sehe ich auch den Löwenzahn nicht. Das einzige,wo ich viele Menschen mag, das ist,wenn sie Publikum vor der Bühne sind.
    Ansonsten bin ich eher Menschenscheu.

    Gruß

    Isachar
     
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