Sprache und Musik

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von Isachar, 10.September.2015.

  1. Isachar

    Isachar Guest

    Hallo zusammen !

    Seit langem geistert eine Theorie durch meinen Bregen, die ich mal erörtern will : Nämlich, daß der Umgang mit Sprache auch indirekt Einfluß hat auf den Umgang mit Musik.

    Dazu will ich an eigenem Beispiel mal etwas ausholen: In meiner Famile hat es sich seit vielen Jahren eingebürgert, nur so zum Spaß eher umständlich zu sprechen.

    Da heißt es dann nicht: Guten Morgen, hast Du gut geschlafen ?
    Sondern: Guten Morgen der Herr, beliebte er eine angenehme Nachtruhe gehabt zu haben oder haben ihn wieder wüste Träume geplagt ?

    Als Antwort gibt es dann auch nicht : Ne, habe schei**e gepennt
    Sondern : Je nun, mich plagten in der Tat wieder sonderliche Träume, dieweil der Vollmond es für richtig hielt, mich zu bescheinen, wessentwegen ich in der Tat sonderliche Träume hatte.

    In solchem umständlichen Geschwätz können sich meine Mutter, mein Bruder und ich uns stundenlang ergötzen. Das geht soweit, daß man manchmal schon arg darauf achten muß, wenn man sich mal kurz und präzise ausdrücken will / muß.
    In der Angewohnheit denken wir wohl eher umständlich und verschachtelt und auch etwas blumig.

    In der Musik geht mir das auch so. Besonders wenn ich mit meiner Melodika improvisiere,fällt es mir schwer, einfache und konkrete Linien zu spielen, ohne diese zumindest etwas zu verschnörkeln und auszubauen.
    Auf dem Saxo ist es ähnlich, vor allem auf dem Sopran. Ob sich das in mein Baritonspiel mit reinzieht, werde ich nocht sehen müßen, da übe ich im Moment eher noch Blastechnik und Klangoptimierung (Ansatz) anstatt mich mit solchen Firlefanzereien zu befassen.

    Das Gegenteil beobachte ich bei unserem Bassmann. Der spricht nur in klaren, einfachen Sätzen, wo noch nichtmal ein Nebensatz drin vorkommt.
    Beispiel: Ich habe Hunger. Ich gehe kurz was essen. Wir proben danach gleich weiter. Bis gleich !
    Genauso spielt der Mann aber auch seinen Bass : Kurz, knackig und konkret auf den Punkt.
    Da kommt aber auch nie eine einzelne Extranote dazu, obwohl er das durchaus könnte.

    Wieder anders ergeht es unserem Guitarristen : Der sabbelt wie ein Wasserfall, wenn man ihn nicht unterbricht, oft unwesentliches Zeug, und genauso spielt er auch. Er spielt nicht schlecht, aber bis da mal eine wiedererkennbare und ernstzunehmende Hookline rauskommt, das kann dauern.

    Die Ausnahme bildet unser Schlagzeuger : Der ist sehr still veranlagt. Den muß man schon mehrfach etwas fragen, um eine Antwort zu bekommen,aber wenn er hinter den Drums sitzt, ist er ein Tier.

    So beobachte ich also hinter den Gewohnheiten des Redens auch gewisse Rückschlüsse in der Musik. Meine Theorie ist halt, daß jemand, der eher in der Sprache verschachtelt und umständlich denkt, dann vielleicht auch so spielt und umgekehrt genauso.

    Ist sowas eher ein Zufall oder könnt Ihr das aus eigener Beobachtung bestätigen ?

    Ich gestatte mir, Interesse an Euren Meinungen dazu zu äußern ! :)

    Gruß

    Isachar
     
  2. EstherGe

    EstherGe Ist fast schon zuhause hier

    finde ich eine sehr interessante Theorie :D
    bei dem Schlagzeuger könnte man hinzufügen - stille Wasser sind tief
    Deine beschriebene "Umständliche" Sprache ist mit verlaub ein superschönes, altes Deutsch, was trauriger weise zum Streben verdammt ist - ich finde das sehr schade.

    Zurück zu deiner Theorie - wenn da was dran sein sollte, weiß ich warum ich auch Schwirigkeiten beim Improvisieren habe - ich bin es auch gewohnt sehr strukturier und kurz zu sprechen.
    Mag an meinem Geschreibsel nicht zu erkenn sein, aber ich würde eher selten so reden.:p
     
  3. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    Also ad 1: Ihr solltet vielleicht ein wenig euren "Game of thrones"-Konsum einschränken :)

    Ad 2
    Ja, ich denke schon, dass es da einen Zusammenhang gibt.
    Das eine ist der Spaß am Experimentieren, die Lust an der kreativen Gestaltung und denn dann manchmal auch die Freude am Nonsense oder auch an Sportwielen.

    Das andere ist der zielgerichtete, strukturierte regelkonforme(?) Umgang mit Ausdrucksmöglichkeiten.

    Ich möchte sogar behaupten, dass sich diese Grundmuster auch in anderen Lebensbereichen wiederfinden lassen: Wohnungsgestaltung, Urlaubsplanung oder so.


    Cheerio
    tmb
     
  4. Isachar

    Isachar Guest

    @EstherGe

    Na ja, dann lebt dieser Umstand zumindest in meinem Clan weiter ! :) Es macht halt einfach Spaß, so daherzuschwätzen aber es kann auch eine doofe Angewohnheit werden ;-)

    @47tmb

    Game of thrones ? Kenne ich nichteinmal !
    Ich benutze den Computer als Kommunikationsmedium, mehr kann und will ich nicht. Aber mein Sohnemann könnte mir da weiterhelfen, der kennt sich mit solchen Spielen aus und schimpft immer über Papas altbackenes Desinteresse.

    Was unseren Bassmann betrifft, hast Du da mit Volltreffer Recht. Auch seine Wohnung ist quadratisch,praktisch, gut und Schnörkelfrei.

    Mein Appartement in HH ist allerdings genauso, während unser Häuschen in Stuttgart voller Gruscht, Schnörkeln und Krimskrams ist.

    Und im Urlaub mag ich überhaupt keine Schnörkel und Umständlichkeiten, da herrscht ganz klar die simple Devise : Ankommen, wohlfühlen, abreisen und das Wohlgefühl solang als möglich erhalten. (Klappt im Idealfall 2 -3 Tage , wenn man zuhause noch ein paar Tage Resturlaub verbringen kann.)

    Aber vielleicht hast Du Recht, einfache und klare Sprachdefinitionen müßen sich nicht nur über die Musik aüssern.(Andersherum genauso )

    Gruß

    Isachar
     
  5. Blofeld

    Blofeld Ist fast schon zuhause hier

    Der melodisch klarste Denker im Jazz war vielleicht Miles Davis. Soweit mir bekannt ist, hatte er auch im echten Leben stets klare Meinungen. Auch Dexter Gordon finde ich sehr klar in seinen Soli. Und was er in Interviews von sich gab, war auch immer klar formuliert (wenn auch nicht klar artikuliert, was aber eher seinem exorbitanten Drogenkonsum zuzuschreiben war). Dann fällt mir noch Freddie Hubbard ein, der bei allem, was er spielte, eine klar erkennbare Melodie zustandebrachte. Leider habe ich nie ein Interview von ihm gesehen. Aber an der Theorie "klar denken = klar sprechen = klar spielen" könnte durchaus was dran sein. Interessanter Gedanke auf jeden Fall!
     
  6. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    Zum Urlaub (einfach um diesen Gedanken einmal fortzuspinnen....)

    Planst Du den? Schaust, was kann oder muss man sehen (---> Basser?) oder fährst Du einfach zu dem geplanten(?) Ziel und lässt auf Dich zukommen, was da so passiert?

    Cheerio
    tmb
     
  7. Isachar

    Isachar Guest

    @Blofeld
    Interessant ! Das würde meine Theorie ja nur supporten !

    @47tmb

    Gute Frage eigentlich !
    Im Urlaub will ich einfach nur meine Ruhe und meinen Spaß, da plane ich wenig außer genau das zu haben, was also zwar eine Planung vorraussetzt ( Nicht nach Malle !!) aber eben auch etliches offenlässt.
    Touche !
    Stimmt also ! Ich spiele ja auch eine feste Melodie aber lasse vieles darin offen bzw lasse dann Improvisationen zu.

    Isachar
     
  8. The Z

    The Z Ist fast schon zuhause hier

    Ich würde es so sehen, dass bei Sprache und Musik, die ja bekanntlich auch eine Sprache ist, die Persönlichkeit durchkommt. Also nicht der Umgang mit der Sprache beeinflußt die Musik, sondern beides wird durch die Persönlichkeit beeinflußt.
     
  9. Isachar

    Isachar Guest

    @The Z

    Bingo !
    Nach kurzem Nachdenken muß ich sagen, das trifft den Kern der Sache vielleicht schon ziemlich gut !

    Gruß

    Isachar
     
  10. ppue

    ppue Mod Experte

    Man muss dazu sagen, dass der Bass eine vollkommen andere Aufgabe hat. Würde der Verschnörkeln oder Labern, dann kann er die Aufgabe gar nicht erfüllen.
    Wenn die Theorien stimmt, müssten Bassisten auch ähnliche Charakterzüge aufweisen. Saxophonisten z.B. haben gewiss welche, da gibt es so gewisse Prototypen. Mathe Leistungskurs und Brille z.B. (-8
     
  11. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    @Isachar

    Zur Sprache: es ist mir gleich aufgefallen, dass Du eine ähnlich gewandte Ausdrucksweise beim Schreiben hast wie Dein Bruder. In nicht unbeabsichtigem Bezug auf einen aktuellen Nachbarthread lasse ich mich zu der Annahme hinreissen, dass es da eine überdurchschnittliche sprachliche Begabung zu geben scheint (da ist es mir wieder rausgerutscht, das böse B-Wort ...). Dazu gehört ein großer Wortschatz, und der kommt von viel Lesen (oder in Eurem Fall scheinbar viel Hören von einer solchen Ausdrucksweise).

    Jetzt sollte ja Sprache als Kommunikationsform kontextadäquat eingesetzt werden. Manche schätzen eine solche Audrucksweise, manche kann man damit beeindrucken, andere finden es vielleicht überheblich oder sogar affig.

    Ich habe eigentlich auch eine Schwäche für schöne Sprache (Hermann Hesse!!). Beruflich muss ich aber kurz, knapp, sachlich schreiben. Da nervt es, wenn jemand sich nicht klar ausdrücken kann. Manche wiederum machen das absichtlich, um sich nicht einzuengen und festlegen zu lassen.

    Alles das kann man wohl auch auf die Musik übertragen. Allerdings bin ich selbst weit davon entfernt, ein Instrument so zu beherrschen, dass ich auf dieser Klaviatur spielen könnte. Auch in der Rezeption kann ich die ganz feinen Nuancen nicht raushören. Manche Musik finde ich extrem nervig, wo es nie zur Sache kommt. Z.B. Debussy, manche der ECM-Musik und sogar einen Keith Jarrett, wenn er beider Solo-Improvisation nicht von der Stelle kommt (Köln Concert). Ganz anders dagegen klare, unprätentiöse, schnörkellose und doch tiefgehende Musik: vieles aus dem Barock, Bach natürlich. Beim Saxophon gern Paul Desmond.
     
  12. last

    last Guest

    Kann sein, kann nicht sein. Da dieses Forum nicht repräsentativ ist, werden wir es wohl niemals erfahren...

    LG
    lastvisitor
     
  13. EstherGe

    EstherGe Ist fast schon zuhause hier

    vielleicht sucht man sich Charakterbedingt schon das Instrument heraus - oder was wird dein Lieblingsinstrument.
    Verschnörkelte spielen vielleicht lieber die 1. Geige, das Sopran oder die Leitstimme mit möglichst vielen Solis.....
    ich brumme da lieber vor mich hin und stehe nur am Rande im Rampenlicht :D
     
  14. Saxophonia

    Saxophonia Ist fast schon zuhause hier

    Davon leben ja auch sämtliche Musikerwitze...:)
     
    last gefällt das.
  15. bluemike

    bluemike Ist fast schon zuhause hier

    Hi,

    Ja, diese Gedanken bewegen mich auch immer wieder einmal, wobei ich versuche, Parallelen zwischen dem KLANG der Sprechstimme und dem des Instrumentes zu erkennen. Klar sprechen = klar spielen muss nicht immer funktionieren. Coltrane war als Saxophonist von hoher Komplexität, in seinen sprachlichen Äußerungen aber deutlich einfacher.
     
  16. last

    last Guest



    Lachen geht jedenfalls ganz gut...

    ;) lastvisitor
     
  17. dabo

    dabo Strebt nach Höherem

    Mal überlegen.

    Vieleicht ist es wirklich so, dass Menschen die sich gut ausdrücken können bzw. einen breiten Wortschatz haben und anwenden sich auch musikalisch so ausdrücken.
    Soviel zum Wortschatz und der verschnörkelten, sich nicht kurzfassenden Art zu improvisieren.
    Beim Ausdruck könnte man jedoch die gleiche These anwenden! Der schüchterne spielt eher ruhig und präzise sich nicht in den Vordergrund drängend und die sogenannte Rampensau wird wohl eher nicht mit eingezogenem Kopf schüchtern durchs Leben laufen.

    Die Persönlichkeit eines Künstlers wird sich immer auch in seinen Werken wiederspiegeln. Egal ob Musiker, Maler, Dichter.....
    Deswegen sind die Werke ja so einzigartig und wie ich finde so interessant für andere. Man bekommt einen sehr persönlichen Einblick in das Innerste eines Menschen.

    Meine Hochachtung an diejenigen die dies jeden Tag nach außen tragen können. Mich kostet es eine enorme Überwindung mich seelisch so auszuziehen ;-)

    LG
    Dabo
     
    EstherGe und Isachar gefällt das.
  18. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Hm, da fällt mir spontan ein zu diesem Thema:

    - Joe Henderson erzählte mal, dass er Leute als Schüler ablehnt, die nicht klar, mit punkt und Komma sprechen können. Leider finde ich die Quelle dazu nicht.
    - Das zweite ist, das mir aufgefallen ist, dass die Franzosen bei Orgeln viel mehr auf nasal klingende Zungenpfeifen bei Orgelregistern wert legen als die Deutschen. Und Französisch klingt auch nasaler als Deutsch. Ob da ein Zusammenhang besteht?


    Naja, ich persönlich bin ja eine richtige Plaudertasche und Quasselstrippe, kann aber auch strukturierte Soli spielen. Und spiele auch gerne mal im Hintergrund oder Bass. (Letztens sogar bei einem kleinen Auftritt Percussion.) Ich mag halt die vielen verschiedenen Rollen, die man inne haben kann, wenn man Musik macht.


    Und ich denke, es gibt genug Leute, die Probleme mit Sprechen haben im Sinne von 'sozialer Interaktion', aber toll Musik machen können, weil man sich da auf einer anderen Kommunikationsschiene bewegt.


    Grüße
    Roland
     
    EstherGe und deraltemann gefällt das.
  19. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    Ui, jetzt kommen wir auf den Punkt, wo man fragen könnte, wieviel "Seelenschau" ist echt und was ist kalkulierte show, oder (um von der Bühne weg zu kommen) auch bei Büchern und Gemälden, Skulpturen kalkuliertes Bedienen des verkaufbaren Geschmackes?

    Oder: wie weit taut ein eher ruhiger Typ auf der Bühne auf, wenn er "seine" Musik macht und einfach Spaß hat, gut drauf ist?
    Oder andersherum: Wie ruhig und konzentriert wird ein Extrovertierter, wenn er verantwortlich sein Publikum bedienen will?

    Cheerio
    tmb
     
  20. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    [QUOTE="Roland, post: 334819, member: 200
    ..........
    , weil man sich da auf einer anderen Kommunikationsschiene bewegt.


    Grüße
    Roland[/QUOTE]

    Jau!
     
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