Auftrittsangst und Lampenfieber

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von tunundlassen, 23.September.2015.

  1. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Ängste spielen sich auf der emotionalen Ebene ab.
    Ängste kann ich nur in sehr begrenztem Maße - wenn überhaupt - über die mentale Ebene abbauen. Es nützt nichts, einem Kind zu sagen: "Du brauchst keine Angst haben, der Hund bellt nur, der tut nichts".

    Genau so wenig nützt es, wenn ich mir 1000 Mal einzureden versuche: "ich habe keine Angst, ich habe keine Angst, ich habe keine Angst....."

    Ängste entstehen nicht aus dem Nichts, sondern sind das Ergebnis einer Bewertung einer Situation.

    In meiner Bewertung bin ich frei, wenn ich bewusst agiere. (Wertfreie Wahrnehmung. Eine ständige, lebenslange Trainingsaufgabe :) )

    Meine Bewertung kann ich durch Mentaltraining verändern. Mit entsprechenden positiven bzw. lösungs- und zielorientierten Affirmationen während meiner Meditationen kann ich diese "Sabotageprogramme" umprogrammieren.

    LG Bernd
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 23.September.2015
  2. DiMaDo

    DiMaDo Ist fast schon zuhause hier

    Die Bands mit denen ich am meisten auf Bühnen herumgeturnt bin waren eine Thin-Lizzy-Cover-Band und eine Gothic-Band.
    In beiden war ich Keyboarder und 2. Gitarrist. Und für die Technik verantwortlich. Da war vor Gigs so viel zu tun dass ich
    für Lampenfieber überhaupt keine Zeit hatte. Meist war ich 10 Minuten vor dem Gig mit dem ganzen Krempel fertig und zufrieden,
    dann noch ein Bierchen zum abkühlen, und los. Das ist auch meines Erachtens eine gute Methode damit umzugehen - einfach
    vor dem Gig rödeln wie'n Doof, dann hast Du gar keine Zeit mehr nervös zu werden.
    Ich kann mir gut vorstellen dass man wenn man genug Wartezeit hat auch hinreichend Zeit und Muße hat sich selbst verrückt zu machen.

    Just my 2 ct.
     
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  3. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Oh, das ist für mich schon Plan A bei schwierigen Stücken. :(

    LG Helmut
     
  4. Saxophonia

    Saxophonia Ist fast schon zuhause hier

    Sehr guter Artikel, vielen Dank fürs Teilen!

    Ans Auftreten denke ich jetzt noch überhaupt nicht, bin ja noch ganz am Anfang und denke nicht, dass ich die Menschheit jetzt schon mit meiner Musik beglücken muss :)

    Aber das hier:
    beschreibt sehr treffend meinen Zustand, als ich die erste Stunde bei meinem neuen Saxlehrer (der auch noch ein herausragender Saxophonist ist) hatte. Inzwischen hatte ich die dritte Stunde, und es ist besser geworden. Aber noch immer bin ich eher angespannt und intoniere effektiv einen Halbton höher als zuhause, weil sich mein Kiefer wie ein Schraubstock ums Mundstück legt.
    Aber sowie ich während der Stunde länger spielen kann, vor allem beim Improvisieren, kann ich mich ganz auf die Musik konzentrieren - dann legt sich das unangenehme Gefühl und es wird mir plötzlich sch..egal, dass da jemand zuhört.:D
    Es ist wie ein "sich fallen lassen".

    Einen schönen Satz zum Thema Auftrittsangst habe ich noch (hat ein bekannter Clown gesagt, weiss nicht mehr, wie er heisst): "Nicht interessant sein wollen - selbst interessiert sein". Das ist wohl das ganze Geheimnis. Wenn man nicht mehr um sich selbst und um die eigene Wirkung kreist (finden mich alle toll, haben mich alle noch lieb usw.), sondern es einem nur noch um die Beschäftigung mit der Sache selbst, mit der Musik, geht - dann fallen die Blockaden.
     
    Jazzica, Juju und Rick gefällt das.
  5. Rick

    Rick Experte

    Habe ich schon mal im Forum erzählt, ist aber ein paar Jährchen her:

    Hatte den berühmten Sax-Part in Bizets "Arlesienne Suite" zu spielen, es war meine erste Zusammenarbeit mit einem klassischen Orchester seit meinem "Concert pour saxophone et orchestre" (und da hatte ich ja immerhin eine eigene Komposition mit improvisierten Kadenzen vorgetragen, war also ziemlich sicher gewesen).
    Egal, ich sitze da also auf meinem Stuhl hinter den Streichern und merke, dass ich mich nicht wohl fühle. Irgendwie ist mir heiß geworden, ich bemerke leichte Gliederschmerzen, Herzklopfen, Händezittern - habe ich mir eine Grippe eingefangen?
    Plötzlich wird es mir klar: das ist LAMPENFIEBER - lang war es her, dass ich das zuletzt erlebt hatte!
    Verursacht durch die ungewohnte Situation mit dem Orchester, den Stress, den richtigen Einsatz zu erwischen, gekoppelt mit dem Bewusstsein, dass einige im Publikum genau auf mich achten würden, weil ich damals recht bekannt war, man hatte sogar damit geworben, mich als Jazzmusiker für den Part gewonnen zu haben...

    Hinterher wurde kritisiert, ich hätte zu leise gespielt, und einige Orchestermitspieler hatten sich wohl mehr Expressivität von einem Jazzer erwartet, während ich umgekehrt darum bemüht war, möglichst "klassisch" und gerade nicht "hot" zu spielen - es wurde also kein Triumph, das hätte aber sowieso die letztlich kleine und kurze Solo-Passage nicht hergegeben, doch blamiert hatte ich mich auch nicht.

    Und überhaupt sage ich mir und meinen Schülern vor jedem heiklen Auftritt: Was soll denn groß passieren? Verspielt hat sich auch jeder Große schon mal, rausfliegen oder den Einsatz verpassen kann sowieso jeder, und in der Regel merkt das Publikum von allem sowieso nichts.

    Den wichtigsten Aspekt hat jedoch Juju schon genannt, nämlich den Ruf in der Szene unter den Kollegen, weil man ja als Mitspieler meistens von diesen engagiert wird. Wenn man sich zu viele Fehler erlaubt, wird man irgendwann einfach nicht mehr angerufen... :roll:

    Das Schöne ist allerdings: Auch die Kollegen kochen nur mit Wasser und haben ebenfalls hier und da ihre Schwächen. Also muntert man sich während des Jobs gegenseitig auf und lacht hinterher, dass man es einigermaßen über die Bühne gebracht hat.
    Wenn da jemand Stress macht, von sich und den anderen absolute Perfektion verlangt, wird DER garantiert nicht mehr so schnell angerufen, denn so einen kann keiner brauchen! :-D

    He he, das erinnert mich an das Quartett "Four 4 Jazz", mit dem ich vor allem in den 1990ern unterwegs war. Wir haben teilweise raffinierte Arrangements in unseren Proben ausgeklügelt, hätten die wahrscheinlich auch prima spielen können, doch unser Schlagzeuger hat dann beim Gig immer Muffensausen bekommen und gemeint, die geprobten Stücke hätten ihn nicht überzeugt, wir sollten lieber einfachere Nummern jammen.
    Was dazu führte, dass wir tatsächlich NIE die geprobten Titel aufgeführt haben, weshalb wir uns schließlich auch nicht mehr zu Proben trafen. Alle unsere Arrangements entstanden entsprechend spontan auf der Bühne und wurden noch lange beibehalten.
    Proben lohnt sich einfach nicht! :lol:


    Gut Sax,
    Rick
     
    Zuletzt bearbeitet: 23.September.2015
  6. tunundlassen

    tunundlassen Ist fast schon zuhause hier

    Eine Anekdote aus diesem Sommer. Ich war mit einem symphonischen Blasorchester in Spanien an einem grossen Wettbewerb... Am Tag des Wettbewerbs hatten wir am Morgen noch eine kurze Probe, da ging es aber mehr darum, das Orchester nochmals klingen zu lassen, sodass alle diesen Klang im Ohr haben für diesen Tag.
    Im Einspielsaal liess uns der Dirigent die Instrumente beiseite legen, die Augen schliessen, beide Füsse fest auf den Boden stellen, ruhig atmen und sprach dann zu uns. In seiner Ansprache ging es darum, "Selbstvertrauen" zu haben. Aber nicht "Selbstvertrauen" wie es oft gebraucht wird, im Sinne von "ICH kann das, ICH pack das!", sondern er sagte, wir sollen Vertrauen "in uns selbst" haben, das Vertrauen an sich. Wir haben diese Stücke jetzt 100te Male gespielt, alle schnellen und schwierigen Läufe xtausend Mal geübt, und viel Zeit investiert. Jetzt können wir auf die Bühne gehen und "es geschehen lassen". Die Musik wird entstehen und wir können ganz gelöst zuhören, was passiert. Wenn man in der "ICH KANN DAS"-Mentalität feststeckt, ist dieser Krampf da, dass man es "jetzt bringen muss".

    Mit dieser Ansprache hat er das Orchester (immerhin 72 Musiker) total beruhigt, alle Hektik der Anreise und Vorbereitung ausgeschaltet und uns "in den Moment" geholt. Wir gingen total ruhig auf die riesen Bühne und was dann geschah, kann nicht in Worte gefasst werden.
    Wer will, kann sich das Video anschauen:

    Vielleicht bekommt ja der eine oder andere von Euch von dieser Musik auch Hühnerhaut... 20 Minuten zum zurücklehnen und geniessen, wer diese Art von Musik mag.
     
  7. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    :troll::devilish::laugh::cry:
     
  8. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    +1
     
  9. Rick

    Rick Experte

    Hallo @bluefrog,

    Proben lohnt sich einfach nicht...

    ... Für Mainstream-Jazz-Combos mit Schlagzeugern, die keinen Sinn in vertrackten Arrangements sehen. ;)

    Mit anderen Ensembles habe ich mir schon die Finger wundgeprobt, gerade im Modern-Jazz-Bereich, mit ungeraden Taktarten und unglaublich "verkopften" Kompositionen. Allerdings stellt man sich dann bei den drei Zuhörern im Jazzclub schon mal die Sinnfrage - mit "Four 4 Jazz" hatte ich im Vergleich wesentlich mehr und deutlich besser bezahlte Auftritte... :roll:

    Bei Besetzungen mit mehreren Bläsern, etwa einer Big-Band, ist das dann allerdings eine ganz andere Geschichte. Wenn man DA nicht genug geprobt hat, sollte man sich lieber nicht auf die Bühne trauen, weil es sonst nur nach "Kraut und Rüben" klingen könnte.


    Schönen Gruß,
    Rick
     
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  10. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @bluefrog

    Hihi Helmut, kannst ja beim nächsten Proben Deinem Bandleader R. sagen, Du würdest nicht mehr mitmachen, da ein gewisser Rick von Bracken das im "Saxophonforum" für überflüssig erklärt habe....:lol:

    CzG

    Dreas
     
  11. DiMaDo

    DiMaDo Ist fast schon zuhause hier

    Wer probt fällt nur seinen Kollegen in den Rücken!
     
  12. Rick

    Rick Experte

    Nee, wer ÜBT, fällt seinen Kollegen in den Rücken - weil die nämlich keine Ausrede mehr haben, wenn einer die "unspielbare Stelle" plötzlich kann...
    Wer PROBT, ist nur zu faul zum Blattspiel! :-D

    Es gibt aber auch den "schönen" Spruch eines Bandleaders, sinngemäß:
    "Magst du eigentlich gerne Saxofon spielen?" - "Ja klar, wieso?" - "Warum lernst du es dann nicht?" :duck:
     
  13. GelöschtesMitglied4288

    GelöschtesMitglied4288 Guest

    Dann oute ich mich mal: ich stehe als Saxophonistin total gerne im Trio oder Quartett auf der Bühne und soliere und spiele und unterhalte das Publikum. Mir bringt das Spaß. Auch wenn es komisch klingt, aber ich mag das Gefühl, dass mich alle angucken. Besonders die Frauen grinsen und zwinkern mir zu, wenn ich da mit dem Tenor stehe. Ich könnte da regelrecht abheben. Aber ich konnte mich bislang auch voll auf meine Mitmusiker verlassen, die alle viel längere Bühnenerfahrung haben als ich. Das ist absolut wichtig. Man braucht eine solide Rhythmusgruppe und einen starken Cranberry Wodka vorweg:cool:
    Und dann einfach nur genießen und fliessen lassen.
    Es kommt aber auch immer darauf an. Hätte ich solche Geschichten, wie Juju laufen, wäre ich wohl auch gestorben vor Aufregung.
     
  14. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @jazzwoman

    Ich mag es und habe es auch immer gemocht auf der Bühne zu stehen....ob jetzt mit Musik oder früher bei Vorträgen z. B. in englisch vor 600 Zuhörern.....

    Es ist ein besonderer Kick...

    CzG

    Dreas
     
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  15. GelöschtesMitglied4288

    GelöschtesMitglied4288 Guest

    Genau... Aber wehe die Familie sitzt im Publikum. Dann geht bei mir auch ganz schön die Pumpe:D
     
  16. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Meine Frau hätte es gerne gesehen, wenn ich zur Hochzeit unserer Schwiegertochter in der Kirche etwas auf dem Saxophon gespielt hätte.
    Mir war daran gelegen, dass es ein rundum gelungenes Fest wird. Deshalb habe ich lieber einen Profi engagiert :)

    LG Bernd
     
  17. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Och mensch @Bernd......das hättest Du doch super hinbekommen...bei allem was ich so von Dir gehört habe...;)

    Das war wohl eher die Angst, dass die "Stimme" versagt....:D

    CzG

    Dreas
     
  18. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Ja, ich hätte es hinbekommen, ein paar Liedchen zu spielen. Aber 2 Gründe sprachen dagegen.
    (Es gibt immer eine Wahrheit hinter der Wahrheit :) )

    1. Als ich 2006 mit meiner Band meinen letzten Gig spielte (Abi-Ball meines Sohnes) hatte ich mir fest vorgenommen, nicht mehr öffentlich zu spielen.
    40 Jahre Bühne sind genug. Nur noch für mich im stillen Kämmerlein.

    2. Es war SEINE Hochzeit. Ich wäre mir als Vater wirklich blöd vorgekommen, wenn ich da etwas vorgetragen hätte. Ich wollte mich auf keinen Fall in irgend einer Weise in den Vordergrund spielen. (In dem Zusammenhang gewinnt das Wort "spielen" eine doppelte Bedeutung)

    LG Bernd
     
  19. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Im Ernst?

    LG Helmut
     
  20. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Ja klar. Schließlich hat sie ihn geheiratet. Mein Sohn wurde geheiratet. Ist fast immer so, dass die Frau den Mann wählt. Fast nie anders herum. Auch wenn sich das mancher Mann so einbildet :)

    Und jetzt haben wir eine wunderbare, absolut liebenswerte, zauberhafte Schwiegertochter.

    LG Bernd
     
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