De gustibus non est disputandum...

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von Claus, 26.Dezember.2015.

  1. visir

    visir Gehört zum Inventar

    Auf der anderen Seite seh ich auch eine Tendenz zur "individuellen Wahrheit", wo dann alles gut und richtig ist, und wenn man das nicht auch gut findet, dann "muss" man halt anders hinschauen etc. - ist auf der anderen Seite vom Pferd gefallen.
    Meine ich auch in keiner Weise Dich - auch nur eine allgemeine Beobachtung.

    Klar, das ist Teil dieser Tendenz, alles gleichgültig zu machen...

    Und ich wehre mich gegen den Zusatz "aber ich kenn mich da nicht aus". Dieses "aber" ist nicht nötig. Wenn mir eine Richtung an sich nicht gefällt, gefällt sie mir mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch nicht, wenn ich mich darin auskenne - siehe "Beuys". Und man kann das noch steigern...

    Das setzt aber voraus, dass ich zuerst einmal überhaupt was mit der Richtung anfangen kann. Dann kann ich Details erforschen und mich daran erfreuen.

    Halte ich für elitäres Gehabe. Ja, es gibt auch Hits, die rein aus dem Baukasten für Hits kommt, und wo weiter nichts dahinter ist - das gibts aber auch bei klassischen Liedern. Aaaber:
    - wo genau willst Du denn die Substanz verortet wissen? Wieviel "Substanz" welcher Art muss denn ein Lied haben?
    - vielleicht liegt die Substanz woanders? Z.B. im Text, in seiner Pointiertheit, in seiner Poesie, ...?

    Wohlgemerkt, wir reden an dieser Stelle über die Kategorie "Lied". Nicht Rhapsodie, Sinfonie, ...

    Und dann kann man noch fragen, nicht nur wie, sondern was man überhaupt als Qualität betrachtet. Wie schon angerissen wurde, dass Demonstration technischer Fertigkeit in der konkreten Situation keine Qualität sein muss. Ebenso kann man persönlich in einem ganzem Musikstil keine Qualität sehen - gemessen daran, was man als Qualität betrachtet. Und solange das als subjektive Einschätzung vorgebracht wird, halte ich dann auch ein "Qualitätsurteil" für legitim. Erklären sollte man das schon können, aber ohne Notwendigkeit, das Zeug studiert zu haben - weil die Qualitäts-Entscheidung auf einer anderen Ebene passiert.

    Ich war neulich in einer Aufführung eines "modernen Balletts". Die halbe Zeit sind sie "tänzerisch" hin und hergelaufen, mal einen Hüpfer da und einen Hüpfer dort. Tanz ist für mich was anderes. Da kann mir die Choreografin dann erklären, soviel sie will, da fehlt mir in der Darbietung grundlegend was.
    Es gab dann auch durchaus schöne Tanzszenen drin, und man sah auch jederzeit, dass die Tänzer natürlich was können...

    Oder auch angesichts mancher Werke der bildenden Kunst fällt mir der Spruch ein, den ich mal wo gelesen habe: "Ist das Kunst, oder kann das weg?"

    Das geht auch auf höherem Niveau: Gershwin hat bei Mahler Unterricht genommen, und letzterer soll zu ersterem gesagt haben, angesichts des kommerziellen Erfolges sollte vielleicht er, Mahler, bei Gershwin Unterricht nehmen...
     
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  2. last

    last Guest

    Ist "Currywurst, Pommes, Mayo" eigentlich schlecht und daher massentauglich, oder ist "Currywurst, Pommes, Mayo" in aller Munde, weil es spitze, geradezu genial ist? :) ..oder Pizza, ...oder Spaghetti Bolognese?
    Darf der Currywurst-Esser eigentlich Rehrücken sch...:eek: finden? Darf der das? :mad:

    ...in diesem Sinne - guten Rutsch Euch allen!

    ;) last
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 27.Dezember.2015
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  3. gefiko

    gefiko Strebt nach Höherem

    Ravel....... :duck:
     
  4. visir

    visir Gehört zum Inventar

    mag auch sein... ich habs so gehört...
     
  5. edosaxt

    edosaxt Strebt nach Höherem

    Hmmmmmmmm......ich darf toll finden, was ich toll finde. Currywurst und Rehrücken, Matt Ruff und Novalis, John Cale und Texas lightning, Beuys und Ruthe, Wenders und Petersen, single malt und Dosenbier...ob ich das aus tiefer Erkenntnis toll finde, oder dem Mainstream fröhne, ist doch wumpe.
     
  6. last

    last Guest

    ...das wollte ich sagen...und ich möchte mir nicht sagen lassen, dass wenn ich doch nur mehr Kochbücher gelesen hätte, ich auch Rehrücken lecker finden würde. (Was ich nebenbei bemerke, tue.;))

    LG
    last
     
  7. saxhornet

    saxhornet Experte

    Das ist wieder einer dieser Threads, die für mich das Forum weit von mir entfernen.
    Es gibt so viele Abstufungen bei Menschen was und wie stark ihnen etwas gefällt und warum, muss man das erörtern?

    Geschmack ist auch kein unveränderliches Gut.

    Ich bin bei BeBop99, daß ich es extrem fragwürdig finde, wenn Jemand sagt etwas ist Mist anstatt zu sagen, es gefällt einem nicht. Mist impliziert daß es schlecht ist und das unabhängig vom Geschmack wäre. Geschmäcker sind unterschiedlich, der eine mag Bob Dylan, der andere nicht. Beides Ok.
    Nur wenn einem etwas nicht gefällt reicht es halt auch zu sagen, das gefällt einem nicht. Etwas abzuwerten, gerade wenn man nicht über den Sachverstand verfügt es auch beurteilen zu können ist in meinen Augen fragwürdig.
    Schon ein paar mal habe ich hier im Forum schon Diskussionen erlebt wo behauptet wurde, Charlie Parker würde sinnlos und unzusammenhängend irgendwelche Tonreihen spielen. Jeder der sich mit Parker auseinandergesetzt hat, weiss dass so eine Aussage kompletter Unsinn ist. Trotzdem wird sowas behauptet wie seine Musik wäre ohne Emotion und Inhalt. Anstatt einfach bei dem Fakt zu bleiben, daß einem die Musik von Jemand wie Parker oder Potter nicht gefällt wird irgendetwas unterstellt, damit die Meinung legitimiert wird, zur Not wird auch noch behauptet man würde das schon vom Ohr nachvollziehen können (was einfach Unsinn ist, denn das ist sauschwer, verlangt viel Übung und gelingt selbst Profis und Studierten nur eingeschränkt). Was einem Künstler alles so unterstellt wird oder den Leuten, die sowas mögen, ist schon hart und nervt genauso wie Sprüche wie: sowas ist nur Musik für Musiker oder: so spielt man oder sowas findet man toll, wenn man in der Phase ist wo man sich und anderen noch was beweisen will und die Mehrheit will sowas eh nicht hören.
    Christ Potters Konzerte sind aber gut besucht und das sind dann alles nur Spezialisten? Wohl nicht. Die Leute mögen es einfach. Unterschiedliche Menschen mögen unterschiedliche Musik, glücklicherweise, sonst würde nur noch das Musikantenstadl und Helene Fischer in Deutschland laufen, wenn es nur darum geht was die Mehrheit will, oder Modern Talking, von denen ja keiner angeblich eine Platte hat.

    Nicht jede Musik spricht jeden Mensch gleich an, weder emotional noch vom Geschmack allgemein. Da spielen so viele Faktoren eine Rolle. Man kann auch etwas toll finden und mögen ohne emotional berührt zu werden und auch handwerklich suboptimale Musik kann einen berühren und einem gefallen, genauso wie handwerklich und künstlerisch hoch komplexe und anspruchsvolle Musik den einen stark und den anderen gar nicht anspricht.

    Der eigene Geschmack ändert sich fast immer mit der Zeit, mal stärker, mal weniger stark, manchmal wird man bonnierter und manchmal aufgeschlossener vielen Dingen gegenüber.
    Manchmal, ist es halt so, wenn man sich intensiver mit etwas beschäftigt, daß man neue Einblicke bekommt und Dinge anfängt zu verstehen, die man vorher nicht verstanden oder gehört hat. Das war schon immer so in der Musikgeschichte, der Tritonus galt früher als Teufelsintervall und war in der Musik, speziell in der Kirchenmusik eher zu meiden, heute ist die #11 aus der Musik gar nicht mehr wegzudenken. Was früher als dissonant galt, wirkt auf uns heute viel konsonanter. Das ist auch bei Spielern so, erste Erfahrungen bei Skalen wie z.B. Alteriert nehmen Schüler als schräg war und es fällt ihnen schwer damit Melodien zu bilden, mit der Zeit hört man den Sound, die Wahrnehmung verändert sich und es klingt weniger schräg. Manche Klänge, Sounds etc. muss man sich erst erarbeiten.
    Auch wenn man genug Lester Young, Coleman Hawkins und Coltrane gespielt und gehört hat, ist man froh wenn man andere neue Sounds und Spielarten mal hört und andere Wege entdeckt, die auch spannend sein können und es geht ja nie um entweder oder, sonder sowohl als auch.

    Auf manche Musik muss man sich einlassen können und das muss man wollen,können und sich die Zeit für nehmen, sonst funktioniert das nicht, denn sie entspricht dann oft nicht den Hörgewohnheiten, das ist wie mit sehr unbekannten Geschmacksrichtungen beim Essen manchmal.

    Ich versuche generell keine Musik abzulehnen sondern immer zu schauen was ich woraus lernen kann und bin immer wieder froh neues zu entdecken. Manches gefällt mir dabei gut, manches mehr oder weniger, manches auch gar nicht aber nie würde ich mich hinstellen und etwas handwerklich oder musikalisch als Mist bezeichnen, wenn ich nicht die Fähigkeit habe auch zu hören ob es handwerklich Mist ist, es eigentlich nur eine Geschmacksfrage ist oder ich mit dem gehörten künsterlisch nichts anfangen kann. Ornette Coleman und Eric Dolphy war zu meiner Studienzeit bei Kommilitonen sehr beliebt. Das hat mich damals nicht berührt und nicht so gefallen und tut es heute noch nicht, trotzdem habe ich aus rausgehörten Soli von den beiden was gelernt und würde nie auf die Idee kommen es als Mist zu bezeichnen, nur weil es meinem Musikgeschmack nicht entspricht.

    LG Saxhornet
     
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  8. DiMaDo

    DiMaDo Ist fast schon zuhause hier

    Hey, endlich jemand der auch auf Matt Ruff steht!
     
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  9. last

    last Guest

    Ich sag mal so... Nicht jeder, der sagt "das gefällt mir nicht", meint damit "das ist schlecht".
    Und nicht jeder, der Fachmann ist, spricht anderen ihren Geschmack ab, wenn er meint, dass etwas Beschäftigung mit der Materie zu verstehen hilft.
    Jedenfalls sollte es so sein... leider gibt´s für beides auch Gegenbeispiele...
    Andererseits ist jemand, dem etwas nicht gefällt, eben nicht nur zu "ungebildet", um einen "guten Geschmack" zu haben. Auch als Nicht-Experte darf jeder seinen Geschmack haben.. non est disputandum...!
    Und einer, der Experte ist, kann deswegen nicht über den Geschmack eines Nicht-Experten ein Urteil fällen und ihn gegebenenfalls missbilligen.
    Man muss m. E. unterscheiden zwischen "Geschmack" und "der fachlichen Fähigkeit Beurteilung von Qualität" - wobei man hier jetzt wieder ein Riesenfass aufmachen könnte bei der Frage, wie man denn Qualität eigentlich definiert... siehe Beuys... siehe Hurz... Dabei geraten dann sogar wiederum auch die Experten aneinander.
    Also bleiben wir doch lieber beim Geschmack.
    Und den kann jeder haben wie er will - Experte oder nicht.

    :) last
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 27.Dezember.2015
  10. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Hallo Florian,

    Ich hatte schon den Eindruck, dass sowohl in diesem thread als auch im Unterlippen-thread sehr wohl in Deinem Sinne differenziert wurde und keine pauschalen Werturteile abgegeben wurden.

    Hier ging es um etwas Anderes, nämlich um die Wahrnehmung, dass die eine oder andere Seite sich gedrängt fühlt, ihre persönlichen Vorlieben rechtfertigen zu müssen. Den Eindruck hatten offensichtlich einige, die bekannt haben, mit Potter wenig anfangen zu können und Deinem (und bebobs) statement entnehme ich jetzt, dass umgekehrt wohl ein ähnliches Gefühl besteht:

    Also insofern ist es doch gut, wenn wir darüber einmal offen diskutieren, und deshalb kann ich Deinen Eingangssatz
    nicht so ganz nachvollziehen.

    +1 sehe ich ganz genau so.

    Auch das kann ich unterschreiben.

    Dieser Vorschlag von Bebob wiederum geht mir schon zu weit. Es reicht völlig aus zu sagen: "MIR gefällt es nicht". Der Zusatz "aber ich kenne mich da nicht aus" hat schon wieder etwas Entschuldigendes oder verleitet zu dem unzutreffenden Schluss "Wenn er sich besser auskennen würde, würde ihm das auch gefallen".
    Ich sage ja auch nicht "Mir GEFÄLLT es, aber ich kenne mich da nicht aus". Schließlich könnte es ja theoretisch auch sein, dass es mir nicht mehr gefällt, wenn ich mich tiefer mit damit befasse....

    Das mit dem "Auskennen" ist nach meinem Empfinden übrigens auch eine relative Sache: Da gibt es den totalen Laien, den Menschen mit einer Grundbildung auf einem Gebiet, den Profi und die absolute Koryphäe (und noch zahllose Abstufungen dazwischen). Welches Level der Erkenntnis berechtigt denn am Ende wozu?
     
    Zuletzt bearbeitet: 27.Dezember.2015
  11. Gast_13

    Gast_13 Guest

    Ein interessantes Buch zum Thema - "Die feinen Unterschiede" von Pierre Bourdieu:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Die_feinen_Unterschiede

    Sollte es mir gelingen, das Werk komplett zu lesen und auch einigermassen zu verstehen, dann werde ich mir hinsichtlich"De gustibus non est disputandum"
    ein abschliessendes Urteil erlauben.

    Bis dahin akzeptiere ist, dass sowohl die Geschmäcker verschieden sind, als auch die Motivation, etwas anzuhören und für gut zu befinden, sehr unterschiedlich sein kann!
     
  12. saxhornet

    saxhornet Experte

    Es entspricht so einem bestimmten Trend im Forum und das bei vielen Themen. Es reicht nicht zu sagen: gefällt mir nicht oder mir fällt das schwer oder ähnliches, sondern es kommt immer gleich: geht mir am A... vorbei, ist nicht notwendig, so kann man keine Musik mit Seele machen .oder das ist Musik ohne Seele............
    Mir fehlt manchmal die differenzierte Betrachtungsweise und Offenheit Dingen gegenüber wo einem vielleicht einfach noch die Erfahrung fehlt (siehe was ich zu Parker sagte oder nehmen wir das Thema Theorie oder ähnliches) oder wo es um eine simple Geschmacksfrage geht. Wenn dann auch noch impliziert wird in Posts, daß das Musik nur für Musiker wäre oder alles nur verkopft wäre, keine Musik vom Herzen sei, oder nur Musik um sich und anderen Musikern was zu beweisen oder für junge Heisssporne etc. etc. dann bin ich bedient und verliere die Lust. Das bekommt dann schnell so was fundamentalistisches und macht Diskussionen überflüssig. Geschmack ist Geschmack, den muss man nicht rechtfertigen, man kann trotzdem Respekt vor künstlerischen Leistungen haben ohne daß es einem gefällt und manchmal kann man auch versuchen offen zu sein für andere neue Dinge, daraus habe ich für mich extrem viel gelernt, auch wenn nicht alles mir da gefallen hat. Und wenn man das nicht will ist das ok, wie man das aber äussert, da kann man schon drauf achten.

    LG Saxhornet
     
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  13. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Ok, die Formulierung "geht mir am A... vorbei" hatte ich verwendet, aber ich dachte, es sei aus dem Zusammenhang deutlich, dass ich damit weder den Musiker noch die Musik diskreditieren möchte, sondern nur zum Ausdruck bringe, dass mich die als Beispiele genannten Musikstücke auf einer emotionalen Ebene völlig kalt lassen. Wenn es anders rübergekommen sein sollte, tut es mir leid.

    Da sind wir absolut beieinander und das habe ich ja auf verschiedene Arten ebenfalls versucht zu sagen. Aber das beinhaltet für mich eben auch, dass man keine Werturteile über den Geschmack anderer abgibt und an einem Konsens über diese Einschätzung hatte ICH in der Vergangenheit Zweifel bekommen.
     
  14. Nilu

    Nilu Ist fast schon zuhause hier

    Schön ergreifende Musik. Schafft tolle Bilder,
    Eine ideale Kinomusik für bestimmte Streifen.
     
  15. saxhornet

    saxhornet Experte

    Es ist schon klar wie es gemeint ist aber ich finde es trotzdem unnötig weil darin immer auch irgendwie eine Abwertung enthalten ist.


    LG Saxhornet
     
  16. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Richtig und Falsch gibt's in der Mathematik. Wo Menschen beteiligt sind, Kulturen und Lebensentwürfe machen diese Begriffe vielfach keinen Sinn. Was für einen richtig ist, kann für den anderen falsch sein und zwar gleichzeitig und mit der gleichen Berechtigung. Dann sind die Auffassungen eben nicht kompatibel. Das darf sein.

    Das richtige Leben ist eben kompliziert. Je genauer man hin sieht, desto komplexer wird alles. Mich ängstigen die Leute die für komplexe Probleme einfache Lösungen vorschlagen und noch mehr die, die das dann für die ultimative Wahrheit halten.
    Ich habe zumindest zweimal die gegenteilige Erfahrung gemacht. Das muss nicht allgemeingültig sein, hat mir aber viel über mich und meinen Bewertungskatalog gezeigt.

    Mein erstes Aha Erlebnis hatte ich um die 20. Als Student war ich gern mal abends länger wach und habe Radio gehört. Einmal die Woche war um Mitternacht eine Stunde "Jazz". Eine furchtbare, verworrene Kakophonie. Eines schönen Abends habe ich mich gefragt, wie es Menschen geben kann, die SO ETWAS gerne hören. Ich habe das Experiment gewagt und mir vorgenommen, jede dieser Sendungen anzuhören und ernsthaft zu versuchen, hinter dieses Geheimnis zu kommen. Unverkrampft, entspannt mit einer guten Tasse Tee. Positiv eingestimmt.

    Es hat etliche Monate gedauert, bis diese gequirtlten Töne angefangen haben, einen unbestimmten Sinn zu ergeben. Mit jeder Woche danach hat es mir ein wenig besser gefallen. Es ist immer noch nicht meine Musik, jedenfalls nicht der Free Jazz und entgegen meinem Nick ist Bebop nie eine meiner bevorzugten Musikrichtungen geworden. Ich verstehe aber viel besser, was da ab geht und es kommt mir nicht mehr "nur sch.." vor.

    Mein zweites Aha Erlebnis hatte ich in der Musikkapelle. Zwangsweise müssen dort Märsche und Polkas gespielt werden. Absolute Würg-Musik eben. Trotzdem muss das geübt werden. Wenn man sich allerdings darauf einlässt, versucht, das grässliche Getute musikalisch, locker und flockig zu spielen, dann entwickelt das plötzlich einen ganz ungewohnten Charm. Jedanfalls ging mir das so. Das muss nicht allgemein so sein. Ich drehe immer noch nicht das Radio auf um mir gerade DAS anzuhören, höre aber auch nicht mehr krampfhaft weg.

    Vor einiger Zeit hat mich jemand auf "Balkan Musik" gestoßen. Ganz fremd. Ich habe versucht, mich ein wenig einzuhören und trotz der fremden Kultur glaube ich zu verstehen, was den Menschen daran gefallen kann. Auch kein "muss ich haben", aber zumindest kommt mihr nicht in den Sinn das als irgendwie minderwertige Musik abzutun. Sie ist reich, komplex, melodiös. Nur eben ungewohnt.

    Womit ich noch nicht warm geworden bin ist "moderne Musik". Da fehlt mir bislang echt der Zugang. Da habe ich schon noch gelegentlich das Gefühl, man will mich nur vera***. "Hurz" wurde schon erwähnt. Genau so fühle ich mich dabei. Vielleicht klappt es ja noch.

    Was bei mir nicht mehr geht sind die Stücke die in der "Schlagermusik" gespielt werden. Die sind mir zu glatt. Da hat mein Gehirn weder an der Musik noch am Text irgend einen Haltepunkt. Bei Bach oder Händel muss mein Gehirn arbeiten um die Melodie auseinander zu bekommen. Bei Cage vielleicht, um die Lücken zu füllen. Bei Helene Fischer kann ich musikalisch nicht und die Texte sind auch wie aus dem Katalog für emotionale Reizwörter zusammengestellt. Wie Junkfood mit künstlichen Aromen. Sieht irgendwie nach Essen aus, aber es macht nicht satt.

    Das ist, was ich unter "kein Kuchen unter der Glasur" gemeint habe. Möglicherweise habe ich mich noch nicht genug eingearbeitet. Die Hürde hier kommt mir aber sehr hoch vor.

    Aber das sind alles meine Erfahrungen. Die "Da musst Du Dich nur mehr damit beschäftigen" Fraktion scheint ähnliche Erfahrungen gemacht zu haben. Insofern glaube ich nicht an ein Einzelschicksal. Was nicht heißt, dass jemand der keinen Jazz "mag" durch tapferen Powerplay auf die gleiche Einschätzung kommen muss wie ich.
     
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  17. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @saxhornet

    Das hier geschrieben wird "das ist doch Mist..." ist eher die Ausnahme....meisten ist es "gefällt mir nicht" ...und das ist keine Wertung.....

    Eine Aussage hingegen wie,

    "Und wie so oft ist es auch eine Frage der Auseinandersetzung mit einem Stil, einer Spielart und dem Instrument und wo man sich gerade...."

    empfinde ICH als Wertung....bei mir kommt an "wenn Du Dich erstmal mit dem Stil und der Spielart auseinandersetzt, wirst Du schon verstehen wie toll das ist....noch bist Du halt zu ungebildet, noch zu doof dafür..."

    CzG

    Dreas
     
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  18. Claus

    Claus Mod Emeritus

    @bebob99
    Aber ein gewisses Grundinteresse und eine positive Neugier ist dann bei Dir schon vorhanden, oder würdest Du dich auch wochenlang mit - sagen wir mal - Bushido-Songs beschallen, um herauszufinden, ob Du ihm danach mehr abgewinnen kannst?
     
  19. saxhornet

    saxhornet Experte

    Das sehe ich auch so. Manchmal muss man sich erst auf etwas einlassen um die "Schönheit" dahinter zu entdecken. Manchmal wird man dann auch sehr reich belohnt und manchmal kommt man dann doch zur Erkenntnis: ist nicht mein Ding. Es trägt zur eigenen Entwicklung aber enorm bei.

    LG Saxhornet
     
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  20. last

    last Guest

    ...ich weiß nicht, ich weiß nicht. Für mich schwingt da immer mit, man muss halt nur weit genug entwickelt sein, dann würde man es auch schön finden (wahrscheinlich/normalerweise).
    Mag sein, dass das bei Dir oder manch anderem hier so war/ist. Aber das kann man nicht verallgemeinern ( :) Der Spruch kommt normalerweise eigentlich von Dir ;)).
    Leben und leben lassen - ich mag es nicht, wenn Geschmäcker mit Werturteilen verknüpft werden.

    So - jetzt geht´s erstmal zum Griechen! Das finde ich sooo lecker - und ich weiß nicht, wie der das macht. Eigentlich dürfte mir das Essen gar nicht schmecken... :rolleyes:.

    LG
    ;) last
     
    Rick gefällt das.
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