Nochmal die Sache mit der Gage

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von 47tmb, 5.Oktober.2015.

  1. ppue

    ppue Mod Experte

    Noch einmal: Die Trennung von Amateur und Profi halte ich für wenig sinnvoll. Es geht doch keiner in die Jugendmusikschule sowie anschließend auf die Hochschule und ist mit der Abschlussprüfung plötzlich Profi.
    Genau so wenig ist er vor der Abschlussprüfung ausschließlich Amateur.

    Es ist doch super, dass man im musikalischen und allgemein künstlerischen Bereich die Möglichkeit hat, da hinein zu wachsen. Das ist gerade eine Qualität, die dieser Beruf hat. Und viele Karrieren, mitunter meine, sind nur dem Umstand zu verdanken, dass man sich vom ersten Blödflockenvorspiel langsam Fähigkeiten antrainieren kann, die man selbstverständlich durchgehend immer wieder einem Publikum präsentiert.

    Es gibt keinen Profi, der nicht mal Amateur war.

    Und wenn man weit genug gekommen ist auf dem Weg zum Profi und mehr Erfolg hat, dann gibt man das Booking einfach ab.
     
  2. JES

    JES Gehört zum Inventar

    @ppue
    Genau Dein Argument ist aber Teil des Problems:
    Wenn Du sagst, jeder darf ohne Ausbildung kommerziell Musik machen, dann gibt es keine Mindeststandards und damit auch keinen Mindestlohn. Für mich ist ein profi jemand, der etwas gelernt und darüber auch irgend eine Art Bescheinigung hat mit einer Prüfung. Das muss kein Studium sein.

    Ich habe im Bekanntenkreis auch eine Künstlerin, die ähnliche Probleme hat: entweder ist es Kunst der Kunst willen, dann kriegt sie kein Geld dafür (oder nur eher zufällig), oder es ist kommerzielle Kunst, also eher Kunsthandwerk, wobei das Handwerk in den Vordergrund rückt.

    Wenn Du eine Wand streichen läßt, wem zahlst Du mehr? Dem ungelernten Bekannten, der das nach Feierabend macht, oder dem Malergesellen, der es gelernt hat, auch wenn er es nach Feierabend erledigt?
     
  3. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Ich bin ja nicht der überqualifizierte Profi, ich bin Amateurmusiker. :)

    Noch haben wir keinen Computer, der Lizenzbedingungen in Code verwandeln kann. Die semantsiche Lücke ist zu groß. Solange bin ich als Programmierer nicht arbeitslos.

    Die von mir oben erwähnte prima causa.

    Grüße
    Roland
     
  4. ppue

    ppue Mod Experte

    @JES, die Kunst ist zum Glück frei. Die Ausbildung zum Künstler ist ist ein sensibles Geschäft. Eine Abschlussprüfung mit festgelegten Standards ist nur auch bei standardisierter Kunst möglich. Im Bereich der klassischen Musik geht das noch bis zu einem bestimmten Punkt. Im Bereich Jazz sehe ich das schon kritisch und in eine freie Musikszene wird so nicht mehr erfassbar sein.
    Schon allein die Einteilung in Sprechkunst, Theater, Tanz, U- und E-Musik, Oper oder Musiktheater behindert meines Erachtens eine freie Entwicklung der Kunst.

    Ich habe gar nichts dagegen, dass man Musik studiert, halte aber die freie Szene für mindestens wenn nicht bedeutender für die gesamte kulturelle Entwicklung.

    Ich selbst mache mein Lebtag lang eine Kunst, die immer zwischen diesen Stühlen saß.
     
  5. Rick

    Rick Experte

    Na ja, vor 60.000 vielleicht nicht, aber Ende der 1990er, als ich noch regelmäßig getourt bin, habe ich öfter auf Jazz-Festivals mit zumindest mehreren tausend Zuschauern gespielt.
    Na und?

    Brauche ich nicht mehr, ist langweilig, vor allem, wenn man von den Scheinwerfern so geblendet wird, dass einem das Publikum nur noch wie ein schwarzes Loch erscheint, man keine Gesichter mehr erkennt.
    Ich grinse gern mal ein paar Zuschauer an, reagiere spontan auf Zurufe, brauche den direkten Kontakt zum Publikum, am liebsten in einem netten Musikclub.

    In großen Hallen ist man plötzlich versucht, Show abzuliefern, man produziert sich, schauspielert, das mag ich nicht. Das liegt aber auch am "Event-Charakter", die Leute sind nicht gekommen, um meine Musik zu genießen, sondern um an einem Ereignis teil zu nehmen, sie jubeln auch nicht, weil die Musik sie begeistert, sondern weil das Jubeln einfach zum "Feierpaket" gehört.
    Meistens wissen sie hinterher nicht mal mehr genau, was überhaupt gespielt wurde, denn für die ist man ja nur noch wenige Zentimeter groß, hunderte Meter entfernt. Sie haben lieber gemeinsam ihren Spaß, als sich um das Programm auf der Bühne zu kümmern, die Musik ist dann nur noch Berieselung zum geselligen Erlebnis.

    Und die Bezahlung ist für den einfachen Musiker ("Sideman") sowieso nie äquivalent zur Zuschauerzahl, da ist es egal, ob man vor 50 oder 50.000 Leuten auftritt.

    Schönen Gruß,
    Rick
     
    Zuletzt bearbeitet: 22.März.2016
  6. rbur

    rbur Gehört zum Inventar

    Interessant wird es ja erst, wenn der Künstler für seine Kunst Förderung vom Staat haben will.
    Dann muss irgendwas messbares vorliegen und das ist schwierig.
     
  7. JES

    JES Gehört zum Inventar

    @ppue
    Ist das jetzt ein Wiederspruch oder eine Bestätigung meiner Aussage?
    JEs
     
  8. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Auch wenn es unbequem ist:

    Wenn mir die Umstände nicht gefallen und ich kann sie (ver)ändern: dann (ver)ändere ich sie
    Wenn mir die Umstände nicht gefallen und ich kann sie nicht (ver)ändern: dann (ver)ändere ich mich.

    Darüber zu sinnieren, dass früher doch alles besser war bringt mich jedenfalls nicht näher an den Brotkorb.

    LG Bernd
     
    sachsin, saxhornet, Rick und 2 anderen gefällt das.
  9. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Etwas Ähnliches:
    Ich muß die Umstände nehmen, wie sie sind, nicht wie sie waren und auch nicht, wie ich sie gerne hätte (Jack Welch)
     
    Rick gefällt das.
  10. ppue

    ppue Mod Experte

    Ein Widerspruch.

    Stell dir vor, man würde fordern, dass Kabarettisten ohne staatlich anerkannte Prüfung Berufsverbot bekämen.
     
  11. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Das wäre doch ein passables Thema für ein Kabarett-Programm :)
     
  12. Maksutov

    Maksutov Nicht zu schüchtern zum Reden

    Befremdlich, vor einiger Zeit hatten wir hier die Diskussion, daß das Jazzstudium die Weiterentwicklung des Jazz(es) be- , wenn nicht verhindert!

    Einschränkung der Kreativität durch studierte Amtlichkeit war der Tenor.

    Jetzt soll sich die Qualität des Musikers / Künstlers (!) auch danach beurteilt werden, daß er Bitteschön ein amtliches Befähigungszeugnis vorweist..... mit anderen Worten: seine dokumentierte Kreativitätsbeschränkung nachweist!!!

    Meiner Ansicht nacht geht es hier mehr oder weniger nur um einen Verteilungskampf der Pfründe! Und letztlich um die so beliebte Neiddiskussion.

    Karl Marx hätte das Kapital nie geschrieben, wenn ihm der Lebensunterhalt nicht anderweitig finanziert worden wäre; ist er deshalb ein schlechter Philosoph, der andere bei der Entwicklung einen neuen Gesellschaftsmodells durch seine Saturiertheit be- oder verhindert hat?

    Und wenn alles nicht mehr hilft, ist es eben das unfähige und intellektuell minderbemittelte Publikum, welches die amtlichen Musiker nicht zu schätzen und sich den falschen "Großen" und "Kleinen" zuwendet! Oder der Zufall, oder die Zeit als söchene, oder das System, oder die falsche Kulturpolitik, oder die Region oder die neuen Distributionswege im Musikvertrieb (to be continued).

    Und wenn es denn nun mal so sein sollte, daß man als Musiker seinen Lebensunterhalt nicht mehr verdienen kann - dann ist das eben so!
    Ging anderen auch schon so: Kohlenhändlern, Kürschnern, Schallplattengeschäftsbetreibern..........

    Es ist verblüffend, wieviel Zeit mancher (selbst ernannte) Profi mit dem Wehklagen hier im Forum verbringet, da wundert mich der mangelnde monetäre Erfolg eher weniger.

    Ich suche mir jetzt mal ein (Kunst)Maler-Forum! Mich interessiert, ob die gleichen "Argumente" hinsichtlich Amateurmaler und Profimaler dort auch ausgetauscht werden.....Blockade von Galeriefläche durch Amateure, die so den Profis den Markt kaputt machen......
     
  13. rbur

    rbur Gehört zum Inventar

    slowjoe und Maksutov gefällt das.
  14. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Ja, sehr herb dargestellt. Aber ich bin bei vielen Positionen bei Dir!

    Aus meiner Sicht läßt es sich gut reduzieren:

    Wir haben einen schrumpfenden Markt in der Musik. Das kann man bedauern, ändern kann man es nicht. (siehe Weberaufstand im 19.JH).

    Das führt dazu, daß mit sehr harten Bandagen gekämpft wird! Ist in allen schrumpfenden Märkten so.
    Da wird dann erfolgreiches Marketing wichtiger als das gute Produkt (Musik)! (s. mein Beitrag #196)

    Ich durfte ja auch Wachstumsmärkte mit meiner Agentur begleiten. Das ist VIEL erfreulicher. Das ist die Nachfrage größer als das Angebot! Und Geld nicht knapp.

    CzG

    Dreas
     
  15. Maksutov

    Maksutov Nicht zu schüchtern zum Reden

    @rbur

    Herrlich, mit so einer Punktlandung hatte ich nicht gerechnet, Danke!!!!
     
  16. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    So ist nun mal die Masse. 90% wissen wahrscheinlich noch nicht mal, was der Unterschied zwischen Dur und Moll ist und können eine doppelte Tritonussubstitution nicht von einem Teller Reis unterscheiden.:) Oder hören, dass

    Hat nix mit 'unfähig' oder 'intellektuell minderbemittelt' zu tun, sondern schlicht und ergreifend mit Unkenntnis. Da sind sie aber wiederum selbst Schuld, das hatte mal ein großer Philosoph Königsberg fest gestellt. Sie sind musikalisch nicht aufgeklärt.

    Jetzt kann man
    a) den Markt bedienen
    b) zur Aufklärung beitragen
    c) ein wunderschönes Hobby betreiben

    Ich kann mir c) leisten und die Masse ist mir geal. Mein Musikgeschmack war noch nie massenkompatibel. Das ging so weit, dass ein Nachbar mal meinte: 'Mit der Musik, die Du hörst, wirst Du nie eine Freundin kriegen." Er konnte übrigens Dur von Moll nicht auseinander halten, fand Saxophon doof und das Trompete im 'Bacardi-Song' total cool. (Ich musste ihn dann aufklären: das war ein Sax, keine Trompete.)

    Hach, das Leben ist schön!

    Grüße
    Roland
     
    Rick gefällt das.
  17. abraxasbabu

    abraxasbabu Ist fast schon zuhause hier

    Kunst ist nicht beweisbar. Weis nicht mehr wer das sagte.
    In der DDR war eine Ausbildung zum Musiker Vorausetzung das man gegen Gage spielen durfte. Waren auch viele nicht mit einverstanden. Ich bleibe dabei. In einer region müssen sich die Musiker organisieren und mindeststandarts festlegen unter denen keiner Spielt. mehr geht immer aber weniger nicht. Wäre ich Musiker der davon leben möchte würde ich noch heute mit dem Organisieren anfangen. Weil ich unzufrieden bin. Wer nichts tut ist wohl zufrieden und meckert aus Spass?
     
  18. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Hört sich gut an, aber in einem fragmentierten Markt mit Angebotsüberhang funktioniert das einfach nicht!

    Bei Lokführern und Piloten aber sehr wohl.

    CzG

    Dreas
     
  19. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Zu einem gewissen Grad funktioniert das schon. Die Musikergewerkschaft in UK ist eine der ältesten des Landes. Was Westend-Shows, Orchester und Studio-Sessions angeht funktioniert es gut, andere Bereiche, besonders Jazz, sind problematisch. Hilfe kann man außerdem erwarten mit Versicherungen, Verträgen, Verwertungsrecht und sonstigem Rechtsbeistand.

    LG Juju
     
    Zuletzt bearbeitet: 22.März.2016
  20. Rick

    Rick Experte

    Also ich weiß ja nicht, was Du gelesen hast, aber die Aussagen gehen nach meinem Verständnis dahin, dass die hier schreibenden Berufsmusiker finanziell ausreichend versorgt sind, sie aber ein generelles gesellschaftliches Problem sehen, etwa für manche Kollegen.
    Von Neid und Verteilungskampf habe ich hier nichts entdecken können. Oder bin ich blind?

    Früher war das Mäzenat allgemein üblich, das habe ich ja auch schon erwähnt.
    Zu erwarten, dass ein Künstler allein durch seine Kunst seinen Lebensunterhalt finanziert, ist für mich nach wie vor naiv und albern, geht völlig an der Sache vorbei.
     
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