Unfassbares Gehör

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Roland, 4.Oktober.2016.

  1. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Na ja, auch wenn ich "Hallo" oder "Grüß Dich" falsch intoniere wird jeder es verstehen.

    Wenn Du eben "wode ma" falsch intonierst kommt ein komplett anderer Zusammenhang zu Stande. Zwischen "Pferd" und "Mutter" erkenne ich doch noch einen signifikanten Unterschied....

    Insofern für mich absolut nicht vergleichbar.

    CzG

    Dreas
     
  2. visir

    visir Gehört zum Inventar

    Dafür sprechen Chinesen dann unsere Sprache, wenn sie sie lernen, tendenziell/ anfangs "monoton", weil sie ja keine Melodie für die Bedeutung brauchen...
     
  3. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    @ppue:
    Es war einmal ein Mann, der in einer Höhle lebte und gerne Löwen aß ?
    Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie in manchen Sprachen sehr ähnliche Laute auftauchen und entsprechende Anforderungen an Aussprache und Gehör stellen. Wie konnten die sich eigentlich verständigen, als die Telefone noch eine verbesserungswürdige Sprachqualität lieferten?

    zum Thema:
    Die Horrorstories über Leute mit absolutem Gehör, die dann schnell körperliche Schmerzen bekommen, wenn eine Stimmung nicht perfekt ist, habe ich auch schon gehört. Ich persönlich würde ein gut trainiertes relatives Gehör auch jederzeit einem absoluten Gehör vorziehen.
    Transkriptionen gehen dann vermutlich damit sehr schnell, aber ob das so viel Spaß macht, wenn man jeden schlecht intonierten Ton auch als solchen wahrnimmt?
     
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  4. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja, habe ich schon kapiert und auch die Beispiele mit Lob bedacht. Ich brachte mit dem "Hallo" ein Beispiel im Deutschen, das drei doch grundlegend verschiedene Bedeutungen hat, je nach dem, wie man die Melodie ansetzt.

    Wir sind deutsche Sprache gewohnt und analysieren gar nicht so genau, was wir mit Hebungen und Senkungen alles ausdrücken. Ironie zum Beispiel geht alleine durch die Sprachmelodie:

    Spreche: "Das hast du ja super hingekriegt" einmal anerkennend zu einem Kind, dass gerade seine erste Bahn im Schwimmbad geschwommen ist und dann zu deinem Kollegen, der seinen Kaffee über deine Akten ausgeschüttet hat.

    Beim echten Lob sind die Silben "su" und "hin" tendentiell hoch. In der ironischen Fassung tendentiell tiefer.

    Kein Wunder, dass wir hier im Forum so einen Ironie-Button haben. So mancher Satz ist in seiner Melodie nämlich anders gedacht. Für den Schreibenden ganz klar. Für den Lesenden nicht auseinander zu halten.

    Schönes Beispiel ist auch das neue "OK" in der Frageform, mit einem Bending nach oben am Ende.

    Also, einer erzählt: "In England wollen sie jetzt Rechtsverkehr einführen".
    Der andere: "OK" (mit diesem Bending nach oben. Bedeutet in Kürze Folgendes: "Habe ich so noch nicht gehört, nehme es aber erst einmal so hin, obwohl ich mir ausnehme, noch nicht ganz überzeugt zu sein".)
    Wieder der eine: "Ja, versuchsweise allerdings erst einmal nur für LKW."

    Ganz anders als das Abschluss-"OK", dass hinten runter fällt und Übereinstimmung bescheinigt.

    Dazu kommen dann die Betonungen der verschiedenen Silben. Das machen wir völlig aus der Lameng. Sie stehen aber nicht in den Buchstaben. Zugegeben, kein melodiöses Element. Dennoch ist auch im Deutschen aus der reinen Schrift kaum abzuleiten, wie wir sprechen, intonieren, phrasieren und betonen.

    Musikalisch steckt da viel mehr drin, als wir denken.
     
  5. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Du hast ja Recht, ist aber im Vergleich zu Mandarin, wenn's um die Tonalität geht, nur Steinzeit!

    Natürlich finden wir auch Tonalität in unserer Sprache, aber die hat im Vergleich zum Mandarin fast keine Bedeutung!

    Darum geht es doch in dem ursprünglchen Video, oder?

    CzG

    Dreas
     
  6. ppue

    ppue Mod Experte

    Steinzeit ist doch Quatsch, es geht nicht darum, wer weiter ist und nicht um eine zeitliche Entwicklung, sondern um ein Unterscheidungsmerkmal, was wir auch haben, nur anders einsetzen.

    Ich finde, Sprachmelodie hat ganz viel Bedeutung, auch wenn nicht mal Mutter und mal Pferd dabei heraus kommt.

    Ich will mich da aber nicht streiten.

    Der Ton macht die Musik.
     
  7. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    "Steinzeit" war keine Berwertung!

    Ich wollte nur sagen, daß westlichen und asiatisch Sprachen einfach anderen Grundmustern folgen....und jede Sprache in sich schlüssig ist....

    Und die Fähigkeiten des Jungen scheinbar auch etwas mit Sprachkulturen zu tun hat.(siehe meine Links).

    CzG

    Dreas
     
  8. sachsin

    sachsin Strebt nach Höherem

    Das Erhören der Akkorde beindruckt und ist wohl nur möglich mit einem absoluten Gehör des Jungen. Dieses "Hören können" findet sich in allen Kulturkreisen.

    Etwas "Senf" von mir, wenn auch OT, zur Sprachdiskussion:

    @ppue und @visir , was Ihr da bzgl. Sprachmelodie beschreibt, kann ich nur bestätigen, durch meine Erfahrung im Sprachkurs Deutsch mit Vietnamesen, die ich zweimal die Woche nach Feierabend für die Sprachprüfung B2 vorbereite.

    Wenn ich die Gruppe allein (ohne mein Mitsprechen) einen Satz sprechen lasse, verlieren sie sich nach wenigen Worten und jeder Teilnehmer beendet für sich den Satz. Zeige ich, wie in der ersten Klasse, Silbe für Silbe mit dem Finger (ich spreche nicht mit) finden sich die Teilnehmer zusammen und beenden auch den Satz gemeinsam. Sie lernen fleißig Vokabeln , doch das Verstehen und somit das Verständnis der Inhalte ist aufgrund der fehlenden Sprachmelodie für das Umfeld gestört. Das betonen der ersten Silbe und binden der Silben sowie ein gewisser Sprachfluss würden die Mängel beim Ausprechen einzelner Buchstaben völlig für das Verständnis in den Hintergrund treten lassen... Das ist meine Erfahrung mit dieser liebenswerten Gruppe.
    Wir lachen auch viel, z.B. wenn "Achtung" gesprochen wird, doch es "Ächtung" heißen soll :)
     
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  9. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Moin!

    Zur Ergänzung: Kantonesisch hat neun Töne:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kantonesische_Sprache#T.C3.B6ne

    "...
    Wie alle Khoisan-Sprachen zeichnet sich auch ǃXóõ durch ein großes Lautinventar aus. Insgesamt werden 159 Phoneme unterschieden, von denen 83 Schnalz- bzw. Klicklaute sind. Die fünf Grundklicks (bilabial,dental, alveolar, palatal, lateral) können auf jeweils rund 17 verschiedene Arten modifiziert werden.
    ...2
    https://de.wikipedia.org/wiki/Taa-Sprache

    Vielleicht noch Wetterbericht auf Navajo?


    Grüße
    Roland
     
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  10. Zappalein R.I.P.

    Zappalein R.I.P. Guest

    mein lieber scholli, da fallen dir ja die ohren ab.
    majutt das ich das absolute jehör nich hab.
     
  11. ppue

    ppue Mod Experte

    Spannendes Thema.

    Ich habe mal zwei Audiodateien gemacht, einmal Hochchinesisch und einmal Deutsch. Ich habe versucht, die Tonalität mittels Midi nachzustellen. Das Midi ist allerdings wohl temperiert und zeichnet die Bendings nicht nach. Vielleicht trotzdem ganz interessant.





    :D
     
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  12. Gelöschte 11056

    Gelöschte 11056 Guest

    Der klassische Bayer.................:lol:
    Wer spricht denn da?
     
  13. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Daher wurde Navajo im zweiten Weltkrieg für verschlüsselte Kommunikation eingesetzt, das konnte einfach keiner
     
  14. ppue

    ppue Mod Experte

    Konrad Beikircher
     
  15. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Man muss schon unterscheiden zwischen Tonsprachen und Nicht-Tonsprachen. Auch in Asien gibt es beide Typen, z.B. ist Chinesisch eine Tonsprache, während Japanisch keine ist. Ich spreche keine Tonsprache, meine aber, dass es bei solchen Sprachen sehr viel weniger Möglichkeiten gibt, eine individuelle Satzmelodie zu verwenden, weil sehr schnell die spezifischen Töne (Tonhöhe, fallend, steigend etc.) in Mitleidenschaft gezogen würden.

    Es gibt ein berühmtes Beispiel von europäischen Missionaren in Afrika, die den Einheimischen, ich glaube den Yoruba unsere Kirchenlieder beibringen wollten. Die Leute haben sich wohl köstlich amüsiert, weil die jeweiligen Yoruba-Wörter durch die Melodie des Liedes völlig andere bedeutungen bekommen haben. (Leider habe ich keine Quelle für die Anekdote.)

    Bei Nicht-Tonsprachen geht das problemlos, sogar wenn die Melodie des Liedes völlig anders ist als die Satzmelodie wäre, wenn man den Text spricht.

    Jetzt aber zum absoluten Gehör: Bei den Tonsprachen kommt es nur auf die relative Tonhöhe in Bezug auf benachbarte Laute an, also ist der eine Laut eine Quarte höher als der andere usw.. (Männer, Frauen und Kinder haben ja von Natur aus unterschiedliche Stimmen, also könnte das mit absoluten Tonhöhen gar nicht funktionieren.) Wenn also Kinder diese Intervalle beim Sprechen lernen, spräche das doch eher dafür, dass das relative Gehör trainiert wird. Wieso sollten sie davon beim Absoluthören profitieren?

    LG Helmut
     
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  16. ppue

    ppue Mod Experte

    Genau. Ich sehe den Zusammenhang auch noch nicht. Konrad Beikircher klingt wie Freejazz und er könnte auch andere Melodien erzeugen, ohne das der Sinngehalt ein völlig anderer wäre.
    Die Chinesin spricht so akkurate Tonhöhen, dass man sie glatt harmonisieren könnte.

    Ach, mach ich mal gerade:

     
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  17. quax

    quax Gehört zum Inventar

    [​IMG] Der Unfassbare
    Bei diesem Titel darf das Alter Ego von Calvin (hier ohne Hobbes) nicht fehlen. Auch das Gehör des Unfassbaren ist ........unfassbar.
    Und nun:topic:
    quax
     
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  18. Rick

    Rick Experte

    Zu den Sprachen: Hochdeutsch hat meines Wissens keine spezifische Melodie, aber in einzelnen Mundarten findet man so etwas durchaus, vor allem in abgelegenen Gegenden, wo diese noch unverfälscht weiter gegeben werden.
    Laut meiner Frau, deren Vater aus Bad Urach stammte, gibt es das sogar im Schwäbischen: ein und dasselbe Wort, aber je nach Aussprache mit unterschiedlichen Bedeutungen.

    Ich vermute daher, dass sich diese Feinheiten oft einfach in den Hochsprachen "abnutzen" - je mehr unterschiedliche Sprachen und Dialekte unter einer Hochsprache zusammen kommen, desto weniger Melodie für die Bedeutung.
    China, das ja über viele Jahrhunderte kulturell homogen blieb, stellt deshalb vielleicht einen Sonderfall dar.

    Schöne Grüße,
    Rick
     
  19. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Ich fürchte, da führt @ppu s hübsches Klangexperiment
    gehörig in die Irre. Tonsprachen haben keine Melodie. Es geht um was ganz Anderes: Jeder Vokal einer Tonsprache ist mit verschiedenen "Tönen" verbunden, er wird tief, hoch, steigend, fallend etc. gesprochen, und jede dieser Varianten ist ein eigener Laut (Phonem), so wie in unseren Sprachen e und i eigene Phoneme sind. Wir haben hier z.B. vier verschiedene Phoneme, basierend auf (unserem) Vokal a: (https://de.wikipedia.org/wiki/Chinesische_Sprachen)
    1. Ton 2. Ton 3. Ton 4. Ton
    gleich bleibend hoch steigend tief fallend – steigend scharf abfallend
    妈, ‚Mutter‘ 麻, ‚Hanf‘ 马, ‚Pferd‘ 骂, ‚schimpfen‘

    [​IMG]
    Wenn nun Wörter mit unterschiedlichen Tönen aufeinander folgen, scheint eine Satzmelodie zu entstehen. Es ist aber reiner Zufall, welche Töne gerade vorkommen, natürlich nicht so, dass zufällig irgendwelche Wörter gewählt werden, sondern dass jedes gewählte Wort seinen Ton hat, unabhängig von anderen Wörtern. (Wörter sind immer einsilbig, daher kann man verkürzt sagen, dass das Wort einen Ton hat, den seines Vokals.)

    LG Helmut
     
  20. GelöschtesMitglied11578

    GelöschtesMitglied11578 Guest

    Ich weiß nicht wen ich gruseliger finde - den Jungen oder den Alten ...

    Die Diskussion über Sprache im Anschluss find ich wesentlich unterhaltsamer.
     
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