Jazz Waltz?

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von 47tmb, 14.Mai.2017.

  1. visir

    visir Gehört zum Inventar

    Die "Schubladisierung" habe ich nicht geschaffen - schau Dir die Welt an. Selbst in dem oben verlinkten Video "gesteht" McLaughlin, dass sie auf die Popmusiker herabgeschaut haben.

    Und "nicht nur unterhalten, sondern auch anspruchsvoll sein" finde ich ja auch nicht nur in Ordnung, sondern erstrebenswert. De facto neigt der Anspruch dann dazu, der Unterhaltung davonzugaloppieren, und es geht dann im Extremfall nur noch um Anspruch um des Anspruchs willen.
    Bei mir schwingt halt bei den Aussagen, die mich zu einer Antwort veranlassten, immer mit "massentauglich -> anspruchslos; anspruchsvoll wird es erst, wenn es nicht mehr populär ist". Dem widerspreche ich.
     
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  2. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Und die Kirmes widerspricht Dir. Normative Kraft des Faktischen. :)

    Meine Vermutung, leider zigfach bestätigt: Der durchschnittliche 08/15-Hörer kann nur eine gewisse Maximalkomplexität verarbeiten. Was darüber hinaus geht, ist 'wirres Zeuch'. Wie oft habe ich von Leuten gehört, die zu Besuch waren: Was ist das für fürchterliche Musik, da kann ich keine Ordnung erkennen, mit der Musik, kriegst Du nie eine Frau ins Bett, wissen die, was die da spielen, verstehst Du, was die spielen, ...

    Wer dem Massengeschmack gefallen will, muss seine Komplexität einschränken. In wie weit das einen künstlerischen Prozess limitiert, ist eine individuelle Frage. Aber denjenigen, die das limitieren würde, indirekt Elitarismus vorzuwerfen, finde ich befremdlich. Was kann ich dafür, dass ich harmonisch komplexere Dinge mag?

    Aber die Diskussion Kunst vs. Kommerz hatten wir schon diverse Male. Ist vermutlich auf Platz drei hinter Selmer und Korpusmaterial.

    Für mich: Lieber einen Abend mit Musik von Schönberg, Cage oder Bartok als mit Helene Fischer. YMMV.

    Grüße
    Roland
     
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  3. Viper

    Viper Ist fast schon zuhause hier

    Ein Fuchs, der auf die Beute ging,
    fand einen Weinstock, der voll schwerer Trauben
    an einer hohen Mauer hing.
    Sie schienen ihm ein köstlich Ding,
    allein beschwerlich abzuklauben.
    Er schlich umher, den nächsten Zugang auszuspähn.
    Umsonst! Kein Sprung war abzusehn.
    Sich selbst nicht vor dem Trupp der Vögel zu beschämen,
    der auf den Bäumen saß, kehrt er sich um und spricht
    und zieht dabei verächtlich das Gesicht:
    Was soll ich mir viel Mühe nehmen?
    Sie sind ja herb und taugen nicht.
    (Karl Wilhelm Ramler)

    ...bzw. aus dem Film "Die Farbe des Geldes: "...verdammt, Mühle verkauft sich einfach besser als Schach"...
     
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  4. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Die Erfahrung lehrt, dass auch mit viel Mühe ergatterte Trauben von der Sonne verschont sein können ;-)
    Aber wer würde das nach all der Mühe schon zugeben.
    LG quax
     
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  5. stefalt

    stefalt Strebt nach Höherem

    Hatte Raab mit Lena nicht auch mal gewonnen? Oder war das platz zwei? Bin da nicht so fit....
     
  6. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    :bahn: Worum geht's hier eigentlich? Wer oder was ist ESC? noch so 'ne Castingshow?


    :-D :duck:
     
  7. visir

    visir Gehört zum Inventar

    ???

    Möglicherweise spielst Du ja wirklich wirres Zeug... ;)

    Komplexität... es kommt wirklich darauf an, von wo aus man das betrachtet, und was man eben noch als Kunst gelten lässt. Wie gesagt, wenn für Dich es erst Kunst ist, wenn Du die von Dir genannten Reaktionen bekommst...
    Z.B. Latin hat durchaus harmonische und rhythmische Komplexität, und wird jetzt nicht gerade (in all seiner Ausprägung) im Bierzelt gespielt, aber doch von vielen "normalen Leuten" gerne gehört. Klassik (im engeren Sinn) detto. Und eben auch im international erfolgreichen Pop gibt es anspruchsvolle Beispiele, wie gesagt.

    Zugleich hab ich mal wo gelesen, dass "simple is not easy" von Duke Ellington stammen soll - auf den Kontext bezogen: gerade mit simplen Dingen etwas Großartiges zu schaffen ist Kunst. Mit beliebig viel Komplexität ist leicht beeindrucken...
    Hm, von irgendeinem klassischen Komponisten, wars Haydn oder wer, hab ich auch gehört, dass es ihm am Anfang seiner Ausbildung vor allem darum ging, dass das "Blatt schön voll" ist (ja, ist nicht dasselbe wie Komplexität...), bis ihm sein Lehrer erklärt hat, dass es auf andere Dinge ankommt...

    Bei diesen Optionen nehm ich dann 4'33 von Cage...
    (wobei ich von Bartok jetzt grad nichts kenne...)

    Versteh mich nicht falsch: jeder darf so schräg Musik machen/ hören, wie er will. Aber allem, was weniger schwierig ist, abzusprechen, dass es Kunst ist, wäre elitär.
     
  8. visir

    visir Gehört zum Inventar

    nö, ESC steht für "escape" - viele flüchten davor...
     
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  9. ehopper1

    ehopper1 Strebt nach Höherem

    Als ehemaliger Fußballer mag ich eher den KSC als den ESC.

    Obwohl man das ja nicht sagen darf, weil der KSC in der zweiten Bundesliga sogar noch ein Platz hinter der deutschen ESC-Teilnehmerin liegt. Desolat! :-(

    Apropos Liga:
    In der ESC-Liga gibt es doch fünf Absteiger. Deutschland darf aber immer drin bleiben, weil es der größte Geldgeber ist. Oder ist das mit den Absteigern heute nicht mehr so?

    Ahnungslose Grüße
    Mike
     
  10. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Dort wird auf maximale Massentauglichkeit gesetzt und ist daher komplett anspruchslos.

    Das ist noch ein anderes Thema. :)

    Die Äußerungen bezogen sich auf Musik von CD.

    Nein, die Reaktionen anderer sind mir - ehrlich gesagt - egal. Ich höre Musik für mich, ich muss da nichts nach außen hin verkünden oder kommunizieren. 'So What' oder 'Jean Pierre' mag ich auch. Die sind harmonisch einfach. Komplexität ist keine conditio sine qua non, aber - im Vergleich zum Mainstream - eine Tendenz.

    Das stimmt. Es gibt vergleichsweise 'gefällige' (meine ich jetzt neutral) Beispiele.

    Klassik im engeren Sinne (Wiener Klassik) ist für mich die langweiligere Abteilung der Klassik im weiteren Sinne. Mozart mag ich i.A. nicht. Da habe ich von einer Bachfuge mehr.

    Und, wie viele Arrangements von Ellington bzw. Strayhorn hast Du mal selbst gespielt? Die sind manchmal ganz schön ausgefuchst, sowohl harmonsich als auch rhythmisch. Simpel ist anders. :)

    Wenn die Musik mir zu komplex sein sollte, gibt es
    a) nicht mehr hören
    oder
    b) sich damit beschäftigen
    Das mache ich davon abhängig, ob sie mir gefällt. Wenn man nur essen würde, was man schon kennt, wäre man bei Milupa geblieben. manchmal muss man sich zum Musik Hören aus der Komfort-Zone heraus bewegen, das weitet den Blick.

    Dafür gibt es ja Youtube. Nie war es schwerer, etwas nicht zu kennen. :)

    Grüße
    Roland
     
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  11. visir

    visir Gehört zum Inventar

    von "maximal" war aber auch hier noch nirgends die Rede...

    (populäre) Klassik ist aber auch mehr als Mozart...

    Es hat niemand behauptet, Ellington hätte nie was komplexes, schwieriges geschrieben...

    Das ist nicht das Thema - eher andersrum: wenn Dir persönlich die Musik zu massentauglich ist... kann sie dann trotzdem Kunst sein?

    Ist auch eine Frage, wofür man sich Zeit nimmt - es gibt ein Leben außerhalb der Musik... ich nehm mir jetzt Zeit, meine Urlaube zu organisieren...
     
  12. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Das wird es -zumindest für mich - vor Augen geführt. Ich habe jedenfalls im öffentlichen Räumen als Hintergrundmusik nur einmal Jazz erlebt.

    Weiß ich. 'O Fortuna' war ja schon inder Schokoladenreklame, der Stundentanz von Ponchielli wird sogar für Backwerkreklame genutzt. Wenn man den Leuten andere Stücken von den 'Carmina' vorspielt, kommt einiges Erstaunen.

    Populärster Komponist ist das wohl Tarrega, den hat - ohne zu wissen - wirklich jeder schon mal gehört.

    Ich kann da nur für mich urteilen. Vieles ist Kitsch, manches bestenfalls Kunstgewerbe, anderes den Strom nicht wert, der zum abspielen benötigt wird. Vielleicht gibt es auch Kunst, wer weiß? Woher soll ich das wissen? Die Trefferquote bei massentauglicher Musik, die meinen Geschmack trifft, ist so gering, dass es sich für mich nicht lohnt, aktiv mit dieser Musik zu beschäftigen. Ich bekomme das nur mit, wenn ich mal wieder irgendwo damit konfrontiert, beschallt oder sonstwas werde.

    Aber wieso interessiert Dich da so meine Bewertung? So interessant bin ich auch nicht ....

    Vielleicht hilft ein Vergleich:
    Stell Dir vor, die meisten Leute mögen schwarz, weiß, rot, gelb, grün (swrgg).
    Ich mag dagegen gerne Pastellfarben.
    Das heißt nicht, dass man mit swrgg keine Kunstwerke malen kann.
    Aber wer die Massen ansprechen will, greift eher zu swrgg.
    Und meine Erfahrung ist, dass die meine bevorzugten Werke in pastellfarben meistens die Leute nicht anspricht.
    Frage: Wo ist das verdammte Problem?

    Grüße
    Roland
     
  13. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Na ein Problem ist da wohl kaum.
    Nur am Rande:
    Die meisten Leute lieben C-Dur, G-Dur, D-Dur. Ich dagegen mag die Musik lieber leise. ;-)
    LG quax
     
  14. ppue

    ppue Mod Experte

    Die alte Kunstdiskussion.

    Ich definiere Kunst immer so:

    Damit ein Werk unter Kunst fällt, muss es gewisse Kriterien erfüllen:

    1) Der Urheber des Werkes muss sich als Künstler verstehen.
    2. Der Urheber muss das Werk als Kunst deklarieren.
    3) Das Werk muss ein eigenständiges Original sein.
    4) Es muss vom Publikum als Kunstwerk anerkannt werden.

    Trifft eines dieser Kriterien nicht zu, so ist es zumindest fraglich, ob es sich um Kunst handelt.

    Popmusik ist in der Regel nicht eigenständig genug, um in den Dunstkreis von Kunst zu kommen. Auch ein Jazzstandard kommt da nicht dran. Wenn ein Standard zur Kunst wird, dann liegt das eher an den Künstlerpersönlichkeiten und ihrem eigenständigen Stil.

    Zwischen anerkannter Kunst und Tinnef liegt ein riesiger Bereich. In der darstellenden Kunst Kunsthandwerk genannt.

    Genau so groß ist dieser Bereich in der Musik. Will heißen, die meiste Musik befindet sich zwischen den Extremen Schnulze oder Kunst.
     
  15. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Warum machen wir es uns nur selber so schwer?:(
    Ich möchte einen Song hören, oder vielleicht auch lieber nicht. Es gefällt mir oder es gefällt mir nicht. Ob es dann Kunst ist oder nicht, dass muss mich nicht belasten.

    "Ich erkenne gute Musik, wenn ich sie höre".
    Und komme nicht auf die Quelle dieses Zitats, aber die Richtung stimmt.
    LG quax
    (qualis artifex)
     
  16. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Guter Ansatz, @ppue
    Beim Nachdenken darüber noch zwei Anmerkungen / Gedanken:

    1 und 2 werden leider - für meinen unmaßgeblichen Geschmack - zu häufig für einen Elitismus missbraucht, bei dem jeder, der keinen Zugang findet (Nr. 4) als Banause oder Schlimmeres diffamiert wird.
    Bei Nr. 2 kommen noch die wirtschaftlichen Interessen der mit der Vermarktung beschäftigten Parteien dazu (Impresarios, Produzenten, Galeristen, Kritiker usw.)

    "Kunst kommt von Können - nicht von Wollen. Sonst hieße es Wulst." sagte mal der Schweisser meines Vertrauens - und der ist zum Thema Kunst maximal unverdächtig, auch wenn sein Können vielfach als "hohe Kunst" bezeichnet werden könnte.

    Anders formuliert würde ich der Aufzählung noch einen Aspekt des kreativen, absichtsvollen Erschaffens von Kunst hinzufügen wollen. Das ist typischerweise die eigentliche Arbeit, weil das langes, kontinuierliches und zielgerichtetes Handeln sowie das ausloten von vielfältigsten Bezügen in Vergangenheit und Gegenwart erfordert.
    Das reine Selbstverständnis als "Künstler" reicht mir nicht.

    Aber damit sind wir meilenweit vom emotional Engineering entfernt, das unsere vorwiegend westliche Gegenwartskultur antreibt.

    LJS
     
  17. ehopper1

    ehopper1 Strebt nach Höherem

    Sagt u.a. George Menderson, eine Figur die einen Musikproduzenten darstellt, im Roman "Ein Sommer in St. Ives" von Anne Sanders.

    Wobei fraglich ist, ob jeder Musikproduzent im realen Leben das wirklich erkennen kann..
    Aber hierzu könnte man einen Thread aufmachen, der dann ähnlich verläuft wie dieser hier.

    Dass die Musik die ich höre häufig weitab ist vom Massengeschmack, empfinde ich als normal weil ich selber Musik mache.
    Und Sprüche, wie @Roland sie unter #42 anmerkte, gehen mir längst am verlängerten Rücken vorbei.

    Lg
    Mike
     
  18. ppue

    ppue Mod Experte

    Aufgabe: Suche mir in 10 Minuten Zitate im Netz, bei dem jemand aus elitärer Sicht als Banause oder Schlimmeres beschimpft wird (-;

    Das gehört nicht zwingend zu einem Kunstwerk. Die Vermaktung kann, muss aber nicht sein. Dass Labels und Galerien natürlich Werbung für Kunstwerke machen, beeinflusst natürlich Punkt 4. Aber das ist eine andere Diskussion.

    Das steckt in 1) und 2) schon drin. Ein Urheber ist ein Erschaffer, ein Kreativer. Absichtsvoll, nun ja, vielleicht ist auch das eine oder andere Werk zufällig entstanden. Wichtiger ist da Punkt 2), der aussagt, dass der Künstler das Erschaffene selber als Kunst ansieht.
     
  19. saxfax

    saxfax Strebt nach Höherem

    1) und 2) sehe ich auch so. Deswegen hat zB John Cage Kunst produziert.
    3) was ein "eigenständiges Original" im Zeitalter hemmungsloser Vervilefältigung und Collage definiert ist mir unkar, ist aber auch egal, da 2) gilt.
    4) halte ich für völlig belanglos und für potentiell missverständlich oder gar mit Missbrauchsgefahr. Es gibt gibt genug Beispiele von Kunst, die - zumindest die Zeitgenossen - nicht als solche akzeptiert haben. Wer ist das Publikum? Wie groß muss es sein? Wie ist das z.B. mit Andrea Berg? Bekommt das Publikum die Kunst überhaupt zu hören / sehen?

    Ob ich mit Kunst nach 1) und 2) im Einzelfall was anfangen kann und will ist eine völlig andere Sache. Ob ein Kunstwerk wirtschaftlichen Erfolg hat hat mit seinem Status als Kunstwerk auch nichts zu tun.
     
    Zuletzt bearbeitet: 17.Mai.2017
  20. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    [​IMG]

    Um die Diskussion noch ein bisschen anzufachen. :)

    Grüße
    Roland
     
    annette2412 gefällt das.
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