Improvisieren mit Leittönen

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Saxoryx, 1.Mai.2017.

  1. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Ja, doch - um die zu bedienen, die schnell hören können.
     
  2. Woliko

    Woliko Strebt nach Höherem

    Wenn ich @Saxoryx richtig verstanden habe, verwendet sie den Begriff Ton einmal im Sinn von "Tonstufe", also 3. oder 7. Ton der Leiter, und dann im Sinn, Ton in einem Takt mit unterschiedlichen Längen, also bei einem 4/4 Takt ein ganzer Ton oder zwei halbe Töne oder vier viertel Töne usw., d.h. sie spielt dann 1, 2 oder 4 Töne (pro Takt) . Die Improvisation besteht darin, dass sie den 3. und den 7. Ton in Reihenfolge, Länge und Artikulation variiert spielt. Damit kann man schon sehr abwechslungsreich spielen, ohne dass es langweilig klingt.
     
  3. Rick

    Rick Experte

    Wie schon öfter fest gestellt wurde, redet man hier in diesem Thread auch viel aneinander vorbei.
    Auch in afrikanischen Musikstilen gibt es Regeln, Gesetze, eine Harmonielehre, also "Theorie" - selbst wenn diese nicht aufgeschrieben ist, sondern nur durchs Gehör weitergegeben wird.
    So fing es ja in Europa ebenfalls an; doch GLÜCKLICHERWEISE wurde dann unsere Notenschrift entwickelt, sodass wir heute sogar Musik aus dem Mittelalter noch rekonstruieren können. Über die Musik der Antike beispielsweise kann man nur noch Vermutungen anstellen, ihre Melodien sind unwiederbringlich vorbei, im wahrsten Sinn verklungen...

    Wenn ich von "Theorie" spreche, dann meine ich die der Musik zugrunde liegenden Regeln; natürlich kann man die auch hören, MUSS sie sogar hören, aber dafür muss das Gehör entsprechend geschult werden. Dann versteht man irgendwann INTUITIV die Akkordverbindungen und weiß auch ohne das Abzählen von Tonschritten, wie die 3 der Dominante zur 1 der Tonika führt. ;)

    Und noch etwas zu den "Gehör-Musikern" die angeblich "virtuos über alle Changes improvisieren, ohne zu wissen, was Changes sind": Kenne ich, aus allen möglichen Nationen und Kulturen, doch deshalb weiß ich auch, dass dieses Vermögen nicht unbegrenzt ist - über einfache Strukturen können sie sicher super spielen, doch sobald es komplexer wird, steigen sie auch aus, weil das ihren musikalischen Erfahrungshorizont übersteigt.
    Wir Modern-Jazzer beschäftigen uns ja nicht nur aus Masochismus oder Dummheit mit der "Theorie", sondern vor allem, weil uns die "Hausmannskost" nicht mehr ausreicht, die man mit einfachen harmonischen Mitteln "kochen" kann.

    Für eine schlichte Dixieland-Impro über eine einfach gebaute Nummer wie "Careless Love" muss ich mich mit keiner Theorie beschäftigt haben, doch bei "All The Things You Are" ist es unerlässlich, um nicht rauszufliegen - zumindest die Hörerfahrung für die zahlreichen Modulationen durch alle möglichen Tonarten, die man am besten ebenfalls beherrschen sollte, muss ich haben, sonst wird das nichts. :cool:
     
    Zuletzt bearbeitet: 7.Juni.2017
  4. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Genau! Ich lerne nebenbei Schlagzeug/Percussion, wobei auch immer wieder afrikanische Sachen vorkommen. Da gibt es ganz feste Regeln (=Theorie) im Ablauf der Stücke, wann ein Rhythmuswechsel vorliegt usw.. Das muss auswendig gelernt werden.

    Und so ergibt sich eine Musiktheorie, die von Lehrer zu Schüler weitergegeben wird, .... wie in einem afrikanischen Dorf.

    LG Helmut
     
  5. Gerrit

    Gerrit Guest

    Ich glaube Miles Davis überlieferte den an ihn gerichteten Satz Dizzy Gillespie's: "Mann, lerne Klavier und Du kannst Dir die tollsten Soli ausdenken!" Miles befolgte glücklicherweise diesen Rat und brachte daher später die Musik maßgeblich voran. Ich selbst enpfinde die Regeln, die ich erlerne, deren Anwendung ich erprobe als befreiend: denn sie erst geben mir die Möglichkeit, mich innerhalb des Tonraumes frei und sicher zu bewegen. Die Annahme, Theorien oder wie Rick treffend sagt Regeln, seien überflüssig beruht auf dem Irrtum oder Missverständnis, daß die Improvisation (im Jazz) lediglich persönlichen Impulsen folge, also unmittelbarer Ausfluss der individuellen Kreativität sei. Das ist Mythos oder sogar Ideologie. Ich möchte mit dieser Feststellung niemanden zu nahe treten, aber all den großen Musikern, den wahren Meistern, den Parkers, Coltranes, Armstrongs oder wie sie auch immerheißen mögen, wird man niemals gerecht, wenn man Theorie und Regelwerk ablehnt. Diese Leute haben ihr ganzes Leben damit verbracht, die Musik zu verstehen und ihre Erkenntnisse mit anderen zu teilen. Wenn man also Jazz spielt, dann steht man unweigerlich in der Tradition dieser Meister und allein der Respekt vor ihnen, ihrer Lebensleistung gebietet, so finde ich, sich ernsthaft und mit Leidenschaft, Neugier und Freude mit dem auseinander zu setzen, was ihnen ihre Leistung ermöglichte: mit der Musik und ihren Regeln!
     
  6. Gerrit

    Gerrit Guest

    Ich muss acht geben, daß ich mich nicht in einen gewissen Ärger hinein schreibe ;-) aber: Geschwindigkeit bedeutet gewiss nicht Schönheit, aber, wie ich bereits früher hier ausführte, sie schließt diese in keiner Weise aus. Ich erbrachte Beispiele. Jedoch denen, die in hohen Tempi ihr Horn blasen, Charlie Parker wird in diesem Zusammenhang erwähnt, gewissermaßen die Musikalität abzusprechen, das zeugt von Ahnungslosigkeit in gewissen Fragen. Charlie Parker revolutionierte die Musik, wie Mozart oder Bach, man muss seine Musik nicht mögen, aber seine Leidtung steht außer frage, sein Genie und seine Ästhetik!
     
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  7. claptrane

    claptrane Strebt nach Höherem

    Die Steigerung von einem Ton pro Takt ist dann wohl kein Ton pro Takt.Ist auch ganz leicht und strengt nicht an :)
     
  8. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Ach so....o. k. ... klar kann man machen.

    D. h. sie hat über ein ganzes Stück (ohne Tonartwechsel) zwei Töne zur Verfügung, die sie rhyrhmisch und in Tonlänge variiert.

    Das ist aber ganz was anderes als das was @annette2412 ansprach.

    Sie nurzt die "Guide Tones" der Akkorde, also Terz und Septime, als Basis.

    CzG

    Dreas
     
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  9. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    - Ich halte eine Durtonleiter und einen Dur- oder Mollakkord für ein einfaches Konzept.
    - Ich habe selbst das Spielen von einfachen Stücken in allen Tonarten angefangen, der Impetus kam nicht vom Lehrer.
    - Wenn man die Struktur begriffen hat, ist das gar nicht so schwer, sich das nach und nach selbst beizubringen. Im Allgemeinen reicht, ein Halbton von einem Ganzton unterscheiden zu können, seinem Gehör folgen zu können und die Fähigkeit zu haben, sich das auch zu merken.
    - Ist aber nur meine Sicht.

    Desweiteren ist für mich 'Theorie' im musikalischen Alltag eine Zusammenfassung davon, wie unsere Musik funktioniert, nicht eine losgelöste Mental-Masturbation, weil man's kann. Meine Grundpfeiler der Theorie haben sich aus der Praxis ergeben, ich habe das gemacht, worin Menschen wirklich gut sind: Muster suchen, identifizieren, kategorisieren, nutzen, erweitern.

    Grüße
    Roland, Theoriefan, aber kein Briefmarkensammler
     
  10. Gerrit

    Gerrit Guest

    :
    :) Das nennt man Pausen spielen! Muss man aber, ganz im Ernst, auch üben! Nein, jetzt aber mal ohne Spott: ich verstehe vollkommen, daß einen die Vielzahl der Faktoren, die beim Improvisieren zu beachten sind, anfangs erschlagen und man vielleicht nicht weiß, wo anzufangen ist oder man erschrickt, wenn man vor dem zu bewältigenden Berg steht. Darüber sollte man sich natürlich nicht lustig machen. Andererseits halte ich es ebenfalls für ein gewisses Ärgernis, wenn man, möglicherweise aus dem Gefühl der Überforderung heraus, bestimmte künstlerische Leistungen anderer, die einem unerreichbar scheinen, abwertet, so in der Weise "schnell spielen ist 'eh scheiße". Kein Meister fiel vom Himmel. Charlie Parker hat verdammt viel geübt und auch gelitten. Aber er respektierte trotz allem, was er erreichte auch Musiker, die ihm nicht folgen konnten oder wollten. Es ist überliefert, daß er Johnny Hodges achtete. Im Nachlass Ben Websters, der hier fälschlicherweise als Prototyp des langsam spielenden Saxophonisten genannt wird, wiederum fanden sich viele Alben Charlie Parkers. Man muss sich auf den Weg machen, anfangs kleine wohlüberlegte Schritte, das spielen, was man wirklich hört und weiß und dran bleiben, lernen wollen, schauen, wohin einen der Weg führt, aber nichts von vorneherein ausschliessen...
     
  11. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Moin!

    Ich würde gerne schneller spielen können, um die Musik zu spielen, die ich im Kopf habe. Das ist mein Weg: Musik im Kopf zu klingender Musik machen. Beim Klavier bin ich da weiter als beim Sax.

    Improvisation ist für mich Kreativität, Gestaltungswille, eine Art Selbstverwirklichung. Und alles, was mich daran hindert, mein Potential, dass ich im Kopf habe, umzusetzen, behindert mich eben.

    Aber man muss verdammt viel üben, bis man dahin kommt, denn
    - mit forstschreitendem Musikhören und -spielen verändern sich die Melodien und Impros, die ich im Kopf habe, ich bin weiter als vor 10 oder 20 jahren - zum Glück!
    - man sollte nur so schnell spielen, dass man auch hört, was man spielt, Übersicht hat
    - natürlich habe ich auch mal langsame Melodien, Licks usw. im Kopf, die kann ich dann umsetzen; teilweise muss ich die erst einmal langsam üben am Instrument

    Das ganze ist - wie immer - eine Feedbackschleife. limitiert durch Mechnik (was können Fingers, Ansatz und co.) und Vorstellungskraft. Wer nur zwei Töne pro Sekunden Vorstllungskraft hat, für den ist es kein Limit, nur zwei Töne pro Sekund spielen zu können. Das ganze kann man jetzt auch Tonmaterial, Rhythmik, Spannungsögen, Sologestaltung, Reharmonisation, ... anwenden.

    Da will ich hin. Da bin ich im Kopf meinen praktischen Möglichkeiten meilenweit voraus. Der Weg ist frustrierend und bereichernd zu gleich. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist langsam.

    Grüße
    Roland, Kopfmusiker
     
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  12. annette2412

    annette2412 Strebt nach Höherem

    So wie ich es verstanden habe, nimmt man jeweils die zum Akkord gehörige 3 und 7....so wenig ist das gar nicht ;)
    Ich habe alle zum Akkord gehörigen Töne (1,3,5,7) benutzt - dabei aber auf die kurze Wege geachtet.
    Nun kann man die "Zwischenräume" mit kleinen Phrasen füllen. Durch die Akkordtöne als "Basis" hat man ein relativ sicheres Fundament.

    Ich persönlich mag die Theorie übrigens sehr und sie hindert mich auch gar nicht in meiner Kreativität, sondern gibt mir einfach Sicherheit.
    Dass das am Anfang natürlich schwerer ist, als nur mit einer Tonleiter aus dem Bauch heraus irgendwas zu spielen, ist klar.
    Aber das Ergebnis ist auch ein ganz anderes - es ist einfach harmonisch!
    Und dann hat sich die ganze Arbeit des Akkordelernens doch schon gelohnt.

    Liebe Grüße
    Annette
     
    Zuletzt bearbeitet: 7.Juni.2017
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  13. Gerrit

    Gerrit Guest

    Dran bleiben!
     
  14. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Genau! Nicht die 3 und 7 der Tonleiter....

    Es geht ja darum schöne Übergänge zwischen den Akkorden zu finden.

    CzG

    Dreas
     
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  15. Gerrit

    Gerrit Guest

    Hier noch eine Hörempfehlung Bezug nehmend auf den hiesigen Gedankenaustausch bezüglich Geschwindigkeit im verkehrsberuhigten Bereich ;-) : Kenny Garrett "Songbook" (1997), darauf "Wooden Steps"... geil!
     
  16. Gerrit

    Gerrit Guest

    ... oder Vincent Herring "American Experience" (1992), darauf "Elation". Der bläst auch in zu kurzer Zeit zu viele Noten: völlig unbegabt der Arme!
     
  17. Gelöschtes Mitglied 11989

    Gelöschtes Mitglied 11989 Guest

    In diesem Forum wird nicht genurzt! :D:duck::D
     
  18. Gerrit

    Gerrit Guest

    ... und dann noch "Cannonball & Coltrane" (1959), darauf "Limehouse Blues", uptime, herrlich wie Adderley und Coltrane sich beharken :)
     
  19. Gerrit

    Gerrit Guest

    "Blue Bossa" geht auch so: Stephen Scott "Beautiful Things" (2006), darauf "Blue Bossa", Kenny Garrett vs Branford Marsalis...
     
  20. Gerrit

    Gerrit Guest

    ... und schließlich: Quincy Jones: "Birth Of A Band" (1959), darauf gleichnamiger Titel... grandiose Aufnahme, leider auch viel zu schnell eingespielt. ;-) Ist das nicht toll, daß es all diese Musik gibt?!
     
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