(En)Harmonische Entdeckungen

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von rorro, 12.Juli.2018.

  1. ppue

    ppue Mod Experte

    Nicht ich, sondern @rorro schrub das. Ich habe ihn sinngemäß zitiert.

    Denjenigen aber, die schon die Akkordsymbole lesen und interpretieren können, muss ich nicht erklären, auf welchen Beat die Durchgangsnote kommen muss. Schon alleine deshalb nicht, weil es vielleicht viel spannender ist, sie eben nicht auf den Offbeat zu setzen.
     
  2. rorro

    rorro Ist fast schon zuhause hier

    Sorry, ihr scheint in meinen Augen die Fähigkeit Noten und Symbole lesen zu können mit Fortgeschrittensein in der Improvisation zu verwechseln.
    Ich schrieb von den ersten Schritten der Improvisation.
    Als klassisch ausgebildeter Mensch konnte ich den ganzen Krempel lesen, bevor ich einen Ton improvisiert hatte.
     
  3. GelöschtesMitglied11578

    GelöschtesMitglied11578 Guest

    Hallo, ich möchte an dieser Stelle gerne mal kurz reingehen.

    Ich lese diese oder ähnliche Formulierung sehr oft und kann keine Erklärung in irgendeinem mir bekanntern Standardwerk finden.

    Ich hätte für „Jazzsprache“ gerne eine nachlesbare Erklärung. Bzw. was denn diese Floskeln sein sollen und warum gerade diese typisch sind, vor allem in Hinblick auf Progression und Innovation.

    Auch würde mich der Zusammenhang dieser Jazzsprache und der fehlenden Ernsthaftigkeit in der Intension des jazzspielenden Musikers bei Nichtverwendung entsprechender Floskeln bzw. der dieser Jazzsprache interessieren.

    Ist nichts persönliches und hat nichts konkret mit deinem Post zu tun aber diese Aussagen sind so oft zu lesen und nirgendwo erklärt, dass ich an dieser Stelle wirklich ernsthaft nach den Antworten beider Fragen nachhaken möchte.

    Bitte nicht auf irgendeine Jazz Harmonie Lehre hinweisen - ich habe einige gelesen und sicher auch verstanden.

    Mit geht es um die inhaltliche Klärung beider Begriffe und eine klare und nachvollziehbare Abgrenzung zur nichtjazzsprachlichen Improvisation über changes und Skalen.

    Schlicht und ergreifend bin ich an dieser Stelle wissensdurstig und glaube auch andere würden gerne wissen was es denn nun mit dieser Jazzsprache auf sich hat.

    Die Fragen gehen natürlich in die Runde und nicht nur an dich.

    LG Feuerstreuer
     
  4. rorro

    rorro Ist fast schon zuhause hier

    Wenn ich von der Idee ausgehe, dass Improvisation vor allem ein Akt der Kommunikation ist, dann müssen sozusagen Sender und Empfänger auf der gleichen Frequenz sein um sich zu verstehen.
    Das bedeutet es gibt einen Kontext des gemeinsamen Verstehens, einen Rahmen, den ich kennen und verfolgen muss, damit Kommunikation gelingt. Wer nur für sich bleibt, der braucht das natürlich nicht.
    Im Jazz ist dieser Rahmen oft das Spielen von Standards und bekannter Schemata (z.B. Blues oder Rhythm Changes). Und wie in jeder Sprache lernen wir vor allem durch Nachahmung, es gibt keine bessere Art des Lernens (lernpsychologisch, zumindest für die Mehrheit).
     
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  5. GelöschtesMitglied4288

    GelöschtesMitglied4288 Guest

    Wer improvisieren lernen möchte, sollte sich mit Timing, Rhythmus, typischen Floskeln der alten (und neuen) Meister, Skalen, Akkorden, etc beschäftigen. Man kann das einigermaßen gut mit einer Sprache vergleichen, wie es etwa der Aufbau eines Satzes sein könnte, die Auswahl der Wörter, etc. (hatten wir ja hier alles schon). Wenn man das gut verinnerlicht hat, ist der Weg offen für Neues. Eigene Wege zu bestreiten, ist meist das Bestreben vieler Spieler. Mit Jazzsprache meine ich persönlich eher das Endresultat eines, na ich sag mal geschulten Spielers als sich darauf zu reduzieren, nur bestimmte Floskeln abzuspulen! In meinem ImproKurs gehe ich immer wieder der Frage nach, was die Essenz des Jazz, eben der Sprache, die wir uns beim Spielen bedienen, nun eigentlich ist.
    Natürlich kannst du auch über einen Tune ins Horn hupen, wie du Bock hast. Aber möglicherweise hat es dann für mich wenig mit Jazz zu tun - es sei denn, Du weißt, was Du tust und es kommt bei mir (Empfänger) auch so an.
     
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  6. Rick

    Rick Experte

    Meiner Ansicht nach gibt es keine EINHEITLICHE Jazzsprache, sondern je nach Stil unterschiedliche "Dialekte". Allerdings herrscht ja seit einiger Zeit der Hardbop-Mainstream, er wird anscheinend auch an einigen Jazzhochschulen vorwiegend gelehrt, so wie ich das mitbekomme, und da gibt es eben einige typische Stilmerkmale, die jemand beherrschen sollte, wenn er sich in diesem musikalischen Kontext bewegt.
    Dazu gehören vor allem Elemente des Blues und des Bebop.

    Im Traditional Jazz (Oldtime, Swing usw.) gibt es hingegen eine andere "Sprache", in diesem Kontext kann man sehr anecken, wenn man dort die falschen "Wörter" benutzt. Ist aber natürlich alles fließend, wie immer in Kunst und Kultur, es gibt auch interessante Mischungen und mehr oder weniger strenge Musiker/Zuhörer. ;)
     
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  7. mato

    mato Strebt nach Höherem

    Ich weiß nicht, wo man das so direkt nachlesen kann, aber wenn du schon einige Harmonielehren durch hast, solltest du doch die Frage beantworten können. Approaches, Akkordtöne auf die Beats, Bebop-Scales, alterierte Dominanten - das sind für mich alles Elemente der Sprache mit denen man Jazz spricht.
     
  8. claptrane

    claptrane Strebt nach Höherem

  9. claptrane

    claptrane Strebt nach Höherem

    Und interessant ist, dass jeder der bekannten Meister diesen typischen Dialekt beherrscht, aber trotzdem noch wieder jeder seine eigenen typischen Phrasen (wie bei einer Erzählung bestimmte Redewendungen) einbringt, an der man sofort erkennt um wenn es sich handelt.

    Jeder kennt das bestimmt, dass er seine Lieblinge , egal um welches Instrument es sich dabei handelt( Lieblings Pianist, Gitarrist, Saxophonist...) sofort erkennt, auch wenn er gar nicht wusste , dass er da gerade mitspielt.

    So wie man jeden bekannten Menschen auch sofort an seiner Stimme erkennt.

    Faszinierend
     
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  10. TootSweet

    TootSweet Ist fast schon zuhause hier

    Ich habe mal in einer Swingband gespielt zu einer Zeit, während der ich mir wochenlang fast nur Jackie McLean angehört habe. Das war offenbar auch in meinem Spiel zu hören. Jedenfalls haben sie mich dann ausdrücklich wegen „fautes de goût“ (Geschmacksfehlern) rausgeschmissen ...
     
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  11. GelöschtesMitglied11578

    GelöschtesMitglied11578 Guest

    Jo

    aber das ist für mich ersteinmal die Harmonielehre an sich. Worauf ich mitlerweile ernsthaft amüsiert/pekiert reagiere ist das einbringen von abgrenzenden Standards und Qualitätssignalen innerhalb dieser Harmonielehre(n) und das sich darauf berufen das etwas innerhalb oder außerhalb dieser Standards liegt ohne diese je benennen zu können.

    Am Ende klingt das für mich irgendwie immer nach individuellem Geschmack und nicht nach universellen Doktrinen. Leider wird es aber sehr dogmatisch angebracht.

    ???

    Ok - evtl. solltest du uns das verbeispielen. Ab wann hat denn etwas nicht mehr mit Jazz zu tun, wenn die Harmonieregeln beachtet wurden?

    Keinen Swing zu spielen wenn die anderen im 20er Jahre Stil swingen, sondern 8tel-Ketten zu schmettern ist für mich erstmal nur fehlendes Einfühlungsvermögen. Jazz kann das trotzdem sein. Es gibt so viele sehr egozentrierte Spielen die zweifelsfrei Jazz spielen da würde ich soetwas noch gelten lassen. Aber gesucht ist ja auch das umgekehte Phänomen - und konkret benannt was denn nun diese Wörter und Floskeln sein sollen.

    Also konkret bedeutet es, dass mir unklar ist wie jemand entscheiden kann was nun genau nicht mehr jazzkonform ist, wenn die richtige Skale und die richtigen Töne zum Akkord gespielt wurden. Und ich meine jetzt nicht, wenn jemand am Timing vorbei agiert oder stilistisch gerade sich etwas absetzt. Mir ist auch klar das eine Akustikgitarre per se rockig gespielt werden kann oder nicht.

    Oder konkret: Ich will mal so einen Baustein konkret benannt haben der falsch und richtig eingesetzt worden ist. Bzw. was ich wissen muss und machen muss, außer der Beachtung der Harmonielehren, damit es Jazz wird, wenn ich genügend Gefühl aufbringen kann mich in den musikalischen Kontext einzubetten und die Changes bedienen kann.

    Oder ist das einfach wie in der Malerrei oder der Kunstfilmerrei in welcher "geheime Codes" verwendet werden um "geheime Botschaften" dem eingeweihten Publikum zu präsentieren. Also so wie Filmzitate im Filmzitat um durch Doppelebene den Handlungsstrang für den eingeweihten Rezipienten schonmal vorwegzunehmen, während der "normale" Zuschauer den Film bis zu Ende sehen muss?

    Also geht es dabei ernsthaft um Musik oder ist das mit der Jazzsprache elitäres Nischengeglucke?
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 23.September.2018
  12. murofnohp

    murofnohp Ist fast schon zuhause hier

    Entscheidet das nicht die Dschäspolizei?
    Spässle.
     
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  13. saxhornet

    saxhornet Experte

    Man hat das Gefühl dass dir Jazz als Musik etwas fremd ist Kann das sein? Harmonieregeln allein legen noch lange nicht fest, ob etwas Jazz ist oder nicht, denn es gab viele der Regeln bereits in der klassischen Musik, selbst melodisch findet man da Elemente des Jazz wieder. Bei Jazz kommen sehr viele Dinge zusammen, die wieder sich auch unterscheiden abhängig davon welchen Stil man spielt und die Grenzen sind heute eh fliessender.

    es gibt so viele sammlungen an licks, die jazztypisch sind (und trotzdem auch in anderen stilen verwendet werden, weil die grenzen mittlerweile sich aufweichen, deren ursprung oder zumindest häufige benutzung aber durchaus im jazz zu finden sind), das mir nicht klar ist warum du sowas nicht findest. Es gibt da zig bücher und sogar kostenlose sachen im internet.

    was heisst denn richtige Skalen und Töne? Oft ist die wahl der Skalen und Töne eine Frage der Melodie, die du über bestimmte Akkorde spielen willst. Das kann dann zu ganz unterschiedlicher wahl der Skalen und Töne führen.

    bei oldschool dixieland massiv bebopskalen, doppelt chromatic approach von oben und unten, tad dameron turn around als substitut für I VI II V benutzen, nur um ein paar beispiele dafür zu bringen was deplaziert wäre.

    nichts geheimes. Nur man muss sich schon ausreichend intensiv mit der musik auseinandersetzen, das ist wie mit einer sprache, sonst lernt man es nicht. Jazz ist schon komplex und selbst mit einem Leben wird man nicht die musik in seiner Komplexität und vielen stilen komplett erfassen, man hört nie auf dazuzulernen.

    wie oft habe ich das schon von Leuten gehört, die einfach keinen bock hatten sich da ausreichend mit auseinanderzusetzen. Ich hoffe du gehörst nicht zu diesen.
     
  14. rorro

    rorro Ist fast schon zuhause hier

    Entscheidend ist - dabei geht es gar nicht um die gerne umzankte Definition, was Jazz sei - ob Du allein spielst oder für oder mit anderen. Spielst Du für Dich (egal ob solo oder zu einem Playalong oder wie auch immer) und spielst frei nach Schnauze das, wonach Dir ist, dann ist das automatisch richtig und somit "richtiger Jazz".

    Spielst Du für oder mit anderen (oder zeigst es jemandem), so kommt es eben auf die gemeinsame Sprache an.

    Jazz ist Kommunikation. Du kannst Deine Geheimsprache, sozusagen deinen klingonischen Dialekt, für Dich alleine spielen - dann ist das richtig. Du wirst Dich ja hoffentlich selbst verstehen.

    Doch sobald Du mit anderen spielst, sieht die Sache anders aus.

    Die Frage, die saxhornet aufgreift: was wird gespielt? Wird Dixieland gespielt, dann erwarten Deine Mitspieler eine Improvisation vor allem mit Hilfe der Akkordtönen, nicht viel mehr. Spielst Du Bebop, so wollen Deine Mitspieler genau das NICHT mehrheitlich, sondern eben auch Alterationen, Enclosures etc.

    Ein Beispiel aus der nichtmusikalischen Sprache: in nahezu allen romanischen Sprachen ist das Wörtchen "la" u.a. der weibliche bestimmte Artikel und wird da so korrekt benutzt ("la maison", "la casa" etc.). Im Rumänischen, einer ebenso romanischen Sprache, wäre das falsch. Da bedeutet bspw. "la cinema" nicht "das Kino", sondern "zum Kino" bzw. auch "im Kino", la ist eine Präposition der Richtungsangabe.

    Es kommt auf das sprachliche Umfeld an, in dem Du Dich bewegst, ob Du verstanden (und daher gemocht) wirst.
     
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  15. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Nicht nur „Jazz“ ist Kommunikation, sondern Musik ist generell Kommumikation!

    CzG

    Dreas
     
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  16. saxhornet

    saxhornet Experte

    Wenn man es genau nehmen will, sollte man eher sagen Kommunikation ist ein Aspekt von Musik. Wenn ich das für mich in meinem stillen Kämmlein mache und zum Playback oder auch nicht spiele, ist es nicht automatisch Kommunikation, nur weil es Jazz oder Musik ist.
     
  17. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @Feuerstreuer

    Es ist ganz einfach und hier für jeden verständlich erklärt:

    „Yogi Berra erklärt Jazz:

    Interviewer: What do you expect is in store for the future of jazz trumpet?

    Yogi: I'm thinkin' there'll be a group of guys who've never met talkin' about it all the time...

    Interviewer: Can you explain jazz?

    Yogi: I can't, but I will. 90% of all jazz is half improvisation. The other half is the part people play while others are playing something they never played with anyone who played that part. So if you play the wrong part, its right. If you play the right part, it might be right if you play it wrong enough. But if you play it too right, it's wrong.

    Interviewer: I don't understand.

    Yogi: Anyone who understands jazz knows that you can't understand it. It's too complicated. That's whats so simple about it.

    Interviewer: Do you understand it?

    Yogi: No. That's why I can explain it. If I understood it, I wouldn't know anything about it.

    Interviewer: Are there any great jazz players alive today?

    Yogi: No. All the great jazz players alive today are dead. Except for the ones that are still alive. But so many of them are dead, that the ones that are still alive are dying to be like the ones that are dead. Some would kill for it.

    Interviewer: What is syncopation?

    Yogi: That's when the note that you should hear now happens either before or after you hear it. In jazz, you don't hear notes when they happen because that would be some other type of music. Other types of music can be jazz, but only if they're the same as something different from those other kinds.

    Interviewer: Now I really don't understand.

    Yogi: I haven't taught you enough for you to not understand jazz that well. „


    Zu Yogi Berra.....
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Yogi_Berra

    CzG

    Dreas
     
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  18. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Für mich schon, ich führe dann Selbstgespräche....meine ich durchaus ernst...

    CzG

    Dreas
     
  19. Rick

    Rick Experte

    Ja, so sind'se…. :lol:

    Eine wichtige Ergänzung zu allem Gesagten: Jazz hat für mich auch sehr viel mit Witz und Humor zu tun. Fehlt das, dann isses Rock'n Roll... :duck:
     
  20. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    ...und Jazz hat auch mehr mit Understatement als mit Blasiertheit zu tun. Sonst swingt es nicht... :cool2:
     
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