Wettbewerb und die Folgen

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von GelöschtesMitglied1589, 5.Oktober.2019.

  1. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Ich nehme den Beitrag von @Juju aus dem Lampenfieber-Thread zum Anlass, noch einmal den Begriff "Wettbewerb", "Competition", "Battle" zur Diskussion auszuschreiben.
    Biologisch betrachtet ist das Leben ein einziger Wettkampf vom Wettschwimmen der Spermien zur Eizelle bis zur Aufgabe des Kampfes unseres Organismus gegen die ein Leben lang in Schach gehaltenen Bakterien, die uns nach unserem Ableben "entsorgen" (wenn es nicht der Brennofen oder in früheren Zeitaltern der Säbelzahntiger tat).
    Ein damals recht bekannter Sessionsaxer aus NRW, z.B. auch für Herbert Grönemeyer im Studio und auf Tour aktiv, eröffnete eine Session nach einem Konzert in meiner Gegend ca. 1988 mit den Worten "Jetzt ist Krieg".
    Wieviel Wettbewerb ist hilfreich, inspirierend, fordern und fördernd, und wann ist das Gute darin aufgebraucht und wandelt sich ins Negative: Neid, Missgunst, Häme, Aggression etc?
    In meiner Pubertät war die Rivalität unter den lokalen Bands eine Selbstverständlichkeit: die anderen Bands wurden schlecht geredet, so gut es ging. Ich weiß noch, dass ich einen ungeliebten Konkurrent einer anderen Band auf einer (nie erschienenen LP) mit "verantwortlich für die Auslaufrille" verewigen wollte.
    Die Pubertät ist längst vorbei, mein Ehrgeiz und meine Rivalität ebenfalls. Empfinde ich noch Wettbewerb? Definitiv nicht mehr. Vielleicht ist es meinem eher introvertierten Wesen geschuldet.
    Im Jazz, so sagt man, ist ja der Wettbewerbsgedanke besonders ausgeprägt. Wenn das so wäre, wäre dieses Faktum neben meiner ausgeprägten Antriebslosigkeit und der damit verbundenen spielerischen Beschränkung sicherlich ein Aspekt, der eine Karriere als Berufsmusiker verhindert hätte.
    Freue mich über eure Gedanken zum Thema 'Wettbewerb' vor, auf und hinter der Bühne.
     
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  2. kokisax

    kokisax Strebt nach Höherem

    Ich stehe musikalisch ständig im Wettbewerb und zwar mit mir selbst.
    Aus Ehgeiz nehme ich mir Stücke vor um sie ständig zu verbessern und wirklich mit Musik auszufüllen.
    Dabei stolpere ich hin und wieder über eige Unzulänglichkeiten und versuche sie manchmal mit Hilfe eines netten Mitforisten auszumärzen.
    Die kleinen Schritte sind es die einen weiter bringen.......

    kokisax
     
  3. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Ich halte Wettbewerb bis zu einem gewissen Maß für nützlich. Wir spielen mit unserem Orchester bei den jährlichen Wertungs Spielen und natürlich freuen wir uns riesig, wenn wir wieder ganz vorne dabei sind. Aber wenn eine andere Kapelle klar besser spielt, dann kann ich mich auch neidlos für die freuen. Ich spiele nicht deshalb "besser", weil ich unbedingt Sieger werden will. Ich bemühe mich, es so gut zu machen, wie ich es nur irgendwie hin bekomme. Ich kann das für die anderen jetzt nicht sicher sagen, aber ich glaube dass keiner dabei ist, für den die Aussicht auf einen Punkte Sieg bei der Konzert Wertung ein besonderer Ansporn ist. Streber erkennt man in der Schule und auch im Orchester. :rolleyes:
    Es gibt auch nichts zu "gewinnen" außer eine lobende Anerkennung und die Freude am guten Gelingen der Stücke.

    Und das ist doch eigentlich das Beste was man überhaupt erhoffen kann.

    Ich weß jetzt allerdings nicht, wie es für diejenigen Kapellen aussieht, die bei der Punkte Verteilung weniger gut abschneiden. Da wird es wohl eher die Erfahrung sein, dass man noch ein gutes Stück besser werden kann. Und wenn es nur das Gefühl ist "ja, ich spiele noch nicht so gut, aber doch schon gut genug, dass ich hier mitspielen darf".

    Das hatte ich seit ich bei der Musik angefangen habe. Mittlerweile denke ich, dass ich schon zumindest im unteren Drittel mit leichter Bewegung zur Mitte angesiedelt bin. Da gibt's zwar jetzt auch keinen internen Wettbewerb um so etwas festzustellen, aber man vergleicht sich doch auch mit den Leistungen der Kolleginnen und Kollegen. Und wenn die in Summe das Niveau so weit heben, dass wie wieder eine "Auszeichnung" bekommen, dann kann ich mich trotzdem freuen wie ein Schneekönig. :woot:

    Wenn der Wettbewerb in einen Konkurrenzkampf ausartet, wo man den anderen wirklich als Gegner wahrnimmt, ist es mit der Nützlichkeit vorbei. Es sollte keine Situation im Leben geben, wo das passiert. Leider sieht die Wirklichkeit oft ganz anders aus. Freundschaftliche Wettbewerbe sind eher die Ausnahme.
     
  4. mato

    mato Strebt nach Höherem

    Wenn ich radikal konsequent bin, halte ich Wettbewerb in der Musik in keinem Maß für nützlich. Wer definiert die Maßstäbe, mit denen eine „musikalische Leistung“ gemessen und bewertet wird? Wenn man Musik als Kunst betrachtet, verhindert Wettbewerb Innovation in der Musik und persönliche Selbstverwirklichung auf dem Instrument.
    Leider bin ich oft nicht radikal konsequent und vergleiche mich dann mit anderen Saxophonisten und bewerte sie innerlich.
     
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  5. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Bei uns definiert das der Österreichische Blasmusikverband: OOEBV_Richtlinien_2019_2020.pdf

    Es ist natürlich schwer absolute Werte zu definieren, aber relative Werte sind durchaus zu ermitteln. Bei unseren Konzert Wertungen werden von vier Wertungsrichtern folgende Kriterien jeweils einzeln bewertet:
    1. Stimmung und Intonation
    2. Ton- und Klangqualität
    3. Phrasierung und Artikulation
    4. Spieltechnische Ausführung
    5. Rhythmik und Zusammenspiel
    6. Dynamische Differenzierung
    7. Tempo und Agogik
    8. Klangausgleich und Registerbalance
    9. Interpretation und Stilempfinden
    10. Musikalischer Ausdruck und künstlerischer Gesamteindruck
    Jedes Kriteium kann bis zu 10 Punkte erhalten. Es werden die Einzelwertungen der Richter gemittelt.

    Das ist natürlich nicht freihändig, sondern die Wertungsrichter sind erfahrene Leute. Die Partitur der Stücke wird jeweils während des Spiels noch mit Kommentaren versehen, was jedem der Richter aufgefallen ist. Da für diese Wertungs Spiele in jeder Leistungsstufe bestimmte Pflichtstücke zu spielen sind, kann man durchaus feststellen, wer das "besser" macht.

    Vergleichbare Kriterien gibt es auch für die "Marschwertung". Da zählt neben der musikalischen Qualität noch die optische Präzision in der Formation.

    Eine Veranstaltug wie der Song-Contest ist natürlich keine musikalische Wertung sondern ein Wettbewerb, welches Land mehr Fans mobilisieren kann. Über die "Qualität" der Stücke mag ich jetzt nicht streiten.

    Das ist natürlich eine ganz andere Anforderung. So etwas kann nicht "bewertet" werden. Als Orchester gelten natürlich schon technische Qualitäts Kriterien.
     
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  6. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Die gesamte Natur ist ja bekanntlich ein ständiges Fressen und Gefressenwerden, das Recht des Stärkeren ist das vorherrschende Gesetz.

    Der Mensch hat nun Hirn und Fähigkeit zur Empathie bekommen, und damit wäre er eigentlich in der Lage, diese Handlungsweise wenigstens im Umgang mit seinen Artgenossen zu überwinden. Leider zeigt die Geschichte, dass dem so gar nicht ist.

    Und so ist es kein Wunder, das auch im alltäglichen Leben immer noch und immer wieder viel zu oft das Gegeneinander über das Miteinander gestellt wird.

    Ja, und selbst aus den einfachsten gemeinsamen Tätigkeiten muss immer gleich auch ein Wettbewerb gemacht werden.

    Wie auch @mato ertappe ich mich auch immer wieder dabei, andere Saxophonspieler auch qualitativ zu bewerten, und mit mir selbst zu vergleichen. Und immer wieder stelle ich auch fest wie blödsinnig das doch eigentlich ist.

    Gestern in der Band hatten wir wieder das Phänomen. Es wollte einfach nicht so recht gehen. Und schnell ist man bei der Hand, Fehler bei den Mitspielern ausfindig zu machen. Manchmal stimmt es sogar, aber es führt zu Nichts. Erst als wir uns darauf besinnen konnten, dass wir ja doch gemeinsam etwas schaffen wollen, mit dem Können und Nichtkönnen jedes Einzelnen, da kamen wir auch wieder zu einem positiven Ergebnis.

    Gruß,
    Otfried
     
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  7. Wanze

    Wanze Strebt nach Höherem

    Ich glaube ja, dass zwei Musiker sobald sie zusammenspielen sofort abchecken: Spielt der Besser als ich? Klingt der besser? Kann der schneller spielen? … aber dafür habe ich das tollere Equipment... etc.
    Das ist wohl genetisch programmiert...
    Also kann man das nur akzeptieren oder - anstatt sich dafür zu schämen - ausnutzen: Wenn ich mich auf dem Bass verhaue, schaue ich tadelnd zum Gitarristen rüber :oops: und drehe meinen Verstärker noch ein bisschen lauter :D
    (das mit dem tolleren Equipment funktioniert bei mir leider nicht)

    Grüße,

    Wanze
     
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  8. saxhornet

    saxhornet Experte

    Mir erschliesst es sich nicht warum man sich als Ensemble solchen Kriterien und Wettbewerben aussetzen sollte. Mit Musik machen hat das Nichts mehr zu tun und zu guter Musik oder gut gespielter Musik führt das auch nicht zwangsläufig.
     
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  9. saxhornet

    saxhornet Experte

    So läuft es ab, wenn man nicht wirklich versucht miteinander zu musizieren. Konkurrenzdenken ist fürs Musizieren nicht hilfreich.
     
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  10. Wuffy

    Wuffy Gehört zum Inventar

    Besser hätte ich es nicht ausdrücken können, als einsamer Einzelkämpfer..... jetzt ja schon länger.

    Gr Wuffy
     
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  11. jabosax

    jabosax Ist fast schon zuhause hier

    Höher, schneller, weiter = besser (?)
    Technisch und als Akrobatik ja, aber als Musik? Musik ist kein Sport.
    Gute Musik berührt, das ist rein subjektiv und nur bedingt von Leistungskriterien abhängig.
    Musik berührt mich eher, wenn Musiker miteinander spielen und nicht gegeneinander. Selber mit anderen Musik machen befriedigt mich auch nur dann, wenn wir gemeinsam etwas schaffen, im "flow" sind...

    LG Jabo
     
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  12. kokisax

    kokisax Strebt nach Höherem

    Ein Dirigent aus meinen Jugendjahren hat sich strikt geweigert von "irgendwelchen Richtern und Erbsenzählern" musikalisch bewertet zu werden.
    Wir spielten auch so auf höchstem Niveau.
    Später war er für einge Jahre Leiter des Toky Kosei Wind Orchestra, Gastdirigent bei weltbekannten Symphonieorchestern, wusste also Bescheid.......

    kokisax
     
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  13. Rick

    Rick Experte

    So geht es mir auch! Als Lehrer boykottiere ich Wettbewerbe wie "Jugend musiziert", weil da meiner Ansicht nach eine bestimmte Denkweise anerzogen wird, die dann später zu immer mehr Rivalität und Virtuosentum anstelle von tatsächlichem Künstlertum führen kann.

    Als Jugendlicher habe ich im Klavierunterricht die "Aufforderung zum Tanz" von Karl Maria von Weber einstudiert, mit sehr guter interpretatorischer Anleitung durch meine (kunstverständige) Lehrerin. Zufällig entdeckte ich eine Aufnahme dieses Stücks in der Plattensammlung meiner Eltern und wollte endlich mal hören, wie das denn "amtlich" gespielt klingt. Zu meiner Enttäuschung spielte der Pianist darauf das Stück dermaßen absurd schnell, dass ich praktisch nichts davon wieder erkannte, und von der Interpretationsidee meines Unterrichts war diese Version weitestmöglich entfernt. Und zu meinem Frust spielte der Pianist auch noch technisch völlig perfekt - für mich völlig unerreichbar! :eek:
    Daraufhin stand für mich fest, dass ich kein klassischer Pianist werden wollte, wenn so etwas dann von mir erwartet würde... :roll:

    Ist das wirklich so? Jedenfalls nicht nach meinem Verständnis und nach meiner Erfahrung.
    Ich kenne Rivalität und Konkurrenzkampf vor allem aus dem Bereich der "Hochschuljazzer"(*), wohl weil sie sich ja schon im Wettbewerb mit den anderen Bewerbern (hundert Anwärter, nur einer kann genommen werden) ihren Studienplatz gewissermaßen "erobern" mussten. Das bedeutet, dass sie ohne diesen Wettbewerb im Blut gar nicht erst so weit gekommen wären!

    Als Autodidakt ohne abgeschlossenes Studium (ich habe mich diesem Wettkampf von vornherein verweigert, weil er meiner Mentalität und meiner Auffassung von Kunst komplett widerspricht) schätze ich im Gegenteil den Teamgedanken, das "Füreinander einstehen", Zusammenarbeit anstelle von Konkurrenz.
    Ich werde u. a. deshalb gern als Aushilfe in vielen Ensembles engagiert, weil die Saxer, die ich vertrete, wissen, dass ich sie nicht ausstechen und ihren Platz erobern will, sondern dass für mich der Gedanke von "leben und leben lassen" an erster Stelle steht.
    Selbstverständlich schmeichelt es mir, wenn ich nach einer Aushilfe in einer Big-Band gesagt bekomme, ich hätte den Part vom Blatt besser gespielt als es der normale Musiker nach Jahren jemals könnte, aber das ist auch schon alles, ich respektiere trotzdem den Kollegen und frage nicht nach, ob ich denn an seiner Stelle fest mitspielen könnte (genau so etwas habe ich aber schon öfter mitbekommen, gerade von "Studierten"). (*)

    Auf lange Sicht überlebt sowieso derjenige auf der freien Wildbahn, der teamfähig und fair ist, und nicht derjenige, der immer nur der Beste und Stärkste sein will. Das gilt meines Wissens aber auch im Tierreich, denn Darwins Erkenntnis lautete eben nicht "Survival of the strongest", sondern "Survival of the FITTEST". Und zur "Fitness" des Menschen gehört vor allem das Sozialverhalten in der Gemeinschaft, denn nur gemeinsam kann man auf Dauer überleben. :cool:


    (*) Nein, bitte nicht schon wieder als pauschales "Hochschulbashing" missverstehen, das stellt nur meine persönliche Erfahrung in meiner Umgebung dar.
    Selbstverständlich kenne ich auch zahlreiche sehr faire und teamfähige Kollegen, die Jazz studiert haben - aber WENN sich jemand häufiger asozial verhält, dann nach meiner Beobachtung überwiegend Ehrgeizlinge aus dem Hochschulmilieu. Denn sie sind eben entsprechend geprägt. Bei den allermeisten geht solche ständige Wettkampfmentalität allerdings auf längere Sicht nach hinten los, und irgendwann mag sie keiner mehr für seine Band engagieren - außer sie ändern ihre Einstellung zu sich, den Kollegen und dem Leben...
     
    Zuletzt bearbeitet: 6.Oktober.2019
  14. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Wir müssen sowieso für jedes Konzert neue Stücke einstudieren. Da sind dann die Wertungs Stücke gleich dabei. Wir haben also die Chance, die anspruchsvollen Stücke, die so mühsam engelernt wurden ein zweites Mal zu spielen. Diesmal nicht nur vor "Laien Publikum", sondern vor Fachpublikum. Da sind nicht nur die Wertungs Richter gemeint, sondern die zuhörenden Kapellen - die auch mal hören wollen wie xxx klingt.

    Es ist einfach eine Festival Stimmung, egal wie man bewertet wird. Soweit ich weiß wurde nur einmal eine Kapelle herunter gestuft. Die haben sich aber wirklich mit den Stücken übernommen und waren nicht auf dem Niveau für das die Stücke gedacht waren. Die Einstufung ob man in A, B, C, D oder der Kunststufe antreten will ist ja erst einmal eine Selbsteinschätzung. Es ist weder für den Dirigenten noch für die Musiker und auch für's Publikum keine Freude, wenn man sich an Werken abmüht, die einfach zu schwer sind und dann nicht klingen. Dann lieber eine Stufe leichter, dafür aber schön.

    Die Bewertung ist ja auch sehr detailiert und eine Hilfe für den Kapellmeister. Und natürlich auch Teil der Reputation, wenn er/sie es regelmäßig schafft, einen Sack voll ungelernter Freizeit Musiker Musiker zu einer guten Leistung zu bringen. Man bekommt Feedback von Unbeteiligten, die auf verbesserungsfähige Dinge hinweisen, an die man sich vielleicht selbst schon gewöhnt hat. Manche von uns gehen ja auch zu einem Lehrer in den Unterricht und sind dann froh, wenn der konstruktive Kritik anbringt, wie man sich noch verbessern kann.

    So ein Wettbewerb ist quasi wie ein Besuch in der Master-Class für's ganze Orchester.

    Der Blasmusikverband hat sich diese freundschaftlichen(!) Wettbewerbe auch deshalb ausgedacht, um Werbung in eigener Sache zu machen. Um die Blasmusik in der öffentlichen Wahrnehmung zu stärken. Das und das aktive Musikschulwesen haben maßgeblich dazu beigetragen, dass bei uns viele Leute überhaupt musizieren.

    Wenn jemand gerne Musik macht, dann möchte man das im Normalfall auch irgendwan jemandem vorspielen. Nichts ist trauriger als ein Konzert auf das man sich lange vorbereitet hat und dann kommt keiner. Also wird ein Wenig Brimborium veranstaltet. Zu den Wettbewerben kann jeder kostenlos kommen und sich zwei Tage lang das Beste an Blasmusik anhören das der Bezirk zu bieten hat.

    Und dann erfahren wir wieder, dass es mit der Intonation noch genauer gehen könnte, dass die Blech Bäser von hinten gelegentlich auch etwas leiser spielen können um die Flöten vorne nicht zuzudecken und dass wir den Anweisungen des Dirigenten recht gut gefolgt sind und im Gesamten das Feeling des Stückes großartig vermittelt haben. :)

    So, und jetzt gehe ich wieder üben. Zwei Stunden Konzert Stücke und noch mal zwei für die Quartett Mappe. :dead:
     
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  15. altoSaxo

    altoSaxo Ist fast schon zuhause hier

    Als Teenager spielte ich mit Freunden in einer Rockband Keyboards. Wenn meine Mitmusiker von anderen Keyboardern schwärmten war ich einerseits neidisch, andererseits weckte das meinen Ehrgeiz, besser zu werden. Es war also eine extrinsische Motivation.

    Ich halte aber eine aus dem Inneren kommende (intrinsische) Motivation längerfristig und für die Musikalität für viel wichtiger und hilfreicher. Nur für die Anerkennung von anderen besser zu werden oder um besser als jemand bestimmtes zu sein, dürfte zu einer verbissenen Haltung beim Üben führen und Kreativität und Interesse an tieferem Eindringen in Musik blockieren.

    In zahlreichen Interviews von Musikern habe ich gelesen, dass es wichtig ist, ein verlässlicher Teamplayer zu sein, wenn man als Musiker erfolgreich sein möchte. Wenn man mit anderen zusammen musiziert, ist ein Konkurrenzdenken nach meinem Eindruck hinderlich, weil es Kapazitäten vereinnahmt, die man besser dazu nutzt, aufeinander zu hören und sich für das Gesamtergebnis der Band einzusetzen. Bezogen auf eine Jazzband: wenn sich alle als Konkurrenten sehen, wo jeder besser als die anderen dastehen möchte, kann der einzelne bei Soli kaum auf die optimale Begleitung der anderen hoffen, die aber ein ideales Solo erst zur Wirkung bringt.
     
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  16. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Wettbewerb im Jazz ist definitiv vorhanden und sehr fascettenreich, auch die Motivation diesbezüglich. Jede regelmäßige Session, von amateurdominiert bis zu hochgradig professionell, ist ein eigener Mikrokosmos, und da gibt es ungeschriebene Regeln (je nach Örtlichkeit sehr verschieden), die man erstmal verstehen muss. Das kann auch teilweise sein, weil man den "Neuling" erstmal beschnuppern will und sehen, ob er/sie "würdig" ist, zu dem inner Circle dazuzugehören, also quasi ein Aufnahmeritual. Und je nach Session gibt es da auch unterschiedliche ungeschriebene Regeln ("ach Du je, für DAS Stück kramt er jetzt das RealBook raus" oder "sich DAS Stück wünschen geht doch gar nicht" oder "jetzt haben wir schon zwei Medium-Up Swing-Stücke in Eb gespielt, und der schlägt xx vor, das geht ja gar nicht etc..."
    In New York finde ich es richtig brutal und habe es bis heute nicht so richtig verstanden, da ich auch erstmal immer davon ausgehen würde, dass man doch zusammen nett und entspannt Musik machen will und sich somit auf einen gemeinsamen Nenner einigt. Aber weit gefehlt, das ist ein Challenge, da werden Reviere abgesteckt. Ich glaube aber, die Motivation dahinter ist letztendlich gut gemeint: Es geht darum, den Jazz auf höchstem Niveau zu erhalten und nicht zu verwässern - "wenn Du da abkackst, geh nach Hause und mach Deine Hausaufgaben, komm dann in einem Jahr nochmal wieder" oder so in der Art. Ich denke, wenn man als Musiker einigermaßen Gefühl für die Szene hat und sich selbst realistisch einschätzen kann, hält man sich da auch raus. Die Bluffer kriegen halt eins auf Dach, aber die merken es teilweise vielleicht nicht mal selbst. Dave hasst das absolut, es ist auch ein New York Thing, dass im Publikum anwesende Musiker bei regulären Konzerten meistens im späteren Set aufgefordert werden, einzusteigen. Wenn man da das Instrument dabei hat (weil man vielleicht von einem früheren Gig oder einer Probe kommt), ist man schon verloren. Da muss man dann auf die Bühne und wird noch nicht mal gefragt, was man denn evtl spielen möchte. Und immer ist da dieses Abchecken (durchaus auch wohlwollend), wie sich der "Kandidat" dann wohl in der entsprechenden Situation schlägt.
    Für Dave sind Sessions Gift, weil es eh klar ist, dass die jungen heißblütigen Cracks ihn herausfordern wollen. Da geht es um Platzhirschgehabe und sonst nichts.
    Die berühmt-berüchtigten Tenor Battles sind eben auch, was der Name schon vorgibt, wenngleich mit humorvollem Unterton. Aber es ist trotzdem immer eine Art Boxkampf, und auch als Zuhörer diskutiert man das ja dann mit Worten wie "He buried him on this tune" oder "He totally destroyed him" oder ähnliches. Gut zu hören bei der live Aufnahme mit Dexter Gordon und Gene Ammons bei The Chase - Dexter pulverisiert Gene Ammons regelrecht...
    Von daher bin ich auch immer etwas zögerlich bei den Two-Tenor Gigs, die ich mit Dave spiele, denn ich habe nicht das Gefühl, dass ich ihm irgendwas entgegensetzen kann, und wenn er will, könnte er mich tatsächlich völlig begraben, aber er ist immer extrem fair, wenn wir zusammen spielen, und vielleicht sind es auch die spielerischen Gegensätze, die dem Publikum gefallen (ich kann eben nicht bei einer Salve von 16tel Läufen mit einer weiteren 16tel Salve kontern sondern höchstens mit einer kleinen Melodie...).
    Dieses Konkurrenz-Ding sehe ich wiederum in engem Zusammenhang mit der Konzentrations-Geschichte, denn in der beschriebenen Situation, wo mein Lehrer mir (scherzhaft aber nichtsdestotrotz) zuraunt, er wird mich gleich in Grund und Boden spielen, das verändert den Fokus, wenn man nicht aufpasst von "Ich habe Spaß, und wie toll ist das, mit so tollen Musikern zusammenzuspielen" zu "Oje, was spiele ich da jetzt absolut Großartiges, damit ich nicht völlig wie ein Anfänger dastehe", und dann spielt man auch wie ein Anfänger, weil der Fokus weg von der Musik ist...

    LG Juju
     
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  17. ppue

    ppue Experte

    Ich kenne unter Berufskollegen keinen Wettstreit und empfinde meine Berufsgruppe als sehr tolerant und empathisch. Bin aber auch immer in speziellen Kreisen unterwegs gewesen.
     
  18. Guido1980

    Guido1980 Ist fast schon zuhause hier

    Und genau so hat Frank Kirchner auch auf Sessions immer gespielt. Im Jazz Keller Krefeld hat er mal so extasisch gespielt das er während seines Solos mehrmals mit dem Hinterkopf an einer Betonsäule anschlug was einen roten bleibenden Eindruck an der Säule hinterließ. Ich bin mit Hörschaden und Kopfschütteln erstmal raus eine rauchen. ..
     
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  19. saxhornet

    saxhornet Experte

    Rick, lass es doch einfach. Deine Ausführungen machen es nicht besser. Das erinnert an die Leute, die sagen: ich habe nichts gegen Ausländer aber........


    Es gibt nette und weniger nette Menschen, so ist das auch bei Musikern, ob sie studiert haben oder nicht, ist dafür unerheblich und hat damit nichts zu tun.
     
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  20. Rick

    Rick Experte

    Ganz im Gegenteil ist das für mich "system-immanent" und liegt an den rigorosen Auswahl-Methoden bei der Studienplatzvergabe, für die viele Schüler offenbar von Anfang an gedrillt werden, siehe "Jugend musiziert".
    Ich wäre wirklich froh, wenn solche Wettbewerbssituationen aus der Musik verschwinden würden, denn sie vergiften meiner Ansicht nach das Klima und lenken vom Eigentlichen ab, nämlich Kunst und Unterhaltung.
    Für mich sind "artistische" Darbietungen oft weitestgehend frei von Kunst und sollten eine Schattenexistenz führen, tatsächlich aber greift der "olympische Gedanke" nach meiner Beobachtung immer mehr um sich, von Wertungsspielen bis hin zu Casting-Shows soll immer irgendeiner "der Beste" sein und "gewinnen"...

    Ich möchte aber gerne erklären, wieso ich zu diesen Eindrücken komme. Auch einem Ausländerhasser gestehe ich zu, mir seinen Standpunkt und vor allem die Begründung für seine Meinung zu erläutern, anstatt ihn nur abzulehnen. Jeder macht seine Erfahrungen, die sollte man nicht ignorieren oder gar für unangemessen erklären, sondern gemeinsam versuchen, daraus ein objektives Bild der Realität zu formen.
    Ich schildere meine Beobachtungen, Du kannst gerne über anderslautende oder gar gegenteilige Erfahrungen berichten. Schließlich leben wir ja auch in unterschiedlichen Regionen und haben deshalb vielleicht unterschiedliche Erlebnisse. Und ich gestehe jederzeit zu, möglicherweise komplett daneben zu liegen!
     
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