Miniserie zu alterierten Dominantskalen

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von GelöschtesMitglied4288, 5.Juli.2021.

  1. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Lieber ppue, ich sehe keinen inhaltlichen Gegensatz. Du listest gründlich die (altbekannte) Austauschbarkeit die möglichen Varianten von G7alt und Db7#11 etc auf, natürlich sind diese ganzen Möglichkeiten da drinn.

    ". . . diese Finessen nur dadurch entstanden sind, dass Piano und oder Bass den chromatischen Vorhalt als interessante Figur einfach unter die, wie auch immer gegfiffene, Dominante gesetzt haben."
    Eben, und eine der Varianten des Greifens der Dominante war auf dem Halbton über dem Zielakkord. Eine ganz einfache Veränderung vielleicht eines Gitarristen (auf der Gitarre kann man leichter auf so eine Idee kommen als zB. auf einem Piano, weil eine Akkordstruktur ohne Nachdenken einfach auf dem Griffbrett verschoben werden kann). "Das Tritonussubstitut war somit schon vor seiner Erfindung da, nur hat es noch keiner entdeckt."
    Genau :)

    Ob jetzt im Jazz die Tritonusvertauschung (die es vermutlich schon bei J.S. Bach gibt) zuerst durch ein solch einfaches Einschieben eines Akkords oder durch das (vermutlich doch später geschehene) detailierte Auschecken der harmonischen Finessen initiiert wurde, ich vermute ersteres, aber darüber braucht man sich nicht wirklich streiten.

    schönen Abend noch
     
  2. ppue

    ppue Mod Experte

    Ich habe das alles nicht geschrieben, lieber @Werner, um dich zu widerlegen. Wollte das Thema nur für eine größere Leserschaft etwas ausführen.

    Ich glaube dennoch, dass dass das Substitut nicht auf dem einen Instrument entstanden ist, sondern eher auf zweien. Dem Bass und einem anderen Harmonieinstrument. Der Gitarrist weiß ja, dass er einen Halbton über der ersten Stufe ist. Der Bassist weiß nicht, dass er den gesamten Akkord umdeutet, nur weil er chromatisch überleitet.

    Auf dieses unbewusste Element zielte ich ab. Ist aber auch nicht so wichtig, höchstens interessant (-:
     
    gaga gefällt das.
  3. GelöschtesMitglied11578

    GelöschtesMitglied11578 Guest

    hmmm …


    Bei mir stellt sich trotzdem immer wieder die gleiche Wahrnehmung ein.

    erst gehst du mit einer provokanten These in die Diskussion und unterstellst anderen falsche Aussagen.

    Dann zerfleischen sich alle um
    Dein ( vemulich absichtliches) falsches verstehen der Fakten zu korrigieren.

    Und anschließend formulierst du bekannte Fakten als deine Wahrheiten und schmückst diese mit hypothetischen Fakten.


    Es gibt verschiedene Sichtweisen und mögliche Deutungen.

    Es wäre sicherlich annehmbarer deine Beiträge präsentiert zu bekommen ohne das jedesmal deine Vorlieben und Abneigungen die Grundlage dafür sind, die Beiträge und Inhalte anderer User zu diskreditieren.

    Trotzdem immer wieder amüsant das hinterher nochmal nachlesen zu können.

    in dem Sinn … vielleicht einfach mal verstehen wollen ( ich spare mit mal das zitieren deines Beitrags an der Stelle)

    :)
     
  4. ppue

    ppue Mod Experte

    Darf man das nicht diskutieren? Ein ethisches Problem oder eher ein persönliches?

    Sag doch einfach deine Meinung dazu. Wie ist das Tritonussubstitut entstanden?
     
  5. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Naja, provokant wird die These allenfalls dadurch, dass dieser inhaltliche Disput zur von Zeit zu Zeit in nahezu identischer Form auftaucht und sich dann zeigt, dass trotz beidseitiger Aufzählung aller Argumente weder der Eine den Anderen überzeugt hat noch umgekehrt. Wir müssen uns damit abfinden, dass es a) entweder keinen Konsens gibt oder b) die Synthese der Standpunkte noch etwas mehr Diskussionen und Zeit in Anspruch nehmen wird. :)

    Ich versuche aber mal @jazzwomans Thread auf der Sachebene zu halten. In der Jazz-Improvisation bin ich Autodidakt und habe ein paar Irrwege beschritten (lernen nennt man das). Gerade beim Thema Tritonusubstitut und alteriert gibt es einen schon angesprochenen rhythmischen Gesichtspunkt, den ich relativ wichtig und ziemlich vernachlässigt finde:

    Ich bin erstmal indifferent, ob ich mir eine Tonleiter durch die einzelnen Intervalle merke (alteriert 1-b2-b3-3-#4-#5-b7) oder als Herleitung einer anderen Tonleiter (Melodisch Moll von der b2, Lydisch-Dominant von der +11 oder Lydisch-Übermäßig von der 3). Wenn ich am Anfang stehe kann es mir herzlich egal sein, welchen Weg ich gehe, denn beides kann ich nicht, ich kann mich nur verwirren lassen, aber lernen muss ich es am Ende selber. Oder vielleicht bin ich gut in der "räumlichen" Vorstellung im Tonraum, dann ist es mir aus anderen Gründen egal, wierum ich aufs Pferd steige.

    @ppues Methode zielt auf Einfachheit. Wenn ich mir die Intervalle merke, muss ich nichts mehrdimensional im Kopf hin- und herschieben und kann unmittelbar von jedem Ton aus agieren. Das wirkt sich zum einen günstig aufs Tempo aus und zum anderen lernt man die Intervalle im Tonraum auswendig kennen. Es ist erstmal der direkteste Weg.

    Die Herleitung über eine andere Tonleiter, wie z.B. im von @Ton Scott verlinkten Artikel, hat den Nachteil, dass ich die Funktionen der Töne im aktuellen Akkord vielleicht nicht mehr auf Anhieb weiß und neu lernen muss. Wo ist denn meine aktuelle b7, wenn ich mit melodisch Moll von der 4. Stufe begonnen habe? Da kann man durchaus mal den Überblick verlieren. Die Methode hat aber den großen Vorteil, dass ich eine eingehende, melodiöse Skala (und alteriert ist das nunmal nicht) direkt nutzen kann, vielleich aus dem Bauch heraus. Wie ein Kochrezept - und am Ende schmeckts, ohne dass ich das Warum komplett wissen muss. Und somit wird es vielleicht auch einfacher, Melodielinien zu finden - denn in melodisch moll eine schöne Melodie zu spielen ist viel einfacher als in alteriert.

    Der Gesichtspunkt auf den ich hinaus will geht noch ein bisschen weiter in Richtung dessen was Barry Harris häufig anspricht als rhythmische Struktur:
    Wenn ich, wie im Swing und Bop üblich, 8tel-Linien spiele, höre ich beim Spielen einer Skala auf den Zählzeiten einen Akkord: 1-2-3-4-5-6-b7 (wenn man jetzt weiterspielt hört es auf zu funktionieren, dann landen wir auf 9, 11 und 13 und verlassen den Mutterakkord, weshalb es chromatische Fülltöne oder Bebopskalen gibt, die mich in der Symmetrie weitermachen lassen: 1-2-3-4-5-6-b7-7-1-2-3-4-5...).

    - Mache ich das mit der alterierten Skala, so wie sie da steht, dann wird es super-lokrisch und damit super-dunkel: 1-b2-b3-3-b5-#5-b7. Das ist halbvermindert, nicht der typische Dominantklang, da fehlt einem schon etwas die Durterz. Und das ist der Grund, warum skalenorientierte Anfängerimprovisiationen bescheiden klingen, sobald alteriert auftaucht.
    - Spiele ich melodisch Moll von der b2 bekomme ich: b2-b3-3-#11-#5-b7-1. Da klingt übermäßig-b9 und das deckt sich schon mehr mit dem dominantischen Höreindruck.
    - Spiele ich Lydisch-Dominant von der #11 dann bekomme ich: #11-b6-b7-1-b9-b3-3. Jetzt habe ich einen 7b5b9-Akkord, feinster Jazz-Dominantklang. Hier könnte man jetzt wieder weich werden und in die umstrittene Herkunftforschung desTritonussubstituts einsteigen. Darf aber jeder für sich selber durchdenken, wenn er will.
    - Spiele ich Lydisch-Übermäßig von der 3 bekomme ich: 3-#11-#5-7-1-b9-#9. Hier sind ist es übermäßig und die #9, also wieder ein anderer Geschmack.

    So lange ich nicht felsenfest im Gefühl habe, was ich genau spielen will, brauche ich ein Gerüst oder eine Methode, wie ich diese Skalen "verachteln" kann, wo ich anfangen kann und wo ich landen werde. Es geht eben nicht nur um Ton-Auswahl, sondern um Gewichtung, Struktur, Anfangs- und Endpunkte. Wenn man zu alle meine Entchen improvisiert, bekommt das jeder automatisch hin bei beliebigen Startpunkten über eine Melodielinie einen Akkordton zu einer Hauptzählzeit anzupeilen. Alteriert ist da in Sachen Eingängigkeit ungefähr das andere Ende der Skala.
     
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  6. ppue

    ppue Mod Experte

    Wie schon oben beschrieben, würde ich die Leiter auftaktig spielen, also 1| b2-b3-3-b5-#5-b7-8


    Mit den Herleitungen ist das ja so, dass man sie größtenteils zur Verständigung gebraucht, also alles nicht so tragisch. Willst du die Skalen praktisch einsetzen, musst du sie nicht nur in den Fingern haben, sondern auch ganze Module, die man aus den Skalen gestrickt hat, abrufen können. Nennt man auch Licks, die eben solche rhythmischen Feinheiten, die dir am Herzen liegen, berücksichtigen.
     
    Zuletzt bearbeitet: 21.Juli.2021
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  7. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ja, das ist schon richtig. Man kann so viele Licks lernen und so viele Soli transkribieren, dass der Klang der jeweiligen Skalen in ihrer Anwendung in Fleisch und Blut übergeht. Bei Dur haben das die meisten schon im Kindesalter mehr oder weniger drauf.
    Die Akkord-Skalen-Herangehensweise will aber eigentlich das Tonmaterial so gut vermitteln, dass man ohne die alte Schule des Nachahmens mit dem richtigen Baustoff gleich die eigene Kreativität spielen lassen kann, zumindest gibt sie das teilweise vor. (Den Ansatz finde ich sogar ehrenwert, denn es ist eine erklärte Hommage an die Individualität.) Es geht aber regelmäßig in die Hose, wenn die "rhythmischen Feinheiten" wie du sie nennst, zu kurz kommen.
     
  8. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Und das sind in etwa die Gründe, warum ich mittlerweile eher über die Dominate ein Halbton über dem Zielakkord denke, also das besagte Db7 (#4) verwende statt G7 alt.
    Ich zitiere mich mal selber :) :
    "Und das Wesentliche eben ist die spannungsfördernde Setzung des Db7 als letzten Schlags der Dominante und seine entspannende Auflösung ein Halbton tiefer. Und diese entspannende Bewegung des absteigenden Halbtons bleibt auch in der Melodiebewegung fühlbar. Insofern ist vermutlich der Akkord Db7 ursprünglicher, wenn man so will archaischer als der Akkord G7alt. Praktisch bedeutet das für mich(!), das die Verwendung von Db7 eine stärkere melodische Wirkung (der Spannung und Entspannung) hat als G7alt. Das wird für mich noch deutlicher, wenn ich chromatische Zwischenschritte so in das Db7 einbaue, das die nicht-Akkordtöne auf die offbeats und Akkordtöne auf den onbeats landen, wie von Barry Harris empfohlen."

    Insofern ist es ev nicht ganz egal, was zuerst da war, G7alt oder Db7(#11) (was im Übrigen nicht das Thema war).
    Das Db7(#11) hat alle die Vorteile der Einfachheit, die du zu recht bei alteriert vermisst (Db7#11 ist schon mal eine "normale" Durskala, bei der eben nur 2 Töne verändert wurden (die 7 und die 11)). Db7 ist insofern imho per se melodischer als G7 alt. Jedenfalls dann wenn man unter Melodik eine einfach findbare und ausführbare Form von Tönen versteht, und entsprechend die Nachvollziehbarkeit beim Hörer. Und wie eben schon das leicht mögliche Auffüllen der offbeats durch chromatische Zwischentöne zeigt.
     
    Zuletzt bearbeitet: 21.Juli.2021
  9. GelöschtesMitglied4288

    GelöschtesMitglied4288 Guest

    Die Auflösungen hat man doch eines Tages hörtechnisch so drauf, da würde ich mich überhaupt nicht verrückt machen. (Man wünschte sich fast, man würde sie nicht mehr hören :confused:). Das geht eines Tages echt automatisch. Ansonsten muss jeder selbst gucken, wie er am besten lernt. Mir persönlich nutzen die ganzen Herleitungen nur bedingt etwas. Sicher sind sie hilfreich, aber wenn ich die Harmonien sehe, wil ich in ersten Linie agieren und habe keine Zeit zum überlegen. Mich hat das jedenfalls immer gebremst.
     
  10. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Ja klar. Ich denke nur, imho, das der Prozess des Automatisierens schneller und einfacher geht, wenn die verwendete Skala einfacher anwendbar ist.
     
  11. GelöschtesMitglied4288

    GelöschtesMitglied4288 Guest

    Du hast diesen Weg gewählt und kommst damit gut klar. Ich meinerseits mache das nicht so, und empfinde es inzwischen als sehr bereichernd zu wissen, welche Spannung, mich wohin führt. Daher meine systematische Herangehensweise des Erlernens der Skalen. Sie sind schlussendlich ja auch nur ein Werkzeug.
     
  12. GelöschtesMitglied11578

    GelöschtesMitglied11578 Guest

    Irgendwie hab ich das Gefühl ihr habt euch die Videos nicht angesehen. @jazzwoman hat doch deutlich ihr modulates Konzept dargelegt. Auch IHR Umgang mit der b9#9 Problematik und ihr Ansatz geht doch deutlich auf die tonale Wirkung der einzelnen Töne ein bzw. liegt ja darin die Intension flexibler mit dem Tonmaterial umgehen zu können, da man anhand des Intervalls dessen Wirkung einschätzen kann.

    Alles weiter erwähnte ist darin enthalten.

    Jetzt mit Jazzarzikulation und barry Harris zu kommen ist doch ein ganz anderes Thema.


    Habt ihr die Videos gesehen?
     
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  13. kindofblue

    kindofblue Strebt nach Höherem

    Verständnis und Wissen der Theorie ist schon super. Am wichtigsten ist aber die Funktion und Herleitung der Skalen.
    Schlussendlich aber soll das Gehör unsere Finger leiten, denn die Theorie ist immer nur die Abbildung der Praxis.

    kindofear
     
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  14. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    @Feuerstreuer, ja, hab es angeschaut und bin sofort über eine Triole gestolpert, die den gewünschten harmonischen Kontext erst schafft, deshalb meine initiale Nachfrage bezüglich des Starttons. (Guter Sound übrigens!!!)

    Der rhythmisch-harmonische Kontext ist für mich das zentrale Thema bei Improvisation nach Skalen. Und Barry Harris sagt hier konkreter als manche anderen, wie er die Linien führt, um richtig zu landen. Deshalb fiel sein Name. Wenn du den Zusammenhang nicht siehst, reden wir definitiv aneinander vorbei. Mit Artikulation hat es aber wirklich nicht zu tun.

    Überhaupt verstehe ich nicht so ganz, was dir missfällt. Du bist bei Diskussionen über Improvisationstheorie öfter mit den Aussagen unzufrieden, und ich verstehe nicht was falsch ist. Es interessiert mich ehrlich, weil wenn was fehlt ist da oft ein möglicher Erkenntnisgewinn.
     
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