Musik ist Geometrie? Die Tonnetz-Methode

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Saxoryx, 25.September.2022.

  1. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Ich habe kürzlich dieses Video auf YouTube entdeckt, und ich finde die Idee und die Darstellung faszinierend, würde das auch gern verwenden, begreife aber nicht so richtig, wie man das macht:



    Über die Beschäftigung damit kam ich dann zum "Tonnetz":



    Wenn ich das richtig sehe, findet man so leichter die Akkorde und Töne, um beispielsweise zu improvisieren. Habe ich das jetzt richtig verstanden oder liege ich da völlig falsch?
     
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  2. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Ich habe jetzt noch einiges nachgelesen, und was ich überhaupt nicht verstehe, sind diese Zahlen. Vor allem die umgekehrte "3". Was soll das bedeuten? Oder X. Eine Reihenfolge von 5-9-1 könnte man sich ja noch als Intervalle vorstellen, aber was ist eine Abfolge von X-2-6 oder umgekehrte "3", normale 3, 7?

    Tonnetz.png
     
  3. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ich habe gerade nur Zeit für die ersten 5 Minuten des ersten Videos gehabt. Ich befasse mich auch von Zeit zu Zeit mit dieser Uhren-Darstellung und mit Symmetrie. Die symmetrischen Akkorde und Skalen, bei denen man zum Ausgangspunkt zurückkommt sind (der Tritonus), der übermäßige Akkord, der verminderte Akkord, die Ganztonskala und die Chromatik. Das schöne an diesen Konstrukten ist, dass sie sehr repetitiv sind, d.h. du musst immer nur ein paar üben um alle zu können.

    Der Nachteil ist, dass alle unsere traditionelle westliche Musik eben NICHT auf symmetrischen Skalen/Akkorden basiert. Natürlich kannst du lernen, das in traditionellerer Harmonik anzuwenden und damit neue Horizonte erreichen. Aber du musst erst mal die Waldgrenze überschreiten, um in die Ferne sehen zu können, und das dauert. Also eine neue Baustelle.

    Ein schönes Beispiel aus der Praxis ist die Methode, mit der Barry Harris Dominant-Akkorde substituiert. Betrachtet als X7b9 enthalten sie einen verminderten Akkord, der komplett achsensymmetrisch ist, d.h. jeder Ton kann Grundton sein. Alle diese Akkorde nutzt er als sinnvolle Substitute und hat damit nicht nur das Tritonussubstitut sondern auch ein ebenso nützliches b3 oder 6 Substitut.

    Oder Akkordbegleitungen von Melodien - die lässt Harris bei Nicht-Akkordtönen im Wechsel konsequent über einen verminderten Akkord laufen. Dann wird es sogar einfacher, und das sind Punkte wo das üben von Symmetrie Sinn für mich macht.
     
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  4. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    Im Zickzack nach oben herum Moll Akkord, unten herum Dur...? So auf die Schnelle gesehen. Was es mit den Zahlen auf sich hat erschleisst sich mir auch nicht auf den ersten Blick. Muss also noch mehr drin sein. Als grafisches Bild(Matrix) vielleicht gar nicht mal so übel...

    antonio
     
  5. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

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  6. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Faszinierend:
    "...
    It was created back in 1739 by Leonhard Euler as a way to graphically represent the ideas behind Neo-Riemannian theory.
    ,,,"
    https://jazz-library.com/articles/tonnetz/

    "...
    Neo-Riemannian theory is named after Hugo Riemann (1849–1919),
    ..."
    https://en.wikipedia.org/wiki/Neo-Riemannian_theory

    War Euler einfach seiner Zeit voraus?

    Grüße
    Roland
     
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  7. slowjoe

    slowjoe Strebt nach Höherem

    Meiner Meinung nach besser erklärt als in den Videos.

    SlowJoe
     
  8. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Videos sind sowieso immer nur ein unzureichendes Hilfsmittel. Aber in der heutigen Zeit stolpert man halt eher darüber als beispielsweise über die Erklärung von @Juju. Ich finde die Sache an sich faszinierend, aber ich bin tatsächlich kein "visual learner". Nicht so sehr jedenfalls.

    In dem von Juju verlinkten Artikel steht:

    "Researchers say that roughly 65% of people are visual learners. For those people, visualizing concepts help build a more solid understanding of how something works."

    Ich fand es wesentlich einfacher, nur gesagt zu bekommen, dass ein Dur-Dreiklang sich von einem Moll-Dreiklang durch die Terz unterscheidet. Das fand ich logisch und habe ich mir sofort gemerkt. Die bildliche Darstellung verwirrt mich da eher.

    Aber ich finde, es ist ein gutes Hilfsmittel. Und vor allem das Transponieren wird dadurch wesentlich einfacher. Das werde ich jetzt mal mit dem Tonnetz üben.

    Das ist doch schon mal was. :)

    Allerdings würde ich doch gern wissen, was das Epsilon und das Chi da zu suchen haben.
     
    Zuletzt bearbeitet: 25.September.2022
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  9. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    So wie es sich mir darstellt, sind das durchnummerierte Halbtonschritte. Das Dezimalsystem hat aber nur 10 Ziffern und so wurden zwei zusätzliche Symbole eingeführt. Das basiert auf dem Duodezimalsystem.
    Warum das allerdings ausgehend vom Gis/As mit Null weg gezählt wird, entzieht sich auch meiner Vorstellung.
     
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  10. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    So hat das "A" die 1. Es wird also vom A weg gezählt, die Null ist dann neben X und Z noch eine eher kryptische Ziffer. (Behaupte ich mal ganz mutig...)
     
  11. bthebob

    bthebob Ist fast schon zuhause hier

    @Farbenspiel
    Hab' mich mit vorgestelltem Material noch nicht beschäftigt.

    Will nur sagen ....
    Mich erinnert das -Farbenspiel rot/blau- an meine eigenen Versuche
    als Anfänger.

    Hatte damals auch versucht, der ganzen Materie
    mit Hilfe grafischer Darstellung "Herr zu werden"

    Warum nicht ?
    Alles was hilft, kann nicht falsch sein.:)

    Mein Fazit nur:
    Viel mehr und von Anfang an auf die Verbindung ....

    Ohr/Hören und -Fingermechanik- setzen.

    Das "Sehen" und Lesen von Theorie, von Tönen ist im Vorfeld wichtig.
    Um den "ganzen Kram" überhaupt zu verstehen.

    Aber danach, beim Spielen ?

    VG
     
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  12. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Ist das nicht ein bischen viel Aufwand für etwas, das man durch einfaches Üben "nebenbei" lernt?



     
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  13. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Ich finde es mega anschaulich. z.B. den Unterschied zwischen closed und open shapes (um sie aufzulösen muss man sie zu einer closed shape überführen, also das lose Ende abhacken). Und die Verwandschaft zwischen half-diminished und Dominantseptakkord und deren Auflösung - quasi spiegelbildlich! "These shapes and movement illustrate that a half-diminished chord and dominant-7th chord are mathematically the same concept, just resolving their leading tones in opposite directions."
    LG Juju
     
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  14. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Mmh. Muss ich wohl mal ne Weile probieren, bevor ich urteilen kann. So schlecht ist die Idee ja wirklich nicht.
    Was mir auf den ersten Blick aber total seltsam vorkommt, ist die Geschichte mit den dissonanten baumelnden Füßen. Die soll man abschneiden ok, aber die Auflösung hat in echt immer was mit Leittönen zu tun. Die sehe ich aber nicht im Schema. Große und kleine Sekunden fallen in dieser Visualisierung etwas durchs Raster - ist ja auch nur 2-dimensional. Aber deshalb “sieht” man keine Leittonlinien. Das macht die Auflösung von “Open shapes” zur purenAuswendiglernerei, doesn’t it?
    Naja, mal sehen…
     
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  15. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Ich freue mich für Dich, wenn Dir das leicht fällt. Aber Du setzt jetzt voraus, dass das bei allen so 'nebenbei' hängen bleibt. Ich kann Dir versichern, dass diese Annahme leider falsch ist, auch wenn das wahrscheinlich Deine ureigene Erfahrung ist. Ich kenne zumindest ein Gegenbeispiel und damit ist die Hypothese durchgefallen. :rolleyes:

    Das Thema kommt hier öfter mal, dass jemand (oder mehrere) felsenfest und durch einschlägige Erfahrung bestärkt überzeugt ist, "dass das mit der Zeit schon von alleine geht, wenn man es nur fleißig und richtig macht".

    Ich denke mir, dass man Dinge, die augenscheinlich "so einfach" sind, dass jeder(?) sie so nebenbei aufschnappen kann, nicht nachhaltig so falsch machen kann, dass kein Ergebnis heraus kommt. Wenn also beispielsweise ich auch nach bald 15 Jahre immer noch mit einem bestimmten Thema kämpfe, dann scheine ich entweder ziemlich faul zu sein, oder die Einfachheit mag sich mir schlicht nicht erschließen = für mich ist es dann scheinbar doch nicht so einfach.

    Ich freue mich daher über jede noch so kleine Unterstützung. DAS scheint mir mal ein Ansatz zu sein, mit dem ich auch etwas zustande bringe. Zumindest am Papier, denn den Quintenzirkel muss man auch von vorne nach hinten, von hinten nach vorne und diagonal in zwei Richtungen im Schlaf auswendig kennen - oder man hat immer so einen Bogen dabei.

    Genauso wie jede andere Variante davon. Aber bei der habe ich zumindest ein zusätzliches Verknüpfungsmerkmal, das mir beim Betrachten hilft - die Form. Akkorde sind für mich wenn aufgeschrieben eher wie kryptographisch sichere Kennwörter oder wenn sie in Noten gesetzt sind wie Barcodes. Punkte mit "zufällig wechselnden Abständen".

    Ich gebe dem mal eine Chance.
     
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  16. bhimpel

    bhimpel Ist fast schon zuhause hier

    Ist schon eine ziemlich geniale Formalisierung der Harmonielehre. Eigentlich viel praktischer als das was man normalerweise lernt. Was ich mir sehr gut vorstellen kann, ist, dass ein Mensch den Klang von Akkorden und Akkordfolgen automatisch mit Mustern und Musterfolgen assoziieren kann, so dass man die Klangwelten beim Improvisieren ganz natürlich navigieren kann. Das geht bei den nackten Notennamen nicht so leicht, da man zwölf komplizierte Notennamenmengen für den gleichen Klang hat. Wenn man das nur richtig lernt, ist diese automatische Assoziation genauso natürlich und direkt wie die klangliche Vorstellung von Buchstaben und Wörtern. Dann braucht man nur noch ein Muster und eine Musterfolge zu sehen und man kann sich genau vorstellen wie das klingt. Und diese Sachen sind weit weniger komplex als unsere 26 Buchstaben im Alphabet. Ob ich diese Musikschrift so spät noch lernen kann? Bestimmt bis zu einem gewissen Grad. Ich denke, es lohnt sich. Man sollte Erstklässlern das in Musik genau so beibringen wie Schrift und Rechtschreibung in Deutsch...
     
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  17. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Das ist es eben. Durch Üben allein lernt man diese mathematischen Zusammenhänge nicht. Das ist das Faszinierende daran. Dass Musik nicht mehr "beliebig" erscheint. Man kann zwar alles damit machen, auch etwas, das den Regeln widerspricht, aber die Regeln weisen einem den Weg. Es ist wie Kontrapunkt bei Bach. Genial einfach und doch so kompliziert, wenn man nicht weiß, wie die Regeln lauten.
     
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  18. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Ich bin auch ein Gegenbeispiel. Ich habe zwar "nach Gefühl" gewisse Dinge gelernt und dann auch gekonnt, aber es ist für mich schön, wenn ich Regeln zu dem bekomme, was ich nach Gefühl richtig gemacht habe. Sodass ich es auch bewusst wiederholen kann. Nicht immer darauf angewiesen bin, wie ich an dem Tag gerade drauf bin.

    Besonders bei Improvisationen haben ich das schnell gemerkt. Wenn ich einen guten Tag hatte, habe ich gut geklungen, konnte Sachen, die ich als Melodie im Kopf hatte, umsetzen und die Leute fanden es toll. Aber wenn ich einen schlechten Tag hatte, an dem mir nichts einfiel? Da hätte ich gern solche Regeln gehabt, mit denen ich dann trotzdem hätte arbeiten können.

    Auch Erstklässlern, die schon über 50 sind, wenn sie anfangen, Sax zu spielen. :) Wenn ich das am Anfang gesehen hätte statt irgendwelche kryptischen Bm7(b5) u.ä., dann hätte sich mir das schneller erschlossen. Ich dachte deshalb immer, Harmonielehre (und somit auch Improvisieren nach Akkorden) wäre furchtbar schwierig, weil diese Darstellung mit Buchstaben und Zahlen eben keinerlei Vorstellung in mir hervorrief. Dabei ist es gar nicht schwierig, wenn man sich die Beziehungen hier einmal anschaut. Es dann ordentlich zu spielen, das ist wieder eine andere Sache. Aber es einfach nur zu verstehen, da hätte ich mir diese Art von Erleichterung gewünscht.
     
    Zuletzt bearbeitet: 27.September.2022
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  19. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Hier ist noch mal ein Link von IMGUR, wo das auch sehr gut zusammengefasst ist: https://imgur.com/a/aWIhR

    Es gibt verschiedene Arten der Darstellung, die man dann auch verschieden nutzen kann.
     
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  20. saxer66

    saxer66 Ist fast schon zuhause hier

    ... du bringst es (für mich) perfekt auf den Punkt! Für mich stammen diese kryptischen Symbole wie z.B. Bm7(b5) aus einer Sprache, die sich mir noch nie erschlossen hat! Auch ich kann viel besser mit einer grafischen Darstellung arbeiten!
     
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