Rein oder gleichstufig intonieren

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von ppue, 2.Januar.2023.

  1. ppue

    ppue Mod Experte

    Sicher ein Thema, das für viele nicht ganz klar ist.

    In früherer Zeit waren Instrumente so gestimmt, dass die Intervalle in ganzzahligen Verhältnissen standen. Eine Quinte z.B. stand im Verhältnis 2:3, Terzen in den Verhältnissen 4:5 oder 5:6.
    Der Vorteil: Spielt man mit diesem Tonmaterial Akkorde, so klingen sie sehr harmonisch.

    Der Nachteil: Ein Klavier z.B. kann man in einer solchen Stimmung nur in einer bestimmten Tonart rein stimmen und spielen. Je weiter man sich von dieser Grundtonart wegbewegt, desto schiefer klingt es.

    Das nennt man reine Stimmung.

    Da man aber in verschiedenen Tonarten spielen wollte, hat man die Tonabstände innerhalb der Oktave zu exakt gleichen Teilen aufgeteilt.

    Der Vorteil: Man kann neben C-Dur genauso gut in F#-Dur spielen.

    Der Nachteil: Kleine Abweichungen von der reinen Stimmung lassen bestimmte Intervalle flat oder auch scharf klingen.

    Hier ein junger Mann, der das ganz schnell an einem gleichstufig gestimmten Piano verdeutlicht.

     
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  2. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

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  3. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Von @gefiko “geliehen“….

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    CzG

    Dreas
     
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  4. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Passende Kerbe: Ces ungleich H



    Grüße
    Roland
     
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  5. mcschmitz

    mcschmitz Strebt nach Höherem

    Sehr schön erklärt.
    Das habe sogar ich verstanden (und ich hab von Musiktheorie ziemlich genau gar keine Ahnung, kann ja nicht mal richtig Noten lesen - leider)
     
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  6. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Klar schon, aber....
    wenn du dein Instrumente, sofern möglich, nicht für jede tonart umstimmen möchtest, welche Optionen hast du?
    Schon eine Oktave in 12 Schritte einzuteilen ist eine Konvention, dass diese 12 Schritte bestimmte Eigenschaften haben, Intervalle über Brüche einer Oktave definiert werden...weitere. Gehst du in andere Kulturen mag das sogar anders sein.
    Einen Kompromiß wirst du in jedem Fall machen müssen.
     
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  7. Gisheber

    Gisheber Ist fast schon zuhause hier

    Bei einem Dur-Dreiklang die Terz um 14 ct fallen lassen damit sie "rein" klingt.

    Gruß
    Klaus
     
  8. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    In der Diatonik ohne Klavier keine Frage. In der Durtonleiter auch die 6 und die 7. Ich hatte da eine intensive Lernzeit mit dem schottischen Dudelsack, immer und immer wieder jeden der neun Töne des Chanters auf die gnadenlos mitklingenden Drones abzustimmen. Etwas heikel wurde es immer nur zusammen mit einer Orgel. Zum Glück hat man als Melodie tragendes Instrument ja immer recht. :)
     
  9. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Deswegen ist es ja so ein Unterschied, ob man als Bläser oder Streicher mit oder ohne Klavier im Ensemble spielt. Auf dem Keyboard ist gleichschwebend für mich ohne Diskussion alternativlos für moderne Musik. Aber rein ist einfach schöner.
    Wobei ich mich manchmal frage, ob gerade das Gefühl für die reinen Terzen und Septen allgemein etwas verloren geht im Zeitalter von Retortenmusik und Stimmgeräten. Auch Streicher spielen diese oft überbetont hart, vielleicht weil man die klare Position des Fingers fretless konkreter verinnerlichen muss.

    Das Stichwort Drones und die eigenen Ohren ist vielleicht eine Lösung.
     
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  10. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Wir lernen halt, Kompromisse zu machen bzw zu hören - Näherungen als richtig zu empfinden - den Gleichklang mit dem Klavier wichtig zu nehmen, ohne dass jeweils klar ist, um was es geht. Außerdem schaffen wir es auch in möglichen Reinklangsituationen (Saxophonensemble oder Big Band-Satz) gar nicht, die reine Terz oder Sexte exakt zu treffen oder überhaupt zu erreichen, den Ton so tief anzuspielen. 14 ct sind schon ganz schön viel. Es kann nicht um ganz oder gar nicht gehen, sondern immer nur um Näherungen, Tendenzen.
     
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  11. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Da hast du wohl recht, und als Dudelsackspieler weißt du worum es geht. Ob 14 Cent viel sind hängt auch von der Richtung ab.
    Das Wissen wo man vielleicht eine Terz spielt und diese anpassen ist eine, aktive Herangehensweise, die aber nur für gewählte Töne möglich ist (es sei denn man passt die ganze Tonleiter an, keine Ahnung ob das wer macht und kann).
    Um rein zu intonieren muss man aber auch rein als solches hören, was man auch üben kann.
    Im Oberton-Grundton-Thread hat @Matthias Wendt einen spannenden Wikipedia-Artikel zu Kombinationstönen verlinkt, der hier auch ganz gut reinpasst. Das Phänomen war mir überhaupt nicht klar, aber dank des „quadratischen Summationstons“ ist mir jetzt nicht nur klar, warum die reine große Terz nicht so reibt, sondern auch, warum bei der Quarte das tonale Zentrum oben gehört wird. Alles Resultat des „Grundtonhörens“, wenn man so will. Bei der kleinen Terz geht für mich dann schon das Rätselraten los, welche kleine Terz in der Naturtonreihe die reinere ist - oder gar keine?
     
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  12. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Ist das jetzt Theorie, oder macht das jemand?
    Zum einen setzt es voraus, wie du sagst, dass man es hört bzw als "Störung" wahrnimmt, die korrigiert werden will. Soweit einig.
    Jetzt spiele ich mein Saxophon nicht im luftleeren Raum sondern im Zusammenspiel mit anderen (playalong, andere Spieler etc.). Einige Instrumente können korrigieren, andere nicht oder nur schwer. Was nun? Mixen klingt auch doof, wenn einige korrigieren, andere nicht. Andere definieren die Fähigkeit am Sax über die Abweichung am Stimmgerät. Dem Gerät sind Intervalle und tonale Zusammenhänge egal. Das ding misst feste Frequenzen.
    Und zur "Störung": haben wir ev. durch unsere hörgewohnheiten ev. nicht mehr den Eindruck, dass da was nicht optimal passt? Wir nehmen es wahr, aber es stört nicht?
     
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  13. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Wenn ich als Jugendlicher im Unterricht klassische Esemblestücke vorbereitet habe, dann hatten viele längere Noten einen Pfeil nach oben oder unten reingemalt. So haben wir das gemacht, wenn Akkorde in der Probe intoniert wurden. Man hat dann versucht auch im Originaltempo die Tonhöhe zu treffen, die im langsamen intonieren nach Gehör für richtig befunden hat. Nur wusste ich damals nichts über rein und gleichschwebend, was einem zeigt, dass das Ohr die Richtung meist schon weiß. (Ich glaube aber, dass das Wissen auch nicht geschadet hätte.)
    Jetzt mach ich nichts von alledem und bin froh, wenn ich die Zeit finde, meine Zeilen bis zur Unfallfreiheit vorzubereiten.
     
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  14. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Das ist im Zweifelsfalle dann die Aufgabe dessen, der den Hut auf hat. Natürlich sollten alle korrigieren im Ensemble.

    Das Ding ist ein Stimmgerät, kein Intonationsgerät. Haben aber noch nicht alle verstanden.
    Und immer sollte gelten: Das Ohr führt.

    Darauf ein eindeutiges Jein. :)
    Es klingt erst ungewohnt, wenn einer die Quinte am Klavier abnimmt und sagt "Die ist zu tief! Diese Quinte müsst ihr treffen!" und singt etwas höher.

    Grüße
    Roland
     
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  15. ppue

    ppue Mod Experte

    Da sprichst du das Geheimnis von Quinte und Quarte an. Sie bestimmen unsere ganze abendländische Harmonik. In der Quinte klingt der Grundton unten. In der Quarte klingt er oben.

    Praktisch: C und G ist ein Paar, das eng zueinander steht, nämlich in einer Quintverwandtschaft. Als zweiter und dritter Teilton im Klangspektrum zielt diese Verwandtschaft immer auf den tieferen Ton des Intervalls. Im Obertongefüge ist das immer der Grundton. In einem harmonischen Zusammenhang ist es entspannend, wenn auf das G ein C folgt, denn darin ist das G sozusagen zu Hause.

    Bei der Quarte ist es umgekehrt: Bei ihr ist der stärkere Ton immer der obere. Die Begründung ist die gleiche wie bei der Quinte. Das G wohnt quasi in den Obertönen des C. Andersherum taucht das C in den Obertönen des G erst an elfter Stelle auf.

    Jeder kennt den Tusch. In der Melodie eine Quarte nach oben, dreimal wiederholt, z.B. G C G C G C. Spielte man den Tusch umgekehrt, kehrte keine Ruhe am Ende ein. Nur auf dem C entspannt sich die Melodie und auch die Harmonie.

    Nimmt man die Akkorde G und C, so verhält sich das Spannungsverhältnis adäquat: G-Dur zieht es zu C-Dur. Man fällt entspannender Weise die Quinte nach unten.
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  16. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ja, das war mir auch alles klar. Was mir aber neu war ist die Tatsache, dass, wenn eine Quarte erklingt, tatsächlich ein dritter Ton, ein Differenzton wahrnehmbar ist. Im Prinzip wie eine Schwebung, nur dass die Töne weiter weg sind. Und der entspricht der Differenz der Frequenzen beider Töne, und somit dem oberen Ton der Quarte, nur ne Oktave tiefer. Da ist es, das tonale Zentrum.

    Bei der großen Terz ist entsteht ein Ton zwei Oktaven unter dem unteren, wenn sie rein ist. Wenn sie gleichschwebend ist, ist der Differenzton etwas zu hoch. Der Basston passt nicht.
     
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  17. ppue

    ppue Mod Experte

    Warum sprichst du von Differenz, bzw. Differenzton? Verstehe ich nicht.
     
  18. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

  19. Matthias Wendt

    Matthias Wendt Ist fast schon zuhause hier

    Genau so dürfte es sein: wir hören die Unreinheit nicht mehr.
    Ein Beispiel:
    Die Querflöten endeten im 18. Jahrhundert in der Tiefe
    bei d und hatten keine Klappen.
    Was waren wohl die ersten Klappen, die dann angebracht wurden?
    (Jetzt müsste man wissen, wie das mit dem Spoilerfeld geht :mad:)
    ...
    fis? b? Nix, es waren dis und es. Alle anderen Töne konnte man mit Hilfsgriffen hinkriegen, nur den Halbton oberhalb d nicht. Es gibt sogar heute noch Nachbauten von dieser Sorte Flöten:
    https://wennerfloeten.de/de/products/transverse-flutes/j-j-quantz/
    Und offenbar hörte man damals sehr deutlich den Unterschied zwischen der erhöhten und der erniedrigten Variante, so dass man sich mit einem Kompromiss und nur einer Klappe nicht zufrieden geben wollte.
     
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  20. ppue

    ppue Mod Experte

    Ich verstehe es nicht. Wenn ich von einer Frequenz eine andere abziehe, dann ist es das Gleiche, als ob ich zu einer Frequenz die invertierte 2. Welle addierte.

    Und egal, ob ich zwei Wellen addiere oder subtrahiere, bekomme ich die gleiche periodische Grundwellenlänge heraus. Der Unterschied zwischen addierten und subtrahieren Wellen ist nicht zu hören, nur zu sehen, weil die addierte Welle das Spiegelbild der subtrahierten ist.

    Zwei Wellen addiert:

    addi.JPG

    Zwei Wellen subtrahiert (bzw. die invertierte Welle addiert):

    subtra.JPG
     
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