Video Free Jazz vs. Pop Jazz - Brötzmann vs. Doldinger

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Gelöschtes Mitglied 15173, 1.Juli.2023.

  1. Gelöschtes Mitglied 15173

    Gelöschtes Mitglied 15173 Guest

    Interessantes (und unterhaltsames) und kontroverses Video zum Thema aus dem Betreff.
    Sehr kontroverse Diskussion - auch unter dem Hintergrund eines Themas in diesen heiligen Hallen, was denn Jazz sei.
    Klaus Doldinger, den ich sehr schätze, ist hier leider sehr voreingenommen zu dem Thema Free Jazz und diskutiert hier sehr scharf gegen Brötzmann - hier fallen Wörter wie "Schweineschlachtung".
    Bildet Euch selber eine Meinung.

     
  2. GelöschtesMitglied14902

    GelöschtesMitglied14902 Guest

    Ich sage immer jedem seinen Geschmack und erlaubt ist was gefällt. Ich würde nie sagen,diese Musikrichtung ist sch…..,ich würde nur sagen das gefällt mir persönlich nicht
     
  3. Blofeld

    Blofeld Ist fast schon zuhause hier

    Meine Güte, was für eine verstockte Runde! Der ganze Mief der 60er Jahre beim Frühschoppen versammelt - ganz wie bei Werner Höfer. Allein schon die Anmoderation "bevor wir Herrn Brötzmann zum Abschuß freigeben..." Fehlt nur noch, daß einer brüllt: "Rübe ab!" Zum Glück läßt sich Brötzmann nicht allzu sehr einschüchtern. Er wirkt um Jahrzehnte moderner als dieses Tribunal, allein schon verbal. Der einzige, der die damals neue Entwicklung zu verstehen scheint, ist Herr Miller. Wenn Klaus Doldinger seine Einlassungen heute noch mal hören würde, dürfte er einiges bereuen.

    Natürlich muß man nicht alles mögen. Aber man muß offen für alles sein.
     
  4. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Ja, sollte man, zumindest als Musiker. Ich musste leider während der Vorstellung der Männerrunde abschalten. Ich habs nicht ausgehalten, ich habe da mindestens 5 Franz-Josef Strauß-Klone sitzen gesehen. Ich weiß, warum ich keinen Fernseher habe.

    Schmunzeln musste ich, als als "Pop-Jazz"-Drummer Cees See vorgestellt wurde. Er wechselte doch einige Zeit danach ins Free Jazz-Lager.
     
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  5. ppue

    ppue Mod Experte

    Ein grandioses Zeitdokument, trifft absolut meinen Nerv und würde heute gar nicht viel anders diskutiert werden. Nur würde weniger geraucht werden, was schade ist.

    Anzumerken bleibt, dass Herr Doldinger damals noch richtig guten Jazz gespielt hat. Ich mochte ihn nie, aber Chapeau, was er da darbietet. Das Niveau habe ich nie wieder von ihm gehört.

    Leider findet die spannende Diskussion nicht die Tiefe, die ihr gebührt. Dabke @gear junky.
     
  6. Blofeld

    Blofeld Ist fast schon zuhause hier

    Ich habe neulich Klaus Doldingers Autobiographie gelesen und dabei etliche seiner Platten aus den 60ern gehört. Da ist viel starkes Material dabei. Er hatte schon ein Händchen für packende Themen, und damals offenbar ein besseres Gefühl für die richtige Balance zwischen Komplexität und Eingängigkeit als später.
     
  7. mato

    mato Strebt nach Höherem

    Das ging mir auch recht schnell durch den Kopf. Ich finde es richtig ekelhaft, wie diese selbstgerechten Männer mit der akademischen Lupe eine Musik untersuchen und bewerten, ohne zu verstehen welche Maßstäbe sich diese Musik selbst gestellt hat.
     
  8. Blofeld

    Blofeld Ist fast schon zuhause hier



    Brötzmann hat lustigerweise 2020 sogar ein Solo-Album mit Standards aufgenommen, "I surrender dear" (gespielt natürlich auf seine sperrige Art). Wie um der Runde nachträglich doch noch zu beweisen, daß er auch "normal" spielen konnte.
     
  9. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Was ein Segen ist…
     
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  10. Tröto

    Tröto Ist fast schon zuhause hier

    Diese Worte habe ich nicht gehört.
    Schmidt-Joos sprach von "Orgie" und " Klanggemetzel", soweit ich mich erinnere. Für einen Gesprächsleiter sind alleine diese Begriffe schon unter aller Kanone.
    Den Eindruck eines "Tribunals" hatte ich anfangs auch, ein paar Minuten später hat er sich aber verflüchtigt. Zu dieser Zeit hat man an solchen Tischen in solchen Runden diskutiert. Es gibt Aufnahmen von der noch nicht in den Untergrund gegangenen Ulrike Meinhof als Teilnehmerin einer Gesprächsrunde in genau solch einem Ambiente.
     
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  11. Tröto

    Tröto Ist fast schon zuhause hier

    Meiner Meinung nach waren die debattierenden Herren alles andere als ahnungslos. Dass sie mit einem fest verwurzelten Standpunkt in die Runde gegangen sind, wurde schnell klar.
    Doldinger war für mich, neben Schmidt-Joos, der negative Höhepunkt schlechthin.Immerhin, er bemerkte selbst, sich "in Rage" geredet zu haben. Brötzmann mehrfach als Scharlatan entlarven zu wollen, war sehr unangenehm. Zum Piepen, dass er bei der Nennung seiner US-amerikanischen Kollegen Shepp und Ayler als denjenigen, die seiner Meinung nach die fachliche Kompetenz und Lizenz für den Free Jazz hätten, kleine Wortfindungsstörungen bzw. Ahnungslosigkeit aufzeigte (Albert Ealer).
    Danke, @gear junky für das Posten dieser Perle.
     
  12. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    Zwei/drei Gedanken von der -Seitenlinie-

    Freejazz ist nicht gleich Freejazz

    Immer alles unter einer "Hausnummer" zusammenfassen zu wollen,
    ist verständlich, aber aus meiner Sicht kontraproduktiv.

    Ich bin ab 1976 mit Freejazz in der DDR großgeworden.

    Da klang dieser Musik-Stil irgendwie anders.:D
    Weiss der Geier, warum.

    Und die offizielle kultur-politische Bewertung war damals im Osten
    auch eine andere.

    In meiner Erinnerung.

    Conny Bauer, Baby Sommer, Hannes Zerbe und viele mehr,
    waren gern gesehene "Exportartikel" der DDR

    Das "Anti-Sein" im Freejazz ....
    bei den Machern als auch beim Publikum, war Teil des Spaßes.

    VG
     
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  13. Gelöschtes Mitglied 15173

    Gelöschtes Mitglied 15173 Guest

    ... dann nimm Dir einen Stuhl, setze Dich in die illustre (bzw. ehe makabre) Runde und diskutiere mit :D:D:D,

    Die Diskussion ist für mein Dafürhalten ein Paradebeispiel dafür, dass "früher eben NICHT alles besser war" :cool:.
     
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  14. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Das wussten und wissen eigentlich alle. Journalismus ist halt am einfachsten (um nicht "am billigsten" zu sagen), wenn man stark polarisiert. Hier der smarte schwiegermutterkompatible Doldinger, dort der ein wenig schroffe, allzuehrliche gesellschaftspolitische Außenseiter Brötzmann.

    Cees See, den Schlagzeuger von Doldinger, habe ich wenige Jahre später mit Manfred Schoof und anderen im kleinen Sendesaal in Hannover bei einem Free Jazzkonzert erlebt, wie er irgendwann aufstand und mit seinem Knüppel an der hölzernen Akustikverschalung der Bühne langratterte. Teil einer ziemlich munteren Musik mit begeistertem Publikum.
     
  15. Tröto

    Tröto Ist fast schon zuhause hier

    Noch eine kleine Anmerkung zu Doldingers Diskreditierung der Musik Brötzmanns, die ihn an eine "Schweineschlachtung" erinnere:
    Zwei Jahre später (1969) wurde tatsächlich unter den Augen besonders Happening-affiner Zeitgenossen ein Schwein künstlerisch wertvoll geschlachtet. :vomit:

    Das Schlachten eines Schweins als Metapher für die Lust auf triebgesteuerte Entgrenzung?

    "Im Zusammenhang mit seinen Veranstaltungen kam es zu Protesten und gerichtlichen Auseinandersetzungen. So wurde eine geplante Aktion in Bremen, bei der ein Schwein geschlachtet werden sollte, von Tierschützern vereitelt, worauf gegen den Retter des Schweins ein Gerichtsverfahren eröffnet wurde, bei dem es allerdings hauptsächlich darum ging, wer rechtmäßiger Eigentümer des Tieres war. Am 17. Dezember 1969 wurden bei einer Aktion mit Hermann Nitsch in der Kunsthochschule Braunschweig auf Einladung des AStA ein Schwein im Bett mit einer Axt geschlachtet und dabei Blut, diverse Materialien, Urin und Kot über eine nackte Frau geschüttet, dazu Weihnachtslieder über Lautsprecher gespielt. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Braunschweig gegen Otto Muehl, der bei dem ‚Schweinerei-Happening‘ selbst auch nackt mitgewirkt hatte, wurde am 6. März 1970 eingestellt."


    Der zitierte Abschnitt stammt aus Wikipedia, siehe Otto Muehl
     
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  16. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Der war zum Glück kein Jazzer, nicht mal Musiker, aber in anderer Hinsicht... ähh... auffällig. :eek:
     
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  17. ehopper1

    ehopper1 Strebt nach Höherem

    Ich war mal vor vielen Jahren bei einem Doldinger-Konzert.
    Wegen Krankheit musste er kurzfristig fast die komplette Band ersetzen.
    Er wollte aber das Konzert unbedingt bestreiten und lud ein paar Leute ein.
    Statt Passport wurde es eine Session mit allen mögliche Stilmixen, z.T. auch sehr frei.
    Mit dabei waren u.a. Hansi und Ernst Ströer.
    Die spielten und improvisierten drei Stunden lang und hatten sichtlich - wie wir im Publikum auch - einen Riesenspaß.

    LG
    Mike
     
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  18. ppue

    ppue Mod Experte

    Ich kenne die DDR-Kollegen, wüsste jetzt aber nicht, worin sich deren Freejazz vom Westdeutschen Freejazz unterscheidete. Hast du mal den Spaß der holländischen Kollegen von der FMP gesehen? Der Spaßfaktor allein kann die Unterschiede nicht ausmachen, wobei ich zugebe, dass der westdeutsche Freejazz, der ja bald Freie Musik hieß, mit der strengste und ernsteste der verschiedenen Länder war.
     
  19. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @ppue
    Da bist du klar im Vorteil, ....
    Dank an dieser Stelle der Abteilung -Weltpolitik-:D

    Ich kenn' die westdeutsche Freejazz-Szene kaum.

    Manche Namen sind mir völlig unbekannt.
    Andere, wie Brötzmann, sind mir musikalisch nur ansatzweise ein Begriff.

    Insofern, .... meinerseits alles nur ein Gefühl.
    "Keine belastbare Aussage" wie es so schön heißt.

    Und gefühlt würde ich sagen:

    Im Osten gings den Musikern nicht ums "Kaputtmachen"
    von tradierten Strukturen, nicht um Wut.

    Eher um "Erweiterung" .... um Erkunden des Hinterlandes,
    jenseits musikalischer Grenzen.

    Und Grenzen hatten wir im Osten
    ja nun mehr als genug !

    An dem Punkt war der Leipziger Freejazzer am B&S Saxophon
    dem Kollegen aus Düsseldorf mit MK VI in der Hand klar überlegen.:D

    VG
     
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  20. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Im Westen gings auch nicht ums Kaputtmachen - auch da ging es um Erweiterung. Der Jazz war ja als Ganzes im Laufe der 50er in Europa angekommen. Es hatte sich - mit feinen nationalen Unterschieden - ein europäischer Jazz herausgebildet und alle Stile blieben bestehen, hatten ihre Musiker und ihre Zuhörer. Die Free Jazzer haben was Neues gemacht, ganz einfach. Was da für gesellschaftspolitische Zustände und Wünsche reinspielten, war sicherlich in Ost und West leicht unterschiedlich, der Free Jazz baute aber nirgends auf irgendwelchen Trümmern auf.
     
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