Warum kauft man ein Selmer Supreme?

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von Saxoryx, 4.Juli.2023.

  1. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Das formuliert meines Erachtens den Grund für zahlreiche Miseren, die wir gerade erleben, auf den Punkt.
    Geld war mal als universales Tauschmittel gedacht, um die steinzeitliche Situation - du willst was, hast aber nicht das, was der Anbieter will - zu umgehen. Schlaue Erfindung und funktioniert meines Erachtens vor allem dann im gesellschaftlichen Sinne gut, wenn der Gegenwert einer Sache den Beschaffungsaufwand widerspiegelt bzw. auf Basis der Produktionskosten ermittelt wird.
    seriöse Anbieter in allen Branchen kalkulieren meines Erachtens bis heute so.

    In dem Moment, in dem der Preis vom Produktionsaufwand entkoppelt ist, haben wir in meiner Erfahrung fast immer eine Trias aus Ausbeutung, persönlicher Bereicherung Einzelner und schleichendem Qualitätsverlust - wohin das Auge blickt. Ich bin sehr skeptisch gegenüber dem, was da heute über Preisgestaltung unterrichtet wird. Nicht, dass es nicht funktionieren würde, aber wo führt es uns hin als Gesellschaft?
     
  2. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Da hast du im Prinzip recht, weil ich nunmal inakkurat formuliert habe, aber du weißt wohl auch, dass ich damit aussagen wollte, dass man für das gleiche Geld präzisere und länger funktionierende Uhren kaufen kann. Das meinte ich mit "vernünftig". Allein - der Wunsch nach Status oder einem bestimmten Aussehen, dass sich einem durch Werbung eingeprägt hat, gehört eben auch zu den Aspekten, die ein Käufer erwägt, und so kann man bei einer Diskussion landen, ob jemals ein Kauf oder Besitz sinnvoll, vernünftig oder sonst wie objektiv bewertbar ist, das finde ich aber zu abstrakt für die Praxis, denn selbstredend würden alle von uns bestimmte Kaufentscheidungen als "objektiv besser" sehen denn andere.
     
    Gelöschtes Mitglied 1142 und zwar gefällt das.
  3. GelöschtesMitglied15247

    GelöschtesMitglied15247 Guest

    Menschen sind ja nun auch visuell gesteuert.
    Ich würde niemals so ein buntes Syos-Mundstück kaufen. Ich würde mich da drauf unwohl fühlen.
    Was würde man machen wenn das Supreme für den Preis eines Axos zu bekommen wäre aber nur in gelb-rosa mit Ottifanten?
    Würde man sagen, wie mein alter Saxophonlehrer, "Klang zählt“, oder würde man verzichten?
    Würde Lang Lang auf einem gelb-schwarz karierten Piano die gleiche Leistung hervorbringen?
    Der Wert eines Produktes resultiert nicht nur aus Herstellkosten, Materialpreis und MWST.
    Das Problem bei Selmer ist, das die nur sehr hohe Preise haben.
    Wenn man an die Automobilhersteller denkt dann wird es so sein, dass high-end-Innovationen nicht von den Käufern der Top Autos bezahlt werden.
    Der Phaeton wurde auf Kosten der Millionen Polo- und Golffahrer entwickelt.
    So ein paar Auswüchse wie bei Rolex und Hermes lassen wir mal bei Seite.
     
  4. GelöschtesMitglied15247

    GelöschtesMitglied15247 Guest

    Und ein weiterer Aspekt, z. B. bei Rolex, ist die Rolle der Influenzer.
    Seit sämtliche Superstars und Rapper die Dinger tragen will ja jedes Kind eine Rolex.
    Wenn dann in den USA nur eine Millionen Neukäufer entstehen dann ist die Jahresproduktion schon vergriffen.
     
  5. Gerrie

    Gerrie Strebt nach Höherem

    Mit so was habe ich null Probleme. Wenn es ein Problem ist das man keine Rolex "zugeteilt" bekommt hält sich mein Mitleid in Grenzen.

    Was mich stört ist die Spekulation mit Grundbedürfnissen.

    Grüße Gerrie
     
  6. GelöschtesMitglied15247

    GelöschtesMitglied15247 Guest

    Das ist so.
    Man stelle sich vor die beliebten Rigottiblätter würden danach zugeteilt ob man eine Historie beim Händler aufgebaut hat.
    Also mindestens der Kauf von Bussgummis, einer Blattschraube mehreren Mundstücken führt zur Zuteilung einer Packung Blätter wobei die Blattstärke nicht gewählt werden darf.
     
  7. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ich habe noch einen Nachtrag: Weitgehend in Vergessenheit geraten ist, dass eine Preisgestaltung, die in auffälligem Missverhältnis zum Wert des Gebotenen steht, früher mal als so anrüchig empfunden wurde, dass sie verboten wurde.
    https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__291.html
    Man beachte auch Absatz 2, 2. (gewerbliche Ausführung).
    Angesichts des Threadtitels möchte ich noch mal anmerken, dass mein Kommentar nicht aufs Supreme zielt. Das ist teuer, der Preis angesichts des Aufwandes aber wohl nachvollziehbar. Ich frage mich eher, wie wir da hin gekommen sind, dass jemand eine Ledertasche für einen 6-stelligen Betrag verkaufen kann (und darf).
     
  8. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Ich meine, dass diese Anrüchigkeit sich nie auf Luxusartikel bezogen hat. Im Gegentum, der Pfauenhahn trägt sein Rad voller "Stolz".
     
  9. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Moment. Wucher hat nichts mit einer Marktpreisbildung zu tun.

    „Wer die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, daß er sich oder…..“(Zitat aus dem Gesetz)

    Wenn sich ein hoher Marktpreis bildet, hat das nichts mit dem Ausnutzen einer Zwangslage, Unerfahrenheit oder Mangel an Urteilsvermögen zu tun, weil es nicht um eine Person sondern um eine Vielzahl potentieller Käufer geht.

    Beispiel: Würdest Du einem Dummen die Tasche für 800.000 Euro aufschwatzen, aber sonst wäre niemand bereit dafür soviel zu zahlen, wäre es Wucher.

    Wenn aber ein Markt für die Tasche existiert ist es kein Wucher.

    Sonst würde ja jeder Gerhard Richter zum Wucherpreis verkauft.

    Auch verstehe ich nicht wo das Problem sein soll. Wenn eine betuchte Klientel für Luxusgüter exorbitante Preise zahlen, ist es ihr gutes Recht. Stört mich nicht und verwerflich ist es auch nicht.

    CzG

    Dreas

    P. S. @Gerrie wir kennen ja nicht die Ausführung der Tasche. Vielleicht ist sie mit Diamanten besetzt.
     
  10. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ich weiß, dass das die zeitgemäße Auslegung ist und der Vergleich vermutlich für viele absurd klingt. Für mein reined Leseverständnis lässt sich dem Gesetzestext aber nicht entnehmen, wo phantasievolle Marktpreisgestaltung und -steuerung endet und gewerbsmäßiger Wucher beginnt. Wie oft ist die Grenze wohl eher vor allem durch Professionalität und Akzeptanz gezogen.

    All das trifft bei vielen von Werbung und Marketing angesprochenen Zielgruppen durchaus zu, weswegen es lustig ist, dass du es als Argument zitierst. Auch die gezielte Trübung des Urteilsvermögens ist heute nicht verwerflich sondern legitim, gar besonders kompetent.
    Ich möchte gar keinen antikapitalistischen Feldzug beginnen, das entspricht auch nicht meiner Meinung. Ich wollte nur aufzeigen, was es zu dem Thema mal für eine Denkweise gab, bevor sich bestimmte Marktideen ins allgemeine Bewusstsein gesetzt haben. Heute würde der Paragraf niemals so verabschiedet werden.
     
  11. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Noch ein Beispiel dazu:

    Der teuerste Schuh der Welt:

    1. Platz: Louis Vuitton Passion Diamond Shoes
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    Der teuerste Schuh der Welt ist der Passion Diamond Shoes von Louis Vuitton. Es sind High Heels aus Leder, Seide und 238 Diamanten. Der Juwelier "Hemant Karamchandani" im Luxus-Hotel "Burdsch Al Arab" in Dubai stellt sie aus. Sie kosten 17 Millionen Dollar. Das sind umgerechnet 14,67 Millionen Euro.

    Hier die Liste der 10 teuersten Schuhe:

    https://amp2.wiwo.de/unternehmen/ha...d-die-teuersten-schuhe-der-welt/27740490.html

    CzG

    Dreas
     
  12. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Na gut, da werden halt seltene Steinchen draufgeklebt, damit Hauptsache teuer.
    Da wird es für mich dann albern.
    Alles was ich will, ist ein bisschen mehr Leistungsprinzip und ein bisschen weniger Marketing-Nebelkerzen. Aber selbst der objektive Qualitätsvergleich ist heute schon als Kommunismus verpönt. Und es geht mir da nicht ums Gemüt, sondern eher um Erhalt von Lebensstandards. Aber jetzt hör ich auf. :)
     
  13. Wuffy

    Wuffy Gehört zum Inventar

    Kranke Gehirne soll es ja häufig geben...siehe aktuelle Weltsituation o_O
     
    kindofblue gefällt das.
  14. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Der Pragraph 291 StGb (Gesetz gegen Wucher), den Du zitiert hast, existiert immer noch.

    CzG

    Dreas
     
  15. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ich weiß. Ich bin trotzdem überzeugt, dass er heute nicht mehrheitsfähig wäre. Altes Papier ist besonders geduldig oder wird es manchmal.
     
  16. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Noch was zur Einordnung.

    10 Mio € sind für Elon Musk und co. vergleichbar mit 50 € für unsereins.

    CzG

    Dreas
     
  17. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Zum Thema Leistung: Eine der am besten laufenden Aktien („Performance“ = Leistung aus Kurs und Dividende) ist seit Jahren LVMH. Besonderer Schub während Corona :cyclops:

    Der Louis Vuitton Moët Hennessy Konzern - zu denen auch Hermés und viele andere gehören - hat Luxus als ausschließliches Geschäftsmodell. Der Hauptaktionär ist nicht nur der mit Abstand reichste Franzose sondern auch in der Top 20 weltweit.

    Ich habe mich damit nie so recht anfreunden können und habe deshalb keine LMVH im Depot. Schön blöd von mir…
     
  18. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Wucher - so sagt es das von Dir verlinkte Gesetz - bezieht sich auf das Ausnutzen z.B. der Zwangslage.
    Wenn einer zur Arbeit muss, dort kein Bus fährt und keine andere Tanke erreichbar ist, der Tankstellenkonzern das weiß und das Doppelte für den Liter Sprit nimmt - das ist Wucher.
    Schon beim notorischen Urlaubspreis für Benzin ist es kein Wucher: niemand wird gezwungen, genau zu Ferienbeginn mit dem Auto loszufahren. Kein Wucher, auch wenn es auffällig korreliert (dazu gab es bereits Gerichtsurteile: Preisbildung durch Angebot und Nachfrage ist erwünscht!)

    Wenn jemand ein möglichst unnützes aber vielleicht (im Auge der Klientel) begehrenswert schönes Objekt oder Produkt zu einem sehr hohen Preis anbietet, kann der Begehrende immer noch „danke, nein“ sagen. Oder die Taler auf den Tisch legen. Keine Zwangslage, kein Ausnutzen von Unerfahrenheit (im engeren Sinne). Kein Wucher - erlaubt.

    Der Paragraf würde heute vermutlich ganz genauso neu beschlossen werden - vielleicht mit einer etwas moderneren Sprache, die weniger Deutung im juristischen Kontext erfordert.
     
  19. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Klassiker auch: Wucherzins.

    Menschen, die in einer finanziellen Notlage sind, wir Geld zu einem weit überzogenen Zins („Wucherzins“) geliehen.

    CzG

    Dreas
     
  20. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Gutes Beispiel. Ich bekomme Kredite zu anderen Konditionen als verschiedene Schulfreunde von mir. Dort gibt es bessere und schlechtere Konditionen, die z.T. das finanzielle Gewicht von uns widerspiegeln. Das ist natürlich Risikomanagment. Genauso kann man argumentieren beim armen Schlucker, dem man, weil nicht kreditwürdig, einen wirklich unsittlichen Zins zur Refinanzierung vor der Pleite abverlangt. Die Übergänge zum ausnützen sind fließend.

    Die Gerichtsurteile, die zeigen was kein Wucher ist, belegen, was ich mit zeitgemäßer Wahrnehmung sind Auslegung meinte. Das Gesetz fordert aber gar nicht das Ausnützen einer Notlage, dass ist die Maximalvariante. Es reicht das Ausnützen von Unerfahrenheit oder mangelndem Urteilsvermögen.

    Ich bleibe dabei, das Gesetz kommt aus einer Zeit, in der die Rechts- und Unrechts-Wahrnehmung in diesem Feld eine andere war und würde mit diesem Wortlaut heute nicht nur an der FDP scheitern. Es geht mir auch nicht darum, irgendwen konkret als Wucherer anzuprangern, es ging mir darum aufzuzeigen, dass die zunehmend selbstverständliche Entkopplung von Wert und Preis, die heute als kompetent und modern angesehen wird, vor gar nicht allzu langer Zeit in vielen Fällen als unsittlich empfunden wurde.
     
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