Bassklarinette in der Begleitung bei Jazz-Standards

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von altoSaxo, 26.Februar.2024.

  1. altoSaxo

    altoSaxo Strebt nach Höherem

    Hi,

    vom E-Bass her sind mir Möglichkeiten zur Bass-Begleitung bei swingenden Jazz-Standards zwar bekannt, ich frage mich aber, ob und wie ich die Bassklarinette in einer kleinen Session-Combo - in meinem Fall mit T-Sax, 2x Git, manchmal Drums - dazu sinnvoll einsetzen kann, wenn kein E-/Kontrabassist dabei ist.

    Beim Thema könnte ich den Solisten gelegentlich doppeln, aber der Schwerpunkt meiner Frage bezieht sich auf die Begleitung der Soli, noch genauer gesagt auf den Rhythmus.

    Bei Walking Bass in Viertel-Noten geht mir erfahrungsgemäß schnell die Puste aus, weil Atempausen dabei rar sind. Walking Bass in Halben fällt mir darum als nächstes ein, wo man immer wieder mal die letzte Viertel (bei 4/4-Takt) zum Luftholen oder pausieren nutzen könnte.

    Oder ist Walking Bass mit der BKL ein eher ungünstiges Begleitkonzept? Immerhin sind Release und Sustain beim gezupfen Bass durch die Instrumentkonstruktion vorgegeben, während ich die Hüllkurve bei der BKL permament beeinflussen kann und normalerweise nicht die Hüllkürve von Saiteninstrumenten imitiere.

    Passen ganze Noten vielleicht ganz gut oder wären Klischeelinien gelegentlich eine Option, auch wenn damit die Bassfunktion nicht erreicht wird? Wie sieht es mit rhythmisch freier Begleitung aus?

    Bisher habe ich den Einsatz von BKL im Jazz nur solistisch oder als Teil des Bläsersatzes (Big Band) gesehen. Eignet sich die BKL vielleicht schlecht zur Begleitung bei Jazz-Standards?

    Welche Möglichkeiten seht ihr? Bin gespannt.
     
  2. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Dies ist meine persönliche Erfahrung.

    Ich spiele Bassklarinette und lerne Kontrabass.

    Das Prinzip des Walkingbasses ist für beide Instrumente identisch.

    Für Walkingbass gibt es eine Menge Schulen und Videos:

    https://www.youtube.com/results?search_query=walking+bass+lernen
     
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  3. scenarnick

    scenarnick Admin

    Kenne ich aus dem geistlichen Gesang. Es gibt eine Bach-Motette (BWV 227, Jesu, Meine Freude. Satz "Gute Nacht, Oh Wesen"), bei der die Männerstimmen einen quasi-Walking-Bass zu singen haben. Das fühlt sich an wie Apnoe-Tauchen als Sänger. Ich kann mir gut vorstellen, dass auf Bass-Instrumenten wie der BCL es sehr anstrengend sein kann, eine solche Linie in Vierteln durchzuhalten. Du musst Deine Atempausen sehr bewusst setzen, kurz halten und sehr gut mit der Luft haushalten. Über ein ganzes Stück oder nur einen Chorus kann das heftig werden.

    Sofern Jazz als "Swing-Jazz" aufgefasst werden darf, kannst Du mit Synkopierungen nicht nur rhythmische Akzente setzen, sondern Dir auch in den Walkies bewusst Pausen verschaffen, um mal durchzuatmen.
     
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  4. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Ein Bass-Blasinstrument, kann nicht gleichwertig ein Saiten-Bassinstrument ersetzen!
    Wenn es auch zunächst funktional gehen mag, so fehlt die durchgängige Leichtigkeit. Für den Kontrabassisten/E-Bassisten ist das völlig unanstrengend. Beim Bläser muss zuviel Energie für Atem und Ansatz angewendet werden, besonders, wenn stundenlang gespielt wird.:cool:
     
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  5. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    Vielleicht ja blöde Frage- aber wie machen es denn die Blaskapellen mit ihren BlasBässen?
    Kommt natürlich ja auf die Musik an, was da jeweils zu tun ist. Hier scheint es ja um Walking Bass zu gehen und das ist es ja bei den Blaskapellen eher nicht. Trotzdem...die brauchen ja auch Puste.
    Ich wollte mal ein Schweizerörgeli stegreif mit der Bassklari begleiten und hatte jedenfalls auch meine Mühe mit der Luft (nebst anderem :))
     
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  6. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Zum Glück gibt es immer wieder Leute, die das nicht wissen, wie Adrian Rollini

    oder Jeff Anderle

    der einige Zeit als Heavy Metal Bassist auf dem Instrument unterwegs war.

    Ich habe in so on-off Pop-Formationen immer wieder mal den Bass gespielt, auf der Bassclari. Das kam immer gut an und ist nebenbei eine schöne Gehörübung.

    Du hast natürlich recht, dass Durch-Walken konditionell für die meisten unrealistisch ist, und viel schwieriger als bei Saiten. Aber die Klarinette hat einen so besonderen Klang, der meines Erachtens die meisten Experimente belohnt!
     
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  7. Wanze

    Wanze Strebt nach Höherem

    Erst mal vorab: ich spiele keine Bass-Klari (leider), aber E-Bass.

    Mit dem Versuch in unserer Jazz-Combo den Bass durch ein Bariton-Saxophon zu ersetzen, bin ich kläglich gescheitert. Schon am Arrangement. Also ich spreche von einer Standard-Besetzung, nicht von einem Bass-Klarinetten Quartett! Die Funktion 'Kontrabass' und 'Holzbläser' sind einfach zu unterschiedlich.

    Naja, ich denke die Funktion ist einfach eine andere. Kontrabass ist für Walking-Bass prädestiniert, Bass-Klari ist klanglich - insbesondere vom Attack her - ganz anders und übernimmt daher andere Funktionen. Also auf keinen Fall ist der Kontrabass eins zu eins durch die Klari ersetzbar. Meine Erfahrung. Lasse mich aber auch gerne eines besseren belehren.

    So generell würde ich das wiederum auch nicht sagen: Blechbläser eignen sich durchaus für eine Bass-Begleitung. Naja, vielleicht nicht ganz 'gleichwertig' (was auch immer das heissen mag).

    Blechbläser! Bass-Tuba oder Sousaphon sind als Bass-Begleitung bestens geeignet. (Bass-)Posaunen Euphoni, etc. Hört man auch heute noch oft in Old-Time Music. Siehe auch Tuba Skinny oder Hazmat Modine... (Wobei auch Tuben nicht eins zu eins Walking-Bass Läufe spielen.)

    Historisch ist es ja sogar so, dass in der frühen Zeit der Bass im Jazz von einer Basstuba gespielt wurde. Oder es ist bis heute so im Old-Time-Jazz.

    Aber auch da nochmal: Klang, Attack, Durchsetzungsvermögen. Da unterscheidet sich einfach ein Blechblasinstrument so von einem Holzblasinstrument, dass die nicht 'gleichwertig' einzusetzen sind.
    Ich finde Bassklarinette grossartig. Also: Ab in die Band damit, aber versuche nicht den Kontrabass zu ersetzen sondern finde die Rolle, die eine Bassklari spielen kann.

    Grüße,

    Wanze
     
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  8. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ich habe nichts auf die Schnelle gefunden, wo Jeff Anderle den Bass bei einer normalen Rockband spielt. Ich glaube aber, dass er es war. Und Adrian Rollini hat bei Bix Beiderbecke die Tuba hervorragend durch das Bass-Sax ersetzt.
    Vielleicht darf man nicht zu große „punchy“ Öffnungen spielen.
     
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  9. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Ich würde mich bei der Frage an den Beiderbecke/Trumbauer-Aufnahmen mit Rollini am Basssax orientieren. Gewohnheiten successive aufbauen:

    - einfacher Wechselbass wie Tuba
    - einfache Übergänge wie Tuba
    - Übergänge eleganter spielen - der Leichtigkeit des Instruments entsprechend.
    - auch bei virtuoserem Spiel nie die Grundfunktion vergessen: die Basslinie präsentieren

    Ich würde mich also nicht am Walkingbass orientieren, sondern am einfachen Wechselbass, und den nach und nach ausbauen.

    Hier ist eine Aufnahme von 1927, wo das Basssax recht gut zu hören ist.

     
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  10. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Hier beim Jazzbandball ist Rollinis Können hervorragend zu hören - auch mit Solo:

     
  11. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Für mich würde es sich auch lohnen, einen guten Tubaspieler zu hören. Der Mann der Firehouse Five plus Two macht einen guten Job - hier auch mit einem Solo:

     
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  12. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Eine Tuba ist keine Bassklarinette…

    Mit der Tuba kannst jede Art von Bassbegleitung spielen.
     
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  13. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    Ich hab mal ein Abschlusskonzert eines Workshops gesehen und v.a. gehört, bei dem ein Profi-Flötist für die Teilnehmer eine walking bass Begleitung spielte.
    Exakte Baugröße ob Tenor- oder Bassflöte, erinnere ich nicht mehr.
    Jedenfalls war das musikalisch ziemlich gut, und an der Art und Weise, wie der spielte und auch Effekte (so eine Art Schmatzen) einsetzte,
    schien mir das keine aus der Not geborene Lösung zu sein, sondern fester Bestandteil seines Repertoires.

    Es geht also und dürfte auch mit der Bassklarinette möglich sein. Natürlich muss man als Bläser ab und zu Luft holen und das musikalisch berücksichtigen.
    Dafür würde ich Stellen identifizieren, an denen auch ein Bassist vielleicht mal eine kurze Pause einbaut, bzw. einen Ton halten würde.
    Mitten im turnaround ist das eher schlecht, aber dort, wo Harmonien mehrtaktig vorkommen findet man vielleicht eine Stelle,
    an der man nochmal den Grundton auf die erste Zählzeit spielt, Luft holt und z.B. mit einem Achtelvorschlag hin zur 4 fortfährt.

    Denk dran: stoisch durchgehend Viertel zu spielen muss man als Bassist auch erstmal lernen, ist aber häufig nur die erste Ausbaustufe und wird je nach Tempo und Stil
    stark variiert. Von kurzen Achtelketten und Triolen einerseits bis hin zu rhythmisch gespielten Pedaltönen gibt es da eine große Bandbreite dessen, was Bassisten
    manchmal anbieten. Es gibt also keinen Grund, sich eine Beschränkung aufzuerlegen, die man wegen des Lufthaushalts gerade als Blasinstrument nicht durchhalten kann.
     
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  14. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Dies bezweifelt ja keiner.

    Wenn der Walkingbass ausnotiert ist, ist es auf der Bassklarinette eher eine technische Übung.

    Für mich ist es heute schon deutlich einfacher einen Walkingbass auf dem Kontrabass als auf der Bassklarinette zu spielen, obwohl ich auf dem KB Anfänger bin.

    Ein weiterer Nachteil ist, dass die Bassklarinette relativ leise ist.
     
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  15. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Nein! Ordentlich verwendungsfähig ja, aber kein wirklicher Ersatz für den Kontrabass, genausowenig wie die Klarinette als Violinenersatz herhalten kann.

    Zur Erinnerung: Die Tuba wurde im 19. Jh. für die preußischen Militärkapellen von Wilhelm Wieprecht erfunden. Die großen Militärorchester ahmten quasie die Sinfonieorchester nach. Die Tuben übernahmen die Funktion der Kontrabässe, die Klarinetten die der Violinen, die Tenorhörner die der Celli...Aber, natürlich fehlen in einem Blasorchester die Streicher, also der wirklich schwingende und bewegliche Klangkörper.

    So gesehen ist ein Blasorchester ein Klangkörper, der sich nicht ganz auf Augenhöhe zum Symphonieorchester befindet, so in etwa, als wenn man die Tuba mit dem Kontrabass vergleicht. Ein Blasorchester kann nicht alle Musik darbieten wie ein Symphonieorchester, eine Tuba nicht alle Musik wie ein Kontrabass. Umgekehrt geht das leichter.:cool:
     
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  16. altoSaxo

    altoSaxo Strebt nach Höherem

    Vielen Dank für euren Input und auch die verlinkten Videos!

    Ich hatte gehofft, dass jemand der Bassklarinetten-Spieler hier vielleicht schon mal ein Video von jemandem gesehen hat, der mit der BKL die Bass Funktion bei Standards darstellt und sich das zur Routine gemacht hat, aber das scheint wohl tatsächlich nicht geläufig zu sein.

    Einen Tubisten anstelle des sonst üblichen Kontrabass habe ich tatsächlich mal bei einem Jazz-Konzert erlebt, ist aber schon lange her und damals spielte ich noch keine BKL. Ich werde den Vorschlag von @gaga ausprobieren, mich am Wechselbass zu orientieren und von dort aus zu entwickeln, um mich den Eigenschaften des Instruments anzupassen.

    Nochmals Danke für die Beiträge! Ich fand es sehr interessant auch im Hinblick auf die Möglichkeiten der BKL als solche sowie als E-Bass-Spieler, die Bass Funktion mal aus der Perspektive anderer Instrumente zu betrachten.
     
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  17. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Wovon reden wir hier eigentlich?
     
  18. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Darüber, dass die Tuba nicht alles an Bassbegleitung kann!:cool:
     
  19. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Ein Kontrabass auch nicht…

    Ein symphonisches Blasorchester ist auch kein Ersatz für ein symphonisches Orchester.

    Ich kenne auch eine Menge symphonische Musik, die vom SBO adaptiert wurde, aber dies ist nicht der Standard und für mich meist auch eher unbefriedigend. Auch mag ich nicht unbedingt BigBand-Musik beim SBO.

    Ich denke jedes Bassinstrument hat seine Berechtigung und ist gleichwertig zu betrachten.

    Ich korrigiere: Mit der Tuba kannst du fast jede Art von Bassbegleitung spielen.

    Bassbegleitung in einer Jazzband spielst du am besten mit Kontrabass, E-Bass oder Tuba.
     
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  20. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Es ist auf jeden Fall gut, die jeweiligen Stärken eines Instruments auszuspielen und die Schwächen etwas zu umschiffen. Auf die Bassklarinette übertragen heißt das für mich, dass der Segen beim Walken nicht unbedingt nur in den stoischen Vierteln liegt. Und sie bringt auch nicht die Tiefe des Basses.

    Was kann die Bassklarinette gut?
    Sie hat im Vergleich zur gezupften Saite endloses Sustain, ähnlich der gestrichenen Saite, trotzdem kann man perkussiv spielen und slapped. Melodie geht viel einfacher als am Bass. Ich empfehle zum Einstieg z.B. Basslinien von Paul McCartney mitzuspielen oder von alten souligen Sachen von Bill Withers bis Marvin Gaye. Auch Vorschläge im Stil von NHØP sind auf der Bassnette nicht komplett abwegig…
     
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