Entlacken

Dieses Thema im Forum "Reparatur und Instandhaltung" wurde erstellt von saxchrisp, 22.September.2018.

  1. ppue

    ppue Mod Experte

    Stimmungsschwankungen, ein neuer Aspekt, hehe.

    Wenn du gegen Metall schlägst (deinen Topf), dann ist der Topf ja das schwingende Element. Nicht zu vergleichen mit dem schwingenden Element Luft im Saxophon.
     
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  2. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Der Topf ist genau wie Deine Glöckchen oben - der Ton entsteht dort nicht durch resonante Vibration mit einer stehenden Welle sondern durch die mechanische Anregung.
    Die Frage lautet aber: wie sind die Wechselwirkungen der stehenden Welle mit der von ihr angeregten Vibration.

    Also einmal "Ton rein", das andere Mal (bei Topf und Glocke) "Ton raus".
    Andere Blickrichtung, andere Zusammenhänge, die nicht ohne Weiteres vergleichbar sind.

    Ich glaube (nicht das religiöse Glauben sondern eher ein Vermuten), dass es natürlich bei falschem Lack (zu dick, zu zäh...) zu Auswirkungen kommen kann, die grundsätzliche Frage "lackiert oder nicht" aber eher so zweitrangig hinter der Konstruktion und dem verwendeten Material steht, dass es nur Nuancen ausmacht.
    Ob man die spürt oder gar hört, hängt wieder von sehr vielen Faktoren ab - z.B. davon, dass ein entlacktes Horn automatisch eine GÜ mitbekommt...
     
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  3. Alex_Usarov

    Alex_Usarov Ist fast schon zuhause hier

    Ich würde das nicht so strickt voneinander trennen). Ist es nicht so, dass sobald die Luftschwingungen die Wände berühren, wird das Saxophon auch zum mitschwingenden Klangkörper.
    Also bei uns ist es so: wenn meine Frau neben mir zu schwingen anfängt, kann ich nicht gleichgültig bleiben und beginne mitzuschwingen. Und, zumindest in der Regel, werde sehr schnell zum mitschwingenden Klangkörper.
    :)
     
  4. ppue

    ppue Mod Experte

    Na, dann klopfe mal auf deinen Saxophonkorpus und horche auf den so glockenhellen Klang. Deine Frau ist auch nicht Luft für dich und du bist noch nicht hüftsteif.

    Nein, zum Teil hast du ja recht. Die Schwierigkeit besteht darin, die Resonanz zu beurteilen, die zwischen einer enorm powervollen Rückkopplung in der Luft (die stehende Welle) mit einem doch recht harten Metallkörper besteht.
     
  5. Alex_Usarov

    Alex_Usarov Ist fast schon zuhause hier

    Ihr habt beide recht. Es est definitiv nicht das Gleiche, ob ich in das Sax hineinblase oder mit einem Metallstab von innen aufschlage.
    Besserer Verglech wäre vielleicht, ob ich in einer kleinen Kirche einen Ton erzeuge, oder in einem isolierten Proberaum gleicher Größe. Aber auch das ist ordentlich herbeigezogen.
     
  6. Tobias Haecker

    Tobias Haecker Ist fast schon zuhause hier

    Arg, eigentlich wollte ich mich ja nicht mehr einmischen, aber ich möchte folgendes zu bedenken geben.

    Auch wenn wir zum Verständnis ein einfaches Modell heranziehen, ist vieles hier dann doch wieder etwas unterkomplex.

    Ja, mehr Masse macht ein Objekt tendenziell erstmal träger. Aber dann kommt es noch auf Dichte, Elastizität, Spannung und Position an. Selbst die Atomgitterstruktur kann Einfluss haben (siehe unterschiedliche Hitzebehandlungen bei Messern)


    Extra Masse an einer bestimmten Stelle macht plötzlich einen Boost.
    Der SST Soundexpander war an einem Saxophon ein Gewinn, bei dem nächsten gingen plötzlich die Tiefen Töne nicht mehr.
    Manche Dämpfungen sind für einen schönen Klang auch gewollt.
    Wenn es um reine "Klangeffizienz" ginge, warum baut man Blasinstrumente nicht aus Stahl?

    Beispiel der Carbonbogen von Forestone oder daCarbo. Leichtes und hartes Material. Alles spricht leichter und schneller an. Tiefe und Altissimo sprechen besser an, mehr Resonanz und Trennschärfe. Krasses Teil, man hat das Gefühl, einfach mehr Sound zu bekommen. Man verliert aber etwas Farbe in den Mitten. Zu meinem Setup passt das ganz gut. Aber manchmal ist das zu viel.
    Lakatos-Anekdote: er testet Forestone Tenor unlackiert mit gebördelten Tonlöcher: geiler Sound.
    Plus Carbonbogen: Overkill, nur laut und scheppernd.
    Er testet Forestone Tenor lackiert ohne gebördelte Tonlöcher (deutlicher Gewichtsunterschied): ja, nice aber für Tony zu brav.
    Mit Carbon Bogen: yeah, wieder geil.

    Anderer Punkt: es hat schon seinen Grund, dass Klassiker meist mit lackierten Instrumenten spielen. Das ist nicht nur die Optik.

    Um wieder beim ursprünglichen Thema zu landen. Ganz exakt lässt sich der Unterschied nach dem Entlacken nicht vorhersagen und es ist schwierig sowas quantitativ festzuhalten.
    Aber es gibt Jahre an Erfahrung und praktische Tests.
    Man spricht dann, glaube ich, von einem educated Guess.
     
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  7. ppue

    ppue Mod Experte

    Dass wir der Komplexität der Sache nicht gerecht werden, ist schon klar. Deshalb entwickelt man einfache Modelle, um sich dann weiter vorzuarbeiten.

    Wüsste ich genau, warum das Conn meiner Frau (New Wonder II) den besten Altosound der Welt hat, wäre ich froh, um diese Kriterien zu wissen.

    Einerseits singt es fantastisch in den Höhen, zum anderen hat es einen dicken Bauch im Sound. So, wie wenn man früher bei der Stereoanlage die Loudness-Taste gedrückt hat und wie auch viele Lautsprechersysteme heute ausgelegt sind. Im Prinzip sind das einfach weniger Mitten mit ein wenig mehr Lautstärke.

    Nur am Rande: Ich versuche immer, Sound auf seine physikalischen Parameter zu beschränken und kann mit Begriffen wie Projektion, Trennschärfe, Klangeffizienz und Fokus nicht das Geringste anfangen. Sound ist das, was ich auch in der aufgenommenen Welle oder der Fourieranalyse optisch sichtbar machen kann. Allerdings ist das Ohr in der Analyse tausendmal besser als das Auge.

    Das erschwert die Beurteilung von Klang enorm, denn zwei Obertonspektren, die ich optisch nicht auseinanderhalten kann, sind für meine Ohren unterschiedlich.
     
  8. Cazzani

    Cazzani Kann einfach nicht wegbleiben

    Beim Mitlesen und Mitdenken nehme ich hier mindestens vier alternative Theorien wahr, die den unterschiedlichen Argumentationen für den Lack zu Grunde liegen:
    1. Die Luftsäule schwingt, nicht das Metall. Das Instrument hat, jedenfalls unterhalb von S-Bogen, eher geringen Einfluss.
    2. Wenn das Material in Schwingung kommt, entzieht es der akustischen Schwingung Energie und dämpft das Horn. Schönes Experiment mit dem Extremfall, der Schraubzwinge.
    3. Wenn der Blaswiderstand durch Anbauteile erhöht wird, provoziert es den Spieler, mehr Energie reinzugeben - vielleicht mit Gewinn für den Sound:
    4. Die Energie, die von der Luftsäule auf das Metall übergeht, ist nicht verloren. Sie regt den Instrumentenkörper zu Schwingungen an, die dieser (zusätzlich zur schwingenden Luftsäule) als Schall an die Raumluft überträgt.

    Die Idee von @ppue - das Sax in Beton eingießen (extremes "Anbauteil", um den Einfluss des Materials auf den Klang auf Null zu setzen und nur die Schwingung der Luftsäule zu hören), hat mich auf die Suche nach Instrumenten aus Beton oder Stein gebracht. Beim Saxophon Fehlanzeige, aber Flöten gibt es:

    Der harte Granit wird durch die schwingende Luftsäule wahrscheinlich nur in sehr hohen Eigenfrequenzen zum Mitschwingen angeregt, deutlich oberhalb des hörbaren Bereichs. Allerdings liefert hier der Raumhall starke eigene Resonanzen.

    Ich bevorzuge die vierte Hypothese. Die mechanisch-akustischen Eigenschaften des konkreten Instruments (Material und Geometrie, schwingende Masse, Steifigkeit...) sorgen dabei in sehr komplexen und schwer vorhersehbaren Wechselwirkungen für eine Filterung und Veränderung des Frequenzspektrums des schwingenden Metalls und seiner Klang-Abstrahlung. Wie deren Feinheiten beurteilt werden, ist auch eine Geschmacksfrage - z.B. stark vereinfacht: Bevorzuge ich mehr Obertöne oder einen eher warmen, grundtönigen Klang? Wie wichtig sind mir Einschwingvorgänge (Blaswiderstand) usw.

    Und dann sind wir wieder bei den schwer vorhersagbaren Auswirkungen von Veränderungen beim Lack: Wie verändert die aufs Metall aufgetragene oder dort entfernte dünne Schicht den Frequenzgang der Resonanz des Metalls? Ob es mit oder ohne Lack besser oder schlechter wird, lässt sich wohl nicht allgemein vorhersagen. Da bin ich bei @ppue - das Ohr entscheidet besser als das Auge - und @Tobias Haecker - langjährige Erfahrung der Instrumentenbauer liefert (ohne beweisbare Begründungen) die besten Ergebnisse.
     
    Zuletzt bearbeitet: 7.Juni.2025 um 13:35 Uhr
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  9. slowjoe

    slowjoe Strebt nach Höherem

    Hab ich eben nen Test zu gemacht.
    nur mit dem nahezu lackfreien Bogen der SBA Töne gespielt und dann den Bogen fest mit der Hand umgriffen
    und weitere Töne gespielt. Das sollte mehr Dämpfung erzeugen als es ein Lack je könnte.
    Die Töne unterschieden sich - zumindest für mein Gehör - hinsichtlich der Obertöne nicht wesentlich
    voneinander.

    Wer Lust hat kann das ja mal mit der eigenen S - Bogen probieren.

    SlowJoe
     
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  10. ppue

    ppue Mod Experte

    Schöne Ansätze. Was mich auch mal interessieren würde, wäre ein fest mit dem Neck verbundenes Mundstück (extreme Klangbrücke). Na, wir haben ja noch etwas Zeit für weitere Experimente.
     
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  11. Nemo

    Nemo Ist fast schon zuhause hier

  12. Hubert

    Hubert Kann einfach nicht wegbleiben

    Die Diskussion wird sich ewig im Kreis drehen. Warum?

    1. Es gibt einen Unterschied zwischen dem vom Spieler wahrgenommenen und dem vom Zuhörer wahrgenommenen Klang.
    2. Die Klangvorstellungen sind höchst unterschiedlich. Was ich als frei und obertonreich empfinde ist für andere vielleicht schrill und unausgewogen.
    3. Es gibt zu viele Variablen um aussagekräftige Tests zu machen. Wenn ich z.B. zwei S-Bögen vergleiche in lackiert und unlackiert kann die wahrgenommene Differenz auch von kleinen Abweichungen in Material oder Abmessungen verursacht sein.

    Grundsätzlich gehe ich davon aus dass der Lack eine reine Schutzfunktion hat und die Instrumentenbauer der letzten 100 Jahre versucht haben ihn so aufzutragen dass er möglichst wenig Auswirkung auf den Klang hat.

    Klangbrücken und ähnliches sind ein ganz anderes Thema, wobei ich glaube dass dort die Eigenwahrnehmung die entscheidende Rolle spielt.
    Also mehr ein "Wohlfühlfaktor" als ein mess- oder wahrnehmbarer Klangunterschied.
    Mein Tenormundstück ist ein Prototyp mit einem abnehmbaren Massering aus Edelstahl. Für mich ist der Ton mit Massering klarer, fokussierter, aber die meisten Zuhörer werden vermutlich überhaupt keinen Unterschied merken.
     
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  13. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja, so kann man über man die vielen Thesen und Erkenntnisse natürlich abtun. Das finde ich aber nicht gerechtfertigt. Die Sache ist schon oft diskutiert, das heißt aber nicht, dass eine jegliche Diskussion sich im Kreise dreht. Auch du stellst ja Thesen auf, z.B. dass die Instrumentenbauer sich die letzten 100 Jahre mit dem Lack beschäftigt haben.

    Auf die Idee, sie nicht zu lackieren, sind sie aber erst in letzter Zeit gekommen. Also an der Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen.

    Dass es schwierig ist, die Thesen zu beweisen, wissen wir.

    Zur Eigenwahrnehmung: Die eigene Klangwahrnehmung ist meine absolute Referenz. Und sollte die Wahrnehmung des Publikums auch eine andere sein, so spiele ich und gestalte ich den Ton doch mit dieser meiner Wahrnehmung. Alles andere wäre komisch. Es spielt also durchaus eine Rolle, was und welche Unterschiede ich höre. Die entscheidende Rolle!
     
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  14. Nemo

    Nemo Ist fast schon zuhause hier

    Völlig richtig - aber eben nur für Dich.
    Und bei jedem jeweils für sich.

    :)
     
  15. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Wenn Du da nichts gehört UND gemerkt hast... :rolleyes:

    Es ging mal eine wilde bis wüste Diskussion um "P-Ligging" durchs Netz.
    Da wird eine Lederschnur oder sowas um den S-Bogen gewickelt und schwuppdiwupp wird der Sound auf magische Weise ... was immer Du Dir vorstellst!

    Spielkind, das ich bin, habe ich das mal ausprobiert.
    Ist ja wesentlich günstiger als z.B. so ein LeckFreck-Gefummel ...

    Effekt: NULL

    Wahrscheinlich war ich nur zu blöd die aufgehende Sonne über dem Wasserfall zu hören... :p:D:p
     
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  16. Hubert

    Hubert Kann einfach nicht wegbleiben

    Es war überhaupt nicht meine Absicht irgendwas "abzutun", ich glaube nur nicht dass wir hier zu einem Konsens oder Ergebnis kommen werden.
    Wenn man das im Hinterkopf behält und respektvoll miteinander umgeht kann die Diskussion trotzdem interessant sein.
    Das stelle ich überhaupt nicht in Abrede, das ist mir genau so wichtig. Ich dachte das Beispiel mit dem Mundstück hätte das klar gemacht.
    Ich hatte nur den Eindruck dass hier in der Diskussion mal das eine (Eigenwahrnehmung) und mal das andere (objektiver Klang) gemeint ist und das nicht klar genug wird.
     
  17. ppue

    ppue Mod Experte

    Für mich wäre beides gemeint. Solange die Eigenwahrnehmung nicht psychobedingt ist, ändert sich auch für den Außenstehenden etwas.
     
  18. Alex_Usarov

    Alex_Usarov Ist fast schon zuhause hier

    Mir gefällt sehr die Aussage von @cwegy diesbezüglich (nicht wortwörtlich): wenn der Spieler mit seinem Sound bzw. Setup glücklich ist, hat auch der Zuhörer was davon, ganz gleich, ob seine Wahrnehmung mit der vom Spieler übereinstimmt oder nicht;)
     
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