Eine ganzheitliche Rhythmusschule für alle Melodieinstrumente von Peter Putz
76 Seiten im A4-Format, erhältlich bei Amazon für 18,95 Euro; mit dem Autor kann über PM im Forum Kontakt aufgenommen werden (Mitglied Florentin)
Mit schöner Regelmäßigkeit finden sich im Forum Beiträge nach dem Muster "ich kann keine Rhythmen lesen " oder "wie zähle ich richtig?". Bei diversen Forentreffen erfreuen sich Workshopangebote zum Thema Rhythmusgefühl – wie von Peter Wespi - immer wieder großer Beliebtheit. Dies zeigt, dass es offensichtlich eine ganze Reihe von Forenmitgliedern (ich zähle mich selbst dazu) gibt, die mit dem Lesen von Rhythmen ihre Schwierigkeiten haben. Manchmal kommt man sich vor wie ein Erstklässler, der mühsam Buchstabe für Buchstabe und Wort für Wort zusammen reimt, anstatt einen Satz flüssig zu lesen. Die Schwierigkeit, Musik zu lesen, wie man einen Text lesen würde, tritt nach meiner Beobachtung vermehrt bei Menschen auf, die erst im Erwachsenenalter beginnen, ein Instrument und begleitende Fertigkeiten wie das Notenlesen zu erlernen. Zwar scheint mir in Zeiten des Bekenntnisses zum lebenslangen Lernen ein Satz wie "was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" ausgesprochen negativ und demotivierend, aber eines lässt sich nicht leugnen: wer in der Jugend nicht (mehr oder weniger spielerisch) den Umgang mit der Notenschrift erlernt hat, dem fällt als Erwachsenem – mit oft eingeschränkten zeitlichen Ressourcen für das Üben – der Zugang oft schwerer. Für andere Musiker, die quasi mit dem Notenlesen aufgewachsen sind, sind die geschilderten rhythmischen Schwierigkeiten manchmal nur schwer nachvollziehbar. Aber auch hier gibt es genügend Beispiele, dass sich z.B. Musiker mit einer klassischen Ausbildung in ungewohnten Stilrichtungen wie Swing oder Latin rhythmisch schwer tun.
Viele Musiklehrer erkennen zwar sofort rhythmische Ungenauigkeiten oder Fehler ihrer Schüler und korrigieren diese, aber sie haben außer dem Hinweis "Du musst immer schön mitzählen" selten ein geschlossenes didaktisches Konzept zur Überwindung dieser Schwierigkeiten verfügbar.
Wer die Suchmaschine bemüht, findet im Forum reichlich Tipps und Hinweise, wie man dem Missstand zu Leibe rücken kann. Unser Forumsmitglied Florentin (= Peter Putz) hat sich – aus früherer eigener Betroffenheit – vertieft Gedanken zu dem Problem gemacht und mit bewundernswerter wissenschaftlicher Akribie ein System entwickelt, wie man im Selbststudium seine rhythmischen Fähigkeiten verbessern kann. Dieses System hat er nach und nach weiter entwickelt und verfeinert und stellt es mittlerweile gegen ein faires Entgelt von 17,50 Euro auch anderen Betroffenen zur Verfügung. Nachfolgend möchte ich kurz das Konzept des Buches beschreiben und über eigene Erfahrungen berichten.
Die Grundidee der Methode ist ebenso einfach wie genial: da es das Ziel sein soll, ähnlich wie bei geschriebenen Texten nicht mehr einzelne Buchstaben zu erkennen und aneinander zu reihen, sondern zumindest Silben, besser Wörter oder sogar ganze Sätze zu erkennen, identifiziert die Methode rhythmische Grundmuster, die für sich genommen (auswendig) gelernt werden können und deren Verbindungen dann mehr als 90 % des gängiger Weise in der Praxis vorkommenden Notenbildes abdecken.
Am Anfang steht folgende Überlegung: wenn man einen 4/4-Takt in zwei gleiche Hälften unterteilt und des Weiteren davon ausgeht, dass in einem Großteil der (gerade von Anfängern) gespielten Musik nur ganze, halbe, Viertel- und Achtel-Noten zum Einsatz kommen, so reduziert sich die Zahl der rhythmischen Bausteine auf die überschaubare Zahl von 34. Hierzu gibt es für mathematisch Interessierte in dem Buch auch den passenden mathematischen Beweis. Aber keine Sorge: auch wenn sich das jetzt sehr wissenschaftlich/theoretisch anhört, ist die Umsetzung ausgesprochen praxistauglich!
34 rhythmische Grundmuster – das ist eine Menge an "Fremdwörtern", die man sich mit einem vertretbaren Aufwand aneignen kann. Am Ende des Lernprozesses soll man dann diese Bausteine in Echtzeit wieder erkennen und rhythmisch korrekt spielen können.
Das "Problem" dieser Herangehensweise ist die Verbindung der einzelnen Bausteine. Vergleichsweise unkompliziert ist es, wenn die Muster sich in den Grenzen eines halben Taktes halten (was sie natürlich nur manchmal tun). Wenn Pausen mit ins Spiel kommen, wird es etwas komplizierter und am schwierigsten (jedenfalls aus meiner Sicht) ist es dann, wenn der Ton über die Grenze des halben Takts hin andauert. Genau diese Arten von Verbindungen werden allerdings im dem Werk dann auch systematisch aufgearbeitet und mit praktischen Beispielen eingeübt.
Überhaupt ist es ein großer Vorzug des Werkes, dass es nicht nur theoretisiert, sondern jeder neue Baustein in allen denkbaren Verbindungen anhand konkreter Beispiele (teilweise aus bekannten Standards) praktisch geübt werden kann. Hierzu werden auf Nachfrage auch Midi-Dateien zugesandt, die aber alleine der Kontrolle dienen und nicht das eigene Üben ersetzen sollen.
Mit Peters Erlaubnis kann ich kurz aus der Einleitung zitieren und eine Vorschau auf den Aufbau des Werks und den Inhalt der einzelnen Kapitel geben:
"In Kapitel 2 wird zuerst die Methode vorgestellt und begründet. Sie basiert auf einem ganzheitlichen Erfassen von Notengruppen, die man als bekannte rhythmische Bausteine (Grundmuster) erkennt und zur kompletten Melodie zusammensetzt. Gerade dieses Zusammensetzen in „Echtzeit“ (während des Spielens vom Blatt) ist kritisch und wird ausführlich erklärt. In Kapiteln 3 – 5 werden der Reihe nach die 34 rhythmischen Grundmuster anhand von Notenbeispielen vorgestellt und Tipps zu ihrem Erlernen gegeben. Kurze Übungsbeispiele zeigen das Auftauchen der neuen Muster in unterschiedlichen Verbindungen. Sie sind melodisch bewusst einfach gehalten (im Tonbereich von Kinderliedern), um nicht von der Hauptproblematik des Rhythmus abzulenken. Ab und zu sind auch Zitate aus bekannten Swing- und Latin-Standards eingebaut, ohne allerdings deren Namen zu verraten. Das Ziel ist ja, nur aus den Noten das richtige Ergebnis zu produzieren. Kapitel 6 bietet vermischte Übungen, wo die wichtigsten Grundmuster in wiederum bekannten Motiven aus Swing und Latin kombiniert sind. Kapitel 7 und 8 diskutieren die Erweiterung der Methode auf weitere Rhythmuselemente und Taktarten, die in der „Grundversion“ der Einfachkeit halber nicht enthalten sind. Kapitel 9 schließlich verweist auf Schulen und Etüden, aus denen weiter geübt werden kann und soll. Anhang 1 fasst die 34 Grundmuster auf 3 Seiten kompakt zusammen und kann als „Spickzettel“ für später verwendet werden. In Anhang 2 (für die Theoretiker) wird bewiesen, wieso es unter den definierten Einschränkungen von Kapitel 2 nur 34 Grundmuster gibt, die Methode also insofern komplett ist. Anhang 3 (für die Ungeduldigen) verrät, welche Standards in den Übungen in den vorherigen Kapiteln zitiert sind."
Nun zum persönlichen Fazit: wer bislang mit anderen Methoden nicht zu einem befriedigenden Ergebnis gekommen ist, der sollte es auf jeden Fall einmal mit den "Rhythmischen Grundmustern" versuchen. Mir persönlich hat es deutlich weitergeholfen und insofern war das Geld bestens angelegt. Allerdings gilt das, was bei jeder Diät, jeder Sportart und jeder anderen Tätigkeit auch gilt: es hilft nicht, darüber zu lesen, sondern man muss es auch konsequent üben und anwenden.
Rhythmische Grundmuster - Pop, Jazz und Latin vom Blatt spielen
Artikel in 'Schulen & Etüden', hinzugefügt von Claus, 30.Juli.2011. Current view count: 11561.