Improvisieren für Anfänger

Dieses Thema im Forum "Anfänger Forum" wurde erstellt von Saxoryx, 9.Mai.2016.

  1. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Ich würde mal gern darüber nachdenken, wie sich das mit dem Improvisieren für Anfänger so einfach wie möglich machen lässt, da ich dazu nirgendwo etwas gefunden habe. Es geht immer gleich mit Harmonielehre los, und das ist nicht der Anfang, das sind Themen für Fortgeschrittene.

    Der Anfang ist das Spielen. Also ich nehme mir irgendeinen einfachen Standard und spiele damit einfach mal herum. Bei mir ist das jetzt als Beispiel „Now’s the time“ von Charlie Parker. Das ist ein ganz einfaches Stück, das jeder sofort nachspielen kann. Die Noten sind im Realbook, Backingtracks gibt es überall, Aebersold u.a. Auf Youtube kann man sich das Stück anhören, um zu wissen, wie es klingt, wenn man es nicht kennt.

    Das ist schon ein ganz wichtiger erster Schritt: das Anhören. Ich kann kein Stück spielen, wenn ich es nicht gehört habe. Das heißt, ich kann es spielen, aber ich brauche dann viel länger, bis ich das richtige Gefühl dafür entwickele.

    Das Stück wird meistens in einer ziemlichen Geschwindigkeit gespielt, die für Anfänger nicht machbar ist. Also würde ich es langsamer spielen, wie hier beispielsweise:



    Die ersten Töne schaue ich mir an. Welche Töne sind das? Ich rede jetzt nicht von Akkorden, nur von den Tönen. Welche Akkorde das sind, interessiert mich nicht. Das sind die Töne, mit denen ich improvisiere. Nur die Töne, die in der Melodie vorkommen, sonst nichts. Da die Töne in der Melodie vorkommen, müssen sie ja notgedrungen passen.

    Also der erste Ton ist ein „a“, dann kommt zweimal „d“, einmal „e“, einmal „a“ und dann wieder „d“ einmal. (Das ist die Alto-Version, da Charlie Parker das auf dem Alt gespielt hat.) Das sind also gerade einmal drei verschiedene Töne. Damit kann man doch schon etwas anfangen. Viel mehr Töne kommen in dem ganzen Stück auch nicht vor, später wird dann noch mal kurz ein „g“ und ein „gis“ gestreift, ein „f“ und ein „h“, ganz zum Schluss noch ein „c“. Aber die Töne, die am meisten vorkommen, sind „a“, „d“ und „e“. Also beschränken wir uns doch einfach darauf.

    Ich nehme mir also den Backingtrack, spiele die Melodie (wenn ich sie kann), und dann fange ich an zu improvisieren. Ich spiele ein „a“, ziemlich lang, dann ähnlich lang ein „e“, zum Schluss das „d“. Beim zweiten Durchlauf spiele ich dieselben Töne schneller, also beispielsweise Achtel statt Viertel, oder Viertel statt Halbe. Beim nächsten Durchlauf fange ich unten an, mit dem „d“, springe zum „a“, dann zurück zum „d“, in Achteln hoch „d“, „e“, „a“. Und jetzt mache ich das einige Zeit so weiter, nehme vielleicht noch mal ein „f“ dazu oder ein „g“, mal ein „h“ und ein „c“. Das klingt schon ganz gut, und ich habe bis zum Schluss nicht die geringste Ahnung, welche Akkorde, Stufen oder sonst was das sind. Und das interessiert mich auch nicht.

    Als Anfängerin spiele ich mit den Tönen herum, nicht mit Akkorden. Klar, von den Profis kommt dann der große Aufschrei, man müsste doch wissen, mit welchem „Tonmaterial“ man da arbeitet. Allein schon der Ausdruck „Material“ ist so gefühllos, dass ich den nie benutzen würde. Musik ist Gefühl, wenn ich mit „Material“ „arbeite“, komme ich mir vor wie ein Betongießer auf einer Baustelle, das hat für mich nichts mit Musik zu tun.

    Ich empfinde Töne, ich fühle Musik, arbeiten tue ich da nicht, und von Material will ich auch nichts wissen. Ich will meine Gefühle ausdrücken. Und das kann ich selbst mit den drei Tönen von „Now’s the time“ schon ganz gut. Ich kann den Rhythmus wechseln, Pausen einfügen, immer wieder mit einem anderen Ton anfangen und langsam, Stück für Stück, andere Töne hinzufügen und ausprobieren.

    Das alles, was ich hier beschrieben habe, ist weit von dem entfernt, was viele, die schon lange spielen, sich vorstellen, aber als Anfänger hat man einfach selten so viel Geschick und so viel Technik, dass man spielen kann wie Charlie Parker. Aber das heißt nicht, dass man nicht ein Stück von ihm nehmen und daran üben kann. Langsam und mit ganz wenigen Tönen.

    So kann man sich mit der Zeit steigern, ohne dass man sich zuerst einmal mit Harmonielehre beschäftigen muss, und ganz passable Solos zusammenkriegen. Nach einer Weile wird man sich sicherlich mehr für die Harmonien interessieren und das mal ausprobieren. Aber dann hat man schon Spaß am Improvisieren und der wird einem nicht gleich von Anfang an genommen, weil man erst mal Harmonielehre pauken soll.

    Am liebsten würde man das Saxophon jedes Mal in die Ecke feuern, wenn man wieder so etwas liest wie „Terz/Septim-Tritonus“. Das ist, wie wenn man erst Chinesisch lernen müsste, um überhaupt nur ein Wort in einem Buch zu lesen.

    Um den Spaß am Spiel zu behalten, sollte man erst mal spielen und vergessen, dass es so etwas wie Harmonielehre und Chord Progressions überhaupt gibt. Und wenn man dann schon ganz gut vor sich hin improvisiert, sich so ein paar Tonfolgen angeeignet hat, die gut passen (Blues in F kommt ja immer wieder vor, also kann man das immer wieder verwenden, wenn man es einmal in den Fingern hat), dann schaut man sich mal die Akkorde an und guckt, ob man damit etwas anfangen kann.
     
    Zuletzt bearbeitet: 9.Mai.2016
  2. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @Saxoryx

    Nicht "man" macht das so oder so.....(ich z. B. nicht)....DU machst das so.

    Also Du kannst es so machen. Und für Dein Einstieg in die Impro sicher nicht der schlecheste Weg. Sich an der Melodie "langhangeln" und diese modifizieren ist eine gute Möglichkeit.

    Mit ETWAS theoretischem Hintergrund hast Du aber gleich viel mehr spannende Töne zu Verfügung:

    Im Prinzip ist das Stück ein F-Blues (klingend) im Bebop Stil, also kannst Du die F-Blues Tonleiter verwenden. Schau Dir mal die Töne an und probier die mal aus. Dürfte deutlich spannender klingen.

    Wenn Du nur auf die Töne der Melodie achtest, wird es eintönig, weil in der Melodie einige Phrasen ständig wiedeholt werden. Was im Bezug zu den Akkorden Sinn macht. Nur wenn man die Akkorde nicht kennt, weiß man nicht was passiert und verheddert sich.

    Und warum er an welcher Stelle andere Töne spielt ist Dir ja nicht klar. Die muß man an der richtigen Stelle spielen, und nicht wahrlos einstreuen.

    (Ab Takt neun gibt es noch eine II-V-I Verbindung beginnend mit G-Moll....muß man aber nicht berücksichtigen. Die Blues Skale funktioniert)

    Gar nicht viel Theorie, aber vom Ergebnis viel spannender, wie ich finde.

    CzG

    Dreas
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 9.Mai.2016
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  3. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Moin!

    Meine persönliche Meinung: Harmonielehre sollte man auch nicht pauken, sondern sich auf spielerische Weise erarbeiten, weil man neugierig ist auf das, was in der Musik passiert und wie. Das war meine intrinsische Motivation, ausgehend von dem, was ich höre. Experimentieren. Ausprobieren. ich wusste aus dem Unterricht halt schon die elementaren Dinge (Tonika, Subdominante, Dominante, dorisch, ...), aber die laufen ja einem permanent über den Weg. Von daher war das praktisches Wissen, unmittelbar vor Augen geführt. Ton, Intervall, Akkord, Funktion, Skala, ... das sind Deine Freunde, nicht Deine Feinde! Tritonussubstitution ... habe ich selbst gefunden. Erst 15 Jahre später eine Jazzharmonielehre in der Hand gehalten, wo das drin stand. Ach, so heißt das. 'Major Seven', so wird der offiziell genannt, Slashchords, selbst entdeckt ... Quintfallsequenz ... der gute alte Bach hat sie gerne benutzt. :) Er hat auch nur mit Wasser gekocht, aber seins war manchmal verdammt heiß.

    Caveat: Ich komme vom Klavier, da ist das mit der Musiktheorie leichter. Tasten helfen.

    YMMV

    Grüße
    Roland
     
  4. Stevie

    Stevie Ist fast schon zuhause hier

    Hi Saxoryx,

    ich kann Deine Herangehensweise gut nachvollziehen. Ich denke, am Ende des Tages macht es die Mischung. Wenn man nicht so sehr ein analytischer Spieler ist, dann ist das Annähern über die Melodie und das Ausprobieren ein "zulässige" Methode. Wenn man die Akkordsymbole und Changes lesen kann, hat man aber vielleicht schneller sein "Material" (ich benutze mal das "M-Wort") zusammen.

    Jeder sollte seinen persönlichen Weg finden. Ich befasse mich zwar auch mit Harmonielehre. Für mich gibt es aber irgendwann auch ein zu viel an Theorie. Denn es gibt auch immer eine Diskrepanz zwischen dem, was ich vielleicht intellektuell noch verstehen, im Moment des Spielens aber nicht mehr umsetzen kann. Daher versuche ich, die Theorie mit meinen spielerischen Fähigkeiten in Einklang zu bringen und beides - parallel - weiter zu entwickeln. Das Spielen und - ganz wichtig - das Hören steht bei mir aber immer im Vordergrund.

    Ich denke auch, dass viele Jazzgrößen, die heute rauf und runter analysiert werden, selber viel weniger theoretisch an die Musik herangingen, sondern die Musik schlicht und einfach "gelebt" haben und immer Neues schlicht ausprobiert haben - ob denen dann immer ganz genau klar, wie das, was sie - aus dem Moment heraus - gemacht haben musiktheoretisch in die Harmonielehre einzuordnen war ...? Ein gutes Beispiel hierfür ist wohl Chet Baker, von dem gesagt wird, dass er keine chords and scales kannte (vielleicht in dem Sinne zu verstehen, dass er sich die chords and scales nicht bewusst gemacht und diese auch nicht analysiert hat).

    Man sollte theoretisches Grundwissen nicht "verteufeln", weil es tatsächlich hilft und auch die Möglichkeiten des Spielens erweitert. Aber es ist für mich nur Mittel zum Zweck. Ich sehe - für mich - keinen Sinn darin, Dinge zu erarbeiten, die ich spielerisch (noch) nicht umgesetzt bekomme.

    Man muss hier - so denke ich - auch immer berücksichtigen, wieviel Zeit man für die Musik aufwenden kann. Wenn ich Musik studiere oder professionell Musik mache, kann ich mich gut ein paar Stunden am Tag auch mit Harmonielehre befassen. Und dann beherrsche ich mein Instrument auch so gut, dass ich das was ich theoretisch analysiert habe auch mehr oder weniger sofort umsetzen kann.

    Wenn ich aber nur eine oder zwei Stunden am Tag Zeit habe (und damit wären die meisten Berufstätigen schon privilegiert), muss ich mich beschränken. Wenn ich da die Blues-Scales mit ein paar Extras hier und da drauf habe, bin ich normalerweise schon gut beschäftigt und habe auch genug Material, um ein gutes Solo abzuliefern - vorausgesetzt ich kann das dann überzeugend spielen. (Ich kenne Saxer, die theoretisch sehr fit sind, aber keinen geraden Ton rauskriegen - das wäre nicht mein Ding). Sitzt das alles sicher, kann ich auch mal einen Schritt weiter oder nach rechts oder links gehen.

    To cut a long story short: wenn Du auf dem beschriebenen Weg weiterkommst und Spaß beim Spielen hast, liebe Saxoryx, dann ist das nach meiner Überzeugung für Dich der "richtige" Weg.

    LG

    Stevie
     
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  5. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @Roland

    Bin ganz bei Dir. Die Taster und Zupfer müssen eh lernen die Akkordsymbole zu lesen.

    Ich weiß nicht, warum sich viele beim Sax da so sperren.

    Ich hab' sie nicht systematisch gelernt, aber es gibt eine ganze Reihe von Akkorden, die immer wieder vorkommen und insofern kenne ich die Töne, wenn ich den Akkord sehe.

    CzG

    Dreas
     
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  6. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Ich kenne aber auch Gitarristen, die können keine Noten und keine Tabs lesen.

    Problem, was wir mit einem hatten: Wir wollten für ihn bekanntes (Rock, yeah!) Terrain verlassen und eine jazzige Version von 'Let it Snow' spielen. Das war hart, für alle. Wenn wir ihm sagten, dass er ruhig an der Stelle Em spielen kann, weil das ein Cmaj7 ist und das C kommt vom Bass ... *tilt* Keine Ahnung, wie das gelöst wurde ....

    Grüße
    Roland
     
  7. last

    last Guest

    "Als einer seiner Professoren entdeckte, dass er keine Noten lesen konnte, wurde er beinahe vom College ausgeschlossen. Mehrere seiner Professoren setzten sich für ihn ein und wiesen auf seine Fähigkeiten in Kontrapunkt und Harmonielehre hin. Da die Schule fürchtete, dass es zu einem Skandal kommen könnte, gewährte sie ihm angeblich den Abschluss nur gegen sein Versprechen, nie selbst zu unterrichten."

    Na...? Von wem ist hier die Rede? ;)

    :) last
     
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  8. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Lol, guter Fund :)
     
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  9. OnkelSax

    OnkelSax Ist fast schon zuhause hier

    .. leider schon gestorben....
     
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  10. flar

    flar Guest

    Moin, moin

    Eigentlich wollte ich mich zu dem Thema nicht äußern, das habe ich an anderer Stelle bereits getan, aber hierzu möchte ich doch mal etwas sagen.

    Ich habe meine Berufsausbildung mit 15 begonnen, ernsthaft angefangen mich mit Musiktheorie beschäftigen habe ich mit 17/18. Die erste große Liebe gab es schon ein paar Jahre, das Saxophon auch, Führerschein, Gesellenprüfung über Langeweile konnte ich mich bestimmt nicht beklagen und trotzdem habe ich es gelernt, so nebenbei und anfangs ziemlich drauflos.

    Über einen Musikverein hatte ich mit 19 die Gelegenheit an einem D1 und D2 Kurs teilzunehmen, D1 lief mit meinen noch wirren Wissen so durch, kannte ich alles.
    D2 brachte neue Erkenntnisse und das Interesse mich richtig mit der Theorie zubeschäftigen.
    Also habe ich mir schlaue Bücher besorgt und bin von vorne angefangen. Als Nichttaster mit Gitarre; Saxophon, einem Vierspurcassettenrecorder und jede Menge Radioprogramm durch stöbern wo etwas lief mit dem ich mich gerade beschäftigte. Und das war kein Jazz, das waren nach dem Buch Bach, Mozart usw., beim Jazz bin ich dann doch irgendwann angekommen, hat aber etwas gedauert!

    So mit 21 hatten meine heutige gute Gattin und ich gerade unsere erste eigene Wohnung, Arbeitsweg hin und zurück zwei Stunden und in meinem Beruf weiß ich nie genau wann ich Feierabend habe. So zwischen 8 und 11 Stunden schwankte das damals in etwa und ich habe angefangen erste kleine Arrangemants in verschiedenen Stilen zu schreiben.
    Das mache ich heute noch, neben meiner Arbeit, Familie und Saxophon üben.

    Übrigens ist das mit der Theorie genau wie mit dem Saxophon lernen, es nimmt kein Ende. Als ich hier gerade Mitglied im Saxophonforum geworden war hatte ich mit Roland eine kleine Diskusion über Blues und schwebende Klänge und er machte mich auf Claude Debussy aufmerksam.

    @Roland vielen Dank dafür! Denn das führte dazu das ich mich genauer mit Debussy beschäftigt habe und ihn jetzt sehr gerne höre, genauso wie Bach, Mozart und viele, viele andere, übrigens auch Jazzmusiker die ohne mein Interesse an Musiktheorie an mir vorbei geschlichen wären! Irgendann mal gehört und vergessen!
    Weil so ganz eigentlich habe ich ja mal angefangen Saxophon zu spielen um diese kleinen zwölftaktigen Solo in Rock'n'Roll Stücken zu spielen, die sind leicht raus zuhören und haben mit Improvisation auch nicht immer etwas zu tun!

    Weiterhin viel Spaß beim drauflos hupen und viele Grüße Ralf
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 9.Mai.2016
  11. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Dann zitiere ich mal weiter aus der Wikipedia:

    1943 wurde er in die Armee eingezogen. Zu Beginn des Militärdienstes hatte er Gelegenheit, an der University of California Vorlesungen bei Arnold Schönberg zu besuchen. [...] Nach drei Jahren Militärdienst kehrte er zum Mills College zurück und studierte 1946 ein halbes Jahr bei Darius Milhaud, der ihn ermutigte, sich nicht nur mit klassischem Klavier, sondern auch mit Kontrapunkt und Arrangement zu beschäftigen.

    Hm. Studierte bei Schönberg und Milhaud ohne Noten lesen zu können.............

    fragt Helmut
     
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  12. last

    last Guest



    "Brubeck followed this advice and graduated in 1942, though several of his instructors were shocked to learn that he still couldn't read music."


    http://www.allmusic.com/artist/dave-brubeck-mn0000958533/biography

    http://www.taz.de/!5077826/

    http://www.zeit.de/kultur/musik/2012-12/dave-brubeck-nachruf

    http://www.sueddeutsche.de/kultur/herzversagen-jazzlegende-dave-brubeck-gestorben-1.1542784

    http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/pop-und-jazz/Jazzlegende-Dave-Brubeck-ist-tot/story/24450263&usg=AFQjCNG-3Qs3okXRoUuqUJLumPhKkWYqlw&bvm=bv.121421273,d.ZGg

    usw. usw. usw.
    Ich vermute mal, er konnte es "einfach hören".

    LG
    last
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 10.Mai.2016
  13. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    Was soll man daraus ableiten können? Sicher konnte er hören. "couldn't read Music" kann ja auch vieles heissen - von gar nicht bis stotternd und wenig sicher. Heisst auch nicht, dass er nichts von Theorie verstand.
    Ich sehe damit noch keine grossen Zusammenhänge zum eigentlichen Thema Improvisation. Hören ist unbestritten sehr wichtig - aber ganz ohne Theorie wird man einfach mal anstehen und immer das Gleiche Spielen. Kenne ich aus eigener Erfahrung bestens.

    Es dürfte beispielsweise da anstehen, wo es harmonisch etwas komplexer wird. Allerdings verhilft m.E. gutes Theorieverständnis auch nicht automatisch zu tollen Improvisationen. In andern Kunstrichtungen ist das ja auch nicht anders. Theorie kann zwar Inputs geben, neue Zugänge öffnen etc., aber die kreative Leistung liefert sie eben noch nicht. Es sind wohl die Verbindungen, welche weiterführen - theoretische Einsichten und sinnliche Erfahrung des Hörens und Spielens. Oder so...

    Mann, ist das theoretisch kompliziert :)

    antonio
     
  14. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Die Diskussion "braucht man Throrie?" hatten wir ja schon häufig.

    Die einen man braucht es nicht, andere halten für unabdingbar.

    Kann doch letztlich jeder halten wie er will. Es gibt für 'nen Hobbymusiker keinen Zwang sich mit Theorie zu beschäftigen, sowie es auch keinen Zwang gibt Saxophon zu spielen.

    CzG

    Dreas
     
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  15. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    Bist du dir da ganz sicher? :smil3dbd4e29bbcc7:
     
  16. Saxophonia

    Saxophonia Ist fast schon zuhause hier

    Ganz so einfach ist es nicht. In einer Melodie können alle möglichen Töne vorkommen, die nur genau an der Stelle passen, wo sie in der Melodie erscheinen. Einen halben Takt später und es passt nicht mehr so gut. Das Stück wird ja immer von Akkorden begleitet, deshalb ist es für eine Improvisation eben doch wichtig, welche Akkorde an welchen Stellen gespielt werden und welche Töne in diesen Akkorden enthalten sind.
    Ich finde aber den Ansatz gut, sich anfangs auf wenige Töne zu beschränken. Überhaupt ist beim Improvisieren üben gut, sich auf ein Thema zu beschränken. z.B. nur zwei Töne aus der zum Stück passenden Bluestonleiter (geht natürlich nicht bei jedem Stück). Das Gute ist: Je mehr man sich beim Improvisieren üben einschränkt, desto phantasievoller muss man mit diesen zwei Tönen umgehen.
    Mein Lehrer sagt auch, wenn ein Ton falsch klingt, ist er eigentlich nur einen Halbton von einem richtig klingenden Ton entfernt. Wenn man also einen falsch klingenden Ton auflöst, klingt es wieder richtig.
    Es ist schade, dass so viele Leute Angst vorm Improvisieren haben und oft nach Jahren des Übens sich immer noch nicht trauen.
    Deshalb finde ich es richtig, von Anfang an zu improvisieren, egal wie. Was kann schon passieren? Die Welt wird davon nicht untergehen :)

    Aber das schliesst nicht aus, dass man sich von Anfang an mit Harmonielehre beschäftigen sollte. (Und das sage ich, obwohl ich alles andere als ein Profi bin, sondern ebenfalls eine Anfängerin.) Es geht ja nur darum, Namen und Erklärungen dafür zu finden, was ich spiele und was ich höre. Durch Kategorisierung und Namensgebung wird alles erst überhaupt wiederholbar und können wir uns entwickeln. Das gilt ja für alles im Leben. Wo stünde die Menschheit, wenn wir nicht für alles einen Namen hätten und es irgendwie zuordnen könnten? Wir könnten uns gar nicht verständigen, könnten uns nichts merken und müssten ständig wieder von vorne beginnen...
    Es ist ähnlich wie z.B. mit der Sprache: Ich muss nichts über Grammatik wissen, wenn ich eine Sprache lernen will. Als Kleinkind lerne ich sicher nicht erstmal Grammatik, bevor ich "Mama" sage. ABER: wenn man als Erwachsener eine neue Sprache lernen will, dann geht es viel, viel schneller, wenn ich mich mit Grammatik beschäftige, wenn ich Regeln kennenlerne usw. Und insgesamt kann ich sehr viel virtuoser und souveräner mit einer Sprache (auch mit meiner eigenen Muttersprache) umgehen, wenn ich sie bewusst einsetzen kann. Wenn ich weiss, warum etwas wie geschrieben wird. Wenn ich weiss, warum manche Wörter in einem bestimmten Kontext passen und im anderen nicht.

    Auch das kann man anders sehen. Ein bildender Künstler arbeitet zum Beispiel ebenfalls mit "Material". Er formt aus Ton beseelte Skulpturen, berarbeitet Marmor, bis daraus ein Gesicht entsteht usw. Ich finde den Begriff "Material" sogar sehr schön, es hat etwas Sinnliches, etwas das ich sozusagen mit Händen greifen und formen kann. Insofern hat der Begriff an sich nichts "gefühlloses", sondern es ist nur Deine Assoziation. Völlig okay, wenn Du mit dem Begriff nichts anfangen kannst, aber ich würde es nicht verallgemeinern.
     
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  17. Gerd_mit_Sax

    Gerd_mit_Sax Ist fast schon zuhause hier

    @Saxoryx mir fällt dazu das ein: Entweder kommt Improvisation wie von Dir gewünscht "von innen" und dann brauchst du keine Anleitung. Wenn du Anleitung brauchst, dann läuft das wahrscheinlich nicht ohne Theorie (und wenn es auch nur die Pentatonik oder Bluestonleiter ist) es sei denn es steht jemand neben dir und lobt und kritisiert dich live beim "von innen" spielen.
    Wenn das Improvisieren "von innen heraus" - d.h. über das Ohr nicht klappt und du Anleitung suchst, dann würde ich mir überlegen mich der Theorie zumindest ein Stück weit zu öffnen.

    Gerd
     
  18. peterwespi

    peterwespi Ist fast schon zuhause hier

    Meine Antwort im Thread "Alternative to Practicing Blues in All Keys" war eine theorietische Analyse und auf gar keinen Fall die Art, wie ich Impro-Beginner den Einstieg in die Improvisation aufzeige ;) Ich hätte das zum allgemeinen Verständnis wohl noch erwähnen sollen.

    In der Improvisation Academy habe ich das Tonmaterial (ELEMENTS) in fünf Level eingeteilt, wobei man bei Level 1 ohne irgend eine theoretische Vorgabe einfach loslegen kann. Das hat den Vorteil, dass man sich auf die Gestaltung der Improvisation (DESIGN) konzentrieren kann. Im Laufe der fünf Level werden tonale Leitplanken gesetzt und es wird früher oder später unumgänglich, jederzeit zu wissen, wo man sich gerade im Stück befindet (Orientierung im Ablauf). Mit den ansteigenden Level erarbeitet man sich die Fähigkeit, das Tonmaterial gezielter einzusetzen und lernt, zu agieren.

    Wie schon des öfteren läuft's auf die Grundsatzfrage "Theorie oder keine Theorie" hinaus. Meine bescheidene Meinung: Das muss und soll jeder für sich selber entscheiden. Wer den Weg über ausprobieren (try & error) beschreiten will, der wird auf jeden Fall vieles erleben, das ihn weiterbringt und seine Fähigkeiten beim freien Spielen positiv beeinflusst. Der Nachteil dabei kann sein, dass man für eine Erkenntnis vermutlich etwas länger braucht und dadurch etwas mehr Zeit benötigt.
    Und wer etwas kopflastiger an die Sache rangehen will und an Theorie interessiert ist, der soll halt Intervalle büffeln, Stufen bestimmen und Zusammenhänge erkennen erlernen. Und auch dieser Improvisator wird seine Vor- und Nachteile gegenüber dem Nicht-Theoretiker haben. Beide Wege oder Mischformen davon haben ihre Berechtigung, keiner ist falsch. Und ein Blick über den Zaun hat in diesem Fall noch niemandem geschadet... ;)

    Es ist aber doch sehr mutig, in diesem riesengrossen Feld von Individuen, Neigungen, mitgebrachtem Wissen, Lerntypen, Zeit-Managements etc. aufgrund der eigenen Erfahrungen auf alle anderen im ähnlichen Stadium schliessen zu wollen. Da ist jede und jeder anders. Es existiert kein perfekter Weg in die Improvisation – aber es gibt die im aktuellen Moment für sich passenden Möglichkeiten. Diese muss jeder für sich selber finden, sei es mit oder ohne Hilfe eines Impro-Coaches oder mit oder ohne Theorie :)

    Im Blog der Improvisation Academy habe ich einen IMPRO-TALK-Beitrag geschrieben, der vielleicht irgendwie zu diesem Thema passt... :)
     
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  19. ppue

    ppue Mod Experte

    Eine solche Diskussion polarisiert alleine schon durch die Begriffe Praxis und Theorie. So scheinen die Standpunkte weiter auseinander als sie wirklich sind.

    Theorie fängt ganz vorne an. Man kann höhere und tiefere Töne auf dem Saxophon spielen. Verschiedene Kompositionen verlangen verschiedene Tonleitern und meist ist das Stück überwiegend in einer Tonart geschrieben. Meistens in Dur oder Moll.

    Die Praktiker hier werden das meiste davon intuitiv aufnehmen und können das auch bedienen. Selbst das Vokabular wird bis hierhin bekannt sein.

    Wenn aber der Begriff Subdominante fällt, dann haut es sie mit einem Male raus. Und das ist ein ungutes Gefühl.

    Ich könnte mit den Praktikern sicher schnell einen Blues rein auf Gefühlsebene durchsprechen.



    Der Blues hat drei Teile:
    Das Stück fängt in der Grundtonart an. Hier ist man zu Hause.
    Im zweiten Teil machen die Harmonien einen Ausflug und kehren wieder heim. Der Text der ersten Zeile wird wiederholt.
    Im dritten Teil findet man den spannungsreichen Höhepunkt des Stücks und kehrt wiederum heim.

    Wenn man das nachvollziehen kann, was rein vom Gehör und Gefühl her möglich ist, dann hat man ein Gefühl für die drei wichtigsten Stufen in unserem Tonsystem.

    All das ist bereits Theorie, auch wenn es nicht so klingt.

    Wenn ich nun schreibe, dass das die Stufen I, IV und V sind, oder eben Tonika, Subdominante und Dominante, dann klingt das nur so geschraubt, ist aber nichts anderes, als was man oben im Blues auch fühlen kann.

    Ich denke, Theorie und Praxis dürfen gar nicht erst auseinander fallen. Theorie lernt man z.B. nicht, wenn man sie nicht auch hören kann. Hören kann man besser, wenn man grundlegende Zusammenhänge begriffen hat.
     
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  20. K.N.

    K.N. Schaut nur mal vorbei

    Hallo Saxoryx, das ist ein klasse Beitrag! Mir als Anfänger aus der Seele gesprochen. So werde ich das auch machen. Ich muß mich echt beherrschen, die notwendige Toleranz für die Profis und Theoretiker aufzubringen. Mit Pseudowissenschaften mußte ich mich im Studium lange genug rumschlagen. Mit Menschen, die alles hinterfragen, alles kompliziert machen, obwohl vieles einfach wäre, habe ich genug zu tun. Das will ich mir als Hobbymusiker nicht noch in meiner knappen Freizeit antun. Nix für ungut, an die Anderen, jeder nach seiner Facon. Das ist ja gerade das Schöne.
     
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