Akkordprogressionen einprägen/auswendig lernen

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von the_ashbird, 12.April.2012.

  1. the_ashbird

    the_ashbird Ist fast schon zuhause hier

    Hallo zusammen!

    Zur Zeit besteht mein Übealltag vorwiegend darin, die Akkordschemen von gängigen Standards durchzuarbeiten.

    Dazu hör ich mir die Nummer erst zwei-drei mal in unterschiedlichen Stilen, etc. von unterschiedlichen Musikern/Instrumentalisten an. Anschließend klopf ich mir die Akkorde in Band In A Box, dreh das Tempo auf ca. 80 +/- und zerpflücke erstmal die Akkorde...will heißen, ich beginne erstmal damit, die jeweiligen Arpeggien über die einzelnen Akkorde zu spielen. Erst in Vierteln/Achteln, nach ein paar Durchläufen in 8tel/16teln. Anschließend werden Skalen drüber gespielt und etwas mit Extensions rumgebastelt, etc.

    Sobald ich die Akkorde mal halbwegs drin habe, improvisier ich erst mal frei Schnauze und tobe mich aus...versuche erst mal ganz gediegen und übersichtlich zu starten und erweitere das ganze von Chorus zu Chorus.

    Funktioniert bislang absolut super und hilft mir persönlich 1000 mal besser weiter zu kommen als mit bloßen Skalenübungen, Etüden, Licks, Patterns, oder sonst was.

    Mir ist dabei jetzt aber eines ganz deutlich aufgefallen...

    ICH KANN MIR KEINE AKKORDSCHEMEN MERKEN!

    Einfach strukturierte Sachen gehn natürlich sogar mir in den Schädel (z.B. Cantaloup Island, So What, mehr oder minder klassischer Blues, etc.), kaum wirds auch nur ein bisschen "komplexer" kriegts mein Köpfchen zwei Tage später nicht mehr auf die Reihe, die Akkorde ohne Leadsheet aus dem Hut zu zaubern...

    Wie macht ihr das?

    Ich versuche mir das ganze möglichst in Stufen zu merken, damit ich das ganze auch auf Alt oder Tenor/Sopran umsetzen kann, aber irgendwie funktioniert das nicht so, wie ich es gern hätte. :-D

    Hab ich ne Nummer 20 Mal gespielt hab ich die Akkorde drinnen...spiel ich am nächsten Tag 10 mal ne andere Nummer, ist erstere nahezu wie weggeblasen...kaum zück ich das Leadsheet kommt der AHA-Effekt. :-D

    Würd mich über kurze Statements zu eurer Herangehensweise freuen!

    LG Phi
     
  2. reiko

    reiko Strebt nach Höherem

    Hallo Phi,
    mir geht es da ähnlich. Ich benutze daher zu komplexeren Stücken meistens Leadsheets, das gibt mir mehr Sicherheit und schämen tu ich mich deswegen auch nicht.
    Viele Grüße Reiner
     
  3. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Hallo Phi,

    ach wie gerne hätte ich Deine Probleme.....

    Dauert wohl noch 3 bis 30 Jahre.

    LG

    Dreas

    P. S. Deinen Übungsansatz finde ich klasse.
     
  4. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Ja, ist eine grundlegende Frage.

    Zwei Dinge dazu:
    Zum einen, Lernen funktioniert immer über Autmatisieren. Stuerungsvorgänge, die anfangs bewußte Aufmerksamkeit brauchen, werden an das Unterbewußtsein abgegeben, so das die bewußte Aufmerksamkeit sich um höherwertige Aufgaben kümmern kann.
    Je mehr Assoziationen man zum fraglichen Bereich hat, umso leichter kann man das lernen. 4 Seiten eines deutschen Gedichts sind z.B. viel leichter zu lernen als eine Seite eines chinesischen Gedichts (wenn man die Sprache nicht kennt).

    Bei Akkordfolgen ist es wichtig, das die Funktionen (z.B.
    II -V-I) dabei schnell, möglichst eben automatisch erkannt werden.
    Je mehr man also z.B. mit den Akkordstufen von Tonarten vertraut ist, umso mehr Assoziationen hat man.

    Lernen kann man das einfach dadurch, indem man oft in Stufen denkt, z.B. Stücke in Stufen aufsachreibt.
    Summertime dann z.B. /Im 4Takte /IVm 2 Takte /II / V / I usw.
    Das Material verringert sich so, es gibt quasi nur noch eine abstrakte "Tonart". Auf die Weise kann man übrigens dann Stücke auch leicht transponieren.
    Also Tip: Stücke nur in Stufen aufschreiben, dann die Tonart wählen, kurz durchdenke und losspielen.
    Stark unterstützt wird das, wenn man die gleichen Stücke in verschiedenen Tonarten spielt. Man denkt mehr und mehr in tonalen-harmonischen Bezügen, weniger über die Namen der Noten und Akkorde.

    Dann kann man weitere Assoziationen gezielt herstellen, z.B. auf dem Klavier die Melodie zusammen mit den Akkorden spielen. Die Melodie (auch ohne Klavier) in Bezug zu den Akkorde setzen ("Summertime beginnt auf der Quinte der Tonika"). Kann man alles sehr weit treiben, wenn man möchte.

    Jedenfalls gibt es so mehr und mehr Anknüpfungspunkte fürs Bewußtsein, durch die Auswendigspielen deutlich leichter wird. Man erkennt sofort typische Muster, muß sich dann vieleicht nur noch drei solcher Muster für einen A-Teil merken, dann noch drei Muster für den B-Teil, und man hat das Stück verstanden und schon halb auswendig.

    So oder so bleibt Auswendigspielen aber ein Thema.



    [size=xx-small]Jazz Band Berlin[/size]
     
  5. Gast

    Gast Guest

    Mir hilft auch das schematische Aufschreiben der Changes in Taktstrichen, wie es z.B. Gitarristen oder Bassisten tun.

    4 Takte pro Zeile, alles ordentlich untereinander. Das Thema kann ich dann natürlich schon auswendig, und irgendwann sitzen auch die Changes.

    Es gab mal eine Zeit ohne Playalongs, da war dieser Zettel das einzige strukturelle Hilfsmittel beim Üben von Stücken.

    Gruß, Herman
     
  6. the_ashbird

    the_ashbird Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Reiner!

    Danke für deine Antwort!

    Mir gehts da gar nicht um's "Schämen"...das ist mir ehrlich gesagt bislang herzlich wurscht. Ich darf mich selbst noch unter den Schutzschirm der Anfänger stellen! :-D

    Viel eher würde ich mir von eingeprägten Akkordschemen erhoffen, dass das Ganze runder läuft. Bei langsamen Nummern oder in BIAB runtergezügelten Versionen zügigerer Stücke komm ich ja mit dem Lesen von Leadsheets noch ganz gut klar, wird's schneller, hinken Augen und in Folge mein Hirn immer weiter hinter her...

    Das Problem: Ich red ja nicht mal von hoch komplexen Akkordstrukturen...ich kriegs nicht mal gebacken, mir auf Dauer Nummern wie "'Round Midnight", "Yardbird Suite", "Friends" oder "Song for my father" zu merken.

    Alles jenseits von Blues und einfachen modalen Nummern, die aus nur 3-4 Akkorden bestehen, will sich mein Köpfchen nicht merken! :-D


    -----------------------

    Hallo Werner!

    Danke für deine Hilfe!
    Im Prinzip mach ich's eh so...
    Ich schau mir ne Nummer an, versuch das Stück harmonisch zumindest ansatzweise nachzuvollziehen und denke in Stufen...eben mit der Absicht, dass man das Ganze dann auch in ner anderen Tonart oder eben auf nem anderen Sax hinbekommt.

    Da ich vom Akkordeon komme und die Bass-Seite dort nach dem Quintenzirkel angeordnet ist, denke ich vorwiegend in diesem Schema...da bin ich einigermaßen fit und so verknüpfen sich bei mir Stufen automatisch mit "Abständen" auf der Bass-Seite. So bring ich mit II-V-I sofort zwei einzelne Abstände in Verbindung, etc.

    Gewisse harmonische Strukturen höre ich auch einigermaßen...ich hör ne Dominante, höre II-V-I-Verbindungen, realisiere Tritonus-Substitutionen, u.ä.
    Das Problem liegt dann aber in der Reaktion auf das Gehörte. Ich höre "ach ja, das ist ja II-V-I", doch bis ich's realisiert hab, sind die zwei Takte schon rum...von eingeprägten Changes würd ich mir eben erhoffen, dass man diesem Problem entgegenwirken könnte.

    Aber ich habe glaub ich grundsätzlich Schwierigkeiten, mir Sachen am Sax auswendig einzuprägen...nicht nur Changes sind ein Problem, auch Melodien und Themen fallen mir schwer, wenn's nicht gerade einfach(st)e Stücke sind...

    --------------------

    Hallo Hermann.

    Ich werd's mal versuchen mit dem Aufschreiben.
    Vielleicht verknüpfen sich dadurch ja irgendwelche Synapsen o.ä. die es dann ermöglichen, 5 Akkorde länger als einen Tag zu behalten!

    Um meine Playalongs bin ich ja schon sehr froh. Ich kann's mir eigentlich gar nciht vorstellen, wie ich das Spielen über Changes ohne "harmonisches Gefüge" überhaupt üben könnte....mir würde einfach ein Bezugspunkt fehlen!

    Vielleicht ne gute Übung, mal gezielt auf Playbacks zu verzichten?!

    LG Phi
     
  7. bhimpel

    bhimpel Ist fast schon zuhause hier

    So mach ich das in letzter Zeit. Und das hilft mir sehr. So zu spielen, dass man immer hört wo man ist, oder auch bewusst mal andere Sachen spielen und zurückkommen. Das ist auch eine gute Timing-Übung. Vor allem dann der Aha-Effekt, wenn man die Sachen am Ende mit anderen oder dem Playalong zusammenspielt ist klasse.

    Ich habe leider seit jeher ein schlechtes Gedächtnis. Wenn man Zeit hätte, alle Stücke regelmäßig alle paar Tage zu spielen, würde das aber kein Problem sein.

    Ich finde auswendig spielen sehr wichtig, wenn man das Stück verinnerlicht hat. Ich kann zwar problemlos die meisten Stücke und Changes lesen und vom Blatt spielen, das Improvisieren ist auch flüssig, aber wenn ich wirklich Changes lesen muss, dann passieren viele Sachen leider automatisch und ohne dass ich kreativ bin.

    Viele Grüße,
    Benjamin
     
  8. TootSweet

    TootSweet Ist fast schon zuhause hier

    Ich spiele schon sehr lange, kann mir aber Changes auch nur verhältnismässig schlecht merken. Seit einem Jahr übe ich sie nach einer Methode, die Bob Reynolds (http://lessons.bobreynoldsmusic.com/) in einem seiner Videos vorschlägt. Kurz zusammengefasst:

    - Zunächst kein Play-along benutzen, sondern alles a capella mit Metronom auf 2 und 4 in vernünftiger Geschwindigkeit üben.

    - Zuerst mit dem Leadsheet nur die Roots spielen. Rhythmisch variieren (guter Nebeneffekt).

    - Nach einigen Durchgängen kommt zur Root die Terz, Wiederum rhythmisch variieren.

    - Dann die Quinte beifügen.

    - Dann die Septime.

    - Mit der Zeit - aber nicht zu früh, erst wenn man das Ganze praktisch auswendig intus hat und die Form nicht verliert! - kann man dann auch noch andere Töne, Approach Notes usw. beifügen.

    - Die Idee mit dem rhythmisch variieren ist wichtig, sonst wird's langweilig, ausserdem verbessert man so sein rhythmisches Vokabular.

    - Das Ganze muss man ZIG MAL durchspielen, bis man es wirklich internalisiert hat.

    - Hilfreich dabei ist auch die Visualisation. Dazu gibt's auch Videos von Bob Reynolds plus sehr gute Infos auf einer englischsprachigen Website:
    www.jazzadvice.com
     
  9. saxfax

    saxfax Strebt nach Höherem

    Was mir sehr hilft ist das Verständnis der harmonischen Zusammenhänge (wenn ich es denn habe ;-) ). Die Akkordprogressionen sind ja keine zufällige Abfolge, sondern haben meistens was miteinander zu tun. Ich spiele mir das ganze auf dem Klavier vor, da gibt es oft sehr viele Ahaeffekte. Wenn ich's kapiert habe kann ich's mir auch merken.

    Ansonsten: Beim Quintessence-Workshop im Januar haben wir die Musiker auch gefragt, wie sie auswendiglernen. Ergebnis: Jeder macht es anders.

    Gruß
    Saxfax
     
  10. fruitbat

    fruitbat Ist fast schon zuhause hier

    Kannst du die Arpeggien auswengig spielen, ohne an die jeweiligen Akkorde zu denken? Ich meine, ob du dir über "Ohr und Finger" die Akkordfolge merken kannst, ohne die Akkorde zu benennen? Das halte ich für viel wichtiger, als dass man weiß, dass man gerade E-7+9 spielt. Die Akkorde auf dem Leadsheet zu sehen oder deren Namen auswendig zu wissen, hilft mir nicht so viel. Der Standard muss "ins Ohr gegangen" sein, natürlich inklusive der harmonischen Funktionen. Das dauert bei mir auch ganz schön lange, aber ich fange erst mit improvisieren an, wenn ich die Arpeggien in den Fingern habe, sonst wird es schnell Murks.
     
  11. nachbarschreck

    nachbarschreck Schaut öfter mal vorbei

    Hallo ersma,

    merk dir doch einfach erstmal nur die guide notes- also erstmal nur alle terzen der akkorde. dann spielen spielen spielen. Dann die septimen dazu nehmen spielen spielen spielen. Dann weiter mit grundton usw usf.

    Schöne Grüsse

    nachbarschreck

     
  12. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem


    Hallo Phi,

    es gibt natürlich nicht DIE Methode für alle. Vielleicht fehlt Dir der Rote Faden.

    Wenn Du Dir einen Standard ansiehst, ist er sehr oft in der Form AABA geschrieben.

    Effektiv musst Du Dir also nur einen A- und einen B- Teil merken, jeweils 8 Takte.

    Wenn Du nun nur die Akkorde nimmst, die das Stück skizzieren, bleibt gar nicht mehr so viel übrig. Oft sind es ja II-V oder II-V-I Verbindungen.

    Also zuerst das Stück auf das Wesentliche reduzieren, das erleichtert auch eine zielgerichtete Improvisation.

    Im Übrigen wie schon erwähnt in Stufen denken, das macht schon Bekanntes erkennbar.

    Liebe Grüße

    Chris
     
  13. GelöschtesMitglied4288

    GelöschtesMitglied4288 Guest

    Hi,
    ich hatte das gleiche Problem. Ich wusste nicht, wie ich es bewerkstelligen sollte. Immer waren die Akkorde weg, obwohl ich auch Root, Terzen, etc. gespielt habe, bis ich dachte, es verinnerlicht zu haben.

    Ich mache es jetzt so. Ich mache eine kurze Analyse und dann spiele ich es auf dem Klavier!!! Ich transponiere das Klavier dabei, damit ich die gleichen Akkorde wie auf dem Tenor spiele und auch höre! Ich bin keine Pianistin oder so, aber wenn man Akkorde kann, kann man auch recht schnell auf dem Piano begleiten. Das ist überhaupt nicht schwer. Das Auge hilft mir dabei, die Akkorde richtig gut kennen zu lernen und zu verinnerlichen. Gleichzeitig sieht man besser den harmonischen Zusammenhang.

    Ich spiele es solange, bis ich flüssig begleiten kann. Die Melodie singe ich darüber. Dann nehme ich mich mit dem Keyboard auf und habe meine Basis. Erst jetzt schnappe ich mir das Sax und spiele die gesungene Melodie darüber. Ich brauche seitdem keine Noten mehr ;) Ich spiele alles auswendig. Dann fange ich an zu improvisieren. Später mache ich es dann umgekehrt. Ich improvisieren zum Metronom und nehme mich dabei auf. Dann hocke ich mich ans Keyboard und spiele die Changes darüber. Großer Spaß- und riesengroßer Lerneffekt.

    Viel Spaß!
    jazzwoman

     
  14. flar

    flar Guest

    Moin, moin
    ich mache das eigentlich genauso wie Jazzwoman, nur mit der Gitarre oder dem Bass. Ich komme aber auch gut damit klar die Akkordfolgen auf dem Sax als Arpeggios zu spielen. Überhaupt kein Lerneffekt stellt sich bei mir durch fertige Playalongs ein.

    Viele Grüße Flar
     
  15. BluesX

    BluesX Ist fast schon zuhause hier

    Bisher habe ich kaum die Akkorde / Arpeggien geübt, sondern die kompletten Skalen bzw. Tonleitern, in denen diese enthalten sind. Ich finde das viel leichter zu lernen und versuche, bei der Impro nur noch an den jeweiligen Grundton und die Vorzeichen zu denken.

    Da ich hier aber viel vom Spielen der Akkorde lese, liege ich damit wohl nicht richtig. Könntet Ihr mir sagen, warum? Wegen der anderen, unerwünschten / schrägen Töne, die in der Skala enthalten sind?

    Gruß, BluesX
     
  16. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @ BluesX

    Ich mache das auch eher über die Skalen (unter Anleitung meines
    Lehrers), wobei ich schon als Zieltöne die Akkordtöne anspiele.

    Ich übe erst eine Skala, dann versuche ich nach Gehör die Akkordtöne
    (erst Dreiklang, dann zus. die Septime) zu finden, überprüfe das aber
    über die Noten (ich liege da natürlich nicht zu 100% richtig).

    Dann improvisiere ich über die Skala und spiele gezielt die Akkordtöne an.
    Momentan bin ich dabei daraus bei einfachstrukturierten Stücke das
    über die Changes weiterzuentwickeln. Wahrlich nicht einfach.

    Die Akkordtöne sind wichtig, weil sie bestimmte Funktion in der Harmonie übernehmen (Spannung aufbauen, Spannung halten, Entspannen
    etc. Das können die Profis sicher noch besser erläutern).

    Mein Lehrer hat auf unserem letzten Improsorkshop das mal schön verdeutlicht.
    Erst hat er zu einer Skala beliebig gedudelt. Dann hat er gezielt die Akkordtöne angespielt, verarbeitet.

    Die erste Variante hörte sich total belanglos an. Die zweite Variante
    war spannend, hat eine Geschichte erzählt.

    LG

    Dreas
     
  17. BluesX

    BluesX Ist fast schon zuhause hier

    @ Dreas

    Ja, mein Gedanke, nur mit den Skalen durchzukommen, ist wohl etwas faul. Nach Akkorden probiere ich gerade mit All Blues (nach meinem Realbook irgendwie leicht andere Changes als im Impro All Blues-Thread von unlängst). Klingt durchaus harmonisch, aber auch farblos und, weil Aufmerksamkeit von der Rhythmik abgezogen wird, reichlich hölzern. Werde mich wohl, wie Du auch schreibst, zunächst auf wenige Töne beschränken müssen.

    Gruß, BluesX
     
  18. Rick

    Rick Experte

    Mein Weg war einfach gaaaaaanz viel Praxis.

    Wir haben auch zuallererst "modal", also allein über Skalen improvisiert. Das war sowieso damals, in den 1970ern, der total angesagte Weg, Akkorde galten als "sowas von 60er", völlig unhip. :-D

    Aber auch in der modalen und Rock-Improvisation gibt es natürlich Wechsel der tonalen Zentren, die man hören muss, dadurch schulte man schon mal ganz allgemein das Gehör für musikalische Zusammenhänge und Veränderungen.

    Je mehr ich mich dann mit authentischem Swing und Bebop beschäftigt habe (seit Mitte der 1980er), desto mehr habe ich im Zusammenspiel mit Gitarristen, Pianisten usw. dieses Gespür verfeinern können.

    Hilfreich war es auch, die Akkordfunktionen, vor allem Spannung (Dominante)/Entspannung (Tonika) zu entdecken, denn darauf beruht das Ganze ja schließlich.

    In der akkordgebundenen ("vertikalen") Jazz-Improvisation geht es meiner Ansicht nach überhaupt nicht so sehr darum, jeden einzelnen Akkord genau auszuspielen, sondern vielmehr darum, seine Funktion darzustellen.
    Heute kann ich an der "Spannungsstelle", also zum Beispiel bei II-V, alle Töne verwenden, die ich mag, um dann bei der "Entspannungsstelle", also der I, den größtmöglichen Auflösungseffekt zu erzielen (oder aber dort die Spannung weiter zu halten).
    Welche Akkorde genau in den Lead-Sheets stehen, ist für mich zweitrangig - ein guter Begleiter bekommt mit, was ich da mache, und unterstützt mich, doch selbst bei Play-Alongs "sticht" die Melodie den Akkord aus.

    Natürlich schadet es nichts, auch als Bläser die Akkorde zu kennen und spielen zu können, doch das ist meiner Ansicht nach nicht das Allheilmittel für eine ansprechende Impro, wenn man sich über die Funktionen nicht im Klaren ist und nicht weiß, wie man diese am besten melodisch ausdrückt. :cool:


    Viele Grüße,
    Rick
     
  19. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    @Rick

    Hallo Rick, das habe ich schon oft gehört, weiss aber nicht genau, was ich mir vorzustellen habe. Die Stücke weisen ja immer wechselnde Akkorde auf, gut oft sehr lange Strecken der gleiche um dann vielleicht kurz zu wechselen, mehr nicht. bedeutet deine Aussage jetzt, dass ich bei zwei Akkorden einfach auch zwei Skalen nehme, oder wenns passt sogar nur eine?

    Gehört zwar jetzt nicht ganz zum Thema, aber ich konnte mir bisher einfach nur wenig Reim machen, was "modal" spielen eigentlich bedeutet.

    Gruss
    antonio
     
  20. Rick

    Rick Experte

    Hallo Antonio!

    Die 70er waren die große Ära der "modalen Musik", auch und besonders im Rock und von dort her im "Fusion Jazz".
    Man nahm, grob gesagt, eine Tonart (= Modus) und spielte darüber, erfand Melodien, arbeitete viel mit Rhythmen, Klangfarben, Dynamik.
    Wenn man Akkorde spielte, dann nur, um den Modus "darzustellen", sie hatten keinerlei harmonische Funktion.

    Das kann schon mal langweilig werden, hat eben eine eigene Atmosphäre - Optimal, wenn dabei die Zuhörer "stoned" waren (wenn's die Musiker ebenfalls waren, störte es auch nicht groß, ist eine sehr "relaxte" Sache gewesen, heute würde man "chillig" sagen). :-D

    Hier mal ein ganz typisches Beispiel für solche "Ein-Akkord"-Stücke, darüber haben wir damals gern und oft improvisiert:



    Das kann man auch so machen, ist aber schon wieder ein Spezialfall.
    Ich meinte jetzt ganz konkret "modal komponierte" Stücke, die also kein wechselndes Akkordgerüst haben wie ein typischer Broadway-Song der 1930er (z. B. "Night And Day" oder so), sondern tatsächlich nur auf ein paar "modes" beruhen (wie das Stück von Herbie Mann oder etwa "So What" von Miles Davis).

    Das ist insofern ein guter Impro-Einstieg gewesen, weil man sich da eben nicht auf die ständig wechselnden Harmonien konzentrieren muss, sondern erst mal melodisch und rhythmisch "die Leere" zu füllen hat.

    Die normalen Standards verlangen hingegen dem Improvisierenden Einiges an Konzentration und Aufmerksamkeit ab, "erzeugen" andererseits aber schon durch die Akkordfolgen bestimmte Strukturen, die bei modalen Nummern so ziemlich fehlen.
    Deshalb halte ich letztere für einen besseren, zumindest weniger stressigen Einstieg, bevor man sich an Songs mit halbtaktigen Akkordwechseln und sich öfter ändernden tonalen Zentren alla "Have You Met Miss Jones" heranwagt. ;-)


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  1. Diese Seite verwendet Cookies, um Inhalte zu personalisieren, diese deiner Erfahrung anzupassen und dich nach der Registrierung angemeldet zu halten.
    Wenn du dich weiterhin auf dieser Seite aufhältst, akzeptierst du unseren Einsatz von Cookies.
    Information ausblenden