Bahnkurven

Dieses Thema im Forum "Mundstücke / Blätter" wurde erstellt von giuseppe, 24.August.2025.

  1. giuseppe

    giuseppe Gehört zum Inventar

    Kleines Update: Ich habe mit dem Glaslineal und den Fühlerlehren etliche Mundstücke vermessen und bei ein paar Hand angelegt:

    Zum einen zwei Teile, die beide mal einen Kratzer in nem Rail hatten und die ich vor vielen Jahren in jugendlichem Leichtsinn dann freihändig abgezogen habe, mit dem Erfolg, dass sie schlechter gingen und irgendwann nur noch in der Kiste lagen.

    Zum anderen zwei Teile, die alt sind, nie besonders gut waren und deren Wiederverkaufspreis jeglichen Aufwand kaum rechtfertigt (oll und grün).

    Ich habe bisher schon gelernt:

    dass ein schlechter, krummer Tisch und ein asymmetrischer Bahnbeginn keine Seltenheit ist, was mich echt ein bisschen wundert. Die schämen sich gar nicht.

    dass ich meine selbst verhunzten Mundstücke wieder ganz ordentlich spielbar bekomme.

    dass die Performance meiner Reparaturen trotz ganz ordentlicher Messwerte lange nicht an meine guten Mundstücke heranreicht, die allesamt auch messtechnisch makellos sind.

    Wie bei den Saxdocs, deren Arbeit ich im Notfall mal vorausgreife und sie dadurch nur mehr zu schätzen weiß, sehe ich die schmalen perfekten Rails und die knackige Ansprache mit ordentlich Reserve jetzt noch mal mit anderen Augen.

    Again what learned. ;)
     
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  2. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Was für Kurven sind denn dabei herausgekommen?
    Oder hast du links und rechts verglichen und aneinander angepasst?
     
  3. Earl Jay

    Earl Jay Ist fast schon zuhause hier

    Nicht vergessen: Messwerkzeuge vermessen!
    Die Angaben auf handelsüblichen Fühlerlehren sind bestenfalls Annäherungen. Man muss die schon mit einer vernünftigen Mikrometerschraube vermessen um deren tatsächliche Dicke zu ermitteln.
    Das hat große Auswirkungen auf die Kurve die man letzlich im Diagramm sieht!
    Abgesehen davon: Bahnkurven als solche sind überbewertet.
    Es kann sehr gute und sehr schlechte Mundstücke geben, alle mit der gleichen Kurve. Der Mix (v.a. mit dem Baffle) machts!

    VG,
    Jens
     
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  4. giuseppe

    giuseppe Gehört zum Inventar

    Überwiegend das zweite bisher.

    Orientiert habe ich mich aber ein bisschen an Kurven die man so auf die Schnelle googelt und die in Theo Wannes Heftchen sind (welches ich ohne das Set erstanden habe, ich denke das ist überwiegend radial oder „Standard-Link“, was auch immer das ist. Mit den Funktionen habe ich mich noch gar nicht befasst.

    Es war nur so, dass meine verhunzten Mundstücke nach meinem freien Abziehen beide eine ziemlich lange und zu flache Bahn hatten. Das habe ich in diese Richtung verändert und prompt wurde alles besser.
     
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  5. giuseppe

    giuseppe Gehört zum Inventar

    Das ist ein guter Tipp, die Tools dazu habe ich.

    Ja - und nach meinen Versuchen mache ich mir keine Illusionen, dass ich da in absehbarer Zeit Expertise erlangen werde - das lass ich schön in deinem Händen. ;)
     
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  6. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Jep, so geht es bei mir auch.... nicht immer erfolgreich. Vermutlich weil die Fühlerlehren eben doch nicht exakt sind, oder noch andere Probleme an den mpc vorliegen. Leider habe ich noch keine Literatur gefunden "wie muss ein gutes mpc aussehen". Ist aber ein Thema, was ich gerne verstehen würde ohne try-and-error.
     
  7. giuseppe

    giuseppe Gehört zum Inventar

    Hier jetzt mal der Zwischenstand meiner ärgsten Baustelle die ich mir zum Einstieg vorgenommen habe:

    Ein JodyJazz Jet, vor einigen Jahren mal aus einer Laune heraus gekauft, war mir dann doch zu krass in jeder Hinsicht, deshalb habe ich es zur Seite gelegt und so die Rücksendung verpasst. Das Tiprail war außerdem bescheiden, eckiger als die Blätter, die etwas überhängen mussten.
    Nach einiger Zeit bin ich dann mit ner einfachen Schlüsselfeile ran, hab die Stufe zur Kammer hin entschärft und das Tiprail versucht zu korrigieren.
    Dafür musste ich die Bahn abziehen (freihändig, was mir bei meinem ersten Klarinettenmundstücke mal ganz gut gelungen ist - bei einer engen Bahn). Dann spielte es auf halben Wege erst ganz gut und am Ende eigentlich gar nicht mehr und landete etliche Millimeter kürzer und schmäler ruiniert in der Schublade. Echte Geldvernichtung…

    Jetzt bin ich wie gesagt etwas systematischer ran. Den Tisch zu planieren war gar nicht so leicht, weil die Bahnkurve eher asymptotisch unendlich lang Richtung Tisch ging. Ausserdem ist der Tisch nicht mehr unendlich dick und das Material bescheiden. Wenn man bei einem einfachen Schliff zu fest drückt, ändern sich allerhand Parameter. Offenbar kann man es beim Schleifen biegen. Dann habe ich die Railform einem echten Blatt angepasst, die waren ja daumendick.

    Jetzt hat es ungefähr soviel Symmetrie und gerade Linien wie ein Haus von Hundertwasser. Aber die Bahn hat eine definierte Länge und Öffnung (24,5 mm, .110”) und ziemlich symmetrisch.

    Das Teil geht schon ganz ordentlich ab, obwohl es noch ganz roh und schief ist. Work in progress.

    Der Sound ist edgy, es ist offen und hell, die Ansprache ist zackig, nur die Bellnotes sprechen schlechter an. Und es neigt ein bisschen zum quietschen.

    Jetzt ist die Frage, was könnte man versuchen, damit die Ansprache in der Tiefe etwas besser und das ungewollte Überblasen ins Altissimo mit Quietschern weniger wird?

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  8. giuseppe

    giuseppe Gehört zum Inventar

    P.S.: Das Tiprail ist offensichtlich noch nicht fertig, aber mit jeder Korrektur der Bahn wird es wieder breiter. Ich dachte dass es an den tiefen Tönen jetzt nicht so viel ändert? Daher ist es noch so breit.
     
  9. ppue

    ppue Mod Experte

    upload_2025-9-27_17-45-41.png

    Das muss erst einmal auf den Schleifstein und ganz glatt werden. Bis das glatt ist, ist das Mundstück dann noch ein gutes Stück offener und dann wird auch die Tiprail viel zu breit sein. Muss also von der Kammer wieder mehr weg. Hat aber alles mit den tiefen Tönen meiner laienhaften Meinung nach nichts zu tun. Vielleicht sollte das kleine Baffle weg, bzw. sollte das Mundstück noch großkammeriger werden.
     
  10. giuseppe

    giuseppe Gehört zum Inventar

    Ja, siehe mein P.S., es ist Rohbau, aber spielt ordentlich. Nur zum aufhübschen und polieren will ich nicht anfangen, so lange ich einen fundamentalen Fehler herumtrage…
    Und der Baffle ist nicht klein. Die Stufe am Ende ist immer noch auf ca 30% der Bohrung.
     
  11. giuseppe

    giuseppe Gehört zum Inventar

    Ich hab das Tiprail jetzt mal ein bisschen schmaler gemacht und poliert, obwohl ich denke, dass die Bahn vielleicht noch mal anders sein muss.
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    Das Licht ist schlecht, aber man kann es wohl erahnen.

    Die tiefen Töne sprechen etwas besser an, da geht aber bestimmt noch was. Ansonsten geht es ab wie ne Rakete, viel zu heftig für meinen Geschmack, aber es ist natürlich ein kleiner Erfolg, aus einem extrem schlecht ansprechenden, dumpfen Klotz mit ein wenig System das Gegenteil zu erzeugen.

    Was bleibt ist das Bedürfnis des Teils, mit ein wenig Druck aufs Blatt die Obertonreihe durch zu rattern bzw. zu quietschen, wenn man nicht absolut locker ist. Eher schwer zu kontrollieren.
    Hat jemand eine Idee, wie man das etwas zähmt?
    Sonst probier ich weiter, bis das Ding irgendwann verheizt ist… :)
     
  12. ppue

    ppue Mod Experte

    Mit wenig Druck scheint es schnell in die Obertöne zu springen. Dann vermute ich, dass sich der schwingende Teil des Blattes schon bei wenig Druck zu schnell an die Rails legt und sich zu früh verkleinert.
    Das würde für mich bedeuten, dass die Bahnkurve runder sein müsste.

    Eine jede Tonhöhe hat auf der Bahn einen Punkt, wo sie optimal schwingt. Die Punkte für die tiefen bis mittelhohen Töne scheinen mir nicht gleichmäßig verteilt. Kann man sehen, wenn man durch den Spalt zwischen Mundstück und Blatt hindurchschaut und langsam auf das Blatt drückt.

    Oder, besser noch, der alte Glasplattentrick: Mundstück anlecken und von unten an eine Glasscheibe drücken. Da kannst du schon als erstes sehen, ob dein Tisch wirklich plan ist. Dann rollst du über die Rails ab und die zwei schwarzen Pünktchen laufen in Richtung Mundstückspitze. Ich schätze, die laufen hoffentlich parallel, aber nicht gleichmäßig schnell zur Spitze hin.

    Alles nur ausgedacht, aber probieren kannst du es ja mal (-:

    Wenn das stimmt, was ich mir ausgedacht habe, kann es sein, dass es schwierig wird, mehr Kurve in die Bahnkurve zu bekommen. Vielleicht ist da zu viel weggenommen worden und du müsstest den Winkel des gesamten Tisches ändern.
     
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  13. giuseppe

    giuseppe Gehört zum Inventar

    Danke, @ppue , dass du dir die Mühe machst, mit mir zu “brainstormen”. Deine Theorie klingt gut, ich fürchte aber, dass sie vielleicht trotzdem nicht stimmt. Beim durchmessen mit den Fühlerlehren ist die Kurve bauchig genug und so im etwa deckungsgleich mit der 8er-Kurve in Theo Wannes Refacing-Heftchen. Ich habe es nicht im Excel-Sheet analysiert, aber aus SOTW-Diskussionen entnehme ich, dass das wohl in etwa einem radialen Kurvenverlauf entspricht.

    Ich glaube eher, dass mein (durch das Schleifen mittlerweile) im vorderen Bereich sehr hoher Baffle dem Blatt zu nah kommt. Es ist halt eine Heidenarbeit, dass bis ans Tiprail zu korrigieren ohne die Rails zu versauen. Ich ziehe weiterhin immer wieder den Hut vor den Meistern der Zunft…
     
  14. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja, danke für deine Überlegungen, In den kürzeren Entfernungen von Baffle zum Blatt werden die hohen Töne erzeugt, was einen ähnlichen Effekt hat.

    Haha, komme mir gerade vor, wie die KI.
     
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  15. giuseppe

    giuseppe Gehört zum Inventar

    Jetzt werfe ich nochmal eine Frage zur Bahnlänge in den Thread. Was macht die denn eigentlich?
    Ich weiß, der längeren Bahn sagt man nach, dass sie bei gleicher Öffnung leichter anspricht, vor allem die tiefen Töne. Das sie voluminöser klingt wegen den dickeren Blattanteilen, die mitschwingen. Dass der Ziehbereich etwas elastischer wird. Und dass sie aufgrund der höheren Präzision moderner Blattschnitte und Bahnkurven eigentlich nicht mehr benötigt wird, weil man alles genausogut oder besser mit einer mittellangen kann.
    Der kürzeren Bahn sagt man nach, dass die knackiger ist, Ansprache und Artikulation schneller sind, die hohem Töne besser ansprechen und es angenehmer zu spielen ist mit etwas weniger Mundstück im Mund. Dass sie aber tiefe Töne und Expressivität limitieren.

    Aber woran entscheidet der Mundstückmacher, eine wie lange Bahn er oder sie aufzieht?

    Zwei meiner Baristücke sind das schiere Gegenteil und spielen sich beide ausgesprochen gut. Beide sind dezidiert für Jazz. Beim Vandoren V16 B9 ist die Bahn sehr lang, jenseits der 30 mm. Beim PPT Signature ist sie eher kurz fürs Bari, vielleicht 25,5 oder 26 mm. Beide sind wirklich sehr gut gearbeitet, absolut symmetrische Rails, guter Tisch.
    Sie klingen trotz unterschiedlicher Baffleform durchaus ähnlich und sprechen beide in allen Registern gut an. Das Spielgefühl ist halt anders. Das V16 braucht etwas mehr Luft, ist aber auch deutlich offener, dafür geht es insgesamt vielleicht etwas lauter. Das PPT ist vielleicht ein bisschen spritziger und knackiger in der Ansprache und vielleicht minimal schnarriger, wenn man es laut spielt. Aber bei den tiefen Tönen auch nicht schwieriger.

    Was gefällt mir besser? Keine wirkliche Präferenz, auf beiden kann ich mein Zeug spielen. Ich bin verwirrt. Ist es am Ende nebensächlich, solange die Kurve passt und das Mundstück fehlerfrei ist?

    Danke für jeden Input!
     
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