Charakter der Tonarten

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von Hans, 8.November.2006.

  1. Hans

    Hans Ist fast schon zuhause hier

    Moin,

    in dem Thread über die unterschiedlich transponierenden Instrumente wird darauf hingewiesen, dass in bestimmten Musikrichtungen mehr Kreuz- bzw. mehr B-Tonarten vorkämen. Das bringt mich allgemeiner zu der Frage, inwieweit verschiedene Tonarten einen bestimmten Charakter aufweisen. Man liest ja öfters (vorwiegend über klassische Werke), dass z.B. für diese Sinfonie ein "strahlendes" C-Dur oder ein "lyrisches" Es-Dur gewählt worden sei. Ist es wirklich so, dass die Tonarten unterschiedliche Anmutungen haben und gibt es da allgemeine Charakteristiken? Außerdem frage ich mich, wie das eigentlich sein kann, wenn doch die Intervalle in allen Tonarten gleichen Geschlechts oder Modus gleich sind.

    Gruß
    Hans

    PS: Warum haben wir eigentlich keine Unterkategorie für "Musiktheorie"?
     
  2. tom

    tom Ist fast schon zuhause hier

    Diesen Beitrag habe ich vor ca. 6 Wochen in der FAS gelesen, er beantwortet deine Frage. Kostet 1,50 €, vielleicht ist er es dir wert.

    Gruß, Tom
     
  3. rbur

    rbur Mod

    genau das ist der Punkt. Wenn man nicht gerade das Absolute Gehör hat, kann man nicht feststellen, ob das Stück in C oder Cis dur gespielt wird, es sei denn, man hört kurz vorher noch einen Referenzton.

    außerdem ist der Kammerton in den letzten Jahrhunderten ziemlich stark geschwankt
    http://de.wikipedia.org/wiki/Kammerton
    bis zu einem Ganzton hoch oder runter
    trotzdem geht niemand hin und transponiert den kompletten Bach, nur um den Charakter zu erhalten.
    Ein Requiem ist irgendwie immer traurig, auch wenn man es etwas höher oder tiefer spielt.
     
  4. ppue

    ppue Mod Experte

    Zwei gute Fragen!

    Auf die erstere will ich antworten: es wird dazu allerhand
    Meinungen geben. Ich meine, dass ein Eb-Dur genau so
    strahlen kann wie ein C-Dur.

    Was die Tonarten betrifft, sollte man beim Komponieren und
    Arrangieren allerdings auf die Lage der Stimmen achten.
    Nicht alle Töne klingen gleich voll und klar, manche haben
    weniger Resonanz. Dazu kommt die Spielbarkeit der
    Stimmen. Grifftechnisch schwierige Passagen können in
    verschiedenen Tonarten besser oder schlechter gespielt
    werden.

    Dann kommt die Feinstimmung dazu: Saiteninstrumente
    klingen mitunter besser, wenn die Saitenspannung erhöht
    wird, deshalb rutscht die Stimmung im Laufe der Jahre oft
    nach oben, bis sie auf irgend einer Konferenz wieder auf
    440 Hertz gesenkt wird. Hat eigentlich nichts mit den
    Tonarten zu tun, aber streng genommen spielt ein High
    Pitch-Horn natürlich in einer anderen Tonart als ein Low-
    Pitch-Horn, auch wenn wir sie nicht unterschiedlich
    benennen.

    Die Meinung, Tonarten hätten unterschiedliche Charaktere,
    kommt meines Erachtens in erster Linie durch das visuelle
    Bild, welches b-chen und #-chen auf dem Notenblatt
    vermitteln. #-chen 'pieksen' halt und und sind spitzer.

    Vielleicht sollte ein absolut Hörender mal dazu Stellung
    nehmen. Haben wir einen hier?
     
  5. axelmario

    axelmario Ist fast schon zuhause hier

    Dieser sogenannte Charakter der Tonarten halte ich für sehr subjektiv.
    Das Empfinden einer Tonart ist sehr individuell. Aber es haben sich einige Tonarten im kollektiven Bewusstsein als "charakteristisch" geprägt. Auch das hat überwiegen Gründe die eher subjektiv sind.
    z.B.: D Dur gilt als majestätisch. Siehe erster Chor des Weihnachtsoratoriums. Tatsache ist: in der Zeit als Bach komponierte D Dur die einzige Tonart war, in der eine Trompettengruppe einigermassen stimmen konnte.
    Jetzt frage ich: was ist da majestätisch? Die Tonart D Dur oder die drei stahlenden Trompeten?
    Das Tragische im "Tuba Mirum" aus Mozarts Requiem liegt nicht an der Tonart B Dur sondern an dem grossen Posaunensolo am Anfang. Und eine Naturposaune kling in B Dur am Besten.
    Man könnte tausende solche Beispiele finden.
     
  6. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Der Klangcharakter verschiedener Tonarten existiert dann:

    wenn es sich um nicht intonierende Instrumente handelt, Klavier z.B., die in bestimmten stimmungen gestimmt sind, z.B. Kirnberger Stimmung. dann klingt ein D-Dur etwa strahlender als ein weiches BB-Dur.
    Bei intonierenden Bläsern und Streichern fallen diese Unterschiede komplett weg, solange sie nicht mit festgestimmten Instrumenten zusammenspielen.
    Gute Ensembels intonieren dann durch Zurechtintonieren auch rein, passen also die Zusammenklänge aneinander an, so daß z.B. wirklich reine große Terzen entstehen. Auf dem Klavier sind die immer nur eine Annäherung.

    Gruß
    Werner

    http://cangelo.net
     
  7. Hans

    Hans Ist fast schon zuhause hier

    Aha, das liegt dann sicher daran, dass dort die Intervalle von Tonart zu Tonart nicht identisch sind, die Terz einer C-Dur z.B. um ein weniges von der Terz einer D-Dur abweicht?
     
  8. Livia

    Livia Ist fast schon zuhause hier

    Es gibt doch die Kirchentonarten.
    Zum Beispiel bei C-Dur phrygisch konzentriert sich das Stück auf das E. Somit sind die Intervalle wieder anders und es kann trauriger oder lustiger klingen.
    Bei verschiedenen Musikgenren werden auch verschiedene Krichentonarten eingesetzt. So bei Klassik Harmonisch Moll.
     
  9. Gast

    Gast Guest

    ich schließe mich mal ppue, axelmario und allen anderen die in deren richtung argumentieren an...

    ...und sage zusätlich noch, dass zwar auf einem saxophon die ein oder andere lage einen anderen charakter hat. dies liegt aber nicht an der anderen frequenzlage an sich, sondern lediglich an der bauweise des saxes, das keine hundertprozentige gleichmäßigkeit aller töne erlaubt.

    das klavier ist hierfür wohl die beste referenz:
    es ist dort (meiner meinung nach), für den charakter eines stückes vollkommen egal, in welcher der 12 dur-(x-)tonarten es steht...abgesehen von dem kleinen höhenunterschied, der allerdings nichts mit eigenschaften wie "strahlend" oder "lyrisch" zu tun hat... das halte ich für hokuspokus.

    bye!
     
  10. WildeHilde26

    WildeHilde26 Ist fast schon zuhause hier

    Ich denke, ihr habt alle ein bischen recht. Entscheident für das subjektive Hörempfinden ist doch, was man gewöhnlich hört. Gitarristen halten sich gerne im Bereich C-Dur, E-Moll, A-Moll und deren verwandten Tonarten auf, weil es bequemer zu spielen ist (wenig Bareegriffe). Man schießt sich auf bestimmte Abfolgen ein.

    Neues, auch bei der Improvisation entsteht häufig, wenn man sich in ungewohnten Tonarten aufhält. Neue Griffkombinationen, neue Bereitschaft, sich in dieser Tonart die passenden Skalen oder sonstwas zu suchen. Also erscheint z.B. ein h-Dur oder ein fis-moll erst mal fremd, auch wenn man es bewusst nich als solches wahrnimmt.

    Ich stelle ausgehend von einem C-Instrument fest, dass natürlich ein Eb-Instrument genau das gleiche Phänomen verursacht. Selbes Stück, andere Tonart, neue Linien, neue Ideen.

    Zumal gerade z.B. beim Saxofon eine Terz höher gespielt eine andere Charakteristik des Instrumentes hervorbringt, weil eben die Tiefen Töne voll und massig erscheinen, die hohen eher fein und zart.

    Bei Instrumenten, wie bei der Blockflöte, die auf eine Tonart durchgestimmt ist, alle anderen Tonarten mehr oder weniger daneben liegen, wirkt dann die Musik eben schräger, ungewohnter.

    Denke insgesamt, dass Mystik und tatsächliches Hörerleben schon mit reinspielen.
     
  11. claptrane

    claptrane Strebt nach Höherem

    Ja, Fis ist ein Ganzton höher als E ;-)
    Ich glaube das hat alles viel mit Hörgewohnheit zu tun.
     
  12. Hans

    Hans Ist fast schon zuhause hier

    ... und mit den Denkgewohnheiten vielleicht auch? ;-)
    Mit der Terz meinte ich natürlich nicht den 3. Ton, sondern das Intervall, den Abstand zwischen zwei Tönen. Weiß nicht genau, wie die Maßeinheit dafür ist – Cent? Wenn es unterschiedliche Stimmungen gibt, dann kann es doch nur so sein, dass die Abstände zwischen den 12 Tönen der Oktave unterschiedlich eingestellt werden und somit auch Intervalle in den verschiedenen Tonleitern voneinander abweichen, oder?

    Gruß
    Hans
     
  13. Hans

    Hans Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Livia,
    das trifft, glaub ich, meine Frage nicht ganz. Hier wäre wiederum interessant, ob von C-phrygisch ein anderer Charakter als von meinetwegen F-phrygisch behauptet wird. Es geht darum, dass angeblich Tonarten gleichen Geschlechts (als identische Mengen von Intervallen) nur deswegen eine andere Anmutung hervorrufen, weil sie sich im tonalen Zentrum unterscheiden.
     
  14. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Genau. Wobei es nicht nur die Terz ist, sondern alle Intervalle.
    Sie sind alle etwas zurechtgerückt von dem platz, den sie bei reiner Stimmung eigentlich hätten.
    Die reine Stimmung erlaubt mehr oder weniger nur das spiel in einer Tonart und vielleicht noch ganz wenige Nebentonarten. Also nur in C-Dur z.B. Je weiter man sich davon weg bewegt, umso schiefer wird das.
    Also gab es mit der entwicklung harmonisch komplexerer Musik ein stimmungsproblem, sobald man in einem stück mehr als in einer Tonart spielen wollte.
    (Also die altindische Klassik (Ghandarvaveda Musik) intoniert, vereinfacht ausgedrückt, auch rein, die bleiben aber immer beim gleichen Grundton, gespielt von der Tanpura (dieses ständige Gleissen von Grundton und meist Quinte).)
    Im Westen hat man dann verschiedene stimmungen entwickelt, z.B. die Kirnberger Stimmung (und auch andere), die Bach benutzt hat. (Ein Irrtum der Musikgeschichte war, daß Bach die gleichschwebende Stimmung benutzt hätte, das ist mittlerweile widerlegt.)
    Bach hat dann mit dieser Stimmung das wohltemperierte Klavier komponiert, wohl auch, um die Vorzüge einer Stimmung zu demonstrieren, das das Spiel in allen Tonarten ermöglicht.
    Und da gibt es jetzt verschiedene Möglichkeiten, die 12 chromatischen Töne anzuordnen. Die gleichschwebende Stimmung teilt einfach genau in 12 gleiche Abstände. Und hier gibt es natürlich keine Klangunterschiede verschiedener tonarten.
    Bei anderen Stimmungen aber schon, es gibt leichte verschiebungen, welches Intervall man wo genau plaziert.
    Und dadurch ergeben sich eben diese besagten Tonartunterschiede, und das mag durchaus am deutlichsten bei der terz sein, aber eben nicht nur.
    Dieses Phänomen der Tonartunterschiede ist musikwissenschaftlich völlig anerkannt, ebenso wie meines Wissens auch, daß dies von Komponisten früher bewußt eingesetzt wurde.
    Es gibt übrigens auch synthis, die verschiedene Stimmungen auf Knopfdruck anbieten bzw generelle Feintunigs für alle Töne des gleichen Namens anbieten, alles Cs in allen Oktaven z.B. und die dann die verschiedenen Stimmungen auflisten, so daß man sich diese Stimmungen einstellen kann.
    Ebenso gibt es mittlerweile Software, die das Zurechtrücken von Midiklängen ermöglicht, so daß auch bei harmonisch komplexer Musik eine reine Stimmung entstehern kann, also wirklich große terzen z.B., wie sie auch in der obertonreihe enthalten ist.

    Wie gesagt, bei intonierenden Instrumenten, sax sowieso, ohne Instrumente mit fester Tonhöhe gibt es diese Tonartunterschiede natürlich nicht.

    soweit, schönen abend noch
    gruß
    Werner
    http://cangelo.net
     
  15. axelmario

    axelmario Ist fast schon zuhause hier

    Wenn es "nur" das ist, bleibt es jugendfrei :-D
     
  16. Hans

    Hans Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Werner,

    danke dir für deine gute Erklärung. Da scheine ich ja zumindest auf dem richtigen Weg des Verständnisses zu sein. (Die Terz hatte ich ja nur "zum Beispiel" erwähnt.) Hast du mal einen Literaturtipp?

    Tschüss
    Hans
     
  17. prinzipal

    prinzipal Ist fast schon zuhause hier

    moin ,


    es gibt einige instrumente , die alte stimmungen erhalten haben : historische kirchenorgeln .

    dort kann die alte temperatur sehr eindrucksvoll angehört werden , die tonarten kiingen alle sehr individuell unterschiedlich , einige nach heutigen hörgewohnheiten auch falsch ( wenn beliebige stücke auf den alten instrumenten gespielt werden und transponiert werden . ein lied z.b. in f-dur klingt in fis dur entsetzlich schräg , auf modernen instrumenten ists gleich )

    es lohnt die suche nach dem orgelbauer arp schnittger
    ( norddeutschland , etliche instrumente erhalten ! ) , in hamburg steht etliches rum , lübeck hat auch orgeln aus dem 15 jh. ( !!! )

    sehr gerne findet man alte stimmungen auch in spanien , gelegentlich bei kleinen instrumenten in italien .

    auf der orgelseite http://www.organartmedia.de/ findet man einiges von seltensten aufnahmen , auch als digitalisierungs rettungsprojekt zur erhaltung einiger sehr alter instrmente .

    sehr viel sound dort , btw ... als eindruck sicherlich nicht übel , und spart teuren urlaub ( oder man kommt in versuchung ... )

    viel spaß bei den alten stimmungen !




    ( ich bin nicht betreiber der orgelseite !

    und die älteste orgel die spielbar ist steht bei soest hier umme ecke . )

    :lol:
     
  18. Hans

    Hans Ist fast schon zuhause hier

    Hallo prinzipal,

    danke für die Anregung. Im übrigen sind m.E. auch auf einer der CDs in Sikoras "Neuer Jazz-Harmonielehre" Hörbeispiele für andere Stimmungen auf dem Klavier. Daran soll man erkennen, wie sich unser Ohr mittlerweile an die eigentlich naturgesetzwidrige wohltemperierte Stimmung angepasst hat und anderes als falsch empfindet.
     
  19. claptrane

    claptrane Strebt nach Höherem

    :-D Ja, wusste ich doch, konnte mir den Kommentar aber nicht verkneifen :-D sorry...
    Könnte mir auch vorstellen das es daran liegt, aber ich könnte jetzt nicht anhand des Charakters die Tonart bestimmen :)
     
  20. Hans

    Hans Ist fast schon zuhause hier

    @claptrane
    Ha, wenn's nur das wäre: Ich könnte nicht mal anhand der Tonart den Charakter bestimmen! :oops:
     
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