Die Angst des Cellos vor dem Einsatz

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von Claus, 6.Januar.2014.

  1. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Interessanter Artikel zum Thema Lampenfieber in der Süddeutschen von gestern:

    http://www.sueddeutsche.de/kultur/lampenfieber-bei-virtuosen-die-angst-des-cellos-vor-dem-einsatz-1.1855838

     
  2. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Danke für den Link. Da kann ich mich ein bisschen einfühlen.

    In dem Artikel wird allerdings spezifisch auf die Probleme der Spitzenmusiker eingegangen, auf die Angst, man könne die als von allen selbstverständlich erwartete Leistung einmal nicht bringen. Aus einem gefeierten Profi könnte durch einen falschen Kiekser mit einem Schlag "auch nur ein Musiker" werden. Das ist bestimmt besonders schlimm, wenn man sich nicht als Mensch wahrgenommen fühlt, sondern nur als "perfekte Musikmaschine".

    Dass ich totale Panik bekomme, wenn ich irgendwo etwas "vor aller Augen" alleine vollbringen muss, habe ich schon ein paar mal erwähnt. Es ist die "Jetzt zeigt sich's" Situation, in der alle angespannt quasi nur darauf warten, dass es jetzt und genau in diesem Moment präzise passiert.

    Es gibt unendlich viele Möglichkeiten was schief gehen kann und nur eine einzige richtige. Eigentlich statistisch unmöglich, dass es klappt.

    Bei mir ist es halt nicht die Angst des Profis, dass es vielleicht dieses mal doch nicht klappt, sondern das Wissen, dass ich leider immer noch häufig Fehler mache - BESONDERS "wenn es drauf ankommt". Da reicht es schon, wenn ich am 2. Alt in einer Phrase einen Solo Auftakt spielen soll, auf den das ganze Orchester für den Einsatz wartet. Der kommt sicher zu früh, damit er bloß nicht zu spät kommt. Es ist das Wissen, dass sich alle darauf verlassen, dass das JETZT klappt. Die ganze Verantwortung hängt an mir. Ein kleiner Fehler und jeder sieht sofort was da für ein Trottel am Werk ist. :-(

    Naja, mehr oder weniger halt. Tatsächlich passiert ja nichts. Niemand schlägt mich, dem Publikum fällt es meist sowieso nicht auf, das Orchester nimmt es gelassen und selbst der Dirigent bleibt freundlich. Es ist eher der eigene Anspruch daran, das JETZT perfekt hin zu kriegen. Ich baue vor mir eine Hürde auf, die ich nie überspringen kann.

    Ich weiß, ich sollte ein Gefühl der Wurschtigkeit (österreichischer Ausdruck) entwickeln. Das klappt noch nicht so. Ein Bier im Vorfeld würde dem Stress schon die Spitze nehmen. Leider ist sofort auch meine Konzentration und Finger Koordination dahin. Das habe ich einmal bei einer Probe versucht. Wenn ich anschließend nur Sch..lecht spiele, es mir aber egal ist, habe ich ja auch nichts gewonnen.

    Also weiter üben, üben, üben, bis ich mir so sicher bin, dass ich es kann, dass das "oh, jetzt hängt alles an mir" Gefühl in ein "so jetzt zeig' ich es Euch aber" Gefühl gewandelt wird. :)
     
  3. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Geht mir im Prinzip ähnlich. Das Spannende aus dem Artikel ist aber doch, dass dies bei Musikern, die die Mehrzahl von uns aus ihrer Amateursicht als "perfekt" einstufen würden, nicht anders ist - im Gegenteil.

    Und wenn die Nervosität mit dem Talent doch zunimmt, dann kann ich noch von Glück reden...

    ;-)
     
    giuseppe gefällt das.
  4. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Das kenne ich auch. Es ist fast immer der eigene Anspruch, egal auf welchem Niveau, den man nicht erfüllen kann. Bei den Berufsmusikern, die im Artikel erwähnt werden, ist es ja nicht ander: Martha Argerich traut sich nicht allein auf die Bühne, Nigel Kennedy kifft ...


    Der Solo-Auftakt wird immer an Dir allein hängenbleiben. ;-)

    Mir hat es manchmal geholfen, mir zu sagen: "Ich spiele so gut ich kann, nicht mehr und nicht weniger."

    Viele Grüße
    bluefrog
     
  5. Gast

    Gast Guest

    hm


    sich zu sagen : seht her ich kann etwas was ihr nicht könnt - und wenn einer im publikum sitzt der besser ist, soll er doch raufkommen und die choose schmeißen.

    btw. ein achtel warten erhöht die spannung und ALLE notenblätter sollten aufgelegt sein. blatt gut ansabbern wenn vorher nicht gespielt wurde ist auch nicht schlecht, aber dabei nicht absaufen.

    wie erlösend wenn die ersten töne FEHLERFEI da sind :)
     
  6. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Ja, ich glaube, der Schlüssel zur Bekämpfung von Lampenfieber ist, zu vergessen, dass überhaupt wer zuhört. Publikum gibt's keines und die Mitspieler sind eigentlich nur "Playalong".
     
  7. Gast

    Gast Guest

    Hi!

    Ich finde es schon hilfreich, dass hier einmal darüber gesprochen wird!

    Liebe Grüße,
    Ww.
     
  8. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    Der Schlüssel ist, 100% im Moment zu sein.
    Nicht darüber nachzudenken, was schon gewesen ist, und was sein könnte.

    Was schwer genug ist.

    Liebe Grüße, Guenne
     
  9. Mugger

    Mugger Guest

    ......
     
  10. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Hi Guenne,

    das ist das Allerschwerste.

    Liebe Grüße
    bluefrog
     
  11. zwar

    zwar Ist fast schon zuhause hier

    am besten wartet man nicht auf perfektion, sondern geht als anfänger auf die bühne.
    dann gewöhnt man sich daran fehler zu machen. man macht sowieso welche, irgendwann.
    man erlernt dadurch am besten, auch unter druck mit fehlern umzugehen. muß ja noch nicht mal der eigene fehler sein.
    ich versuche gar nicht erst, keine fehler zu machen, sondern möglichst wenige.
    wenns gelingt, wie mugger sacht, im moment zu sein, und alle schÖn zusammen grooven, erübrigt sich das sowieso.
    eine hilfreiche vorstellung beim toilettengang vor dem konzert ist, dass die sorge um das gelingen samt überschüssiger flüssigkeit richtung klärwerk transportiert wird...

    gruß
    zwar
     
  12. Superliebes

    Superliebes Kann einfach nicht wegbleiben

    Ach wie schön, dass es Anderen ähnlich geht wie mir. Ich mach mir schon fast in die Hose, greife ständig daneben, wenn ich vor Sara und Mike spielen will. Furchtbar. Aber ich geb nicht auf und übe, übe, übe. Mike sagte, wenn man es richtig kann, kann auch nicht mehr viel schief gehen. Mal sehen ..

    LG Karin
     
  13. Gast

    Gast Guest


    Ich kenne Lampenfieber aus den verschiedensten Lebenssituationen:

    Als Jugendlicher habe ich im Tennis Punktspiele und Turniere gespielt. Es war z.T ganz schrecklich. Besonders wenn ich gegen jemand kam, der jünger war als ich (also eigentlich schlechter sein musste) und vielleicht meine Teamkameraden auch noch sagten, dass ich den aber schlagen müsse. Meine Verspannung war so groß, dass ich den Ball beim Aufschlag nicht mal richtig hochwerfen konnte. Und ich konnte mit niemandem darüber reden. Furchtbar!!!!

    Ausbildungsbedingt und aus anderen Gründen habe ich fast 12 Jahre Tennispause eingelegt. Meine Ansprüche an mein Spiel waren realistischer, es war nicht mehr so schlimm zu verlieren. Lampenfieber hatte ich vor dem Spiel immer noch, aber es war erträglich. Ich habe dann nochmal 20 Jahre Punktspiele gespielt.

    Diese Erfahrungen, so glaube ich, haben mir auch in anderen Lebensbereichen geholfen. Beruflich musste ich viele Vorträge halten. Lampenfieber war immer dabei, aber nie mehr diese schrecklichen Ängste wie beim Sport als Jugendlicher. Und nach jedem Vortrag war mir klar, dass ich meine Vorbereitungszeit auch deutlich hätte verkürzen können.

    Heute treibe ich einen anderen Sport... auch in einer Mannschaft, ich spiele auch Turniere, mit Lampenfieber. Auch hier hilft mir die Erfahrung von früher; manchmal bich ich nicht locker genug und ich spiele schlecht; manchmal hilft mir das Lampenfieber, mich über längere Zeit sehr gut zu konzentrieren, und ich spiele wirklich recht gut, für meine Verhältnisse natürlich.

    Seit einem 3/4 Jahr spiele ich in einer Bigband. Vor den wenigen öffentlichen Auftritten die ich hatte, hatte ich ich auch Lampenfieber, was aber nicht unangenehm war. Einerseits weiß ich, dass die Zuhörer meine Fehler wahrscheinlich nicht bemerken werden. Andererseits weiß ich, dass meine Mitspieler auch nicht in jeder Situation perfekt sind.

    Mir hilft das und meine Routine aus den unterschiedlichsten Situationen, jetzt recht gelassen zu bleiben.

    Mein Fazit:

    1. Sich vor den Situatonen möglichst nicht drücken, sondern Erfahrungen sammeln.

    2. Die eigene Unzulänglichkeit zulassen, niemand ist perfekt und schon gar nicht jemand, der davon nicht leben muss. Wenn ich schlecht spiele (sportlich oder musikalisch) sage ich mir immer, dass es gut ist, dass ich davon nicht leben muss.

    3. Auch meine Mitspieler haben die gleichen Probleme wie ich; sie spielen manchmal richtig gut und dann auch wieder grottenschlecht; besonders im Sport.

    4. Die "Galerie", d.h. Zuhörer bei Vorträgen oder Zuhörer bei einem Konzert haben in aller Regel kaum eine Ahnung und merken nichts! Und wenn? Na und!!

    5. Man kann nicht alles haben: kein Lampenfieber, Perfektion und jubelnde Massen, die einem zu Füßen liegen

    6. Realistisch bleiben und Spaß haben und mit dem Lampenfieber leben. Anderen Menschen geht es auch so.


    Hezliche Grüße,


    Joe
     
  14. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Uiuiuih! Das ist so ein Satz, der geradewegs ins Verderben führt. Wer kann es schon richtig? (außer Mike und Sara ;-))

    LG bluefrog
     
  15. annette2412

    annette2412 Strebt nach Höherem

    karin, du bist nicht allein!!!!

    bei mir reicht schon, wenn ich nur das mikro für die aufnahme anstelle..... ohne publikum wohlbemerkt!!

    liebe grüße
    annette
     
  16. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Jein. In dem Fall bist ja Du gleichzeitig auch das Publikum.

    Das ist wohl so ein quantenmechanisches Phänomen. Ähnlich wie bei Schrödinger's Katze. Die Theorie sagt, dass ein geschlossenes System alle Möglichkeiten gleichzeitig enthält, bis es durch einen Beobachter gezwungen wird, sich für eine Alternative zu entscheiden.

    In diesem Fall ist das Mikrofon der Beobachter und schon kannst Du nicht mehr gleichzeitig gut/schlecht spielen, sondern das Universum teilt sich in eines wo es klappt und eines wo Du patzt. Dann sitzt Du da und hoffst, in dem Universum zu landen, in dem Du hinterher gut gespielt hast.

    Ich kenne das. Das ist ja schon ein Problem, wenn Du jemanden anrufen willst und es geht nur der Automat dran: "Hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Piiiep!". Wieviele fangen jetzt zu stottern an, bekommen keinen geraden Satz heraus? Das ist Leistungsdruck. Egal was Du jetzt sagst, das ist dann unkorrigierbar festgeschrieben. Und es WIRD abgehört werden. Keine Zeit um nachzudenken, die Uhr tickt unbarmherzig. Jede Sekunde Pause wird beim Abhören quälend lange. Wer ist das? Was will der? SO SAG DOCH ENDLICH WAS! - Äh, ich - ich ruf noch mal an...

    Das mit dem Stress beim Aufnehmen hat aber vielleicht auch was Gutes. So kann man Lampenfieber Situation üben, ohne dass jemand zusehen muss. Wenn das mit dem Mikro klappt, versuch's mal mit einer Kamera :-D
     
  17. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Oh Joe,

    wir haben in diesem Punkt ganz ähnliche Lebenserfahrungen. Insofern komme ich zu einem deckungsgleichen Fazit.

    Vielleicht noch folgende Ergänzung.

    Mir macht es nichts vor Publikum zu reden oder jetzt auch Sax zu spielen. Im Gefenteil, mir macht das Spass.

    Gleichwohl habe ich auch gehöriges Lampenfieber. Und das ist auch gut, sonst bin ich nämlich nicht gut und bleibe unter meinen Möglichkeiten.

    CzG

    Dreas
     
  18. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    was wurde eigentlich aus ihm? (Wenngleich der Grund auch angeblich Bosheit von Kollegen war..)

    http://www.youtube.com/watch?v=qBrR7La5Lew

    Shit happens...

    Gedanken meines Lehrers zu dem hier vorher von mir Erwähnten:

    http://billplakemusic.org/2011/07/20/the-art-of-making-mistakes/

    Liebe Grüße,
    Guenne
     
  19. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    was wurde eigentlich aus ihm? (Wenngleich der Grund auch angeblich Bosheit von Kollegen war..)

    http://www.youtube.com/watch?v=qBrR7La5Lew

    Shit happens...

    Gedanken meines Lehrers zu dem hier vorher von mir Erwähnten:

    http://billplakemusic.org/2011/07/20/the-art-of-making-mistakes/

    Liebe Grüße,
    Guenne
     
  20. Rubax

    Rubax Strebt nach Höherem

    Der Vorteil ist; beim Aufnehmen kannst Du das beliebig oft machen, der Nachteil ist, bei jeder Aufnahme machst Du einen anderen Fehler :)
     
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