Die herkömlicher Art ein Instrument zu erlernen fragwürdig?

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von macpom, 24.August.2012.

  1. macpom

    macpom Ist fast schon zuhause hier

    Hallo,

    Vor knapp 2 Jahren habe ich mich als 45-jähriger auf die Abenteuerreise, das Saxophonspielen zu erlernen, begeben. Ich bekomme inzwischen von meinem zweiten Saxlehrer Unterricht und hab diverse Lernbücher benutzt. Insbesondere im Alter zwischen 15 und 35 habe ich sehr viel Zeit und Geld ind das Musikhören via Musikanlage investiert. Ich lieben den Jazz und möchte jetzt natürlich auch Jazz machen. Dabei will ich kein Interpret werden, sondern meine eigene Musik finden.
    Jetzt habe ich mich schon länger mit der Jazzharmonielehre von Frank Sikora befasst. Dabei hadere ich zunemend mit den verbreiteten Ausbildungsmethoden. Meine Kinder sind 8 und 10 Jahre alt und sind natürlich auch damit konfrontiert. Ich versuche mal meinen alternativen Ansatz zu beschreiben und bitte im rege und sachliche Diskusion.

    Der Unterricht sollte in erster Linie auf die Musik und nicht auf das Instrument ziehlen. Es geht darum zu verstehen wie Musik funktioniert. Wenn es nur um die limitierende Technik des Instrumentes geht, wird das Spielen womöglich zu einem mechanischen Ablauf.
    Noten sagen gerade für einen Anfänger gar nichts über die Musik aus. Deshalb sollte man über die Darstellung mittels Rhytmuswerten und den Intervallen bezogen auf den Grundton ein Stück notieren.
    Alles sollte mitels Verinnerlichung der Intervalle auswendig gespielt werden. So nach und nach dann über alle 12 Grundtöne.
    Jedes Stück sollte intensiv besprochen werden. Was löst die Musik aus und warum. Auch als Erwachsender sollte man da mit einfachen Kinderliedern in Dur beginnen. Was nützt das schönste Stück vom Blatt gespielt, wenn ich gar nicht weis was ich da spiele.
    Dieser intuitive Ansatzt in der Ausbildung in erster Linie das Instrument beherschen zu wollen, ist meiner Meinung nach kontraproduktiv. Deshalb lerne ich jetzt Musik zu machen!

    Bin sehr gespannt auf Eure Antworten! Andreas



     
  2. claptrane

    claptrane Strebt nach Höherem

    Wie würde das dann konkret aussehen, hast du da dann Zahlen anstelle von Noten stehen?
    Auswendig spielen finde ich generell gut.
     
  3. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @ macpom

    Ich denke man kann das nicht so pauschal sagen. Es kommt
    immer darauf an welche persönlichen Ziele ich habe (für einen
    Klassiker ist wahrscheinlich das Spielen vom Blatt das A und O)
    und welcher Lerntyp ich bin.

    Wenn Du damit Deine Lernmethode gefunden hast ist es doch bestens.

    Allerdings wirds Du am Ende des Tages nicht daran vorbeikommen auch das Instrument technisch zu lernen. Denn das ganze Musikverständnis
    hilft Dir ja nicht, wenn Du es technisch auf dem Sax nicht umsetzen
    kannst.

    LG

    Dreas
     
  4. Mugger

    Mugger Guest

    Servus,
    alternative Lernmodelle auch für Musik gibt es ja bereits.
    Modelle, wo Du z.B. eine ziemlich lange Zeit völlig ohne Noten spielst.
    Aber was genau ist der Grund für Deinen Frust?

    Grüßle
     
  5. alteriert

    alteriert Schaut öfter mal vorbei

    Moin,
    der Gedanke ist nicht schlecht und auch nicht neu. Da Instrumentallehrer auch immer mal Anleihen aus dem Gesang verwenden gibt es die Solomisation (do, re, usw.) Ein Grundton bezogenes Melodie "System".
    Ansonsten ist der Gedanke in der alltäglichen Unterichstpraxis weniger nicht umzusetzen.
    Der Grund ist banal. Die meisten Schüler müssten dazu ihren Zeitaufwand für die Musik und Instrument wesentlich erhöhen.
    Des weiteren gebe ich zu bedenken, das viel Schüler in Big Bands (oder ähnlichen Formationen) aktiv sind. Gutes Noten lesen können, ist da von Vorteil.
    Als letztes sei angemerkt, Erwachsene haben häufig ein Musikgeschmack. Sie haben häufig über viele Jahre Musik hören "kultiviert".
    Jugendlich fehlt oftmals eine "Hörkultur". Und jugendlichen Schülern mit "Bruder Jakob" zu motivieren, finde ich persönlich eher schwierig.
    Gruß
    alteriert

     
  6. Mini

    Mini Ist fast schon zuhause hier

    Hallo,

    es gibt z. B. die graphische Notation, die kommt eigentlich aus der Anatgarde-Musik, kann aber auch zum Musik lernen verwendet werden. Soll gerade mit Kindern gut funktionieren.

    Das hat natülich auch wieder seine Grenzen. Bruder Jakob in graphischer Notation liefert viele Versionen, die teilweise mit dem uns geläufigen Stück wenig zu tun haben werden.

    Ich würde aber die Methode nicht überbewerten.

    Musik machen, ohne Noten zu können ist für mich wie ein Dichter, der nicht lesen und schreiben kann: Geht, kann künstlerisch genial sein, schränkt die Möglichkeiten aber merklich ein.

    Daß es so viele gute Musiker gibt, liegt wahrscheinlich im Sieg der individuellen Musikalität übder die pädagogische Methode begründet.

    Gruß
    Mini
     
  7. Dieter_B

    Dieter_B Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Andreas
    Herzlichen Glückwunsch - eine tolle Endscheidung!

    Toll! Du weißt, wo es hingehen soll!

    Für mich auch ein sehr schweres Thema!

    Mal ne Frage:
    Wie funktioniert Musik denn?
    Und:
    Wie willst du Musik machen, wenn du dein Instrument nicht beherrchst?

    Es ist wie das ABC - Es muß gelernt werden um lesen und schreiben zu können!

    Das kommt auf den Lerntyp an und auf das, was der lernende erreichen möchte.

    Die Noten zur Musik können einmal nur einen groben Leitfaden darstellen der dir Freiraum für deine Individualität lässt -oder auch- dir genau sagen WAS der Komponist wo- und wann auf dem Punkt zum Ausdruck bringen möchte (Dynamik, ausdrucksweise etc, -DAS steht alles in den Noten :))

    Sorry, aber für mich ist das ein Widerspruch! ...ohne das Instrument beherrchen zu lernen, stelle ich mir "Musik machen" mehr als schwierig vor!

    Gruß
    Dieter
     
  8. magick

    magick Kann einfach nicht wegbleiben

    Die musikalische Früherziehung funktioniert sehr lange ohne Noten. Meine Klavierlehrerin, die als Musikpädagogin sehr vielen Kindern Musik im Allgemeinen und Klavier im speziellen beibringt hat diverse Methoden des alternativen Unterrichts parat. Sie sagt Kinder gehen auch ganz anders an die Sache ran. Sie spielen innerhalb kürzester Zeit über die ganze Klaviatur, spielen nach selbst gemalten Bildern, lernen durch zuhören und nachmachen.
    Das Problem ist glaube ich eher die Erwartungshaltung von Späteinsteigern, die völlig kopfgesteuert, sich auf solche Konzepte nicht einlassen wollen oder gar können.
     
  9. Gelöschtes Mitglied1288

    Gelöschtes Mitglied1288 Guest

    Hallo und guten Morgen,

    zuerst einmal muss ich sagen ist der Lernansatz von macpom klasse. Ich versuche im Unterricht und Workshops genau das zu vermitteln: Musik machen!
    Jedoch ist dafür natürlich zumindest eine grundlegende technische Kompetenz auf dem Instrument wichtig. Wie schon gesagt wurde: ich kann kein Lied spielen, wenn ich nicht weiß, wie ich ein Ton aus dem Sax rauskriege ...überspitzt formuliert. Auch richtig ist, dass viele, vor allem jugendliche Schüler in Big Bands und Orchestern spielen und deshalb Noten lesen müssen.

    Das Notenlesen, vom Blatt spielen ist ja nichts Falsches und auch nicht zu verteufeln. Schlimm wird's, wenn ein Musiker stur die Noten abspielt, wie mein Computer das z.B. auch kann.

    Generell sollte jeder von uns, egal ob Anfänger oder Profi beides mischen: Noten lesen, also z.B. Blattspielübungen, Transkritpionen, Technik etc. spielen und aber auch und vor allem auswendig spielen, nach Gehör spielen. Denn nur so lernt man sich wirklich auf die Musik einzulassen und eben Musik zu machen und keine Notenreproduktionsmaschine zu sein.

    In diesem Sinne, viele Grüße und einen schönen Tag,
    Andy

    P.S.: Hab da was Interessantes gefunden http://www.youtube.com/watch?v=A13_QGMtlRE
     
  10. Gast

    Gast Guest

    Hallo!
    Lies mal das folgende Buch:
    Das wohltemperierte Gehirn
    Wie Musik im Kopf entsteht und wikt
    von Jourdain
     
  11. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    Nach Noten spielen ist doch wie ein Buch vorlesen.

    Wer einfach die Buchstaben zu Worten und die Worte zu Sätzen verbindet und das ohne zu verstehen, was er da (vor)liest wird nie die volle Schönheit und/oder eigene Interpretation der Literatur erleben oder vermitteln.

    So auch beim "nach Noten" spielen. Mechanisch/richtig oder mit Verständnis und "Gefühl".

    tmb
     
  12. GelöschtesMitglied3606

    GelöschtesMitglied3606 Guest

    Ich finde alle "unkonventionellen Ansätze" zum Instrumentalunterricht eigentlich spannend. Ich experiementiere da in meinem Unterricht auch gerne und bin jedes mal wieder überrascht wie weit Kinder da mitgehen. Es gibt mE nur ein großes Problem und das besteht darin, dass die Kinder (wenn der Wunsch von ihnen selber kommt) grundsätzlich ein Instrument lernen wollen und keine Musik. Sie sagen nicht: "Ich will Harmonielehre verstehen und somit tief in die Musik eintauchen", nein, sie sagen: "Ich will Saxophon/Tuba/Contrabass lernen"! Und dafür bedarf es eines Instrumentes. Und jetzt kommt der knifflige Punkt: für eines müsste ich mich entscheiden. Bei, im schlimmsten Fall, 22,5 Min. Unterricht die Woche bleibt nicht viel Zeit, d.h.: entweder oder. Und dabei sollte man auf die Wünsche des Schülers eingehen.

    Und die Behauptung:

    "Was nützt das schönste Stück vom Blatt gespielt, wenn ich gar nicht weis (sic) was ich da spiele.",

    kann man natürlich vertreten, keine Frage, aber ich behaupte mal andesrum:

    "Was nützt einem, wenn man weiß was man da spielt und dann aber keine Musik draus macht."

    Denn im Endeffekt macht man das ja für irgendeine Form der Präsentation und ich habe noch keinen Künstler auf der Bühne erlebt, der mir haargenau das Stück auseinander gepflückt hat und dann gar nicht oder schlecht gespielt hat.

    lG
     
  13. macpom

    macpom Ist fast schon zuhause hier

    Es fällt mir schwer mein Anliegen richtig zu formulieren. Es ist unstrittig, dass jeder die
    Technik lernen muss. Das erlernen der Noten sollte später natürlich auch dazu kommen.
    Ich spiele derzeit mit verschiedenen Leuten zusammen. Auch nach 10 und mehr Jahren incl. Unterricht, scheitern viele schon am Grundtonverständniss. Warum eine Quinte eine andere Spannung als eine Sekunde erzeugt, Schulterzucken. Die Spieltechnik wird immer mehr verfeinert, aber ohne Noten bleibt dann oft eine große Leere.
    Seid 1 Woche haben wir ein Klavier. Ich sage zu meiner Tochter: "Spiele nur mit den weißen Tasten und beziehe dich beim Spielen auf diese Taste(C). Da kommt die Musik zur Ruhe. Probiere einfach etwas rum." Nach 5 Minuten macht sie Musik.

    Ich möchte auch dass meine Kinder keine dressierten Spielmaschinen werden. Die sollen Musik fühlen und erleben.

    Andreas

     
  14. Gelöschtes Mitglied1288

    Gelöschtes Mitglied1288 Guest

    Richtig, ich muss nicht wissen, was ich spiele, sondern fühlen, dass ich Musik mache...behaupte ich jetzt mal ganz mutig :)

    Ich erinnere mich noch gut an eine Szene im Harmonielehreunterricht an der Hochschule: ca. 15 Studenten saßen im Kreis und wir mussten reihum die Akkorde eines Standards aufsagen....ich kam mir noch nie so fehl am
    Platze vor und hab mich gefragt, was ich nun mit diesem erworbenen "Wissen" anfangen sollte.

    Also meine Schüler wollen natürlich in erster Linie das Instrument erlernen, wollen Saxophon spielen. Aber dieses Lernen und Lehren mache ich doch anhand von Musikstücken, oder? Und kann das doch mit dem Lesen von Noten, sowie Nach-Gehör- und Auswendig-Spielen tun.
    Okay ich habe neulich von einem Sax-Lehrer gehört, bei dem die Schüüler die ersten zwei Jahre ausschließlich Ton- und Fingerübungen spielen, keine einzigen Song! Das ist kein Scherz aber sicherlich ein extrem krasses Beispiel.

     
  15. Dieter_B

    Dieter_B Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Andreas
    Hier kann ich dir folgen und halte das auch für eine sehr gute Ergänzung. Immerhin ist die Harmonie-Lehre(!) aus der Musik entstanden und nicht umgekehrt!

    Gruß
    Dieter

     
  16. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    ...und nur mit den schwarzen Tasten kommt auch Musik raus. Andere halt.


    Und wenn Deine Tochter (oder wer auch immer)nun das Experimentieren anfängt und sich über die "Vorschrift" (bitte verstehe mich da jetzt nicht falsch!)hinwegsetzt und weiß und schwarz "nach Gefühl" kombiniert, dann wird's richtig spannend!

    Cheerio
    tmb
     
  17. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem

    Das kann ich mir sehr gut vorstellen. :)

    Es gibt ja leider kaum eine Möglichkeit die Lehrkonzepte am Erfolg zu messen.

    Gefühlt würde ich behaupten, dass herausragende MusikerInnen im Promillebereich liegen.
     
  18. Mugger

    Mugger Guest

    Hallo,
    Das Thema ist so weitläufig, dass man, wenn man wirklich konkret diskutieren will, einige Studienzweige absolviert haben sollte.
    Man sollte z.B. über harmonikale Grundlagen, Disposition des Gehörs Bescheid wissen. Natürlich gibt es auch da viel zu diskutieren.
    Ich empfehle hier das Buch "Der messbare Einklang".

    Grüßle
     
  19. saxhornet

    saxhornet Experte

    Ich verstehe nicht ganz was Du damit sagen willst?
    Wenn man Jazz spielen will muss man erstmal lernen die Musik zu kopieren und zu interpretieren, ähnlich wie bei einer Sprache. Ansonsten fehlt einem das Verständnis und das musikalische Wissen um Jazz spielen zu können. Einfach Noten vom Blatt abspielen ist nicht automatisch das Gleiche wie Jazzmusik wirklich zu spielen, denn dazu gehört auch die Fähigkeit zu improvisieren.
     
  20. saxhornet

    saxhornet Experte

    Manchmal ja und manchmal nein. Ein guter Lehrer kann Dich wenn Du übst und lernwillig bist auf einen ganz anderen Level heben. Ein schlechter Lehrer kann Dich in der Entwicklung leider sogar bremsen.
     
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