Die Jazzer und die Drogen

Dieses Thema im Forum "Off Topic - für Philosophen, Esoteriker etc" wurde erstellt von Reference54, 8.Februar.2015.

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  1. Reference54

    Reference54 Ist fast schon zuhause hier

    :D:D:D

    @ppue : Jetzt klappts
     
  2. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    D.h., im Prinzip sind die berühmten Musiker, besonders im Rock- und Jazzbereich, allesamt kaputte Typen ? Könnte man annehmen, wenn man den Thread hier so liest.

    Trägt vielleicht, ungeachtet der sozialen Herkunft, das Musikmachen an sich zur verstärkten Drogen-Konsum-Bereitschaft bei ? Kann es sein, dass durch die ständige übersinnliche Wahrnehmung/Gefühlsschwingung in der Musik seelische Tore geöffnet werden, die das Verlangen nach Drogen nach sich ziehen ? :cool2:
     
  3. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja, das ist einer von vielen Punkten, wenn auch nicht der wichtigste. Der Posaunist Bob Brookmeyer hat das gut beschrieben, wie die Musiker auf der Bühne zum Höhepunkt (durchaus dem sexuellen vergleichbar) kommen und wenn der Gig gelaufen ist, nicht mehr runter kommen. Sie wollen die Ekstase verlängern oder "cool" werden, so seine Worte. Bei beidem helfen ihnen die Drogen.
    Die zwei wichtigsten Gründe zur Bebop-Zeit waren wohl die soziale Herkunft der Musiker aus dem Schwarzenghetto und die ständige Verfügbarkeit von Drogen in den Clubs.
     
  4. Rick

    Rick Experte

    Meiner Ansicht nach sollte man erst mal sauber definieren, was man überhaupt unter "Drogen" versteht. Ganz allgemein kann man darunter nämlich alles subsumieren, was man so einnimmt, um sich besser oder "anders" zu fühlen, angefangen von den natürlichen Bestandteilen unserer Nahrungsmittel (Zimt, Ingwer, Kakao, Kaffee, Tee, Bananen, Rohrzucker, Chili usw.) über bestimmte Medikamente (Tranquilizer, Schmerzmittel, Hopfen, Baldrian, Johanniskraut...) bis hin zu den bewusstseinsverändernden Stoffen (Alkaloide jeder Art).

    Weiterhin sollte man zwischen "Drogenkonsum" und "Drogenproblem" unterscheiden. Glaubt man seriösen wissenschaftlichen Untersuchungen (und keinem Propaganda-Hype), dann ist der Konsum von Drogen in allen Gesellschaften alltägliche Normalität, lediglich die Dosierung entscheidet zwischen "Lebenshilfe" und "Problem".
    Man wäre wahrscheinlich erstaunt, wie viele Mitmenschen, die neben uns völlig unauffällig agieren, von Kaffee, legalen Schmerzmitteln, aber auch von Kokain, Amphetaminen und anderen Aufputschmitteln abhängig sind.

    So hatten die Musiker, die bereits in ihrer Kindheit/Jugend mit stark suchterzeugenden Stoffen wie Heroin "angefixt" worden waren, eigentlich eher Probleme OHNE als MIT Drogen. Charlie Parker konnte üblicherweise mit Heroin super spielen, doch wenn er mal keines bekam, dann begann die Hölle, er ordnete alles der Suche nach einen Dealer unter, war unzuverlässig, versetzte sein Sax usw.
    Das Schlimme war genau genommen nicht die entspannende, berauschende Wirkung, sondern es waren die Begleitumstände, wie die Sucht und die staatlich gelenkte Verknappung (um der Mafia bessere Geschäfte, höhere Gewinnspannen zu ermöglichen???).

    Und warum jetzt besonders Musiker?
    Meiner Ansicht nach hat es mit dem Stress zu tun, Abend für Abend auf der Bühne Höchstleistungen vollbringen zu müssen, das Publikum mitreißen und nicht enttäuschen zu wollen. Die Erwartungshaltung gerade gegenüber Stars ist immens. Ich habe das mal mit Pornodarstellern verglichen - diese müssen auch ständig große Leidenschaft vorspielen, sogar körperlich, selbst in dieser Branche funktioniert das nicht ohne Hilfsmittel (Gleitcremes, Viagra, wer-weiß-was-noch-alles...).
    In der Pop-Musik, aber auch in der Klassik sind sowohl Aufputschmittel (vor dem Konzert) als auch Beruhigungsmittel (eher danach zum Runterkommen) gleichermaßen verbreitet. Früher hat man sich die auf dem Schwarzmarkt besorgt, heute bekommen viele vom Psychiater oder Hausarzt entsprechende Rezepte.
    Merke: Es gibt keine illegale Droge ohne teilweise wesentlich stärkere legale pharmakologische Entsprechung; Kokain, Heroin und sogar Methamphetamin (Crystal Meth) waren vor hundert Jahren absolut gängige Medikamente! :-o

    Jazzmusiker hatten/haben meist andere Probleme, sie müssen nicht Rock&Roll-mäßige Höchstleistungen für eine erlebnishungrige Meute vollbringen, sondern eher Abend für Abend stundenlange Gigs auf relativ gleichbleibendem Level durchstehen. Dafür sind bis heute Cannabinoide und mäßiger Alkoholkonsum gängig.

    Überall macht die Dosis das Gift: Auffällig sind nur die Extreme, doch viele Menschen können unter dem Einfluss von allem Möglichen noch ausreichend "funktionieren", ohne dass es jemand groß bemerkt.
    Und wären nicht manche Substanzen aus irrationalen Gründen illegal, würde wahrscheinlich kaum ein Hahn danach krähen.

    Nicht vergessen: Auch Koffein ist eine auf vielerlei Art wirksame Droge, Zucker ebenfalls (und sogar deutlich gesundheitsschädlicher als Cannabis!), über Alkohol brauchen wir wohl nicht zu reden - Deutschlands Volksdroge Nr. 1.
    Übrigens war vor einigen Jahrhunderten schon mal Tabak verboten und konnte nur illegal gehandelt sowie konsumiert werden. Genützt hatte das Verbot natürlich nichts, wie jedes andere auch seither, bei Verboten geht es immer nur um Politik und Macht. :roll:


    Schöne Grüße,
    Rick
     
    Zuletzt bearbeitet: 9.Februar.2015
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  5. Brille

    Brille Strebt nach Höherem

    So darf das nicht unwidersprochen bleiben. Finde ich.

    Aha, Zucker und Zimt. Damit dröhne ich mich nun zu angesichts meines grippalen Infektes. Aha, die Freigabe aller Drogen löst das Problem. Ich halte solche Aussagen für nicht haltbar. Aber ich glaube nicht, dass man diesen Fred nun damit aufpumpen sollte.....

    Leider gibt es für solche "pseudosozialromantischen" Ansätze und Behauptungen keine belastbaren Belege. Aber es klingt erstmal interessant....

    Da die Diskussion um Drogenart, - konsum, etc. extrem komplex ist, im Allgemeinen dogmatisch und irrational geführt wird, glaube ich nicht, dass dies hier eine halbwegs geeignete Stelle ist, um Sachargumente seriös auszutauschen

    Brille
     
    Zuletzt bearbeitet: 10.Februar.2015
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  6. ppue

    ppue Mod Experte

    Hat er das geschrieben?

    Ich finde die Gedanken von Rick nicht pseudosozialromantisch. Ganz im Gegenteil, versuchen sie eine andere, neutralere Sicht auf das Thema Drogen, eine Sicht ohne Vorverurteilung. Das ist viel wert in solch einer Diskussion und eben nicht
    Was ist Droge und was nicht? Ich halte z.B. Nikotin für eine harte Droge. Das weiß der, der mal einen Entzug versucht hat.

    Die Frage, wie eine Gesellschaft eine Droge einschätzt, welche "erlaubt" ist und welche tabuisiert ist, ist sehr spannend. Die Freigabe von Drogen löst nicht alle Probleme, aber die Enttabuisierung hat immer positive Folgen: Rückgang der Drogenkriminalität, keine gepanschten und verunreinigten Drogen mehr, bessere Kontrolle des Marktes und ein offener Umgang mit den negativen Auswirkungen der Droge.

    Ich wüsste nicht, warum man das hier nicht diskutieren kann.

    Aber auch nicht vergessen: Die Prohibition hat uns den Chicago Jazz der 1920er Jahre gebracht, denn die arbeitslosen Musiker aus dem Süden kamen hier hin, um in den illegalen Hinterzimmern der Kneipen zu spielen, wo der Alkohol ausgeschenkt wurde. Die Kriminalisierung hat also auch ihre guten Seiten (-;
     
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  7. mato

    mato Strebt nach Höherem

    Das klingt ja so, als wäre Nüchternheit das Problem. Charlie Parker hat Entzug gehabt und konnte deswegen nicht spielen.
    Dass Drogen bei vielen Musikern so eine große Rolle spielte, liegt wohl auch daran, dass die "Genies" oft sehr sensibel waren und dadurch einen Hang zur Realitätsflucht hatten. Außerdem gab es noch nicht so eine Aufklärungarbeit wie heute, und Heroin wurde als weniger gefährlich angesehen als es war.

    Ich glaube nicht daran, dass regelmäßiger Drogenkonsum, egal welcher Art das Spielen langfristig verbessert oder beflügelt.
     
  8. ppue

    ppue Mod Experte

    Sicherlich war für Parker die Nüchternheit das Problem. Nicht selten hat er für den Stoff sein Saxophon zum Pfandleiher gebracht und musste dann auf irgend welchen Gurken spielen.

    Parker soll selber gesagt haben, dass er meinte, er könne besser spielen, wenn er high ist, dann aber fest gestellt habe, dass die Aufnahmen, die er nüchtern gemacht hat, immer die besseren gewesen wären.

    Ich weiß nicht mehr, wo ich das her habe. Können auch so Geschichten sein, die man sich erzählt.
     
  9. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Hi mato,

    genau so verstehe ich Rick.

    Das sehe ich auch so.

    LG Helmut
     
  10. DiMaDo

    DiMaDo Ist fast schon zuhause hier

    Und Alter schützt vor Torheit nicht!
    Ich muss zugeben dass ich - speziell wenn ich als Keyboarder unterwegs bin - immer komplett nüchtern und drogenfrei bin.
    Aber dann hab ich mit einem SpinOff der Blaskapelle meiner Frau gespielt - alles alte Säcke ab 70 aufwärts mit mehr als 50 Jahren Spielerfahrung.
    Und das erste was es auf einer Probe gab - 2 oder 3 Kurze auf Ex. Zum "schmieren" ;-) Da lässt man sich ja nicht lumpen. Der Zeilsicherheit auf den Tasten tut das nicht gut, definitiv. Aber dem Swingfaktor schon...

    Trotzdem hab ich das nicht zu meinem Standard-Verhalten übernommen :)
     
  11. kokisax

    kokisax Strebt nach Höherem

    Hast Du jetzt auch schon was intus?
    Wegen der "Zeilsicherheit", meine ich.
    Bist in der "Zeile" auf den Taststur verrutscht....
    He,he.

    kokisax:duck:
     
  12. DiMaDo

    DiMaDo Ist fast schon zuhause hier

    Nope - ausser man zählt Grünen Tee zu Drogen. ;-)
    Lebensregel meiner großen Tochter: Kein Bier vor Vier... Und keine harten Sachen vor Einbruch der Dunkelheit.
    (aber keiner sagt in welcher Zeitzone!!!)

    :pint:
     
  13. gefiko

    gefiko Strebt nach Höherem

    Was ein USA-Musiker dazu sagt:



    Übrigens: C.Parker hatte Heroin zuerst als schmerzstillendes Mittel genommen.....
     
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  14. Rick

    Rick Experte

    Hallo Brille,

    dass Dich vielleicht Zucker und Zimt nicht mehr "zudröhnen", mag am Gewöhnungseffekt liegen.
    Tatsächlich stellen wir unsere Kinder von klein auf mit Drogen wie Kakao ruhig, putschen sie mit Traubenzucker auf und machen ihnen vor, dass wir täglich morgens unbedingt unsere Tasse starken Kaffees benötigen, um wach zu werden.
    Mein Sohn liegt nicht bekifft in der Ecke - er konsumiert jede Menge Energy-Drinks, um sich für seine Ausbildung fit zu machen. Was ich genauso kritisiere, wie ich es im anderen Fall tun würde.

    Das "Alltagsdoping" ist vielleicht heute so verbreitet wie noch nie, wir wollen uns wie Maschinen beherrschen, morgens wach machen, abends abschalten, zwischendurch gesellschaftskompatibel halten - die erschreckende Verbreitung von Amphetaminen wie Ritalin und Co. mit dem ausdrücklichen Einverständnis von Ärzten und sogar Eltern bereits unter Schulkindern ist Beweis genug dafür, dass wir eine Drogengesellschaft sind.

    Und ich halte jedes Drogenverbot für extrem schädlich, aus den von PPue genannten Gründen, denn es lässt die Drogen nicht wie von Zauberhand verschwinden, es entzieht den Handel und Konsum lediglich der öffentlichen Kontrolle - mit den bekannten negativen Effekten wie Qualitätsschwankungen (die bei Heroin in der Regel zum "Goldenen Schuss" durch ungewollte Überdosierung führen), Beimischung schädlicher "Gewichtsstoffe" (Scheuerpulver usw.), weit überhöhten Preisen, die Süchtige in den sozialen Abstieg treiben, und dadurch maßlosen Gewinne der Schmuggelringe an Steuern, Zöllen usw. vorbei.

    Es gibt für Prohibition jeder Art kein nachvollziehbares, logisches Argument, das der Überprüfung standhält - außer der Unterstützung internationaler Schmuggelbanden, die wahrscheinlich Politiker bestechen.
    Wer für Drogenverbote ist, will den "War on Drugs" erhalten, der in zahlreichen Ländern unzählige Opfer gefordert hat und ganzen Staaten wie Mexiko und Kolumbien unermesslichen Schaden zufügte.

    Umgekehrt wird ein Schuh draus: Es gibt inzwischen mehr als genug Belege für das Scheitern der Prohibition, ihr Nutzen hat sich nirgends erwiesen.
    Wer dennoch, wider besseres Wissen, an Drogenverboten fest hält, ist entweder ein naiver Gesetzes-Romantiker, der schlicht alles glaubt, was ihm die Obrigkeit erzählt, oder er will einfach nur die einflussreichen Drogenbanden unterstützen. Dazwischen gibt es nichts.


    Schöne Grüße,
    Rick
     
    Zuletzt bearbeitet: 10.Februar.2015
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  15. Brille

    Brille Strebt nach Höherem

    Lieber Rick, auf diese doch sehr wild zusammengewürfelten Thesen, Vermutungen und Behauptungen deinerseits möchte ich hier nicht weiter reagieren, da es in diesem Fred um ein konkretes Thema gehen sollte und nicht um unsere subjektive Weltsicht, finde ich. Viele Grüße Brille
     
  16. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Also Rick,

    über Deine Sicht zu Drogen zu diskutieren gehört hier nicht hin. Nur DAS, finde ich, kann man so nicht stehen lassen.
    Eine Abschaffung jedes Drogenverbots ist in Deutschland aktuell gesellschaftspolitisch nicht durchsetzbar. Keine Partei könnte mit solch einer Forderung mit zusätzlichen Wählerstimmen rechnen.

    CzG

    Dreas
     
    Rick gefällt das.
  17. Rick

    Rick Experte

    Hallo Brille, hallo Dreas,

    die Kriminalisierung/Liberalisierung von Drogen ist natürlich hier nicht das Thema, ich wollte auch keine entsprechende Debatte lostreten, sondern nur den Blick auf die Problematik hinter der meiner Ansicht nach scheinheiligen aktuellen Drogenpolitik richten.

    Wie gesagt:
    Wir "dopen" uns von morgens bis abends, der eine tut es mit frei verkäuflichen, der andere mit rezeptpflichtigen oder sogar verbotenen Mitteln.
    Symptomatisch ist für mich der Fall von Michael Jackson, der sich von seinem Leibarzt ständig irgendetwas geben ließ, wenn er nun leistungsfähig für Proben und Auftritte sein wollte oder hinterher Ruhe und Schlaf benötigte. Aufgrund seiner körperlichen Gewöhnung musste man ständig die Dosis erhöhen - bis er schließlich von seinem Beruhigungsmittel sanft entschlummerte und nie wieder aufwachte... :-(

    WÄRE er jedoch wieder aufgewacht, dann hätte er es vielleicht noch jahrelang so weiter gemacht, seinen Körper wie eine Maschine behandelt. Und Jacko war damit nicht allein, ähnlich wie er treiben es sehr viele unserer Zeitgenossen.

    Mit anderen Worten:
    Es ist gesellschaftliche Normalität, sich absichtlich in irgendeinen Zustand zu versetzen, sich für die jeweiligen Erfordernisse fit zu machen.
    Auffällig sind wie gesagt nur die Extreme, wenn es eine Überdosierung gibt, die zu unerwünschtem Verhalten oder sogar zu körperlichen Schädigungen bis hin zum Tod führt.

    Hallo Peter, ich glaube auch, dass er es das so gesagt hat - aber dass es trotzdem nicht der Wahrheit entspricht. Da hat er wohl in einem Interview das gesagt, was die Leute hören sollten, dass nämlich kein Mensch durch Drogen besser spielt.
    Parker hat sich besonders gegen Ende seines Lebens, als er mitansehen musste, wie einige hervorragende Musiker durch sein Vorbild auf Heroin gekommen waren und dann an Überdosierungen starben, sehr für seine Drogensucht geschämt und versucht, alles dafür zu tun, dass nicht noch weitere in diesen Sog gerieten.

    In Gefikos aufschlussreichem Video weist Gary Bartz sehr zu Recht auf die Gruppendynamik unter den jungen Modernisten damals hin, die wohl nicht zuletzt von Parker verursacht worden war. Man war jung, hip, anders, intellektueller, virtuoser als die "molden figs", die "verschimmelten Feigen", wie man die "alten" Swinger, die Traditionalisten, abfällig nannte.
    Bird war ein Idol, er wurde kopiert, nicht nur musikalisch, auch in seinem Stil, seinem Verhalten, bis hin zum Heroin-Fixen.

    Allerdings war keinem seiner begeisterten Nachahmer die Hintergrundgeschichte bewusst, dass Parker bereits als Jugendlicher an die Nadel geriet, zu der Zeit, als die Mafia auf der Suche nach neuen Einnahmequellen und Märkten die arme Großstadtbevölkerung systematisch süchtig machte: Man verteilte das Heroin zuerst quasi kostenlos, dann erhöhte man die Preise analog zur steigenden Nachfrage, und aufgrund des hohen Suchtfaktors züchtete man sich so eine treue Kundschaft heran, die schließlich alles tat, bis hin zur sogenannten Beschaffungskriminalität, um nur ihre Sucht befriedigen zu können. (Sehr anschaulich geschildert in dem von PPue empfohlenen Buch "Sozialgeschichte des Jazz" von Ekkehardt Jost)

    Charlie Parker nahm da also keine "Partydroge", um "gut drauf" zu sein, sondern er BRAUCHTE das Schmerzmittel, um keinen extrem schmerzhaften Entzug zu erleiden. Wenn er einen zuverlässigen Dealer hatte, der ihn mit gleich bleibender Qualität versorgen konnte, nahm er so viel, um ein gleich bleibendes Level zu erreichen, er "bedröhnte" sich also nicht, sondern sorgte nur für einen beschwerdefreien Zustand - ähnlich einem Diabetiker, der sich regelmäßig Insulin spritzt.
    So war er auch in der Lage, seine berühmten Solos zu spielen.
    Wenn er zu viel erwischte, aufgrund der Qualitätsschwankungen auf dem Schwarzmarkt, dann geriet er natürlich in einen Rauschzustand, den er aber wahrscheinlich überhaupt nicht beabsichtigt hatte. Dann lag er in einer Ecke und verschlief den einen oder anderen Auftritt...
    Und wenn er keinen Dealer fand, etwa an der Westküste, dann erlebte er einen qualvollen Entzug, der zu den schlimmsten Aufnahmen seiner Karriere führte. :-(

    Die Jazzer wie Miles Davis, die durch Imitation Parkers an die Nadel gerieten, erlebten zunächst die euphorisierende, in Watte packende Wirkung des Morphins, bis sie durch die Sucht im Teufelskreis gefangen waren. Davis und der wiederum durch ihn beeinflusste Rollins schafften den Entzug, andere erwischten die gefürchtete Überdosis.
    Es ist natürlich klar, dass der Heroinrausch nicht ansatzweise so toll ist wie die Sucht und der Entzug schlimm, das sagt eigentlich jeder, der mal "drauf" war, den ich kenne. Deshalb ist Heroin eigentlich unter heutigen Musikern kein Thema mehr. Zum Glück - und nicht aufgrund des Drogenverbots, sondern rein zum Selbstschutz, durch Aufklärung und abschreckende Beispiele.


    Schöne Grüße,
    Rick
     
    Zuletzt bearbeitet: 10.Februar.2015
    Brille gefällt das.
  18. Brille

    Brille Strebt nach Höherem

    Wenn man "Straight Life" liest, ist man ziemlich erstaunt, mit welcher Selbstüberschätzung Art Pepper von sich und über sich spricht, sobald er "drauf" war. Er nahm sich als den Grõßtenund Tollsten war. Und in Wahrheit war er ne superarme Wurst mit einem fast grenzenlosen Talent. Meine ich.

    Grüße Brille
     
  19. Reference54

    Reference54 Ist fast schon zuhause hier


    Fantastisches Interview, danke !


    Ich liebe diese dynamischen Diskussionen in Foren, die, wie "normale" Diskussionen bei ein paar Bier immer von Thema zu Thema wandern ... In Foren nennt man das schnell off-topic, dabei ist es doch schön wenn viele Blickwinkel beleuchtet werden, irgendwann schließt sich der Kreis schon wieder =)
     
  20. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Bevor hier die Ideen weiter aufblühen wie Hanf im Sommer, sollten evtl einige Begrifflichkeiten geklärt werden.
    Die WHO fast den Begriff Droge recht weit (und ursprünglich): Ein Stoff, der die Funktionen in einem Lebewesen verändern kann.
    Nach dieser Definition ist Kaliumcyanid eine Droge, genau wie Koffein, Nicotin, Psilocybin,Muscarin,Opium, Alkohol, Klebstoff...und meinetwegen auch Zucker und Zimt.
    Anhand der Aufzählung sieht man schon: Vor Gott sind alle Menschen gleich, aber nicht alle Drogen sind gleich.
    Bevor man sich also um generelle Duldung oder Verbote Gedanken macht, sollte man sich jede einzelne Substanz ganz genau angucken.
    ---------
    OK, jetzt kommt ein wenig Arbeit dazwischen.
    Also ganz kurz noch die Frage, ob man den freien Verkehr von KCn nicht doch gestatten sollte ? :)

    Cleane Grüße quax
     
    bluefrog gefällt das.
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